C5 258.329-0/2008/12E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau B.C., geb. 00.00.1968, StA. Mongolei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.11.2004, 04 01.237-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.8.2006 und am 16.12.2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 63 Abs 5 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG als unzulässig zurückgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Mongolei, stellte am 23.1.2004 den Antrag, ihr Asyl durch Erstreckung zu gewähren. Sie bezog sich auf das Asylverfahren ihres Ehegatten B.T., der am 23.1.2004 den Antrag gestellt hatte, ihm Asyl zu gewähren. Dies präzisierte sie bei ihrer Einvernahme am 4.11.2004 vor dem Bundesasylamt (Außenstelle Salzburg), bei der sie angab, sie werde selbst nicht verfolgt und stelle daher nur einen Erstreckungsantrag. In der Niederschrift über diese Einvernahme wird die Beschwerdeführerin mit den Worten zitiert: ""Mit dem hier anwesenden Dolmetsch kann ich mich einwandfrei verständigen. [...] Ich erstrecke den Antrag auf meinen Gatten B.T., [...], welcher mich auch im Verfahren vertritt."
Mit der angefochtenen Erledigung wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß (§ 10 iVm) § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG) idF BG BGBl. I 126/2002 (und der Kundmachung BGBl. I 105/2003) ab. Ob diese mit "Bescheid" überschriebene Erledigung wirksam erlassen und daher tatsächlich ein Bescheid ist, dies ist Gegenstand dieses Verfahrens. (Soweit daher im Folgenden - der Einfachheit halber - von einem Bescheid die Rede ist, wird damit vorläufig keine Aussage über den Bescheidcharakter getroffen.) Sie weist als Bescheidadressatin die Beschwerdeführerin aus und wurde ihr am 12.11.2004 persönlich zugestellt.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. Pt. 2.1.2) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung vom 17.11.2004, die unmittelbar beim unabhängigen Bundesasylsenat eingebracht worden war und in der die Beschwerdeführerin behauptet, sie habe bei ihrer Einvernahme am 4.11.2004 angegeben, dass sie selbst in der Mongolei schwerer Verfolgung durch die Behörden und durch die Bevölkerung ausgesetzt gewesen sei; die Dolmetscherin, eine "südrussische sprachkundige Person", habe nur geringe Mongolisch-Kenntnisse gehabt und nicht einmal die einfachsten mongolischen Begriffe verstanden und übersetzen können.
1.3. Am 31.8.2006 führte der unabhängige Bundesasylsenat und am 16.12.2008 der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der nur die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann B.T. und ihre Kinder T.T. und T.Z. als Parteien teilnahmen. Der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof wurde eine Dolmetscherin für die mongolische Sprache beigezogen; bei der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat war kein Dolmetscher anwesend.
2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig waren, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005, in der Folge: AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003) sind Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Asylerstreckungsantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen. Da es am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig war, ist es vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
2.1.2. Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge:
AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008 [in der Folge: AsylGH-EinrichtungsG]) idF der DienstRNov. 2008 BGBl. I 147 ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG und auf § 38 AsylG. § 38 AsylG spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen.
Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Vorschrift VfGH 6.11.2008, U 97/08).
2.2.1. Gemäß § 21 AVG und § 1 Zustellgesetz (ZustG) sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen. Da der Zustellvorgang in den Zeitraum vor dem 1.1.2008 fiel, ist die Fassung des ZustG vor dem Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 BGBl. I 5/2008 maßgeblich (vgl. § 40 Abs. 5 ZustG in der Fassung dieses Gesetzes). Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG idF BG BGBl. I 10/2004 - in Kraft getreten am 1.3.2004 (§ 40 Abs. 4 ZustG) - hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 Abs. 1 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. "Empfänger" ist "die von der Behörde in der Zustellverfügung ... namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll" (§ 2 Z 1 ZustG). Bezeichnet die Behörde daher (irrtümlich) eine falsche Person als "Empfänger", so ist dies ein Mangel, der nicht nach § 7 ZustG etwa dadurch heilen kann, dass das Dokument (Schriftstück) jener Person zukommt, die als Empfänger zu bezeichnen gewesen wäre.
Gemäß § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustG idF vor dem BG BGBl. I 10/2004 galt dann, wenn die Behörde nicht den Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger bezeichnet hatte, die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem ihm das Schriftstück tatsächlich zugekommen war. Diese Bestimmung sah somit - ausnahmsweise - die Heilung auch eines Mangels der Zustellverfügung vor. In die Neufassung des § 9 ZustG durch das BG BGBl. I 10/2004 wurde diese Regel nicht aufgenommen. Bezeichnet daher die Behörde fälschlich nicht den Zustellungsbevollmächtigten, sondern die Partei als Empfänger eines Schriftstücks (Dokuments), so liegt nach der neuen, hier anzuwendenden Rechtslage ein Mangel des Zustellvorgangs vor, der nicht geheilt werden kann (VwGH 16.11.2005, 2005/12/0229; 20.12.2005, 2005/04/0063). (Die Änderung des § 9 Abs. 3 ZustG durch Art. 4 Z 5 Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 BGBl. I 5/2008 ist nicht zu beachten [vgl. oben Pt. 2.2.1].)
2.2.2.1. Die Beschwerdeführerin hat, indem sie vor dem Bundesasylamt von ihrem "Gatten B.T." sprach, "welcher mich auch im Verfahren vertritt", ihrem Ehegatten eine Vollmacht und damit auch eine Zustellvollmacht erteilt (vgl. VwGH 15.10.2008, 2007/20/0561). Sie hat allerdings in der Beschwerde angegeben, es habe Verständigungsschwierigkeiten gegeben. Daher wurde sie in der Verhandlung vom 16.12.2008 danach gefragt, ob sie vor dem Bundesasylamt eigene Verfolgung behauptet habe. Sie gab an, die Dolmetscherin sei eine Russin gewesen, die auf Mongolisch nur einfache Ausdrücke habe verstehen können. Auf die Frage, warum sie das beim Bundesasylamt nicht gesagt habe, gab die Beschwerdeführerin an: "Ich habe damals gedacht, es gehe so."
Unter diesen Umständen hat der Asylgerichtshof keinen Zweifel daran, dass die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt keine eigene Verfolgung behauptet, sondern die Asylerstreckung, bezogen auf ihren Gatten, beantragt und ihm, in unmittelbarem Zusammenhang damit, Vollmacht erteilt hat. Zum einen hat sie vor dem Bundesasylamt angegeben, sie könne sich "mit dem hier anwesenden Dolmetsch [...] einwandfrei verständigen"; zum anderen hat sie auch vor dem Asylgerichtshof eingeräumt, die Dolmetscherin habe einfache Ausdrücke verstehen können. Es ist davon auszugehen, dass die Unterscheidung, ob ein Asylwerber behauptet, er werde verfolgt, oder ob er angibt, er werde nicht verfolgt, zu diesen einfachen Ausdrücken gehört, denn der Beschwerdeführerin musste auf Grund der vorausgehenden und folgenden Belehrung über den Unterschied zwischen einem Asyl- und einem Asylerstreckungsantrag klar sein, dass eine Verfolgungsbehauptung nicht protokolliert worden sei, zumal da sie ja nach näheren Umständen der Verfolgung nicht gefragt wurde. Wenn sie sich damals gedacht hat, "es gehe auch so", hat sie sich damit abgefunden, dass eine allenfalls unrichtige Behauptung und Willenserklärung protokolliert worden ist. Gemäß § 47 AVG iVm § 292 Abs. 1 erster Satz ZPO schafft eine öffentliche Urkunde - und somit auch eine vom Bundesasylamt aufgenommene (und von der Beschwerdeführerin unterschriebene) Niederschrift - "vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde [..] bezeugt wird". Der nach § 47 AVG iVm § 292 Abs. 2 ZPO zulässige "Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Thatsache oder der unrichtigen Beurkundung" ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen.
Der Asylgerichtshof hat daher keinen Zweifel daran, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich einen Asylerstreckungsantrag gestellt und in unmittelbarem Zusammenhang damit ihrem Ehegatten eine Vollmacht erteilt hat.
2.2.2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten. Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde und daher gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG auch dem Asylgerichtshof verwehrt, meritorisch über die Berufung bzw. über die Beschwerde abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. die Nachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I² [1998] E 13, 18 zu § 63 AVG).
Das Bundesasylamt hat keine förmliche Zustellverfügung (iSd § 5 ZustG) getroffen, sondern im Bescheidkonzept und auf dem Umschlag der Sendung, die den Bescheid enthielt, die Beschwerdeführerin als Zustellempfängerin genannt. Aus der Darstellung in Pt. 2.2.1 ergibt sich aber, dass der Bescheid dem Zustellungsbevollmächtigten, also dem Ehegatten der Beschwerdeführerin, zuzustellen gewesen wäre. Ob ihm die Sendung in der Folge tatsächlich zugekommen ist, braucht nicht untersucht zu werden, da der Mangel auch auf diese Art nicht geheilt werden konnte. (Auch ob die Zustellvollmacht heute - etliche Jahre später - noch aufrecht ist, kann für die Frage keine Rolle spielen, ob sie damals bestanden hat.)
Der Asylbescheid ist daher nicht rechtswirksam erlassen worden.
2.2.3. Die Beschwerde richtet sich, da der Asylbescheid nicht rechtswirksam erlassen worden ist, gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde ist. Sie ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.