TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/12 E2 305845-1/2008

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Veröffentlicht am 12.01.2009
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Spruch

E2 305.845-1/2008-19E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. FAHRNER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Frau BIRNGRUBER über die Beschwerde des B.H., geb. 00.00.1969, StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim RATHBAUER gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.09.2006, FZ. 05 10.500-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2008 zu Recht erkannt

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und B.H. gemäß § 7 AsylG 1997 idF. BGBl. Nr. I. 101/2003 (AsylG 1997) der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 12 AsylG 1997 idF BGBl I. Nr. I 101/2003 wird festgestellt, dass B.H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. VERFAHRENSGANG:

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF"), ein iranischer Staatsangehöriger persischer Volksgruppe, reiste am 15.07.2005 gemeinsam mit seiner Ehegattin K.R., geb. 00.00.1972 (GZ E2 305.848-1/2008) und seinem Sohn B.A., geb. 00.00.1995 (GZ E2 305.846-1/2008) per Direktflug aus Teheran in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte für sich und seinen Sohn - ebenso wie seine Gattin - am selben Tag einen Asylantrag (AS 7). Seine Familie habe die Heimat verlassen müssen, da sie aus religiösen Gründen im Iran verfolgt werde.

 

2. Am 16.07.2005 wurde der BF vor dem Stadtpolizeikommando Schwechat niederschriftlich einvernommen (AS 9 ff). Dabei gab er an, er sei Christ. Er sei zusammen mit seiner Frau im Jahr 2004 zum christlichen Glauben übergetreten. Er habe versucht, auch andere Personen zum christlichen Glauben zu bewegen. Jeden Dienstag habe er sich mit anderen konvertierten Personen getroffen und sie hätten sich über das Christentum informiert. Die Sicherheitsbehörden seien auf sie aufmerksam geworden, jedoch habe er die Sache beim ersten Mal noch durch Bestechung bereinigen können. Bei einem zweiten Treffen hätten die Sicherheitskräfte Bücher und Filme sichergestellt. Der BF sei gemeinsam mit den anderen zur Polizeidienststelle gebracht und verhört worden. Er habe sich verpflichten müssen, dass er die Tätigkeit unterlässt. Einer Ladung der Polizei habe er nicht Folge geleistet, da solche Aktivitäten und die Konvertierung im Iran mit der Todesstrafe bedroht seien. Daraufhin habe er sich versteckt gehalten, bis er den Iran gemeinsam mit seiner Familie verlassen habe können.

 

3. Am 21.07.2005 wurde der BF erneut einvernommen (AS 45 ff). Im Zuge dieser Einvernahme vor der Erstaufnahmestelle Ost gab der BF an, er habe sein Heimatland verlassen, da er zum Christentum konvertiert sei. Er sei seit zirka eineinhalb Jahren [somit seit Anfang 2004] Protestant. Er habe Interesse am Christentum gehabt, zumal auch seine Schwester in den USA konvertiert sei. Diese habe ihm auch eine christliche Familie vorgestellt, durch welche er andere Christen kennengelernt habe. Sie hätten sich jeden Samstag versammelt, Filme angeschaut und über das Christentum geredet und diskutiert. Weiters habe er über Satellit viele christliche Sender empfangen und gesehen. Im Iran sei ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig.

 

4. Am 06.06.2006 erfolgte vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, eine weitere Einvernahme im Asylverfahren (AS 91 ff). Aufgefordert seine Asylgründe erneut zu schildern, gab der BF an, er habe Interesse am Christentum gehabt. Er habe sich zirka fünf bis sechs Monate damit beschäftigt und habe daher einige Veranstaltungen besucht. Jeden Freitag habe man sich getroffen.

 

Am 29.04.2005 sei er - ohne seine Frau - bei einer "Sitzung", an der sechs Personen teilgenommen hätten, gewesen. Sie hätten gebetet und über das Christentum gesprochen, als die Polizei gekommen sei, ihre Bücher und Filme gesehen habe und alle anwesenden Personen mitgenommen habe. Seine Nachbarn seien dahintergekommen und hätten ihn verraten, woraufhin er für eine Woche festgenommen und körperlich sowie seelisch gefoltert worden sei. Er sei lediglich aufgrund der Hinterlegung eines Grundbuchauszuges wieder freigelassen worden. Nachher habe er wegen seines Übertritts zum Christentum eine Gerichtsladung bekommen. Er sei aber nicht hingegangen. Hätte er der Ladung Folge geleistet, wäre er "zu 100 % verurteilt" und "verhaftet, gefoltert und umgebracht worden".

 

Am 23.05.2005 habe er eine Ladung bekommen, die er zerrissen habe.

 

Zum Beweis dafür legte der BF eine Gerichtsladung des Landesgerichts Teheran, Gerichtsabteilung XX, vom 00.00.2005 vor. Demnach sei der BF zu einer Befragung für den 00.00.2005 geladen worden.

 

Er gehe jede Woche gemeinsam mit seiner Frau in die Kirche, wo sie singen und beten würden. Er gehe nicht zu jedem Gottesdienst, sondern vielleicht einmal im Monat. Er sei innerlich ein Christ, sei aber erst Anfänger. Seine Kirche sei die Baptistenkirche in Linz. Seinen Sohn erziehe er christlich, getauft sei er allerdings nicht, da er seinen Glauben selbst entscheiden müsse.

 

Der BF sei nicht wegen seiner finanziellen Lage aus dem Iran geflüchtet. Er habe dort ein Haus und ein Geschäft, welches noch immer bestehe. Ein Mitarbeiter schicke ihm Geld, wovon er hier in Österreich lebe.

 

Weiters legte der BF ihn und seine Frau betreffende Taufscheine vor.

 

5. Am 11.08.2006 richtete das Bundesasylamt ein Erhebungsersuchen hinsichtlich der Angaben des BF an die Österreichische Botschaft in Teheran (AS 105 f). Diese teilte in ihrem Schreiben vom 03.09.2006 mit, dass der von der Botschaft konsultierte Vertrauensanwalt festgestellt habe, dass es sich bei der vom BF vorgelegten Ladung offensichtlich um eine Fälschung handle, zumal der in Aussicht gestellte Verhandlungstermin ein Freitag sei und an diesem wichtigsten Tag des iranischen Wochenendes keine Gerichtsverfahren stattfinden würden (AS 119).

 

6. Mit Bescheid vom 06.09.2006, FZ 05 10.500-BAL, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des BF gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 8 Abs 1 leg. cit. für nicht zulässig (Spruchpunkt II.) und erteilte dem BF gemäß § 8 Abs 3 iVm § 15 Abs 2 leg. cit. die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 05.09.2007 (Spruchpunkt III.).

 

In der Bescheidbegründung stellte die Erstbehörde fest, dass der BF in Österreich zum christlichen Glauben konvertiert sei, führte aber gleichzeitig aus, dass dem BF im Iran keine Verfolgung aufgrund seiner religiösen Überzeugung drohen würde, da er eine solche nicht glaubhaft gemacht habe.

 

Dem Vorbringen des BF, wonach er bereits im Iran zum christlichen Glauben übergetreten, er im Zuge eines Treffens mit anderen Christen festgenommen worden sei und nunmehr vom Gericht gesucht werde, sei die Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen gewesen.

 

Es bestünden Gründe für die Annahme, dass der BF im Fall der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung wegen der allgemeinen Lage im Iran einer Gefahr iSd § 50 FrG ausgesetzt sei. Bei Berücksichtigung der individuellen, den BF betreffenden Faktoren und der derzeitigen Lage im Iran (für Konvertierte) sei zu befinden, dass im Fall des BF die Lebensgrundlage im Herkunftsstaat entzogen sei.

 

7. Mit Bescheiden vom selben Tag (06.09.2006) wurden die Asylanträge seiner Ehegattin (FZ 05 10.501-BAL) und seines Sohnes (FZ 05 10.656-BAL) abgewiesen (jeweiliger Spruchpunkt I.) und diesen subsidiärer Schutz gewährt.

 

Diese Bescheide wurden nach zwei vorausgegangen Zustellversuchen am 08.09.2006 beim zuständigen Postamt hinterlegt.

 

8. Mit Schriftsatz vom 20.09.2006 brachte der BF durch seinen Rechtsvertreter Dr. Helmut BLUM fristgerecht Berufung gegen Spruchpunkt I. ein. Darin wird zum einen ausgeführt, dass die Begründung der Erstbehörde, wonach das Vorbringen des BF unglaubwürdig sei, nicht schlüssig sei. Zum anderen unterliege der BF schon allein aufgrund der von der Behörde festgestellten Tatsache der Konvertierung in Österreich einer asylrelevanten Verfolgung.

 

Der Berufung wurde eine Bestätigung einer iranischen Christengemeinschaft beigelegt, wonach der BF, seine Gattin und sein Kind seit September 2005 regelmäßig Gottesdienste besagter Gemeinschaft besuchen würden.

 

9. Mit Schreiben vom 09.05.2007 gab der bisherige Rechtsvertreter die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit dem BF, seiner Ehegattin und deren Kind bekannt (OZ 4).

 

10. Mit Schreiben vom 04.06.2007 gab Dr. Joachim RATHBAUER bekannt, dass die oben Genannten nunmehr von ihm vertreten werden (OZ 5).

 

7. Der Asylgerichtshof, führte am 17.12.2008 eine öffentlich mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF, dessen Ehegattin und Sohn als weitere Antragsteller und ein Dolmetscher für die Sprache Farsi teilnahmen. Die Beschwerdeführer waren in der Beschwerdeverhandlung nicht vertreten. Ein Vertreter des Bundesasylamtes ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Beweis wurde erhoben durch:

 

Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt;

 

Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen Verhandlung;

 

Einsichtnahme in folgende von den BF vorgelegten Dokumente:

 

Auto- und Motorradführerscheine

 

Grundstückseigentumsurkunde

 

Berufsausübungsbestätigung

 

Personenstandsurkunde

 

Taufbestätigung

 

Personalausweis

 

Gerichtsladung

 

Schreiben in persischer Sprache über Christentum im Iran

 

Gottesdienstbesuchsbestätigung

 

Einsichtnahme in die folgenden, im Zuge der mündlichen Verhandlung erörterten Erkenntnisquellen:

 

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: Februar 2008) vom 18.03.2008;

 

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Themenpapier, Christen und Christinnen im Iran, vom 18.10.2005);

 

Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007;

 

2. Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

 

Der BF ist iranischer Staatsangehöriger und am 00.00.1969 in Teheran geboren. Er war im Iran bis zu seiner Ausreise als Goldhändler tätig. In religiöser Hinsicht wurde der BF von seinen Eltern als Moslem erzogen und er praktizierte diese Religion auch; während des (irakisch-iranischen) Krieges intensiver und danach weniger intensiv. Im Jahr 1994 flüchtete eine seiner Schwestern in die USA und konvertierte dort zur christlichen Religion. Durch die telefonischen Kontakte mir ihr wurde beim BF ebenfalls das Interesse für die christliche Religion geweckt. Der BF hat bereits im Iran christlich-protestantische Veranstaltungen besucht und wurde im Zuge einer solchen Veranstaltung nach Verrat durch seine Nachbarn von der Polizei festgenommen. Nach einer Haftzeit von 1 Woche musste er einen Grundbuchauszug hinterlegen, worauf er frei gelassen wurde. Dem BF wurde in der Folge eine gerichtliche Ladung für den 00.00.2005 zugestellt. Dieser Ladung ist der BF nicht gefolgt, sondern er hat sein Heimatland am 15.07.2005 gemeinsam mit seiner Ehegattin und dem Sohn per Direktflug nach Österreich verlassen. In Österreich lebte die Familie anfangs bei zwei seiner Schwestern, die bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden. Der BF schloss sich in Österreich der protestantischen Konfession an, besuchte den Taufunterricht der Iranischen Christengemeinschaft in Linz und wurde am 00.00.2006 von Pastor F.B. getauft. Er besucht regelmäßig an Samstagen den Gottesdienst der Iranischen Christengemeinde und arbeitet dort auch ehrenamtlich mit. Er hat Kenntnis von den zentralen religiösen Inhalten seiner Konfession und praktiziert die protestantische Religion aktiv. Eine Rückkehr zur islamischen Religion ist nicht sehr wahrscheinlich.

 

Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass der BF definitiv zur christlichen Religion, protestantischer Konfession konvertiert ist und seinen Glauben auch nach außen hin praktiziert. Obwohl der BF angibt, er würde die erfolgte Konversion im Iran nicht "groß veröffentlichen" (woraus zu schließen wäre, dass er wahrscheinlich nicht missionarisch tätig sein will) ist nicht ausgeschlossen, dass diese in seiner näheren Umgebung (im Iran lebende Familienangehörige, Nachbarn) bereits bekannt ist. Die Behörden dürften noch zur Zeit seines Aufenthaltes in der Heimat von den religiösen Interessen des BF gewusst haben. Folglich hat er im Falle der Rückkehr mit der besonderen Aufmerksamkeit auch seitens der Behörden zu rechnen, was ihn unter Berücksichtigung der aus den Länderberichten gewonnenen Erkenntnisse unter Umständen der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aus politisch-religiösen Motiven aussetzt.

 

2.2. Zur Situation im Herkunftsland:

 

Zur allgemeinen politischen Lage:

 

Das konservativ- klerikale Lager verfügt über die entscheidenden Machtpositionen im politischen System Irans, reformorientierte Kräfte hatte es fast völlig zurückgedrängt. Bei den Parlamentswahlen am 20.02.2004 hat das gemäßigt konservative Lager einen klaren Wahlerfolg erzielt und stellte nunmehr im Parlament die Mehrheit. Im Vorfeld der Wahlen war es zum Ausschluss von über 2000 reformfreundlichen Kandidaten durch den Wächterrat gekommen. Über 100 Abgeordnete hatten darauf hin aus Protest ihre Ämter niedergelegt und zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Einige von ihnen sind seit dem unter anderem wegen Unruhestiftung, vor Gericht vorgeladen worden.

 

Mahmoud Ahmadinejad, der dem konservativen Lager angehörende frühere Bürgermeister von Teheran gewann die Präsidentenwahl im Juli 2005.

 

Die iranische Verfassung sieht eine Gewaltentrennung vor, die wegen der zugrunde liegenden islamischen Normen um einige Institutionen ergänzt wird. Das Volk wählt in geheimen, direkten Wahlen das Parlament (290 Mitglieder, Amtszeit vier Jahre), den Präsidenten (Amtszeit vier Jahre) sowie den sog. Expertenrat (Amtszeit acht Jahre, 83 Mitglieder aus dem Klerus). Letzterer hat vor allem die Aufgabe, nach bestimmten, in der Verfassung vorgegebenen Kriterien den Islamischen Revolutionsführer auf Lebenszeit zu ernennen sowie in seiner Amtsführung zu überwachen. Nach Ayatollah Khomeini hat jetzt Ayatollah Khamenei das mit weit reichenden Machtbefugnissen ausgestattete Amt inne. Durch das Recht, Vertreter wichtiger Verfassungsorgane und anderer staatlicher Stellen zu ernennen, kontrolliert er indirekt weite Teile der Politik.

 

Der Islamische Wächterrat überprüft die vom Parlament beschlossenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit islamischen Normen. Er setzt sich aus sechs vom Islamischen Revolutionsführer ernannten islamischen Theologen und sechs vom Parlament auf Vorschlag des Chefs der Judikative ernannten Rechtsexperten zusammen (Amtszeit 6 Jahre). Sollte es zu keiner Einigung zwischen Parlament und Wächterrat kommen, obliegt die Entscheidung dem Schlichtungsrat. Dieser kann auch über jede ihm vom Islamischen Revolutionsführer vorgelegte Frage beraten und entscheiden. Seine 25 Mitglieder werden vom Islamischen Revolutionsführer ernannt, Vorsitzender ist derzeit der ehemalige Staatspräsident Rafsandjani.

 

Der Islamische Revolutionsführer ernennt auch für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative, der laut Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Judikative innehat, sowie den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs und den Generalstaatsanwalt. Der Justizminister hat ausschließlich Verwaltungs-Kompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, sie haben sich bei ihren Entscheidungen an geltende Gesetze zu halten, nur in Ausnahmefällen, z.B. wenn ein bestimmter Sachverhalt nicht rechtlich geregelt ist, kann ein Urteil aus islamischer Rechtsliteratur oder entsprechenden "fatwas" abgeleitet werden.

 

Bereits 2004 errang das konservative Lager die Mehrheit im Parlament (Madschlis) zurück und mit dem Wahlsieg Ahmadinejads in der Stichwahl zur Präsidentschaft 2005 ging ein Vertreter der Radikal-Konservativen als Wahlsieger hervor. Somit sind alle entscheidenden politischen Gremien von Konservativen dominiert, der Einfluss der Reformkräfte ist marginal. Sie befinden sich de facto in der außerparlamentarischen Opposition und haben jegliche politische Gestaltungskraft verloren (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 7).

 

Trotz der politischen Mehrheiten ist das Lager der Konservativen in mehrere Fraktionen geteilt (Konservative, Radikal-Konservative -Ahmadinejad nahestehend- und einer sehr kleinen Fraktion der "Kargozaran" -Aufbau-Fraktion, Rafsanjani nahestehend) und der Präsident nicht unumstritten. Seine Kampfrhetorik nach außen überdeckt innenpolitische Auseinandersetzungen. Im ersten Jahr der Regierung Ahmadinejad wurden zahlreiche außenpolitische Kompetenzen formal dem Schlichtungsrat, in jüngster Zeit auch einem vom Revolutionsführer Khamenei gegründeten "Rat zur Wegweisung der außenpolitischen Beziehungen Irans" übertragen. Dieser wird vom früheren Außenminister Kamal Kharazi geleitet, ihm gehört daneben Ali Akabr Welayati, außenpolitischer Berater des Revolutionsführers, an. Beide Gremien nutzen diese Kompetenzen bislang jedoch nicht. Neben wirtschaftspolitischen Maßnahmen wird vereinzelt auch innerhalb des konservativen Lagers die Strategie der Regierung in den Nuklearverhandlungen deutlich kritisiert; auch die folgenlose "Brief-Diplomatie" Ahmadinejads wurde gerade auch von konservativen Abgeordneten scharf kritisiert (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 7).

 

Die unter Khatami errungenen Freiräume in künstlerischer, intellektueller und zivilgesellschaftlicher Hinsicht wurden im Laufe der letzten Monate weiter eingeschränkt. Entsprechende Gesetze wurden erlassen, eindringliche Aufforderungen und teils massive Einschüchterungen nehmen zu, um unliebsame Meinungen einzuschränken. Mit dem Abgang der Reformer aus dem politischen Alltag ist es mittlerweile fast unmöglich geworden, zivilgesellschaftlichen Forderungen nach mehr Demokratie und bürgerlichen Freiheiten Ausdruck zu verleihen.

 

Die Reformpolitik Khatamis ist nach einem Jahr der Regierung Ahmadinejad vollständig zum Erliegen gekommen. Dennoch haben wichtige Gesetze der Khatami-Zeit weiter Bestand, so z.B. die Heraufsetzung des rechtlichen Heiratsmindestalters von neun auf fünfzehn Jahre sowie die - wenn auch nur deklaratorische - gesetzliche Verankerung eines selbständigen Scheidungsrechts für Frauen (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 8).

 

Auch die nach der iranischen Verfassung garantierte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit kann in der Praxis nur eingeschränkt verwirklicht werden. Ende Mai 2006 haben Berichten zufolge mehrere hundert Studenten auf dem Gelände der Universität Teheran gegen die Einmischung der Basijmilizen bei Wahlen von Studentenvertretern demonstriert, wobei der Protest aber wohl besonders gegen die von der Ahmadinejad-Regierung forcierten Wechsel der Universitätsrektoren gerichtet war. Mehrere Polizisten seien hierbei verletzt, Studenten aber nicht festgenommen worden.

 

Zwei Frauendemonstrationen wurden seit Frühjahr 2006 von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Wie bei der ersten Demonstration am Internationalen Frauentag am 08.05.2006 (Anmerkung VL gemeint wohl 08.03.2006) wurde auch bei der weitaus größeren Demonstration am 12.06.2006 (Beteiligung von rund tausend Frauen und zahlreichen Männern) gewaltsam eingegriffen. Die überwiegend weiblichen Polizeitruppen gingen dabei unter Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray mit äußerster Härte gegen die überwiegend weiblichen Demonstranten vor. Rund 40 Frauen und 30 Männer seien festgenommen worden (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite17f).

 

Es ist seit Juli 2005 noch schwerer respektive nahezu unmöglich geworden, behördliche Bewilligungen für eine Demonstration zu erhalten. Seit dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinejad ging die Polizei mehrmals gewaltsam bei friedlichen Demonstrationen vor. Als etwa am diesjährigen 8. März, dem internationalen Frauentag, Tausende friedlich für Frauenrechte demonstrierten, schritt die Polizei mit Gewalt ein und schlug und verhaftete zahlreiche DemonstrantInnen (Schweizer Flüchtlingshilfe, 02.08.2006, Seite 7).

 

Der iranische Staat ist im Allgemeinen bemüht, seine materiellen und formellen rechtlichen Regelungen einzuhalten, wobei es allerdings häufig wegen Überlastung und Ineffizienz des Gerichtsapparates zu Verzögerungen in den Verfahrensabläufen kommt. Die Strafverfolgungspraxis ist insbesondere in Bezug auf politische Überzeugungen diskriminierend. Dabei werden Beschuldigten bzw. Angeklagten nach westlichem Rechtsverständnis grundlegende Rechte vorenthalten, die teils auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge dürfen beim Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten werden. Auf diese Weise können missliebige Personen ruhiggestellt werden. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, teils weil ihnen das Recht dazu verwehrt wird, teils weil ihnen die finanziellen Mittel hierzu fehlen.

 

Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten, z. B. Spionage für das Ausland, Sexualdelikte, Korruption. Oft sind die Strafen in Bezug auf die vorgeworfene Tat unverhältnismäßig. In mehreren dem Auswärtigen Amt bekannt gewordenen Fällen - insbesondere bei politischen Hintergründen - wurde Angeklagten der Zugang zu ihren Anwälten über längere Zeit unmöglich gemacht oder erschwert. Mehrere Anwälte, die die Verteidigung regimekritischer Personen übernommen hatten, wurden anschließend selbst mit konstruierten Anklagen konfrontiert und zu Haftstrafen verurteilt. Die derzeit prominentesten Beispiele für die Behinderung von Strafverteidigern sind die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi und der Mitgründer des Zentrums für Menschenrechte Abdolfattah Soltani, der so prominente Angeklagte wie den Journalisten Akbar Ganji und die unter ungeklärten Umständen in Haft verstorbene Fotojournalistin Zahra Kazemi vertreten hatte. Er (Anmerkung VL gemeint wohl: Sie) war 2005 wegen Spionagevorwürfen sieben Monate inhaftiert. Im Sommer 2006 wurde er, ohne dass er oder seine Anwälte vor Gericht erschienen waren, zu einer fünfjährigen Haftstrafe wegen angeblicher Enthüllung vertraulicher Informationen und Propaganda gegen das Regime sowie zu 5 Jahren Entzug der Bürgerrechte verurteilt (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 22f).

 

Die Menschenrechtsbilanz im Iran ist ein Jahr nach dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinejad besorgniserregend. Es kommt täglich zu Menschenrechtsverletzungen. RegimekritikerInnen und Oppositionelle werden weiterhin inhaftiert, viele davon nach unfairen Gerichtsverfahren. Todesstrafe und Folter werden praktiziert. Die Behörden beschränken die Meinungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit. Religiöse und ethnische Minderheiten sind Verfolgung ausgesetzt. Frauen sind vielfach diskriminiert (Schweizer Flüchtlingshilfe, 02.08.2006, Seite 4).

 

Der VN Sonderberichterstatter für Rede- und Meinungsfreiheit gab bei seinem Besuch in Teheran vom 04.-10.11.2003 bekannt, dass viele der prominenten Häftlinge bis zu 130 Tage in Einzelhaft gehalten wurden.

 

Das iranische Strafrecht ist hinsichtlich der Bestimmtheit von Straftatbeständen und Rechtsfolgen zum Teil unbefriedigend. Hinzu kommt eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Rechtsanwendung durch die juristisch sehr unterschiedlich vorgebildeten und in einzelnen Fällen auch beeinflussbaren Richter. Dies macht seriöse Prognosen über das in einem konkreten Fall zu erwartende Strafmaß schwierig.

 

Die Haftbedingungen für politische Strafgefangene unterscheiden sich in der Regel nicht von denen normaler Strafgefangener. Sippenhaft im eigentlichen Sinn wird im Gegensatz zur Zeit kurz nach der Revolution in Iran heute nicht mehr praktiziert. Es ist allerdings möglich, dass Familienmitglieder von Asylbewerbern von den Sicherheitskräften vorgeladen und befragt werden.

 

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien können im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen ausgesprochen werden (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 23).

 

Ausweichmöglichkeiten bestehen nicht. Soweit staatliche Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 31).

 

Die im iranischen Strafrecht vorgesehenen äußerst schweren Strafen werden in der Praxis nicht regelmäßig mit der größtmöglichen Strenge verhängt. An religiösen Feiertagen oder zum iranischen Neujahrsfest werden zum Teil zu langen Freiheitsstrafen Verurteilte begnadigt. Hinrichtungen werden aber nach wie vor in großer Anzahl durchgeführt, zum Teil auch öffentlich. Beobachter gehen davon aus, dass im Jahr 2005 über 80 Hinrichtungen vollzogen wurden. Diese Zahlenangaben beruhen ausschließlich auf Angaben in iranischen und ausländischen Medien; es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Zahl von Hinrichtungen deutlich höher ist.

 

Die Todesstrafe kann nach iranischem Recht für eine große Zahl von Delikten verhängt werden: für Mord, Rauschgiftschmuggel, terroristische Aktivitäten, Staatsschutzdelikte (darunter auch bewaffneter Raub, Straßenraub, Teilnahme an einem Umsturzversuch, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder), Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islam oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und andere Sexualstraftaten (u.a. weibliche und männliche Homosexualität, Ehebruch, Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin). Für letztere ist die erforderliche Beweisführung sehr aufwendig, was eine Anklage aber nicht ausschließt. International Aufsehen erregte die öffentliche Hinrichtung eines Serienmörders in Pakdasht am 16.03.2005 (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 33).

 

Seit dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinejad ist die Zahl der Hinrichtungen stark angestiegen. Hingerichtet werden auch Minderjährige. Amnesty International dokumentierte 94 Hinrichtungen im Jahr 2005, darunter waren acht Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren. Die tatsächliche Zahl der Exekutionen dürfte sehr viel höher liegen (Schweizer Flüchtlingshilfe, 02.08.2006, Seite 3).

 

Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein das bloße Stellen eines Asylantrags zu staatlichen Repressionen führt, wie die hohe Anzahl von in den vergangenen Jahren abgelehnten und rückgeführten iranischen Asylbewerbern zeigt, die ein normales Leben in Iran führen.

 

Nach u.a. durch regelmäßige Beobachtungen von Rückführungen gewonnenen Erkenntnissen des Auswärtigen Amts kann es nach der Rückführung in Einzelfällen zu einer Befragung durch iranische Sicherheitsbehörden zu ihrem Auslandsaufenthalt kommen, besonders zu ihren Kontakten während dieser Zeit. Diese Befragung kann in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher aber ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Es wurde auch kein Fall bekannt, in dem ein Zurückgeführter im Rahmen seiner Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurde (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 37).

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet. In Iran wird üblicherweise die Pflege von Angehörigen innerhalb des Familienverbandes durchgeführt; die mögliche Betreuung in einem staatlichen Pflegeheim liegt unter dem Standard, der in Deutschland üblich ist. Wegen des Platzmangels in diesen Heimen ist es außerdem schwierig, dort aufgenommen zu werden (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006,

 

Seite 37).

 

Die medizinische Versorgung in Iran entspricht nicht internationalen Anforderungen, ist aber ausreichend bis - vor allem in Teheran - befriedigend. In allen größeren Städten existieren Krankenhäuser, die Versorgung mit Medikamenten ist weitestgehend gewährleistet; in speziellen Apotheken können Medikamente auch aus dem Ausland bestellt werden. Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Krankheiten sind zumindest in Teheran grundsätzlich gegeben. Iran verfügt über ein ausgebautes Versicherungswesen, welches prinzipiell auch die Deckung von Krankheitskosten umfasst. Allerdings sind Patienten/Angehörige weiterhin auf hohe Eigenaufwendungen angewiesen, da Behandlungskosten deutlich über den Versicherungsleistungen liegen. Ohne dass der Patient massive Vorauszahlungen leistet, findet - zumindest bei größeren Eingriffen - eine Behandlung nicht statt (Auswärtiges Amt vom 21.09.2006, Seite 37).

 

Zur Verfolgung vom Islam Abgefallener im Iran wird Folgendes festgestellt:

 

Die Verfassung des Iran erklärt den Islam, nach der Doktrin der Zwölferschia, zur Staatsreligion. Alle Gesetze und Bestimmungen müssen mit der offiziellen Interpretation des islamischen Rechts, der Scharia, übereinstimmen. Innerhalb der "Grenzen des Gesetzes" gesteht die Verfassung den Angehörigen der monotheistischen Religionen Christentum, Judentum und Zoroastrismus als einzigen anerkannten religiösen Minderheiten die Freiheit der Religionsausübung zu. Bedingung dafür ist jedoch der Verzicht auf jegliche Missionstätigkeit. In persönlichen Belangen wie Eheschließung, Scheidung und Erbrecht sowie in glaubensspezifischen Angelegenheiten genießen sie dagegen Autonomie. (Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran, vom 18.03.2008)

 

Im Iran existiert ein umfassendes Missionsverbot. Angehörigen der religiösen Minderheiten ist es ohne Ausnahme verboten zu missionieren. (SFH, Themenpapier, Christen und Christinnen im Iran, vom 18. Oktober 2005)

 

300 000 Christen leben laut Schätzungen der Vereinten Nationen in der Islamischen Republik Iran. Die Mehrheit von ihnen gehört der seit Jahrhunderten im Iran ansässigen armenischen Kirche an. (Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007)

 

Die armenischen Christen und Zoroastrier (rund 1 % der Bevölkerung) sind in die Gesellschaft integriert und keinen auf die Gruppe gerichteten Repressionen ausgesetzt. Auch diejenigen anderen christlichen Kirchengemeinden, die ihre Arbeit ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Religion beschränken, werden nicht systematisch behindert oder verfolgt. Es kommt aber in Einzelfällen zu Übergriffen. (Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran, vom 18.03.2008)

 

Seit dem Amtsantritt Mahmud Ahmadinejads habe sich die Situation von Christen deutlich verschlechtert, Christen würden mit einer Zunahme von Misshandlungen und Schikanen konfrontiert. Wiederholte bösartige und aufhetzende Äußerungen politischer und religiöser Führer und eine Zunahme von Schikanen, Inhaftierungen und physischen Angriffen gegen diese Gruppen deuteten auf eine Neuauflage dieser Art von Unterdrückung hin, wie sie in früheren Jahren vorgekommen sei. Christen im Iran seien weiter Schikanen, strenger Überwachung und Inhaftierungen ausgesetzt. (Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007)

 

Gegenüber den im Iran lebenden Christen, können aber Mitglieder der religiösen Minderheiten, denen zum Christentum konvertierte Muslime angehören, staatlichen Repressionen ausgesetzt sein. Auch nicht missionierende, zum Christentum konvertierte Iraner werden wirtschaftlich, etwa bei der Arbeitssuche, oder gesellschaftlich, bis hin zur Ausgrenzung, benachteiligt. Von nicht-staatlicher Seite sind konvertierte Muslime in der Regel keinen Repressionen ausgesetzt.

 

Das gilt auch für alle missionierenden Christen, unabhängig davon, ob es sich um konvertierte oder nicht-konvertierte Christen handelt. Staatliche Maßnahmen richteten sich bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen. Von nicht-staatlicher Seite sind Christen in der Regel keinen Repressionen ausgesetzt. Allerdings wurde am 22.11.2005 Ghorban Dordi Tourani, ein Konvertit, der als Pastor einer Hausgemeinde in Gonbad-e-Davus tätig war, von Unbekannten ermordet.

 

Der Abfall vom Islam (Apostasie) ist nach islamischem Recht, nicht aber nach kodifiziertem iranischem Strafrecht mit der Todesstrafe bedroht. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber - unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 endgültig in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt.

 

Konversionen würden in der muslimisch-iranischen Öffentlichkeit den Verdacht einer regimekritischen Haltung erregen. Diese Gefahr erhöhe sich, wenn Konvertiten zusätzlich Missionstätigkeiten, andere öffentliche Aktivitäten oder eine leitende Funktion in einer christlichen Gemeinde ausüben. Hinzu trete die Möglichkeit einer mittelbaren Verfolgung durch fanatische Muslime, da Konvertiten nach islamischem Recht von allen Muslimen getötet werden dürften. Jene Personen, die im Ausland vom Islam zu Christentum übergetreten sind, könnten nur solange wirklich ungefährdet zurückreisen, wie die iranischen Behörden keine Kenntnis bezüglich der Konversion erhielten. Gemäß Angaben von Experten sei nicht auszuschließen, dass die Behörden davon ausgehen, dass der Übertritt nicht aus religiösen, sondern aus politischen Gründen erfolgt sei, was Verfolgungen durch die Sicherheitskräfte nach sich ziehen könne. (Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007)

 

3. Beweiswürdigung:

 

Nach den vorgelegten unbedenklichen nationalen Dokumenten, steht die Identität des Beschwerdeführers fest.

 

Der erkennende Senat sieht es - wie schon das Bundesasylamt - als genügend glaubhaft gemacht an, dass sich der BF tatsächlich bereits im Iran für das Christentum interessierte und einschlägige Veranstaltungen besuchte, wobei auch die Behörden auf ihn aufmerksam geworden sind. Die Glaubhaftigkeit dieser Schlussfolgerung ist besonders durch die Vorlage einer gerichtlichen Ladung anzunehmen, welcher der BF aus Angst vor behördlicher Verfolgung nicht mehr nachgekommen ist, sondern zum Anlass für die Ausreise aus seinem Heimatland nahm. Diese Ladung wurde zwar im erstinstanzlichen Verfahren als Fälschung beurteilt, da (nach Übersetzung des Schriftstückes) der Ladungstermin auf einen Freitag fallen würde und an einem Freitag als wichtigsten Tag der Woche keine gerichtlichen Verhandlungen stattfinden. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung zeigte sich jedoch, dass die Übersetzung des Ladungstermines wegen der nicht eindeutigen Handschrift mit 00.00.2005 anzunehmen ist. Bei diesem Tag handelt es sich aber um einen Montag. Somit erscheint die gerichtliche Vorladung entgegen der Annahme des Bundesasylamtes sehr wohl plausibel. Die Plausibilität des Beweismittels wird nicht dadurch aufgehoben, dass das Ausstellungsdatum der gerichtlichen Ladung mit 00.00.2005 zu übersetzen ist und dieser Tag auf einen Sonntag fällt. Bei diesem Wochentag handelt es sich im Iran um einen normalen Arbeitstag und kann es als wahrscheinlich angesehen werden, dass an Sonntagen auch behördliche (gerichtliche) Ladungen ausgestellt werden.

 

Der BF hat aber auch in mündlicher Beschwerdeverhandlung eindruckvoll und glaubwürdig dargestellt, dass ihm die Konversion zum christlich-protestantischen Glauben sehr wohl eine persönliches Anliegen ist und diese nachweislich durch Vorlage der Taufbestätigung mit der Taufe auch formell vollzogen wurde. Der BF ist über inhaltliche Fragen seiner Konfession und protestantische Riten informiert und betätigt sich in der iranischen Christengemeinschaft in Linz aktiv am religiösen Leben durch Teilnahme an den Gottesdiensten und ehrenamtliche Mitarbeit. Dies wurde einerseits durch die schriftliche Bestätigung des Pastors F.B. und dessen Bereitstellung als Zeuge sowie durch die überzeugende Darstellung des BF in mündlicher Verhandlung glaubhaft gemacht. Einer expliziten Vernehmung der vom Asylgerichtshof geladenen und teilweise vom BF namhaft gemachten Zeugen zu diesem Thema bedurfte es angesichts der schlüssigen Schilderung des BF und der bis dahin bereits klaren Beweislage nicht mehr. Seitens des Bundesasylamtes wurde auf die Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung verzichtet, es wurden aber auch keine Beweisanträge gestellt.

 

Sämtliche Umstände sprechen dafür, dass der BF nicht nur zum Schein konvertiert ist. Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu konstatieren, dass sich der BF während seines Aufenthaltes in Österreich sehr stark in eine hier tätigen, evangelische Glaubensgemeinschaft integriert hat und eine Rückkehr zum Islam objektiv betrachtet wohl sehr unwahrscheinlich erscheint. Somit ist der Asylgerichtshof davon überzeugt, dass der BF der iranischen Christengemeinschaft in Linz beigetreten und einer evangelischen Glaubensgemeinschaft angehört.

 

Die zu 2.2. getroffenen Feststellungen zum Herkunftsland, ergeben sich aus dem zitierten Dokumentationsmaterial, welches als zuverlässig und seriös zu betrachten ist. Der Asylgerichtshof zieht aus dem Ländermaterial den Schluss, dass in der islamischen Republik Iran eine Verfolgung wegen Abfalls vom islamischen Glauben sowohl von privater als auch von staatlicher Seite nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idF BGBl. I Nr. 147/2008 sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat das erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 werden Asylanträge, die ab dem 01. Mai 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt. Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf Asyl am 15.07.2005 gestellt, weshalb im Zusammenhang mit § 75 Abs. 1 AsylG 2005 das AsylG 1997 idF BGBL I Nr. 101/2003 zur Anwendung gelangt.

 

Zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft:

 

Gemäß § 7 Asylgesetz hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

4.2. Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass sowohl das Bundesasylamt als auch der Asylgerichtshof gleichermaßen zum Befund kommen, dass der BF in Österreich zum christlichen Glauben übergetreten ist. Insoweit ist der Fall als unstrittig anzunehmen. Somit ist die Frage von Bedeutung, ob der BF bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben evangelischer Prägung zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden, bzw. welche Konsequenzen er wegen einer allenfalls bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte (vergl dazu VwGH vom 24.10.2001, Zl. 99/20/0550). Da aber - wie schon in der Beweiswürdigung ausgeführt - der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat und keine Anhaltspunkte dafür bot, dass es sich beim Glaubenswechsel um eine bloße Scheinkonversion handelt, kann es dahingestellt bleiben, welche Einstellung die islamische Republik Iran gegenüber im Ausland zum Schein bzw. zum Zwecke der bloßen Asylerlangung Konvertierten hat. Bei der Frage aber, ob mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die iranischen Behörden Verfolgungsmaßnahmen gegen rückkehrende, und ernsthaft zum christlichen Glauben konvertierte Staatsbürger setzen ist zum einen zu bedenken, dass im Iran eine intensive Verquickung von Staat und Religion besteht (die Verfassung des Iran erklärt den Islam zur Staatsreligion - sh. Bericht des Auswärtigen Amtes vom 18.03.2008), so dass die dem Schutz religiöser Werte dienenden Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung zu sehen sind (VwGH 17.09.2003, 99/20/0126). So stellt auch das Asylmagazin in seinem Schwerpunkt "Christen im Iran" vom 17.04.2007 fest: "Konversionen würden in der muslimisch-iranischen Öffentlichkeit den Verdacht einer regimekritischen Haltung erregen" und: "...Hinzu trete die Möglichkeit einer mittelbaren Verfolgung durch fanatische Muslime, da Konvertiten nach islamischem Recht von allen Muslimen getötet werden dürften. Jene Personen, die im Ausland vom Islam zu Christentum übergetreten sind, könnten nur solange wirklich ungefährdet zurückreisen, wie die iranischen Behörden keine Kenntnis bezüglich der Konversion erhielten. Gemäß Angaben von Experten sei nicht auszuschließen, dass die Behörden davon ausgehen, dass der Übertritt nicht aus religiösen, sondern aus politischen Gründen erfolgt sei, was Verfolgungen durch die Sicherheitskräfte nach sich ziehen könne".

 

Demnach bedeutet nach islamischem Verständnis der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem. Sohin ist beim BF im Falle der Rückkehr neben einer Verfolgung durch fundamentalistisch und islamisch-konservativ eingestellte Private auch eine staatliche Verfolgung nicht auszuschließen, wobei aufgrund der jüngst stattfindenden Verschärfung (siehe dazu: Kolumne in "WELT ONLINE DEBATTE" vom 19.09.2008 - 15.53 Uhr,

http://debatte.welt.de/kolumnen/73/iran+aktuell/90759/besorgniserregendes+strafgesetz, abgefragt am 09.01.2009) auch in strafrechtlicher Hinsicht mit der Todesstrafe gerechnet werden muss. Abgesehen davon, dass unter diesen Bedingungen der BF keinerlei Möglichkeiten hätte, seinen Glauben im Herkunftsstaat wie etwa durch Teilnahme an Gottesdiensten oder die Vornahme von Gebeten in der Gemeinschaft mit anderen auszuüben, ohne dass er Gefahr läuft, dass dies anderen, gegenüber anders gläubigen, kritisch eingestellten Personen - wenn auch nur einem kleinen Kreis - bekannt wird, hätte der BF bereits bei der Ankunft unter Umständen mit intensiveren behördlichen Untersuchungen zu rechnen, zumal er einer gerichtlichen Ladung, die vor seiner Ausreise ausgestellt wurde, nicht gefolgt ist. Nach der glaubhaften Darstellung des BF ist bei dieser Ladung - die nach dem Ergebnis der Beweiswürdigung durchaus plausibel erscheint - nicht auszuschließen, dass schon im Zusammenhang mit der möglicherweise bereits den Behörden bekanntgewordenen, religiösen Einstellung des BF eine behördliches Interesse an ihm besteht. Staatliche Willkürmaßnahmen wären für diesen Fall keineswegs auszuschließen, wenn man den Menschenrechtsberichten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aber auch den diesbezüglichen Ausführungen des Deutschen Auswärtigen Amtes folgt. Somit ergibt sich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der BF im Falle der Rückkehr einer Verfolgung aus politisch-religiösen Motiven ausgesetzt ist, was unschwer unter die Bestimmungen des Artikels 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumieren ist. Keineswegs kann der Asylgerichtshof die Ansicht des Bundesasylamtes vertreten, dass eine derartige Sachlage bloß ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK wegen Entzugs der Lebensgrundlage darstellen soll, zumal gerade die - auch vom Bundesasylamt festgestellten - religiösen Anknüpfungspunkte (die in der besonderen Konstellation des Iran auch zu politischen werden) zum Konventionsgrund führen. Darüber hinaus ist auf Art. 10 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 304 vom 30.09.2004, S 12-13 (Statusrichtlinie) Bedacht zu nehmen. Demnach ist (im Rahmen der Annerkennung als Flüchtling) bei der Prüfung der Verfolgungsgründe zu berücksichtigen, dass der Begriff der Religion insbesondere u. a. die Teilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind umfasst. Dass dies für den BF im Falle der Rückkehr in die islamische Republik Iran nicht gewährleistet ist, hat der Asylgerichtshof bereits oben ausführlich dargestellt.

 

Der mit der Beschwerde bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes war daher zu beheben, dem BF mit Erkenntnis Asyl zu gewähren und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

 

Hinweise, dass einer der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- - oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte, sind nicht hervorgekommen.

Schlagworte
Apostasie, asylrechtlich relevante Verfolgung, Konversion, politische Gesinnung, Religion, Religionsausübung, strafrechtliche Verfolgung, Straftatbestand, Todesstrafe
Zuletzt aktualisiert am
02.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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