TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/09 D12 400036-3/2009

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Veröffentlicht am 09.01.2009
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Spruch

D12 400036-3/2009/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag Auttrit als Einzelrichter über die Beschwerde der P.F., geb. 00.00.1974, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.12..2008, FZ. 08 11.133-EAST-WEST, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. VERFAHRENSGANG UND SACHVERHALT:

 

1. Die Beschwerdeführerin reiste am 14.04.2008 mit ihrem Ehegatten und den gemeinsamen drei Kindern illegal aus Tschechien kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zulassungsverfahren brachte die Beschwerdeführerin nach Vorhalt, dass Tschechien zur Prüfung ihres Asylantrages zuständig sei, im Wesentlichen vor, sie habe sich die letzten drei Jahre in Tschechien aufgehalten. Am 31.03.2005 sei sie mit dem Zug von Brest nach Prag gereist und habe sie sich über ein Reisebüro ein für fünf Tage gültiges Visum ausstellen lassen (vgl. Seite 25 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). In Tschechien sei bereits negativ über ihren gestellten Asylantrag entschieden worden (vgl. Seite 103 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). In Tschechien hätte der Beschwerdeführerin eine Abschiebung nach Moskau gedroht (vgl. Seite 105 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Gefragt, was passieren würde, wenn die Beschwerdeführerin nach Tschechien zurückkehren müsste, antwortete diese: "Ich möchte nicht dorthin" (vgl. Seite 27 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

2. Mit Schreiben vom 28.04.2008 übermittelte Tschechien die Zustimmung zur Wiederaufnahme der Antragstellerin gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zl. 08 03.357-EAST-WEST, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 14.04.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Tschechien gemäß Art. 9 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt (Spruchteil I.). Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und unter einem ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Antragstellerin nach Tschechien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist (Spruchteil II.).

 

4. Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihres Rechtsvertreters am 26.06.2008 fristgerecht Beschwerde ein. Darin wird im Wesentlichen behauptet, Tschechien hätte seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention im Asylfall des Ehegatten der Beschwerdeführerin nicht eingehalten und erweise sich die bestehende Gesetzeslage in Tschechien in Bezug auf die Prüfung, ob durch eine Abschiebung des Ehegatten der Beschwerdeführerin nach Russland Art 3 EMRK verletzt wird, als nicht europarechtskonform und EMRK-widrig.

 

5. Der Asylgerichtshof wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 08.07.2008, Zl. S 6 400036-1/2008/2E gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 (AsylG 2005) idgF, ab. Mit Erkenntnissen vom selben Tag, Zlen S6 400037-1/2008/2E, S6 400035-1/2008/2E, S6 400034-1/2008/2E, S6 400033-1/2008/2E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerden des Ehemannes und der minderjährigen Kinder ebenfalls ab.

 

Die für die Entscheidung zuständige Richterin des Asylgerichtshofes begründete die Entscheidung wie folgt:

 

Die Beschwerdeführerin ist im Besitz einer seit mehr als 2 Jahren abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis von Tschechien und hat sie zudem seither nicht mehr das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten verlassen, sodass gem. Art. 9 Abs. 4 leg. cit. Tschechien zur Prüfung ihres Asylantrages zuständig ist.

 

Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. e der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikel 20 wiederaufzunehmen.

 

Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist gemäß ihrem Art. 29 auf Asylanträge anwendbar, die ab 01.09.2003 gestellt werden.

 

Bezogen auf den vorliegenden Fall, gelangt die erkennende Behörde, ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführerin und zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis seitens Tschechiens vor ihrer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, zur Auffassung, dass im angefochtenen Bescheid zu Recht von der Zuständigkeit der Tschechischen Behörden zur Prüfung des Antrages auf internatonalen Schutz ausgegangen wurde. Die Antragstellerin hat aus einem Drittstaat kommend die Landgrenze des Mitgliedstaats Tschechien legal überschritten und hatte sie eine gültige Aufenthaltserlaubnis von Tschechien erteilt erhalten. Demnach ist gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 die Zuständigkeit Tschechiens zur Prüfung des Asylantrages gegeben.

 

Am 16.04.2008 wurde seitens Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein Wiederaufnahmegesuch an Tschechien gestellt. Tschechien stimmte mit Schreiben vom 28.04.2008 dem Wiederaufnahmeersuchen Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zu und erklärte sich zur Rückübernahme der Beschwerdeführerin bereit.

 

Dem Bundesasylamt ist nun darin beizupflichten, dass der Antrag auf internationalen

 

Schutz der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen ist. Denn einerseits ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Tschechiens gemäß Art. 9 Abs. 4 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates. Andererseits kann aus folgenden Gründen nicht angenommen werden, dass Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen:

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 15.10.2004, G 237/03 u. a.; 17.6.2005, B 336/05) sieht die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vor, dass jeder Mitgliedstaat - auch wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Verordnung zuständig wäre - einen von einem Drittstaatsangehörigen eingebrachten Asylantrag selbst prüfen kann (Art. 3 Abs. 2). Er wird damit zum zuständigen Mitgliedstaat (sog. Selbsteintrittsrecht). Ein solches Selbsteintrittsrecht war schon im - noch heute für das Verhältnis zu Dänemark geltenden - Dubliner Übereinkommen vorgesehen. Der EGMR hat zum Dubliner Übereinkommen ausgesprochen, dass derartige Vereinbarungen die Mitgliedstaaten nicht von ihren Verpflichtungen aus der Konvention entbinden (7.3.2000, 3844/98 - T.I. gegen Vereinigtes Königreich; 12.1.1998, 32829/96 - Iruretagoyena gegen Frankreich; 5.2.2002, 51564/99 - Conka gegen Belgien). Im Erkenntnis VfSlg. 16.122/2001 hatte der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Anfechtung des § 5 AsylG in der Stammfassung im Hinblick auf das Dubliner Übereinkommen ausgeführt, dass das dort "in Art. 3 Abs. 4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen" sei. Dieses Eintrittsrecht schaffe "nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozessvoraussetzung in der Asylsache abzusehen." Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 [sei] durch die Heranziehung des Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden". Der Verfassungsgerichtshof ging im Hinblick auf die inhaltlich gleiche Regelung in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates davon aus, dass diese zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zutreffen.

 

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 26.7.2005, 2005/20/0224) ist bei der Beurteilung des sich aus Art. 3 EMRK ergebenden Erfordernisses der Bedachtnahme auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung maßgeblich, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge eine - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - ausreichend substantiierte "reale Gefahr" ("real risk") besteht, ein auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein. In diesem Zusammenhang käme Berichten über derartige, den Zielstaat betreffende Vorkommnisse ebenso maßgebliche Bedeutung zu wie diesbezüglich negativen Erfahrungswerten.

 

Die erkennende Behörde gelangt insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht. Mit ihrem Beschwerdevorbringen gelang es der Beschwerdeführerin nicht, dem in § 5 Abs. 3 AsylG normierten Erfordernis, besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft zu machen. Solche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechenden Gründe sind auch bei der Behörde nicht offenkundig, sodass in Folge dieser gesetzlichen Bestimmung davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin in einem Staat nach Absatz 1 Schutz vor Verfolgung findet. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass es sich im Falle Tschechiens um einen Rechtsstaat mit funktionierender Staatsgewalt handelt und sich die Beschwerdeführerin im Falle eventueller Bedrohung ihrer Person, welche im Übrigen in jedem Land möglich ist, an diese wenden und von dieser Schutz erwarten könnte. Auch lässt sich aus der Rechtsprechung des EGMR eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Tschechien keinesfalls erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedsstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer von der Beschwerdeführerin bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführerin etwa im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in ihr Heimatland zurückgeschoben werden könnte. Es ist nicht zu besorgen, dass Grundrechte der Beschwerdeführerin in Tschechien verletzt würden oder in Gefahr wären. Somit ergibt sich aus den Sachverhaltsfeststellungen, dass in Tschechien sowohl asylrechtlicher Schutz als auch Refoulement-Schutz gewährleistet ist und eben genannter Mitgliedstaat der Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin ausdrücklich zugestimmt hat.

 

Die erkennende Behörde kann auch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa durch die Rückschiebung der Beschwerdeführerin nach Tschechien eine Verletzung von Art. 8 EMRK drohen würde. Da solcherart keine Verletzung von Bestimmungen der EMRK zu befürchten ist, bestand auch keine Veranlassung der österreichischen Asylbehörden, von dem in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vorgesehenen Selbsteintrittsrechts Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags vorzunehmen.

 

6. Am 15.07.2008 stellten die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann und ihre Kinder neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Begründet wurde dieser damit, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin am 02.03.2006 von Früh bis Abends, in Prag von der Polizei festgenommen worden sein soll. Am Abend soll er in einem Restaurant von der Polizei zum Essen eingeladen worden sein. Weiters sei sie in Tschetschenien vor längerer Zeit vergewaltigt worden und seien Verwandte des Täters in Tschechien aufhältig. Ansonsten habe sich seit der ersten Antragstellung nichts an den Fluchtgründen geändert (Seite 19). Jedoch kündigt die Beschwerdeführerin (Seite 87) im Falle der Abschiebung nach Tschechien an, sich umzubringen.

 

7. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, vom 06.09.2008, FZ. 08 06.172-EAST-West wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 15.07.2008 gem. § 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF., aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen wird.

 

8. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamten richtet sich die fristgerecht am 22.09.2008 per Telefax von "Asyl in Not" mit Vertretungs- und Zustellvollmacht für Fr. Mag Ruderstaller Judith und am 23.09.2008 postalisch, von der schon im Vorverfahren vertretungsbefugten Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG eingebrachte Beschwerden, mit der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht und beantragt werden, "1) Eine mündliche Verhandlung durchzuführen 2) Meinen Asylantrag für zulässig zu erklären, an die erste Instanz zu verweisen und ein inhaltliches Verfahren durchzuführen 3) Meinem Antrag sofort die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.". Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass ihr Vorbringen inhaltlich von dem Vorbringen in ihrem ersten Antrag abweiche und neue Gründe, die ihrer Ausweisung nach Tschechien entgegenstünden, hinzugetreten seien. Weiters wurde angegeben, dass Tschechien kein sicherer Staat im Sinne des § 5 AsylG sei. Die Beschwerdeführerin legt einen "Psychotherapeutischen Kurzbericht" des Vereins Hemayat (Dr. K., Psychotherapaut) bei, wonach die Beschwerdeführerin an einer schweren Anpassungsstörung fußend auf einer höhergradigen post-traumatischen Belastungsstörung leide. In den prognostischen Erwägungen wird für den Fall der Ignoranz ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit ein Risiko der weiteren, anhaltenden Verschlechterung ihres Gesundheits- und Leidenszustandes und des Aufflammens ihrer latenten Suizidalität festgestellt.

 

9. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.10.2008, zur Zahl:

D12 400036-2/2008/E wurde die Beschwerde gemäß § 68 Abs 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde mit 04.11.2008 rechtskräftig.

 

10. Am 10.11.2008 wurde der dritte Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Schreiben vom 12.11.2008 wurden die tschechischen Dublinbehörden über diesen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz informiert.

 

11. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, vom 15.12..2008, FZ. 08 11.133-EAST-WEST wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 10.11.2008 gem. § 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF., aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen wird.

 

12. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamten richtet sich die fristgerecht am 29.12.2008 per Telefax von "Asyl in Not" mit Vertretungs- und Zustellvollmacht für Fr. Mag Ruderstaller Judith eingebrachte Beschwerde, mit der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht und beantragt werden,

"1) Eine mündliche Verhandlung durchzuführen 2) Meinen Asylantrag für zulässig zu erklären, an die erste Instanz zu verweisen und ein inhaltliches Verfahren durchzuführen 3) Meinem Antrag sofort die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.". Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass ihr Vorbringen inhaltlich von dem Vorbringen in ihrem vorherigen Antrag abweiche und neue Gründe, die ihrer Ausweisung nach Tschechien entgegenstünden, hinzugetreten seien. Weiters wurde angeführt, dass aus formalen Gründen nunmehr aufgrund des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist eine Zulassung zum inhaltlichen Verfahren in Österreich eingetreten sei. Durch Art 19 Abs 4 Dublin II Verordnung sei ein Zuständigkeits(rück)übergang bei Fristenüberschreitungen eingeführt worden. Die Regelung stütze sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die gemeinsame Zielvorgabe zur Kontrolle der illegalen Zuwanderung nicht zeitgemäß durchführt, gegenüber den Partnerländern die Folgen tragen muss. Außerdem soll dadurch vermieden werden, dass eine Kategorie der sogenannten "refugess in orbit" entsteht, deren Antrag monate- oder jahrelang in keinem Mitgliedstaat geprüft wird. Die Zustimmung Tschechiens zur Wiederaufnahme wurde am 28.04.2008 übermittelt, womit die Frist an diesem Tage zu laufen begann. Das Ende der Frist sei, nachdem die Familie zu keinen Zeitpunkt flüchtig war, und auch keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, am 29.10.2008 abgelaufen, daher sei das Verfahren zuzulassen.

 

Ein schwerer Verfahrensfehler sei auch, dass das Bundesasylamt trotz mehrmaliger Bitte um eine weibliche Referentin und einen weiblichen Dolmetscher diesem Ersuchen nicht nachgekommen sei, obwohl diese angegeben habe, dass diese über Probleme sprechen wolle, die ihre sexuelle Integrität betreffen. Dies sei aber ihr Recht, welches in § 20 Abs 1 AsylG verankert sei. Das Angebot, dies niederzuschreiben, stelle lediglich eine Umgehung dieser Gesetzesbestimmung dar. Die Beschwerdeführerin hätte dieses Angebot nur auf Druck des zuständigen männlichen Referenten angenommen, wäre dann aber aufgrund ihrer psychischen Zustandes nicht in der Lage gewesen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

 

In der Beschwerde wird der Bescheid des Bundesasylamtes als vom 08.09.2008 bezeichnet, was offensichtlich auf einem Irrtum beruht, inhaltlich wird jedoch der Bescheid vom 15.12.2008 angesprochen und geht zweifelsfrei hervor, das auch dieser gemeint ist.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 01. Juli 2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, aufgelöst, an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 des Art. 2 des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 100/2005 in der Fassung BGBl. I 4/2008 (AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

zurückweisende Bescheide

 

wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;

 

wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. 1/1930 dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß § 61 Abs. 3 lit. c AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden ist.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 (AsylG 2005), tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005). Gemäß § 75 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesezes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der (dritte) Antrag auf internationalen Schutz am 10.11. 2008 gestellt, weshalb das AsylG 2005 iVm dem AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. I 51/1991, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. I 51/1991, sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet, wegen "res iudicata" zruückzuweisen. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "res iudicata" ist nicht nach der objektiven Rechtlage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (VwGH E vom 22.05.2001, Z 2001/05/0075).

 

Nach der Rechtsprechung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG 1997 - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH E vom 21.11.2002, Z 2002/20/0315).

 

Das im erstinstanzlichen Verfahren über den zweiten Asylantrag erstattete Vorbringen zu Tatsachen, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens eingetreten sind, ist in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer Sachverhaltsänderung an dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt (und nicht unbedingt am damaligen Vorbringen) zu messen. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen gemäß § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. VwGH E vom 20.03.2003, Z 99/20/0480; 25.10.2000, Z 99/06/0169; 22.05.2001, Z 2001/05/0075).

 

Für den Asylgerichtshof ist Sache des vorliegenden Verfahrens die Frage, ob das Bundesasylamt mit Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Der Asylgerichtshof hat daher zu prüfen, ob sich im vorliegenden Fall der maßgebliche Sachverhalt oder die maßgebliche Rechtslage in entscheidungswichtigen Punkten welche zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit Tschechiens geführt haben, nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens geändert haben.

 

In seinem Erkenntnis vom 07. Mai 2008, Z 2007/19/0466, vertritt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Frage der "entschiedenen Sache" im Zusammenhang mit Zurückweisungsentscheidungen nach § 5 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, auf Grund der Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß Dublin II VO folgende Rechtsauffassung:

 

"Der Gesetzgeber hat in § 75 Abs. 4 AsylG 2005 klar gestellt, dass auch zurückweisenden Bescheiden nach dem AsylG 1997 (wozu auch Bescheide nach § 5 AsylG gehören) Sperrwirkung zukommt und Folgeanträge in derselben Sache wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen sind. Er hat überdies in § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorgesehen, dass zurückweisende Bescheide (somit auch solche nach § 68 Abs. 1 AVG) mit einer Ausweisung zu verbinden sind. Die im obgenannten (Anmerkung: Zlen. 2004/20/0010 bis 0013) hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005 angestellten Überlegungen lassen sich daher auf Fälle im Anwendungsbereich dieser geänderten Rechtslage nicht übertragen. Unter der Voraussetzung, dass in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten Umständen, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union geführt haben, keine Änderung eingetreten ist, ist daher ein im Bundesgebiet neuerlich gestellter Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

 

Im gegenständlichen Fall behauptet der Beschwerdeführer jedoch, dass aus formalen Gründen nunmehr aufgrund des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist eine Zulassung zum inhaltlichen Verfahren in Österreich eingetreten sei. Durch Art 19 Abs 4 Dublin II VO (richtig wohl: Art 20 Abs 2 Dublin II VO) sei ein Zuständigkeits(rück)übergang bei Fristenüberschreitungen eingeführt worden. Die Regelung stütze sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die gemeinsame Zielvorgabe zur Kontrolle der illegalen Zuwanderung nicht zeitgemäß durchführt, gegenüber den Partnerländern die Folgen tragen muss. Außerdem soll dadurch vermieden werden, dass eine Kategorie der sogenannten "refugess in orbit" entsteht, deren Antrag monate- oder jahrelang in keinem Mitgliedstaat geprüft wird. Die Zustimmung Tschechiens zur Wiederaufnahme wurde am 28.04.2008 übermittelt, womit die Frist an diesem Tage zu laufen begann. Das Ende der Frist sei, nachdem die Familie zu keinen Zeitpunkt flüchtig war, und auch keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, am 29.10.2008 abgelaufen, daher sei das Verfahren zuzulassen.

 

Art. 19 Dublin II VO lautet:

 

(1) Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme eines Antragstellers zu, so teilt der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, dem Antragsteller die Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen, sowie die Verpflichtung, den Antragsteller an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, mit.

 

(2) Die Entscheidung nach Absatz 1 ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben, und gegebenenfalls der Zeitpunkt und der Ort zu nennen, zu dem bzw. an dem sich der Antragsteller zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Ein gegen die Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist.

 

(3) Die Überstellung des Antragstellers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.

 

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber ein Laissez-passer nach dem Muster aus, das gemäß dem Verfahren nach Artikel 27 Absatz 2 festgelegt wird.

 

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gemeldet hat.

 

(4) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist.

 

Art. 20 Abs 2 Dublin II VO lautet:

 

Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist.

 

Zu prüfen ist ob diese sechsmonatige Frist bereits abgelaufen ist, oder nicht.

 

Die Zustimmung Tschechiens zur Wiederaufnahme wurde am 28.04.2008 übermittelt, womit die Frist an diesem Tage zu laufen begann. Das Ende der Frist liegt daher am 29.10.2008. Da im vorangegangenen Verfahren keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, liegt auch keine Hemmung dieser Frist vor. Zu prüfen bleibt weiterhin, ob eine Verlängerung der sechsmonatigen Frist vorliegt da die Beschwerdeführerin aufgrund einer Inhaftierung oder Flucht für das Verfahren nicht zur Verfügung stand.

 

Aus dem gesamten Akt sind keine solchen Umstände ersichtlich, die Beschwerdeführerin befand sich in der Zeit von 00.00.2008 bis 00.00.2008 in einer geschlossenen psychotherapeutischen Anstalt, weshalb die für 27.10.2008 (innerhalb der sechsmonatigen Frist) geplante Überstellung in die tschechische Republik nicht durchgeführt werden konnte. Es liegt daher keine Verlängerung dieser Frist vor und endet diese daher am 29.10.2008.

 

Der Ansicht des Bundesasylamtes, dass durch die Verständigung der tschechischen Dublinbehörden am 12.11.2008 über den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz vom 10.11.2008 in Österreich sich die Überstellungsfrist auf 10.05.2009 verlängert (siehe AS 161), kann nicht zugestimmt werden, dies würde ja bedeuten, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist bei jedem neuen Antrag neu zu laufen beginnen würde. Dadurch würden gerade diese vom Gesetzgeber nicht erwünschten "refugess in orbit" entstehen, deren Antrag monate- oder jahrelang in keinem Mitgliedstaat geprüft wird.

 

Da jedoch die Überstellung der Beschwerdeführerin in die Tschechische Republik nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wurde, ging gemäß Art 20 Abs 2 Dublin II-VO die Zuständigkeit mit Ablauf des 29.10.2008 auf die Republik Österreich über.

 

Weiters wird das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren die Bestimmungen des § 20 Abs 1 AsylG einzuhalten haben, auf die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente eines mangelhaften Verfahrens war daher aufgrund der Aufhebung des Bescheides nicht mehr einzugehen.

 

Wird gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen, hat der Asylgerichtshof dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (§ 37 Abs. 1 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008).

 

Da vom zuständigen Einzelrichter des Asylgerichtshofes innerhalb einer Woche eine Entscheidung getroffen wurde, konnte der Beschluss über eine aufschiebende Wirkung entfallen.

 

Voraussetzungen, die eine Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 10.11. 2008 zulässig machen würden, liegen daher gegenständlich nicht vor, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 41 Abs.4 AsylG 2005 entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Fristversäumung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache, Überstellungsfrist, Zurückweisungstatbestand, Zuständigkeitsmangel
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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