TE AsylGH Beschluss 2008/12/29 D10 313182-2/2008

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Veröffentlicht am 29.12.2008
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Spruch

D10 313182-2/2008/2E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter MMag. Thomas E. SCHÄRF als Einzelrichter über die Beschwerde des S.A., geb. 00.00.1983, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.11.2008, FZ. 08 10.793-BAL, beschlossen:

 

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 4/2008 wird als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Russischen Föderation und nach eigenen Angaben der inguschetischen Volksgruppe zugehörig, reiste am 2. September 2005 mit dem Flugzeug von Moskau kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 3. September 2005 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

 

Der Beschwerdeführer begründete den oa. Antrag mit Problemen auf Grund von Blutrache in seinem Herkunftsland. Im Jahr 1998 seien zwei Brüder seines Vaters umgebracht worden, dieser habe dann seinerseits drei Brüder der anderen Familie getötet. Noch im selben Jahr sei schließlich auch sein Vater umgebracht worden und würden seitdem auch er und sein Bruder verfolgt.

 

Mit Bescheid vom 14. Juni 2007, FZ. 05 13.972-BAL, wies die Asylbehörde erster Instanz den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG 1997) ab, erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus.

 

Das Bundesasylamt führte begründend aus, das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers stütze sich ausschließlich auf Bedrohungen durch Privatpersonen und sei auf Grund der vorliegenden Länderinformationen nicht von mangelnder Schutzfähigkeit oder -willigkeit des der staatlichen Behörden auszugehen. Die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der behaupteten Bedrohung durch Blutrache seien überdies nicht glaubhaft, zumal er nach den vorgebrachten Vorfällen fast sieben Jahre unbehelligt in Inguschetien gelebt habe.

 

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation, stellte die belangte Behörde fest, eine (individuelle) Gefährdungssituation sei bereits unter dem Gesichtspunkt des Asyls verneint worden. Dem Beschwerdeführer sei eine Rückkehr möglich und zumutbar, und liege diesfalls auch keine Gefährdung iSd § 50 FPG 2005 vor. Der Beschwerdeführer leide auch an keiner Krankheit, die ein Abschiebehindernis iSd § 50 FPG 2005 darstellen würde.

 

Der Beschwerdeführer habe keine engen familiären Bindungen in Österreich und lägen auch keine Hinweise vor, dass durch eine Ausweisung in unzulässiger Weise in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen würde.

 

Die gegen oa. Bescheid erhobene Berufung wurde vom Bundesasylsenat mit Bescheid vom 29. November 2007, GZ. 313.182-1/6E-XVII/55/07, gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 abgewiesen. Der Bundesasylsenat schloss sich in der Entscheidung der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes vollinhaltlich an und führte im übrigen aus, der Beschwerdeführer sei dieser auch in seiner Berufung nicht substantiiert entgegengetreten. Seine fluchtkausalen Angaben seien nicht glaubhaft gewesen und sei für den Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung auch eine Gefährdung iSd § 50 FPG 2005 ausgeschlossen.

 

Dieser Bescheid ist am 30. November 2007 in Rechtskraft erwachsen.

 

Am 31. Oktober 2008 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen, neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 3. November 2008 gab der Beschwerdeführer an, er habe zwischenzeitlich auch in Spanien und Frankreich um Asyl angesucht und sei schließlich von deutschen Behörden "erwischt" und nach Österreich rücküberstellt worden. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, er habe "zu Hause wegen Blutrache flüchten müssen".

 

In der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt, EAST-West, vom 7. November 2008 beantragte der Beschwerdeführer einen Dolmetscher für die inguschische Sprache, bestätigte jedoch nach Rückübersetzung der Niederschrift deren Richtigkeit.

 

Der Beschwerdeführer gab an, er werde "in ganz Russland strafrechtlich gesucht", sein Bruder habe Blutrache geübt und "dabei eine Person mehr getötet, als es hätte sein sollen". An den Gründen habe sich seit der ersten Asylantragstellung nichts geändert. Das erste Verfahren sei falsch entschieden worden, weil es in Russisch geführt worden sei. Befragt, warum er nach erfolgter rechtskräftiger Entscheidung einen neuerlichen Antrag stelle, gab der Beschwerdeführer an: "Ich war bei der Caritas."

 

Der Beschwerdeführer legte als Beweis für die vorgebrachten Vorfälle des Jahres 2005 eine DVD vor, auf welcher nach dessen Angaben der tote Vater und Onkel zu sehen sind. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin auf die allfällige Möglichkeit eines Wiederaufnahmeantrags hingewiesen.

 

Der Beschwerdeführer führte weiters aus, er habe in Österreich nur einen weit entfernten Verwandten, den er erst in Österreich kennengelernt habe, und habe keine sonstigen Anknüpfungspunkte zu Österreich.

 

Mit hier angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Russland" aus. Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine neuen Fluchtgründe vorgebracht und sei seit der ersten Antragstellung keine Änderung des Sachverhalts eingetreten.

 

Auch am Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers habe sich nichts geändert und stelle sich auch die den Beschwerdeführer betreffende, maßgebliche Lage in dessen Herkunftsland seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens unverändert dar.

 

Die gegen diesen Bescheid gerichtete, am 15. Dezember 2008 (Datum der Postaufgabe) fristgerecht erhobene Beschwerde begehrt unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 und führt begründend insbesondere aus, der Beschwerdeführer werde "von der russischen Behörde gesucht" und sei sein Leben auf Grund von Blutrache in Gefahr. Der Beschwerdeschriftsatz enthält überdies eine ACCORD Anfragebeantwortung vom 14. Februar 2007 zum Thema Blutrache in Inguschetien. Der handschriftliche Teil der Beschwerde wurde in russischer Sprache verfasst.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird, keine aufschiebende Wirkung zu. Einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer solchen Entscheidung verbunden ist, kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie "vom unabhängigen Bundesasylsenat" (nunmehr im Sinne des Gesetzgebers des 3. Fremdenrechtpaktes wohl: vom Asylgerichtshof) zuerkannt wird.

 

Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 hat der Asylgerichtshof sofern gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen wird, dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Dass der seitens des Asylgerichthofes auf Grund der Bestimmung des § 37 Abs. 1 AsylG 2005 vorzunehmenden Prüfung im Ergebnis nicht Gewissheit über das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung im Falle der Abschiebung abverlangt werden kann, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung, da mit "Gefahr" regelmäßig nur ein potentielles Risiko beschrieben wird, andererseits aber auch aus dem Umstand, dass andernfalls bereits im Rahmen des Provisorialverfahrens über das Schicksal der erhobenen Beschwerde zu entscheiden wäre.

 

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die mit der zurückweisenden Entscheidung verbundene Ausweisung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; Sache des Beschwerdeverfahrens ist nicht nur die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausweisung, sondern auch über die der Ausweisung zu Grunde liegende zurückweisende Entscheidung des Antrages auf internationalen Schutz. Bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde - in Bezug auf die Ausweisung - handelt es sich daher um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

 

Im gegenständlichen Fall brachte der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe vor und legte lediglich neue Beweismittel (DVD) für den bereits im ersten Asylverfahren geltend gemachten Sachverhalt vor.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass sich die Situation in der Russischen Föderation seit Rechtskraft des oa. Bescheides (d.h. dem 30. November 2007) verstrichenen Zeit in für das gegenständliche Verfahren maßgeblicher Hinsicht wesentlich geändert hat Vom Beschwerdeführer wurde eine solche Änderung auch nicht behauptet, sodass basierend auf den diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde in ihrer Entscheidung vom 29. November 2007 davon auszugehen war, dass in der Russischen Förderation keine solche Situation, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2, 3 EMRK ausgesetzt wäre, vorherrscht.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 entfallen.

Schlagworte
aufschiebende Wirkung
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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