TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/08 D10 313182-2/2008

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Veröffentlicht am 08.01.2009
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Spruch

D10 313182-2/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter MMag. Thomas E. SCHÄRF als Einzelrichter über die Beschwerde des S.A., geb. 00.00.1983, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.11.2008, FZ. 08 10.793-EAST-West, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 4/2008 als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides nunmehr zu lauten hat: "S.A. wird gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 4/2008 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen".

 

Gemäß § 24 Abs. 2 AsylGHG idF BGBl. I Nr. 147/2008 wird zur Vollstreckung des gegenständlichen Erkenntnisses den Bundesminister für Inneres bestimmt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Russischen Föderation und nach eigenen Angaben der Volksgruppe der Inguschen zugehörig, reiste am 2. September 2005 mit dem Flugzeug von Moskau kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 3. September 2005 einen Antrag auf Gewährung von Asyl, den er mit Problemen aufgrund von "Blutrache" begründete.

 

1998 seien zwei Brüder seines Vaters umgebracht worden, worauf dieser seinerseits drei Brüder der anderen Familie getötet habe. Noch im selben Jahr sei schließlich auch sein Vater von einem weiteren Bruder der von seinem Vater Getöteten Gruppe erschossen worden. Der Mörder seines Vaters sei aber beim Schusswechsel selbst ums Leben gekommen. Seither würden auch er und sein Bruder verfolgt.

 

Mit Bescheid vom 14. Juni 2007, FZ. 05 13.972-BAL, wies die Asylbehörde erster Instanz den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG 1997) ab, erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus.

 

Das Bundesasylamt führte begründend aus, das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers stütze sich ausschließlich auf Bedrohungen durch Privatpersonen und sei auf Grund der vorliegenden Länderinformationen nicht von mangelnder Schutzfähigkeit oder -willigkeit des der staatlichen Behörden auszugehen. Die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der behaupteten Bedrohung durch Blutrache seien überdies nicht glaubhaft, zumal er nach den vorgebrachten Vorfällen fast sieben Jahre unbehelligt in Inguschetien gelebt habe.

 

Eine (individuelle) Gefährdungssituation sei bereits unter dem Gesichtspunkt des Asyls verneint worden. Dem Beschwerdeführer sei eine Rückkehr möglich und zumutbar, und liege diesfalls auch keine Gefährdung iSd § 50 FPG 2005 vor. Der Beschwerdeführer leide auch an keiner Krankheit, die ein Abschiebehindernis iSd § 50 FPG 2005 darstellen würde.

 

Der Beschwerdeführer verfüge auch über keine engen familiären Bindungen in Österreich und lägen auch keine Hinweise vor, dass durch eine Ausweisung in unzulässiger Weise in dessen Privatleben eingegriffen würde.

 

Die gegen diese Erledigung erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 29. November 2007, GZ. 313.182-1/6E-XVII/55/07, gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 ab und schloss sich der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes vollinhaltlich an, welcher der Beschwerdeführer auch in seiner Berufung nicht substantiiert entgegengetreten sei. Seine fluchtkausalen Angaben seien nicht glaubhaft gewesen und sei für den Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung auch eine Gefährdung iSd § 50 FPG 2005 ausgeschlossen.

 

Dieser Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates ist infolge Hinterlegung gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG am 30. November 2007 in Rechtskraft erwachsen, nachdem der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr festgestellt werden konnte.

 

Am 31. Oktober 2008 stellte der - zwischenzeitlich nach vorausgegangenen Konsultationen mit der Bundesrepublik Deutschland gemäß den Bestimmungen der Verordnung EG Nr. 343/2003 von der Republik Österreich übernommene - Beschwerdeführer den gegenständlichen, zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 3. November 2008 gab der Beschwerdeführer an, er habe zwischenzeitlich auch in Spanien und Frankreich um Asyl angesucht und sei schließlich von deutschen Behörden "erwischt" und nach Österreich rücküberstellt worden. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, er habe "zu Hause wegen Blutrache flüchten müssen". Er selbst und auch sein Bruder würden in "ganz Russland strafrechtlich gesucht". Befragt nach etwaigen Verständigungsproblemen gab der Beschwerdeführer an, er habe "bis ins Detail alles verstanden", ersuchte aber um Vernehmung durch das Bundesasylamt in inguschischer Sprache, weil er seine Probleme nicht in russischer Sprache beschreiben könne.

 

Gelegentlich der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 7. November 2008 beantragte der Beschwerdeführer erneut einen Dolmetscher für die inguschische Sprache (um "die wahren Gründe" schildern zu können), bestätigte nach erfolgter Vernehmung in russischer Sprache jedoch die Richtigkeit der Niederschrift nach deren Rückübersetzung.

 

Der Beschwerdeführer gab an, er werde "in ganz Russland strafrechtlich gesucht", sein Bruder habe Blutrache geübt und "dabei eine Person mehr getötet, als es hätte sein sollen". An den Gründen habe sich seit der ersten Asylantragstellung nichts geändert. Das erste Verfahren sei falsch entschieden worden, weil es in Russisch geführt worden sei. Befragt, warum er nach erfolgter rechtskräftiger Entscheidung einen neuerlichen Antrag stelle, gab der Beschwerdeführer an: "Ich war bei der Caritas."

 

Der Beschwerdeführer bot als Beweis für die vorgebrachten Vorfälle des Jahres 2005 eine DVD an, auf welcher nach dessen Angaben der tote Vater und Onkel zu sehen sind. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin auf die allfällige Möglichkeit eines Wiederaufnahmeantrags hingewiesen.

 

Der Beschwerdeführer führte weiters aus, er habe in Österreich nur einen weit entfernten Verwandten, den er erst in Österreich kennengelernt habe, und habe keine sonstigen Anknüpfungspunkte zu Österreich.

 

Mit hier angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Russland" aus. Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine neuen Fluchtgründe vorgebracht und sei seit der ersten Antragstellung keine Änderung des Sachverhalts eingetreten.

 

Auch am Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers habe sich nichts geändert und stelle sich auch die den Beschwerdeführer betreffende, maßgebliche Lage in dessen Herkunftsland seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens unverändert dar.

 

Die gegen diesen Bescheid gerichtete, am 15. Dezember 2008 (Datum der Postaufgabe) fristgerecht erhobene Beschwerde begehrt unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 und führt begründend insbesondere aus, der Beschwerdeführer werde "von der russischen Behörde gesucht" und sei sein Leben auf Grund von Blutrache in Gefahr. Der Beschwerdeschriftsatz enthält überdies eine ACCORD Anfragebeantwortung vom 14. Februar 2007 zum Thema Blutrache in Inguschetien. Der handschriftliche Teil der Beschwerde wurde in russischer Sprache verfasst.

 

Mit hg. Beschluss vom 29. Dezember 2008, GZ. D10 313182-2/2008/2E, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG), BGBl I 2008/4, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die gegenständliche Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelangt, der Beschwerdeführer legitimiert. Auf die Beschwerde war mithin einzutreten.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist.

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen.

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund des selben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn das selbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (Vgl. E VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG, nämlich § 28 AsylG 1997).

 

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (Vgl. etwa E VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 bzw. auch E VwGH 25.4.2007, 2004/20/0100). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

 

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

 

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400).

 

Aus dem Neuerungsverbot im Berufungsverfahren (hier: Beschwerdeverfahren) folgt, dass die Berufungsbehörde (hier: der Asylgerichtshof) den bekämpften Bescheid in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesasylamtes zu kontrollieren hat.

 

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

 

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG bildet somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt den neuerlichen Asylantrag zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Die Identität des Beschwerdeführers steht auf Grund im Erstverfahren vorgelegter Identitätsdokumente als S.A., geboren am 00.00.1983, fest. Der Beschwerdeführer ist nach eigenem Vorbringen und zufolge den Feststellungen im Erstverfahren russischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Inguschen an.

 

Der Beschwerdeführer machte weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in der hier gegenständlichen Beschwerde neue Fluchtgründe geltend und bot lediglich ein neues Beweismittel (DVD) für den bereits im ersten Asylverfahren geltend gemachten Sachverhalt an. Dieser Sachverhalt ist jedoch gänzlich von der Rechtskraft des oa. Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. November 2007, GZ. 313.182-1/6E-XVII/55/07, umfasst.

 

Neu war demzufolge nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde "in ganz Russland strafrechtlich gesucht" und befürchte im Fall seiner Rückkehr "40 Jahre im Gefängnis zu sitzen und dann zu sterben". Dieses Vorbringen bezog der Beschwerdeführer, wie sich aus dem Kontext des Vernehmungsprotokolls vom 7. November 2008 ergibt, offenbar auf oa., bereits im Vorverfahren geltend gemachten, mit behaupteter Blutrache in Zusammenhang stehenden Sachverhalt. Außer dieser lapidar in den Raum gestellten Behauptung brachte der Beschwerdeführer diesbezüglich weiter nichts vor und erklärte nicht einmal in Ansätzen, warum er wegen behauptetermaßen von seinem Bruder begangenen Morden "strafrechtlich" gesucht würde und ihm eine Gefängnisstrafe drohe. In keinem der bisherigen Verfahren hat der Beschwerdeführer Gründe dargelegt, die eine behördliche Fahndung nach seiner Person auch nur entfernt möglich erscheinen ließen, und hat dieser auch im gegenständlichen Asylverfahren nicht näher erklärt, auf Grund welcher Umstände er plötzlich zu dieser Ansicht gelangt ist.

 

Diesem völlig unsubstantiierten Vorbringen fehlt daher jeglicher glaubhafte Kern und liegt in Verbindung mit zuvor dargelegten Erwägungen im nunmehr anhängigen Verfahren somit geradezu der klassische Fall einer res iudicata vor.

 

Den vom Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 7. November 2008 vorgebrachten Einwänden gegen eine Befragung in russischer Sprache war im Ergebnis nicht zu folgen, zumal der Beschwerdeführers nach beendeter Vernehmung und Rückübersetzung des Protokolls selbst dessen Richtigkeit bestätigte, und insbesondere seinerseits den gesamten handschriftlichen Teil der gegenständlichen Beschwerde auf Russisch verfasste. Überdies wurde die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift der Einvernahme des Beschwerdeführers in hier gegenständlicher Beschwerde nicht in Zweifel gezogen, und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht eingewendet, er habe seine Fluchtgründe nicht ausführlich und umfassend darlegen können.

 

Die der gegenständlichen Beschwerde angeschlossene ACCORD Anfragebeantwortung zum Thema Blutrache ist datiert mit 14. Februar 2007 (basierend auf Quellen aus den Jahren 2003 bis 2006) und wäre dem Beschwerdeführer somit grundsätzlich schon während seines Erstverfahrens zur Verfügung gestanden. Die darin enthaltenen Informationen über die Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers sind daher schon auf Grund des Zeitpunkts der Veröffentlichung (über neun Monate vor der rechtskräftigen Berufungsentscheidung) nicht geeignet einen neuen Sachverhalt darzulegen.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass sich die Situation in der Russischen Föderation seit Rechtskraft des oa. Bescheides (d.h. dem 30. November 2007) verstrichenen Zeit in für das gegenständliche Verfahren maßgeblicher Hinsicht wesentlich geändert hat. Vom Beschwerdeführer wurde eine solche Änderung auch nicht behauptet, sodass basierend auf den diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde in ihrer Entscheidung vom 14. Juni 2007 davon auszugehen war, dass in der Russischen Förderation keine solche Situation, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2, 3 EMRK ausgesetzt wäre, vorherrscht.

 

Die vom Beschwerdeführer in seiner mit 17. Dezember 2008 datierten Beschwerde behaupteten "tiefen Depressionen" wurden von diesem bisher niemals vorgebracht und auch in gegenständlichem Schriftsatz nicht näher ausgeführt oder gar in irgendeiner Form belegt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Beschwerdeführer in allen Vernehmungen angegeben, bei guter Gesundheit zu sein, und sind auch sonst keinerlei Anzeichen für psychische Probleme hervorgetreten.

 

Überdies besteht im Lichte oa. Länderfeststellungen der Asylbehörde erster Instanz auch in der Russischen Föderation grundsätzlich die Möglichkeit einer psychiatrischen Behandlung, sollte eine solche allenfalls in Hinkunft erforderlich werden.

 

Eine diesbezügliche Verletzung des Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung ist nach der Judikatur des EGMR, der sich die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts angeschlossen haben, jedenfalls nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (siehe EGMR 2.5.1997, Appl. 30.240/96 newsletter 1997, 93, D v. United Kingdom, 31.5.2005, Appl. 1.383/04, Ovdienko sowie VfGH 6.3.2008, B 2400/07 mit weiteren Hinweisen). Derartige Umstände sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und wurden in gegenständlicher Beschwerde auch nicht substantiiert vorgebracht.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) ist eine Entscheidung "nach diesem Bundesgesetz" - dem AsylG 2005 - mit einer Ausweisung zu verbinden, u. a. wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Im Sinne der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Ausweisungsentscheidung zielstaatsbezogen zu formulieren, eingeschränkt auf jenen Staat, hinsichtlich dessen die Refoulement-Prüfung erfolgte (zum Beispiel VwGH vom 30.06.2005, 2005/20/0108). Hierbei handelt es sich im gegenständlichen Fall jedoch nicht um die Teilrepublik "Russland" sondern um die "Russische Föderation", deren Staatsangehöriger der Beschwerdeführer ist.

 

Ausweisungen gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 sind gemäß Abs. 2 leg. cit. jedoch dann unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz - das AsylG 2005 - gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese Ausweisungen eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im gegenständlichen Fall kam bzw. kommt dem Beschwerdeführer kein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

 

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs. 1 EMRK). In seinem Erkenntnis vom 29. September 2007, Zahl B 1150/07-9, führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass das öffentliche Interesse an einer Ausweisung höher wiege, als das Interesse eines Fremden an der Fortsetzung seines Privatlebens, wenn dieses sich bloß auf die lange Aufenthaltsdauer, verursacht durch rechtswidrigen Aufenthalt bzw. aussichtslose Anträge, stütze. Eine Verletzung von Art. 8 MRK sei nicht denkbar, wenn die belangte Behörde das Interesse an einer geregelten Einreise und der Befolgung österreichischer Gesetze höher bewerte, als den langjährigen tatsächlichen Aufenthalt im Inland.

 

Ein Familienleben in welches durch die Ausweisung eingegriffen werden würde, wurde vom Beschwerdeführer weder behauptet, noch ist ein solches erkennbar.

 

Es liegen auch keinerlei Anhaltpunkte für besonders intensives Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich vor und wurden solche auch nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer suchte nach eigenen Angaben auch in Spanien und Frankreich um Asyl an und führte aus, er sei schließlich von deutschen Behörden "erwischt" und nach Österreich rücküberstellt worden. In Österreich hat er, eigenen Angaben zufolge, keine sonstigen Anknüpfungspunkte. Angesichts des während der gesamten Dauer bloß durch Asylanträge legitimierten Aufenthalts ist jedoch im Sinne der Rechtssprechung des EGMR und des VfGH nicht von einem Überwiegen der privaten Interessen des Antragstellers auszugehen, sodass die Ausweisung des Beschwerdeführers gerechtfertigt ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 entfallen.

Schlagworte
Amtswegigkeit, Ausweisung, Beweise, Ermittlungspflicht, Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
11.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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