GZ. E12 237.360-0/2008-8E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des Herrn M.K., geb. 00.00.1975, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.04.2003, FZ. 02 03.017-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 03.12.2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76, als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 31.1.2002 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz.
Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates Türkei brachte er im erstinstanzlichen Verfahren (zusammengefasst dargestellt) vor, dass er von 1999 bis zur Ausreise als Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde tätig war. Im Juni 2001 seien dem Unterstützungsverein für verlassene Kinder Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt worden. Der BF kam aber in weiterer Folge dahinter, dass dies nur ein Vorwand war. In Wahrheit sei dies nur die Tarnung für die Basisarbeit der Hizbollah gewesen. Als der BF den Verein damit konfrontierte, sei er mit dem Umbringen bedroht worden, falls er die Information weitergäbe. Er habe dann im September 2001 Anzeige bei der Polizei erstattet. Als die Polizei eine Razzia durchführte, wurde dieser mitgeteilt, es gäbe gar keinen Verein, man hätte das Haus vielmehr im Namen des BF eröffnet. Vor der Gerichtsverhandlung sei er entführt und eine Woche festgehalten worden .Dies habe er dem Staatssicherheitsgericht auch mitgeteilt. Nach der ersten Gerichtsverhandlung habe er wegen der Probleme mit der Hizbollah einerseits und dem Staat andererseits, ohne die 2. Gerichtsverhandlung abzuwarten, das Land verlassen.
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das ausreisekausale Vorbringen im Wesentlichen deswegen als nicht glaubhaft, weil der BF einem völlig Fremden Unterstützung angedeihen ließ, ohne sich über die genauen Hintergründe des Vereins und dessen Absichten zu erkundigen. Noch unglaubwürdiger wertete die belangte Behörde den umstand, dass der BF nicht einmal Namen (Vereinsvorsitzender, Unterstützungswerber) angeben konnte. Weiters wäre für eine Untersagung der Vereinstätigkeit nur das Verbot des Bürgermeisters, der diesem Vorhaben zugestimmt und es ermöglicht hatte, einzuholen gewesen und es hätte absolut keiner angeblichen persönlichen Konfrontation bedurft. Es sei auch völlig unlogisch, dass die Polizei zuerst nach der Anzeige des BF etwas unternehme und er dann plötzlich ein Gerichtsverfahren anhängig habe, über das er absolut keine Angaben machen konnte und auch trotz Aufforderung keine Beweismittel beibrachte.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BAA gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt.
Gegen diesen Bescheid hat der BF innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Neben allgemeinen Ausführungen und Wiederholungen führte der BF durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen aus, dass die aktuelle politische Situation in der Türkei nicht einbezogen wurde. Der angefochtene Bescheid enthalte auch keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich Hizbollah und Auswirkungen des islamistischen Terrors auf die Bevölkerung. Der BF habe auch keine Möglichkeit gehabt, effektive staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, was er auch glaubhaft dargelegt habe. Wesentliche Teile des Staatapparates würden mit der Hizbollah selbst kooperieren. Auch die unterentwickelten demokratischen Strukturen hätten mitberücksichtigt werden müssen. Unrichtigerweise sei auch eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative angenommen worden, weil die Hizbollah landesweit agiere. Es sei auch kein konkretes Gebiet innerhalb der Türkei im angefochtenen Bescheid angeführt. Außerdem liege eine Verletzung des Parteiengehörs vor, weil die Frage der innerstaatlichen Fluchtalternative mit dem BF nicht erörtert wurde. Weiters habe sich das BAA nicht nicht über die genauen Hintergründe des Vereins und dessen genaue Absichten erkundigt. Weiters wurde beantragt, ein Gutachten zur aktuellen, allgemeinen politischen Situation, insbesondere der Heimatregion des BF und zum Verhältnis türkischer Staat/Hizbollah einzuholen.
Am 3.12.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, ergänzende Einvernahme des BF als Partei und Erörterung des Berichtes des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 11.9.2008 und 11.1.2007, EU-Kommission, Turkey, Progress Report, 5.11.2008 und Türkei Fortschrittsbericht 2007, 6.11.2007, Annual Report of the United States Commission Religious Freedom, Mai 2008, Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, 29.8.2008 und 31.12.2007, USDOS: Turkey, Country Reports on Human Rights Practices 2007, 11.3.2008 und USDOS: Turkey, International Religious Freedom Report 2008, 19.9.2008.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anzuerkennen hat, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen beweiswürdigenden Argumenten des BAA an, zumal der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 3.12.2008 durch zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten in seiner Aussage den Eindruck der Unglaubwürdigkeit noch untermauert hat, und zwar aus folgenden Gründen:
Trotz des langen verstrichenen Zeitraumes seit dem erstinstanzlichen Bescheid Im Jahr 2003 konnte der BF auch bei der Beschwerdeverhandlung vor dem Gerichtshof keine Unterlagen über seinen angeblichen Prozess in der Türkei vorlegen. Während sich der BF vor dem BAA überhaupt nicht an den Namen des Vertreters des Vereins erinnern konnte, fiel ihm vor dem Asylgerichtshof- immerhin weitere 5 Jahre später zumindest der Vorname dieses Mannes ein. Unglaubwürdig ist auch die angebliche Vertretung des Bürgermeisters durch den BF, da die Vertretungsbefugnis primär nicht einem einfachen Gemeinderat, sondern dem Vizebürgermeister zukommt. Gänzlich der allgemeinen Lebensgewohnheit und den Usancen im kommunalen Bereich widerspricht auch, dass vor Beginn des Mietverhältnisses kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wird. Es ist auch unlogisch, wenn der BF in diesem Zusammenhang behauptet, dass man sich den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung vorbehalten hätte. Unglaubwürdig ist weiters die Überlassung des Objektes an einen völlig Fremden, dessen Familienname nicht einmal bekannt ist und von dem man nicht einmal weiß, woher er das Geld für die Betriebskosten nehmen will. Es widerspricht auch jeglicher Lebenserfahrung, dass eine terroristische Organisation gerade die Nähe einer Gebietskörperschaft sucht, um in deren Nahbereich ihren Aktivitäten nachzugehen, zumal sie ja jederzeit mit dem Erscheinen des "Vermieters" in dessen Haus rechnen musste. Während der BF vor dem BAA noch den Eindruck zu erwecken versuchte, er sei als "Vertragspartner" des Vereins in Erscheinung getreten, stellte er dies vor dem Gerichtshof vielmehr so dar, wie wenn er den Vertreter des Vereins nur an den Bürgermeister weiter vermittelt hätte und dieser mit ihm die Details ausverhandelt habe. Unter diesem Aspekt ist es umso unglaubwürdiger, dass der BF später von der Hizbollah verfolgt worden sein soll, der Bürgermeister als direkter "Vertragspartner" hingegen nicht. Auch die Schilderung des BF, der Vertreter des Vereins habe ihn bei der Razzia der Beteiligung bezichtigt, er sei aber im Gegensatz zum Vertreter des Vereins nicht festgenommen worden, entbehrt jeglicher Glaubwürdigkeit. Aufgrund dieser Behauptung und des angeblichen Verdachtes der Polizei wäre sicherlich auch der BF zumindest vorläufig einmal festgenommen worden. Dass der BF von der Hizbollah 1Woche entführt worden sein soll, schildert er vor dem Gerichtshof nur sehr vage und allgemein, ohne auf Details einzugehen. Doch gerade bei einem derart einschneidenden Erlebnis wie einer Entführung ist es üblich, dass sich ein Opfer an jedes Detail erinnert und die Vorgänge oft sogar ausschweifend und sehr emotional schildert. Der BF allerdings zeigte bei seiner Aussage keinerlei Gefühlsregung geschweige denn erwähnte er auch nur irgendwelche detaillierte Anhaltspunkte. Auch, dass er nicht einmal versucht hat, staatlichen Schutz zu finden, spricht nicht dafür, dass es tatsächlich eine Entführung gegeben hat, zumal er ja jederzeit Angst vor weiteren Übergriffen hätte haben müssen. Auch die Angaben des BF, dass sein Strafverfahren eingestellt worden sei, weil sich der Vertreter des Vereins schuldig bekannt habe, ist unglaubwürdig. Selbst, wenn ein Täter ein Geständnis ablegt, wird das Verfahren eines 2.nicht automatisch eingestellt, ohne in dessen bereits anhängigem Verfahren zu klären, ob er nicht auch eine strafbare Handlung begangen hat. Diesfalls müsste der BF aber, was er wiederum bestreitet, mit Haftbefehl gesucht werden, weil er sich seinem laufenden Strafverfahren durch die Flucht ins Ausland entzogen hat. Tatsächliche Anhaltspunkte oder Beweise, dass es sich bei diesem Verein tatsächlich um die Hizbollah gehandelt haben sollte, konnte der BF jedenfalls nie liefern. Vielmehr gibt er als einzige Quelle für diese Behauptung angebliche Telefonate mit seinem in der Türkei lebenden Bruder an, ohne allerdings angeben zu können, woher der Bruder sein Wissen bezieht. Abgerundet wird die Unglaubwürdigkeit des BF noch dadurch, dass er nicht einmal wusste, dass die Hizbollah schon im Jahr 2000, also ein Jahr vor seiner Fluchtgeschichte in großangelegten Polizeiaktionen zerschlagen wurde. Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde die aktuelle politische Situation in der Türkei, was die Hizbollah betrifft somit miteinbezogen. Im übrigen erweist sich das Beschwerdevorbringen als sehr allgemein und nicht auf die konkrete Fluchtgeschichte des BF eingehend. Die angebliche aktuelle Bedrohungssituation des BF wurde auch nicht mit durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben dargetan. Es wurde lediglich global die Behauptung einer Bedrohung aufgestellt, obwohl der BF 5 Jahre Zeit gehabt hätte, Bescheinigungsmittel durch Dritte beizuschaffen. Aufgrund der eindeutigen Klärung der Sach- und Rechtslage sowie der aktuellen und hinreichend schlüssigen Quellen über die asyl- und abschieberechtliche Lage in der Türkei erwies es sich auch nicht als Notwendigkeit, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Den vom Bundesasylamt herangezogenen Berichten zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurde in der Beschwerde ebenfalls nicht konkret und substantiiert entgegen getreten .Änderungen der entscheidungsrelevanten Lage in der Türkei wurden dadurch berücksichtigt, dass dieser Entscheidung die o. a. aktualisierten Quellen zugrunde gelegt wurden.
Im Ergebnis ist es dem Beschwerdeführer mit dessen Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist er dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass der Beschwerdeführer entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihm dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.
Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. [.....]
(2) [.....]
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
[......]
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Zu Spruchpunkt I.:
1.) Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Art.1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).
Unter Verfolgung sind Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlich beschriebener Weise - betroffen ist.
Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl. zB. VwGH vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl. VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Gründe nicht gegeben.
Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen eine solche glaubhaft zu machen, weshalb die vorgetragenen fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Auch aus der allgemeinen Lage lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II.:
Gem. § 8 Abs AsylG hat die Behörde von amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), wenn ein Asylantrag abzuweisen ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
§ 57 Abs. 1 FrG besagt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Nach Abs. 2 ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung weiters unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre.
Unter Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen
§ 8 AsylG 1997 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit grds. derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).
Im gegenständlichen Fall ist es dem BF nicht gelungen, seine vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 57 FrG iVm § 8 AsylG 1997 im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.
Wenn auch in der Türkei für den BF eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.
Es wäre dem Beschwerdeführer als 33-jährigem, gesunden Mann zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Eltern, 8 Geschwister, etc.- erforderlichenfalls unter Anbietung seiner gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zumindest am Anfang könnte der BF wieder in der elterlichen Landwirtschaft und Imkerei wie auch schon vor seiner Ausreise mitarbeiten. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer 'Schatten- oder Nischenwirtschaft' stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.
Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 67 AsylG 2005 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in der Türkei gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten
geholfen(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/).
Im Rahmen des Projekts ERSO (European Reintegration Support Organisations), einer Kooperation von zwölf europäischen NGOs, findet auch nach der Rückkehr ein entsprechendes Monitoring statt (www.project-erso.eu).
Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für zulässig zu erklären, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.
III. Im gegenständlichen Fall ist im Gegensatz zu Art. 3 EMRK Art. 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 Asylgesetz 1997 in der hier anzuwendenden Fassung erfasst. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung nach § 8 Asylgesetz 1997; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zur Außerlandesschaffung durch die Fremdenpolizeibehörden vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).