TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/12 E12 249014-0/2008

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Veröffentlicht am 12.01.2009
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Spruch

E12 249.014-0/2008-17E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Sovka über die Beschwerde des Herrn V.A., geb. 00.00.1990, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.04.2004, FZ. 04 00.115-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 23.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10, 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer (im folgenden: BF), seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger von Armenien, stellte am 19.1.2004 beim Bundesasylamt (BAA) durch seine Mutter und damalige gesetzliche Vertreterin A.A. einen Asylerstreckungsantrag.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates Armenien brachte die Mutter des BF im erstinstanzlichen Verfahren (zusammengefasst dargestellt) vor, dass sie 2 Jahre nach ihrer Eheschließung im Jahr 1989 (somit 1991) erfahren habe, dass ihr Mann Moslem ist. Wegen des Glaubens ihres Mannes seien sie auch 1993 von ihren Eltern aus dem Haus geworfen worden. Sie sei als Frau eines Moslems von Privatpersonen immer wieder beschimpft und erniedrigt worden. Auch der BF habe deswegen Probleme in der Schule gehabt. Im Juni 1997 sei der Vater des BF schließlich von armenischen Nationalisten verschleppt worden und nie wieder aufgetaucht. Die Mutter des BF habe bei der Polizei Abgängigkeitsanzeige erstattet. Nach einigen Monaten habe ihr das Gericht mitgeteilt, dass ihr Mann unauffindbar sei. Im Dezember 2003 sei der BF von anderen Kindern auf der Straße zusammengeschlagen worden. Schlussendlich hätten ihr die Nachbarn klargemacht, dass sie mit dem BF verschwinden solle, andernfalls sie ihn eines Tages nicht wiedersehen würde. Zur Polizei sei sie deswegen nicht gegangen.

 

Der Antrag der Mutter des BF auf internationalen Schutz wurde folglich vom BAA gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt. Ebenso wurde der Asylerstreckungsantrag des BF mit Bescheid vom 1.4.2004 gem. §§ 10, 11 Abs.1 AsylG 1997 abgewiesen. Das BAA begründete seine Entscheidung bei der Mutter des BF im Wesentlichen mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens. Die Behauptung, dass sie und der BF wegen des Glaubens des Ehegatten unterdrückt, verfolgt und bedroht worden wären, wurde nur allgemein in den Raum gestellt, ohne dies zu belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft zu machen. Außerdem sei das Vorbringen trotz Vorhalt nicht nachvollziehbar bzw. nicht plausibel. So sei zB aufgrund des patriarchalischen Rollenverständnisses in Armenien nicht davon auszugehen, dass ein 16-jähriges Mädchen ohne Zustimmung bzw. ohne Kenntnis der Eltern heiraten kann, insbesondere, wenn dieses nach der Eheschließung noch im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern lebt. In diesem Fall wüssten die Eltern sich auch Bescheid, dass es sich beim Schwiegersohn um einen Moslem handelt. Auch die Behauptung, sie habe den BF nicht taufen lassen können, weil sie keine Freunde und Bekannten mehr gehabt habe, ist unplausibel, weil sie zum Zeitpunkt der Geburt im Jahr 1990 noch bei den Eltern wohnte. Es sei auch nicht plausibel, dass die Mutter des BF trotz ständiger Unterdrückung seit 1991 bzw. 1993 nichts unternommen habe und weiterhin in E. aufhältig geblieben sei. Gegen die Glaubwürdigkeit spräche auch, dass sie nicht einmal versucht hat, Anzeige zu erstatten. Auch gehe aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor, dass der Ehegatte entführt worden sei, sondern vielmehr, dass die Mutter des BF beabsichtigt habe eine neue Familie zu gründen.

 

In der Folge wurde auch der Asylerstreckungsantrag des BF mit Bescheid des BAA vom 1.4.2004 abgewiesen.

 

Gegen diese Bescheide haben der BF und seine Mutter innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Neben allgemeinen rechtlichen Ausführungen und Wiederholungen führte die Mutter des BF im Wesentlichen aus, dass die Beweiswürdigung des BAA unzutreffend sei. In Armenien könnten junge Frauen sehr wohl selbst entscheiden, wen sie heiraten. Da der Ehegatte kein praktizierender Moslem war, habe sie dies auch 2 Jahre nicht bemerken können. Es habe auch keinen Sinn gehabt, den Sohn taufen zu lassen, weil er aus einer Mischehe stammt. Sie habe ihr Heimatland deshalb so lange nicht verlassen, weil sie auf eine Besserung der Situation nach Beendigung des Krieges gehofft habe. Zur Polizei sei sie deshalb nicht gegangen, weil sie als alleinstehende Mutter Angst gehabt habe, konkrete Personen zu benennen. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liege vor, weil den BF die herangezogenen Beweisquellen nicht zur Kenntnis gebracht worden seien. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht infrage gekommen.

 

Am 23.10.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, ergänzende Einvernahme des BF und seiner Mutter unter Beiziehung eines Dolmetsch der armenischen Sprache als Parteien und Erörterung der in der Beilage 1 zur Verhandlungsschrift vom 23.10.2008 angeführten Erkenntnisquellen.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.1.2009 wurde der Asylantrag der Mutter A.A., geb. 00.00.1973, 12 E 249013, gem. § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gem. § 8 AsylG für zulässig erklärt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [....]

 

(2) [....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[....]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 -AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG), BGBl. I Nr. 4/2008 idgF die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 -AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. GGst. Verfahren war am 31. 12.2005 anhängig, weshalb es nach dem AsylG 1997 zu Ende zu führen ist.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 10 Abs. 1 AsylG begehren fremde mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen aufgrund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl. Nach Abs. 2 können Asylanträge frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden. Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige, unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG hat die Behörde aufgrund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK, BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Der BF hat am 19.1.2004 einen Asylantrag gestellt. Anlässlich einer mit ihr am selben Tag aufgenommenen Niederschrift erklärte die Mutter des BF, dass sie die gesetzliche Vertretung im Asylverfahren ihres Sohnes übernimmt sowie, dass der Asylantrag des BF in einem Asylerstreckungsantrag gem. §§ 10, 11 AsylG 1997 auf des Asylantrag seines Vaters (gemeint wohl: seiner Mutter) umgedeutet wird.

 

Der Asylantrag der Mutter des BF wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag, 12E 249013, als unbegründet abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt. Ein allfälliger Verlust der Minderjährigkeit während laufenden Asylerstreckungsverfahrens steht nach der Rechtsprechung des VwGH einer Erstreckung des Asyls - uns somit wohl umgekehrt auch einer Ablehnung- von einem Elternteil auf seine Kinder nicht entgegen, wenn das gesetzliche Zulässigkeitserfordernis der Minderjährigkeit bei Antragstellung vorgelegen hat (VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2001/01/0429-12). Im vorliegenden Fall war der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig und war daher der Asylerstreckungsantrag ebenfalls abzuweisen.

 

III. Im gegenständlichen Fall ist im Gegensatz zu Art. 3 EMRK Art. 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 Asylgesetz 1997 in der hier anzuwendenden Fassung erfasst. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung nach § 8 Asylgesetz 1997; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zur Außerlandesschaffung durch die Fremdenpolizeibehörden vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).

Schlagworte
Asylerstreckung
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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