D10 233303-3/2009/3Z
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter MMag. Thomas E. SCHÄRF als Einzelrichter über die Beschwerde des L. alias G.T. alias T. alias Z., geb. 00.00.1985 alias 00.00.1980 alias 00.00.1985, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.12.2008, FZ. 08 10.877-EAST-Ost, beschlossen:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 9. Jänner 2002 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer gab an, den Namen G.L. zu führen, am 00.00.1985 geboren zu sein und stellte am 10. Jänner 2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 5. November 2002 vor dem Bundesasylamt erklärte der Beschwerdeführer, in Z. geboren zu sein und der georgischen Volksgruppe anzugehören. Vor seiner Ausreise sei er zuletzt in T. wohnhaft gewesen, wo seinen Angaben zufolge seine Eltern auch weiterhin wohnten.
Seinen Asylantrag begründete der Beschwerdeführer mit Verfolgung seiner Familie durch staatliche Behörden auf Grund der Mitgliedschaft seines Vaters beim "Runden Tisch". Dem Vater sei mit Entführung des Beschwerdeführers gedroht worden, falls er nicht bestimmte "Dokumente" aushändigen würde. Er habe daher Georgien im November 2001 verlassen müssen.
Mit Bescheid vom 8. November 2002, FZ. 02 00.917-BAW, wies die Asylbehörde erster Instanz den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien für zulässig. Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung mit fehlender Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und stellte fest, dass auch von Amts wegen keine Gründe hervorgetreten seien, die einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien entgegen stünden.
Die gegen diese Erledigung erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 7. Mai 2003, GZ. 233.303/0-IX/27/02, gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 ab und führte begründend im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar sei. Auch das in der Berufung erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner politischen Überzeugung gezwungen gewesen Georgien zu verlassen, sei widersprüchlich (zu seinen bisherigen Angaben).
Dieser Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates ist infolge Hinterlegung gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG am 7. Mai 2003 in Rechtskraft erwachsen, nachdem der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers zum damaligen Zeitpunkt nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte.
Am 13. Jänner 2006 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, und begründete diesen nunmehr zusätzlich zu den bisherigen Gründen mit Verfolgung durch die georgischen Behörden (im Falle seiner Rückkehr) da er sich weigere, den Militärdienst abzuleisten.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2006, FZ. 06 00.634-EAST-Ost, wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 nach Georgien aus.
Die gegen diese Entscheidung am 30. März 2006 erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 12. April 2006 als verspätet zurückgewiesen, da der erstinstanzliche Bescheid nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 13. Februar 2006 hinterlegt wurde und daher der 28. Februar 2006 der letzte Tag der Rechtsmittelfrist war.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12. April 2006 wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Juni 2006 rechtskräftig abgewiesen.
Am 4. November 2008 schließlich brachte der Beschwerdeführer den gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz ein und begründete diesen neben dem bisherigen Vorbringen mit Furcht vor Verfolgung auf Grund von Blutrache sowie Verfolgung wegen seiner Abstammung, da seine Mutter Ossetin sei. Überdies gab der Beschwerdeführer an, er sei an Hepatitis C erkrankt.
Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit dem hier bekämpften Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG "wegen entschiedener Sache" zurück (Spruchpunkt I.) und sprach gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Georgien aus (Spruchpunkt II.).
Die gegen diesen Bescheid gerichtete, am 22. Dezember 2008 fristgerecht erhobene Beschwerde, langte beim Asylgerichtshof am 5. Jänner 2009 ein.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird, keine aufschiebende Wirkung zu. Einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer solchen Entscheidung verbunden ist, kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie "vom unabhängigen Bundesasylsenat" (nunmehr im Sinne des Gesetzgebers des 3. Fremdenrechtpaktes wohl: vom Asylgerichtshof) zuerkannt wird.
Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 hat der Asylgerichtshof sofern gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen wird, dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 237/03, zu den Bestimmungen der §§ 5a 2. Satz sowie 32 Abs. 2 2. Satz AsylG 1997 ausgesprochen hat, können den öffentlichen Interessen an der Raschheit der Durchführung der Ausweisung mögliche Nachteile des Berufungswerbers entgegen stehen, wie etwa die faktische Schwierigkeit, vom Ausland aus ein Berufungsverfahren zu führen, oder Beeinträchtigungen, die sogar in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK fallen können. Der ausnahmslose Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Falle des Ausspruches der Ausweisung verstößt daher gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil er selbst in jenen besonderen Fällen eine Interessensabwägung zu Gunsten des Asylwerbers unmöglich macht und damit den Berufungswerber in verfassungsrechtlich verbotener Weise einseitig mit den Folgen einer potentiell unrichtigen Entscheidung belastet.
Dass der Gesetzgeber des Fremdenrechtspaketes 2005 diesen vom Verfassungsgerichtshof im vorzitierten Erkenntnis aufgestellten Anforderungen bei der Formulierung des § 37 AsylG 2005 Rechnung tragen wollte, ist den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ohne Weiteres zu entnehmen. Diesen zufolge wurde mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein System vorgeschlagen, dass den Rechtsschutzwerber nicht mit allen Folgen einer potentiell negativen Entscheidung belastet. Die aufschiebende Wirkung könne nach den Determinanten des Abs. 1 ausgesprochen werden, um Einzelfälle, bei denen der Berufungswerber durch das Fehlen der aufschiebenden Wirkung über Gebühr belastet wird, aufzufangen (vgl. hiezu 952 BlgNR 22.GP 55).
Dass der seitens des Asylgerichthofes auf Grund der Bestimmung des § 37 Abs. 1 AsylG 2005 vorzunehmenden Prüfung im Ergebnis nicht Gewissheit über das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung im Falle der Abschiebung abverlangt werden kann, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung, da mit "Gefahr" regelmäßig nur ein potentielles Risiko beschrieben wird, andererseits aber auch aus dem Umstand, dass andernfalls bereits im Rahmen des Provisorialverfahrens über das Schicksal der erhobenen Beschwerde zu entscheiden wäre.
Vom Vorliegen einer "realen" Gefahr im Sinne der zitierten Bestimmung wird in Anbetracht der dem Gerichtshof vom Gesetzgeber für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 eingeräumten Frist von nur einer Woche einerseits und der Massivität eines Grundrechteingriffes (und des damit verbundenen Rechtsschutzinteresses) andererseits davon ausgegangen werden können, wenn im konkreten Fall vertretbar Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung der in § 37 Abs. 1 angeführten Grundrechte sowie Art. 8 EMRK möglich erscheinen lassen. Nur bei Anlegung eines derartigen Maßstabes kann von einem wirksamen Rechtsbehelf gesprochen werden, der auch den Anforderungen des Art. 13 EMRK Genüge tut. (Vgl. in diesem Sinne zur damals geltenden Rechtslage des AsylG 1997 etwa E VwGH 31. März 2005, 2005/01/0087).
Im Übrigen sei an dieser Stelle auch auf die Praxis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, der in der Vergangenheit bei der Behandlung von Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen in Asylverfahren durchwegs regelmäßig aufschiebende Wirkung zuerkannt und damit die gemäß § 30 VwGG vorzunehmende Abwägung von Interessen zu Gunsten der Beschwerdeführer vorgenommen hat.
Im gegenständlichen Falle, des eigenen Angaben zufolge der ossetisch-georgischen Volksgruppe zugehörigen Beschwerdeführers, der überdies angibt, an Hepatitis C erkrankt zu sein, liegen auf Grund der notorisch bekannten politischen Entwicklungen des letzten Jahres nach Ansicht des Asylgerichtshofes - das heißt infolge der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Georgien und der Russischen Föderation vom August 2008 betreffend die territoriale Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien - vertretbar Anhaltspunkte vor, die eine Verletzung des Art. 3 EMRK möglich erscheinen lassen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 entfallen.