S10 403565-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau S.N., geboren am 00.00.1981, Staatsangehörigkeit Kasachstan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2008, Zahl: 08 11.292-EAST OST, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF) ist Staatsangehörige von Kasachstan. Sie reiste gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter S.M., geboren am 00.00.2006, und ihrem minderjährigen Sohn S.T., geboren am 00.00.2004, am 13.11.2008 illegal in Österreich ein und stellte am selben Tag für sich und als gesetzliche Vertreterin für ihre zwei Kinder je einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor den Organen der Polizeiinspektion Traiskirchen Erstaufnahmestelle (EAST) Ost am 13.11.2008 gab die BF im Wesentlichen Folgendes an:
Sie hätte gemeinsam mit ihren Kindern ihren Heimatort S. (Kasachstan) am 07.11.2008 mit der Eisenbahn nach Brest (Weißrussland) und Terespol (Polen) verlassen. In Terespol sei sie erkennungsdienstlich behandelt worden und ein Asylantrag für sie gestellt worden. Danach seien sie für drei Tage in Dembak im Lager einquartiert gewesen. Am 12.11.2008 abends seien sie, von Moslems unterstützt, in einem PKW nach Warschau gefahren und von dort per Bus nach Wien gefahren.
Als Fluchtgrund gab die BF an, dass sie zu Hause von den Uniformierten keine Ruhe habe, weil sie ununterbrochen nach ihrem verschollenen Mann fragen würden. Sein Name sei K.A., geboren am 00.00.1977, verschollen seit 2007, er sei Tschetschene. Weil sie den Glauben des Islam angenommen habe, wollten sie ihre Eltern in Kasachstan nicht und die Tschetschenen wollten sie nicht, weil sie Russin sei. Sie wisse nicht mehr, wohin sie mit den Kindern sollte. Ihr sei gesagt worden, dass sie ihre Kinder umbringen würden, wenn sie nicht verschwinde. Die zwei Kinder seien von Geburt an bei ihr, sie hätten keine eigenen Fluchtgründe und sie ersuche für sie um internationalen Schutz.
Gegen Polen spräche, dass sie dort keine Verpflegung und keine entsprechende Unterkunft bekommen hätten, dort wolle sie nicht hin.
1.2. Ein AFIS-Abgleich ergab, dass die BF bereits am 10.11.2008 in Lublin (Polen) im Zuge der Stellung eines Asylantrages erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die Erstbehörde richtete daher am 18.11.2008 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II-VO) an Polen betreffend die BF und ihre beiden Kinder. Da die erstinstanzliche Behörde ein Vorgehen nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) beabsichtigte, wurde mit Schreiben vom 19.11.2008, von der BF nachweislich übernommen am 20.11.2008 mitgeteilt, dass seit 18.11.2008 Konsultationen mit Polen gemäß Dublin II-VO geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte.
Mit Erklärung vom 20.11.2009 erklärten sich die polnischen Behörden gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Führung des gegenständlichen Asylverfahrens der BF und ihrer beiden Kinder als zuständig und zur Wiederaufnahme bereit.
1.3. Nach einer ärztlichen Untersuchung ("PSY III-Untersuchung") der BF am 26.11.2008 durch Dr. S. S., Fachärztin für Psychiatrie, stellte diese in ihrer gutachterlichen Stellungnahme fest, dass bei der BF aus aktueller Sicht keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung und auch keine sonstigen psychischen Krankheitssymptome vorlägen.
Die BF wäre zur Untersuchung mit ihren beiden Kindern gekommen und hätte ohne Frage die Umstände ihrer Flucht erzählt, wobei sie sich kaum durch Zwischenfragen unterbrechen hätte lassen. Sie hätte ihren Mann, der aus Tschetschenien stamme, in Kasachstan kennengelernt und geheiratet. Er sei strenggläubiger Moslem, deshalb sei sie wegen ihm zum islamischen Glauben übergetreten. Da ihr Mann gewollt hätte, dass die Kinder in seiner Heimat aufwachsen, sei die Familie nach Tschetschenien gereist. Dort hätte ihr Mann eine Entschädigung für das Haus haben wollen. Sie seien zum Passamt gegangen, um sich offiziell zu melden, seien aber vorläufig weggeschickt worden. Später seien uniformierte Männer gekommen, die den Mann verhört und bedroht hätten. Sie hätten wissen wollen, wo er 1994 im Krieg gewesen sei. In der Folge seien immer wieder Männer gekommen und hätten ihn bedroht und verdächtigt, er sei gar nicht in Kasachstan gewesen, sondern habe sich mit Rebellen in den Bergen versteckt. Einmal sei er dann zusammengeschlagen worden. Sie seien mit Hunden gekommen, einer der Hunde sei ihren Sohn angesprungen, seit dieser Zeit würde dieser Bettnässen und sei sehr aggressiv. Ihr Mann sei im Dezember 2007 verschwunden. Sie habe immer wieder mit den Verwandten nach ihm gesucht. Es seien dann auch Leute zu ihr gekommen und hätten sie bedroht, sie solle aufhören, nach ihrem Mann zu suchen, sonst passiere ihr auch etwas. Es sei aber zu keiner Gewaltanwendung gekommen. Sie sei nach Kasachstan gegangen, hätte dort aber nicht bleiben können, da sie dort auch nicht sicher sei, da sie Moslem sei. Sie hätte gehört, dass viele Familien aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet seien. Sie habe nachts gearbeitet, um sich das Geld für die Flucht zu verdienen.
Polen habe sie nach zwei Tagen verlassen, weil die Leute dort nicht nett zu ihren Kindern gewesen seien und sie auch nicht zu essen bekommen hätten.
Die BF hätte weiters angegeben, sie würde sich Sorgen um ihre Kinder machen. Die Tochter könne nachts nicht schlafen, da sie derzeit erkältet sei.
Der Sachverständige stellte beim Sohn während der Begutachtung der BF keine Auffälligkeiten fest.
1.4. Bei ihrer Einvernahme am 05.12.2008 in der EAST Ost im Beisein eines Rechtsberaters und eines Dolmetsch für die russische Sprache brachte die BF im Wesentlichen Folgendes vor:
Sie bestätigte ihre bisher gemachten Angaben, insbesondere, dass ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten. Sie hätten Pässe dabei gehabt, die ihnen aber in Polen abgenommen worden wären. Sie hätte die kasachische Staatsbürgerschaft.
Befragt zur beabsichtigten Überstellung nach Polen gab die BF an, dass sie dort zunächst in einem Zimmer untergebracht worden sei, wo auch Männer waren, das sei ihrer Religion nach verboten. Als sie dann auf ihre Bitte in ein anderes Zimmer verlegt worden wäre, sei dieses in einem sehr schlechten Zustand gewesen, sie hätte keine Bettwäsche gehabt. Andere muslimische Flüchtlinge hätten ihr gesagt, dass es in Österreich viel besser wäre und dass man dort allen Religionen gegenüber sehr tolerant sei. Auf die Frage, ob sei weitere konkrete, sie persönlich betreffende Gründe angeben könne, die dagegen sprechen würden, dass ihr (Asyl-) Verfahren in Polen durchgeführt würde, sagte die BF: "Ich weiß es nicht. Ich mache mir große Sorgen um mich und meine Kinder. Polen grenzt doch an Russland. Ich möchte gerne mit meinen Kindern hier bleiben." Sie meine damit, dass Russland sehr nahe sei und dass von dort Leute zurückgebracht worden seien und Leute in Polen auch umgekommen seien. Im Lager seien viele solche Dinge erzählt worden.
Auf Vorhalt der Länderfeststellungen zu Polen gab die BF an, dass viele von Polen nach Österreich kämen. Da müsse doch etwas nicht in Ordnung sein in Polen, sie wolle nicht schon wieder fahren müssen. Das sei auch für ihre Kinder sehr belastend.
1.5. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 11.12.2008, Zahl: 08 11.292-EAST OST, den Antrag der BF auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Polen zulässig sei.
Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person der BF, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zu ihrem Privat- und Familienleben und zur Lage im Mitgliedstaat Polen, insbesondere zum polnischen Asylverfahren (Rechtslage und Praxis), sowie zur allgemeinen und medizinischen Versorgung von Asylwerbern in Polen und zum Tschetschenen-Refoulement.
Festgestellt wurde weiters, dass die Ausweisung der BF weder einen Eingriff in Art. 3 noch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge EMRK) darstelle und dass weder bei der BF noch bei ihren Kinder medizinische Gründe einer Überstellung nach Polen entgegenstünden.
Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die gesundheitlichen Feststellungen auf der angeführten gutachterlichen Stellungnahme beruhten. Die Feststellungen betreffend den Verfahrensgang ergäben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Die Angaben der BF betreffend die Umstände in Polen seien nicht geeignet, die aus unbedenklichen und seriösen Quellen stammenden Länderfeststellungen zu Polen bezüglich der Behandlung und Versorgung von Asylwerbern in Polen in Frage zu stellen. Ihre Aussagen zur allgemeinen Sicherheit in Polen seien zudem lediglich auf Hörensagen gestützt und würden als Schutzbehauptungen und hypothetische Annahmen erkannt, die nicht geeignet seien, die Sicherheit in Zweifel zu ziehen. Bei einer Überstellung nach Polen sei nicht zu erkennen, dass der BF oder ihren Kindern die Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK drohen könnte.
1.6. Gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhob die BF für sich und als gesetzliche Vertreterin für ihre Kinder mit Schreiben vom 18.12.2008, eingelangt bei der Erstbehörde per Fax am selben Tag, gleichlautende Beschwerde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragte, für das weitere Verfahren zugelassen zu werden und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die BF begründete ihre Beschwerde mit Wiederholungen ihrer Angaben aus dem Verfahren. Bezüglich ihres Verfahrens in Polen gab sie an, dass sie nicht hätten feststellen können, ob überhaupt ein Verfahren geführt würde. Während der Anhaltung hätte es lediglich eine kurze Einvernahme gegeben, die Einvernahme hätte unter unglaublichem psychischen Druck unter unmenschlichen Bedingungen stattgefunden, es hätte keine verständliche Kommunikation gegeben. Die Sprachkenntnisse der Behörden hätten sich auf die polnische Sprache und einige Worte Russisch beschränkt, ein Dolmetsch sei nicht anwesend gewesen. Es hätte keinerlei Information über den Ablauf des Verfahrens und ihre Rechte und Pflichten während des Verfahrens gegeben. Es hätte keine Möglichkeit gegeben, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen oder um rechtliche Vertretung zu ersuchen. Dazu wurde aus diversen Berichten zum polnischen Asylverfahren und zur niedrigen Anerkennungsquote (angegeben mit etwa 1%) für russische, zu fast 100% tschetschenische Asylwerber auszugsweise zitiert und beantragt, dazu im Beweisverfahren weitere Ermittlungen zu führen.
1.7. Die Beschwerde langte am 29.12.2008 beim Asylgerichtshof ein.
2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:
2.1. Zu Spruchpunkt I.
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.
Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag eines Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese gemäß § 36 Abs. 3 AsylG auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Aus der Wendung in § 34 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, Familienverfahren seien "unter einem" zu führen, ist abzuleiten, dass diese - jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation - von derselben Behörde zu führen sind. Demgemäß gehen die Materialien zum AsylG 2005 davon aus, dass Ziel der Bestimmungen des § 34 AsylG sei, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, ohne ihnen ein Verfahren im Einzelfall zu verwehren. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, solle "dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden" (Erläuterungen zur RV, 952 BlgNR XXII. GP; vgl. zu § 10 Abs. 5 AsylG 1997 - bezogen auf die Frage der Zulassung - auch VwGH 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402).
Die Dublin II-VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Gemäß Art. 14 lit. a Dublin II-VO ist für den Fall, dass mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig einen Asylantrag stellen, für die Prüfung der Asylanträge sämtlicher Familienmitglieder der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils der Familienmitglieder zuständig ist.
Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wiederaufzunehmen.
2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II-VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II-VO bzw. dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II-VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO eingeleitete Aufnahmeersuchen an Polen erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Antrages auf internationalen Schutz durch die BF (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO).
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO besteht. Polen hat mit Schreiben vom 20.11.2008 ausdrücklich der Wiederaufnahme der BF und ihrer beiden Kinder zugestimmt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
Der Sachverhalt wurde von der Erstbehörde genau festgestellt. Die Unterstellung desselben unter den Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ist ohne komplizierte Überlegungen möglich und ist durch die im Bescheid der Erstbehörde vorgenommene Bezugnahme eindeutig und ohne Schwierigkeiten nachvollziehbar. Es liegt daher auch diesbezüglich kein Verfahrensmangel vor.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II-VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006,
Zl. 2005/20/0444).
2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher - wie auch in der Beschwerde geltend gemacht - noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl. 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0449).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen worden ist (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II-VO, K13 zu Art. 19 Dublin II-VO).
Weiters hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II-VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung von einem in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebotes (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II-VO, K8-K13 zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der EU als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten, wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
2.1.2.1. Polnisches Asylverfahren, mögliche Verletzung des Art. 3
EMRK
Im gegenständlichen Fall kann nicht gesagt werden, dass die BF ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihr auf Grund der persönlichen Situation ausnahmsweise durch eine Rückverbringung nach Polen entgegen der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde (sog. "real risk"). Die BF beschränkte sich in ihren Einvernahmen im Wesentlichen darauf vorzubringen, dass sie in Polen schlecht behandelt worden wären und von anderen Personen gehört hätte, dass sie in Polen nicht sicher seien.
Dem stehen entgegen die der BF zur Kenntnis gebrachten, unbedenklichen und aus seriösen Quellen stammenden Feststellungen über die Situation von Asylwerbern in Polen, wonach finanzielle und medizinische Grundversorgung sowie Sicherheit gewährleistet sind, und die die Erstbehörde daher zu Recht ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat. Dies gilt auch für die in der Beschwerde geäußerten Einwände, Bedenken und Befürchtungen zum polnischen Asylverfahren durch Zitierung einiger Ausschnitte aus diversen Berichten. Weitergehende Ermittlungen im Sinne der in der Beschwerde formulierten Beweisanträge waren daher nicht erforderlich.
Unkonkrete und unbelegte Befürchtungen betreffend die Situation in Polen können im vorliegenden Fall aus eigener Wahrnehmung nicht gut argumentiert werden, da die BF nach eigenen Angaben nach zwei bzw. drei Tagen aus Polen nach Österreich weitergereist ist.
Die Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG normierten Rechtsvermutung ist der BF somit nicht gelungen.
2.1.2.2. Medizinische Aspekte
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (in der Folge EGMR) zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II-VO auszuüben wäre.
Nach der unter Punkt 1.3. genannten gutachterlichen Stellungnahme sind bei der BF und ihren beiden Kindern, entsprechend den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, akut existenzbedrohende Krankheitszustände (oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Polen) nicht anzunehmen.
Eine Verletzung des Art. 3 EMRK bei Überstellung der BF und ihrer beiden Kinder nach Polen ist aus medizinischen Gründen daher nicht anzunehmen.
2.1.2.3. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK
Im konkreten Fall sind auch die beiden Kinder der BF in Österreich aufhältig. Deren Anträge auf internationalen Schutz werden ebenfalls - wie auch jener der BF - zurückgewiesen.
Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung stehen daher den Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich - auch in Hinblick auf die sehr kurze Aufenthaltszeit in Österreich von einigen Wochen - überwiegende gegenteilige Interessen gegenüber. Auch aufgrund der illegalen Einreise der BF und ihrer mitreisenden Kinder in das österreichische Bundesgebiet überwiegt im vorliegenden Fall vielmehr das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens. Die BF ist daher bei einer Überstellung nach Polen in ihrem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt.
2.1.2.4. Im Ergebnis stellt daher eine Überstellung der BF und ihrer beiden Kinder nach Polen weder eine Verletzung des Art. 3 EMRK noch des Art. 8 EMRK dar und besteht somit auch kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin
II-VO.
2.1.3. Spruchpunkt I. der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.
2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II. waren ebenfalls zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind - wie schon zu Spruchpunkt I. ausgeführt - keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Polen in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erscheinen ließen. Die Ausweisung erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.
2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.