TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/21 E9 401332-1/2008

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Veröffentlicht am 21.01.2009
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Spruch

E9 401.332-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. R. Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. H. Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mayer über die Beschwerde der A.M., geb. 00.00.1985, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.08.2008, FZ. 08 06.057-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige von Armenien, stellte nach illegaler Einreise über den Flughafen Wien/Schwechat am 14.07.2008 im Rahmen der Erstbefragung gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Als Begründung für das Verlassen ihres Herkunftsstaates Armenien brachte sie bei der Erstbefragung im Wesentlichen vor, dass ihr Vater politisch verfolgt worden sei. Nach der Flucht ihrer Eltern sei sie von unbekannten Männern verfolgt und nach deren "Aufenthaltsort" befragt worden. Eineinhalb Monate vor der Ausreise sei sie von zwei unbekannten Männern entführt worden. Man habe sie zwar nicht misshandelt, jedoch Druck ausgeübt, um zu erfahren, wo sich ihre Eltern aufhalten würden. Bei einer Rückkehr habe sie Angst um ihr Leben.

 

Bei der Ersteinvernahme am 17.07.2008 vor dem Bundesasylamt (BAA) Erstaufnahmestelle Ost begründete sie ihre Ausreise damit, dass sie von "Leuten" verfolgt worden sei, die sich nach ihrem Vater und irgendwelchen "Kassetten" erkundigt hätten. Sie sei später eine Woche festgehalten und weiter nach den Kassetten befragt worden. Da sie die Fragen nicht beantworten konnte, sei sie wieder freigelassen worden. Ihr Vater sei bei den Wahlen als Vertrauensperson tätig gewesen. Auch nach ihrer Freilassung sei sie von schwarz gekleideten Männern aufgehalten und befragt worden. Sie habe große Angst vor einer Rückkehr.

 

Bei der ergänzenden Einvernahme am 05.08.2008 durch das BAA - Außenstelle Graz stellte die BF klar, dass sie in ihrem Heimatstaat weder mit der Polizei, noch mit anderen staatlichen Stellen Probleme gehabt habe. Sie sei von unbekannten Männern verfolgt worden. Ihr Vater habe sich politisch engagiert. Nach dessen Ausreise sei sie immer wieder von zwei Unbekannten nach ihrem Vater gefragt worden. Weiters habe man sich bei der BF nach irgendwelchen "DVDs" erkundigt. Eines Tages - wann genau wisse sie nicht - sei sie nach der Arbeit mitgenommen und für ca. eine Woche in einem dunklen Keller festgehalten worden. Sie sei zwar grob behandelt, aber nicht geschlagen worden. Näheres zum Ort, dem Grund bzw. zum Zeitpunkt der Anhaltung konnte die BF nicht ausführen. Auf Vorhalt bei der Ersteinvernahme von "Kassetten" gesprochen zu haben, nunmehr von "DVDs" zu sprechen, erklärte die BF wörtlich: "Die haben mal Kassetten gesagt, mal sprachen sie von DVDs." Sie habe den Vorfall nicht zur Anzeige gebracht. Die BF begründete das Unterlassen einer Anzeige im Wesentlichen damit, dass sie nicht gewusst hätte, "was sie anzeigen solle" und sie "habe ja keine Beweismittel gehabt". Ihr Vater sei beruflich als Buchhalter tätig gewesen. Bei den Wahlen habe er als Vertrauensmann fungiert. Sie habe Angst vor diesen zwei unbekannten Männern.

 

Das Bundesasylamt stützte sich auf umfangreiche Feststellungen zur Lage in Armenien (Seite 9 bis 17 des erstinstanzlichen Bescheides), insbesondere auch zum Rechtsschutz, der - speziell medizinischen - Grundversorgung und der Rückkehrsituation nach Asylantragstellung, wobei der Beschwerdeführerin zum wesentlichen Inhalt dieser Feststellungen Parteiengehör gewährt wurde. Es finden sich umfangreiche und nachvollziehbare Quellenangaben, wobei die Quellen hiefür hinreichend aktuell sind. In ihrer Stellungnahme ist die BF den Berichten nicht substantiiert entgegen getreten. Sie erklärte zu den Länderfeststellungen betreffend Armenien lediglich, dass sie von den Organisationen für Menschenrechte gehört habe, den Ombudsmann kenne sie allerdings nicht. Dem Vorliegen einer Grundversorgung bzw. medizinischen Versorgung widerspreche sie nicht.

 

Das BAA gelangte im Rahmen der Beweiswürdigung zur Erkenntnis, dass durch die BF eine aktuelle Bedrohungssituation in Armenien nicht glaubhaft gemacht worden sei, insbesondere weil wesentliche Teile ihres ausreisekausalen Vorbringens betreffend dargelegter persönlicher Erlebnisse vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten und durch keinerlei Beweismittel gestützt seien.

 

Der Antrag der BF wurde folglich vom BAA gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III).

 

Spruchpunkt I. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass essentielles Erfordernis für die Asylgewährung die Glaubhaftmachung einer aktuell drohenden Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe sei. Es sei aber nicht plausibel, dass der BF in Armenien Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohe. Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen argumentiert, dass sich aus ihrem Vorbringen und der allgemeinen Lage keine reale Gefahr einer Verletzung der hier maßgeblichen Rechtsgüter ergebe. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass kein relevantes Privat- und Familienleben in Österreich bestehe und - selbst bei Vorliegen - nach erfolgter Abwägung der öffentlichen Interessen mit den Interessen der BF die Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in diese verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte darstelle.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der BF.

 

Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung (Bescheid S 17 - 20) dar, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, ihr ausreisekausales Vorbringen - abgesehen von den Angaben zu ihrer Person und ihrem Privat- und Familienleben - glaubhaft zu machen, da dieses in wesentlichen Punkten vage bzw. nicht plausibel nachvollziehbar war.

 

So stellte die BF lediglich einige Behauptungen in den Raum und beschränkte sich im Prinzip auf die Aussage von unbekannten Männern verfolgt worden zu sein. Sie war nicht in der Lage konkrete und detaillierte Angaben über ihre Erlebnisse zu machen (vlg. "Wie lautet die Adresse Ihres Onkels?" - "Das weiß ich nicht."). So konnte die BF auf Grund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben keinen Bezug zu ihrer Person herstellen und nicht glaubhaft machen, dass sie das von ihr Geschilderte tatsächlich selbst erlebt habe. Nach der Schilderung der angeblichen Ausreisegründe versuchte die Behörde, durch konkretes Nachfragen die vage Darstellung zu präzisieren. Anstatt aber konkret auf die Fragen einzugehen, versuchte die BF immer auszuweichen und weitere vage Behauptungen aufzustellen. So ließ sie auf Vorhalt - zumal sie behauptete eine Woche lange festgehalten worden zu sein und dies somit ein einschneidendes Erlebnis darstellen musste - wissen, als sie nach einem diesbezüglichen Datum gefragt wurde: "Das weiß ich nicht, kann mich nicht mehr erinnern."

 

Auch auf konkrete Nachfrage, wo sie festgehalten worden sei, entgegnete die BF lediglich sehr allgemein und vage: "Das weiß ich nicht. Es war ein Keller, der dunkel war." "Näheres kann ich dazu nicht angeben." Weiters erklärte die BF, dass sie nicht wisse, warum man sie ohne Weiteres frei gelassen habe. Nicht nachvollziehbar bzw. schlüssig erscheint der Behörde und dem Asylgerichtshof weiters die Antwort der BF auf den Vorhalt, warum sie einerseits behaupte stets von zwei unbekannten Personen verfolgt worden zu sein und andererseits erklärte, niemals bei Ihrem Onkel, bei dem sich die BF zuletzt regelmäßig aufhielt, aufgesucht worden zu sein (vgl. "Das weiß ich nicht. Ich wurde immer beobachtet.")

 

Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin - wie ebenfalls von der Erstbehörde aufgezeigt - nicht schlüssig begründen vermochte, warum sie nicht gleich mit ihren Eltern (mit denen die BF zusammenlebte), fortgegangen sei, zumal sie anführte, dass ihr Vater Probleme mit unbekannten Personen gehabt habe.

 

Schließlich erschien es der belangten Behörde nicht plausibel nachvollziehbar, dass es die BF es unterlassen habe, die Sicherheitsbehörden zu informieren bzw. bei diesen Schutz zu suchen (vgl. "Was hätte ich anzeigen sollen?"), wo sie doch behauptete eine Woche festgehalten worden zu sein.

 

Die vom BAA vorgenommene, und hier hinsichtlich der tragfähigsten Argumente dargestellte, Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anzuerkennen hat, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert.

 

Diesen Überlegungen schließt sich der Asylgerichtshof daher an. Gerade der Umstand, dass es sich um Erlebnisse handelte, die die BF über längere Zeit behauptetermaßen persönlich mit ihren Verfolgern gehabt haben will, lässt darauf schließen, dass es sich hier um keine Realerlebnisse der BF handelte, welche der allgemeinen Lebenserfahrung nach besonders einprägsam sind, insbesondere wenn sie stressreiche Ereignisse darstellen, sondern um ein gedankliches Konstrukt, das der Erlangung eines Aufenthaltstitels unter Umgehung der fremdenrechtlichen Bestimmungen und Missbrauch des Asylrechtes dienen soll.

 

Diesen entscheidenden und die Beweiswürdigung hinsichtlich der Nichtglaubhaftmachung ihrer als ausreisekausal dargestellten Ereignisse allein schon hinreichend tragfähigen Argumenten wurde auch in der Beschwerde nicht konkret und substantiiert entgegen getreten, weshalb der Asylgerichtshof nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

 

Im gegenständlichen Verfahren ist aber für den Asylgerichtshof, insbesondere aus mehreren zusätzlichen Gründen, einleuchtend, dass die als ausreisekausal dargelegten Bedrohungen zweifelsfrei nicht den Tatsachen entsprechen.

 

Ein entscheidender Ansatzpunkt, dass das dargelegte Verfolgungsszenario in Form der Befragungen und der einwöchigen Anhaltung nicht den Tatsachen entsprechen kann, ist der von der BF in den Einvernahmen geschilderte zeitliche Ablauf. So wurde von der BF in der zweiten Einvernahme am 05.08.2008 angegeben, dass ihre Eltern am 18.04 von zu Hause geflüchtet seien. Ab diesem Zeitpunkt seien dann die ihr unbekannten Männer aufgetaucht. In der gleichen Einvernahme, erklärte die BF, ab dem 20.04.2008 bei ihrem Onkel gelebt zu haben. Beim zuerst genannten Datum muss es sich jedenfalls um den 18.04.2008 handeln, schließlich sprach die BF im Beschwerdeschriftsatz davon, dass ihr Vater bei den Präsidentschaftswahlen 2008 "dabei" gewesen sei. Die BF gab weiters zu Protokoll, in jener Zeit, in der sie bei ihrem Onkel wohnte, keine Probleme gehabt zu haben. Das gesamte Verfolgungsszenario müsste sich also innerhalb von zwei Tagen ereignet haben. Dies widerspricht aber eindeutig den Schilderungen der BF, die auf einen längeren Bedrohungszeitraum hindeuten ("Man hat mich ständig

verfolgt. ... Mich verfolgten Leute, die immer wieder nach meinem

Vater und Kassetten fragten. ... Ich habe immer mitbekommen, dass

mir jemand folgt. Auf meinem Heimweg von der Arbeit oder wenn ich mit meinen Freundinnen unterwegs war, fuhr immer ein Auto hinter mir her." bzw. "Ich wurde immer von unbekannten Männern verfolgt. Daher haben mich Freundinnen immer begleitet."). Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass schon allein die von der BF behauptete Anhaltung eine Woche gedauert habe.

 

Ein weiterer Widerspruch im von der BF geschilderten zeitlichen Ablauf lässt sich nach Ansicht des Asylgerichtshofs darin erblicken, dass - wie zuvor bereits erwähnt - die BF bei der zweiten Einvernahme am 05.08.2008 angab, während des Aufenthaltes beim Onkel ihres Vaters (also ab dem 20.04.2008) keine Probleme gehabt zu haben. Im Gegensatz dazu sprach die BF bei der Erstbefragung am 14.07.2008 davon ca. eineinhalb Monate vor der Einvernahme entführt worden zu sein, also zu einem Zeitpunkt, von dem sie später angab, nie Probleme gehabt zu haben. Das gesamte Vorbringen der BF lässt sich somit unmöglich zeitlich in Einklang bringen.

 

In der ergänzenden Einvernahme beim BAA machte sie auch widersprüchliche Angaben betreffend ihres letzten Wohnortes. Sprach sie zuerst davon, dass sie "bis zu ihrer Ausreise ständig an ihrer Wohnadresse (die Eigentumswohnung ihrer Eltern) in Jerewan gelebt" habe, so gab sie danach an, dass sie (nur) "bis zum 20.4.2008 dort gewohnt habe und danach aber zum Onkel ihres Vaters nach E. gezogen sei", wo sie bis zu ihrer Ausreise gewohnt habe. Bei der Datenaufnahme anlässlich der Asylantragstellung führte sie als ihre "letzte Wohnadresse" in Armenien die Anschrift der Eigentumswhg. ihrer Eltern in Jerewan an.

 

Ferner änderte bzw. steigerte die Beschwerdeführerin im Zuge des Verfahrens ihr Vorbringen dadurch, dass sie erst bei der niederschriftlichen Einvernahme am 17.07.2008 erstmals erwähnte, dass sie nicht nur nach dem Aufenthaltsort ihres Vaters, sondern auch immer wieder nach Kassetten befragt worden sei. Ein derartiges "gesteigertes bzw. geändertes Vorbringen" stellt ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit dar. Insbesondere wird weder in den niederschriftlichen Einvernahmen noch in der Beschwerdeschrift dargelegt, warum die Beschwerdeführerin dies nicht früher erwähnt hat.

 

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die BF im Zuge der Einvernahme am 17.07.2008 immer von Kassetten sprach, während in den Aussagen der BF vom 05.08.2008 eindeutig von DVDs die Rede ist. Auf Vorhalt dieses wesentlichen Widerspruches konnte sie diese unterschiedlichen Angaben nicht plausibel aufklären. Die BF erklärte lediglich wörtlich: "Die haben mal Kassetten gesagt, mal sprachen sie von DVDs." Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die BF dies nicht aus eigenem schon vorher erwähnten hätte können, wenn es den Tatsachen entspräche, zumal es sich um keine unerheblichen Unterschiede handelt und sie sich insbesondere durch die im Verfahren erfolgten Belehrungen hinsichtlich der Bedeutung ihrer persönlichen Angaben dessen bewusst sein musste.

 

Auch die Begründung warum sie sich nicht an die Polizei gewandt habe, ist nicht plausibel und daher ein weiteres Indiz dafür, dass die BF über keine persönlichen Realerlebnisse berichtet. Wenn man von ihren Angaben ausgeht, dass sie "ständig unter Beobachtung stand" - hier könnte man vertretbar davon ausgehen, dass die BF die Personen dabei auch gesehen haben muss, ansonsten ihre Angaben schon vorweg nicht nachvollziehbar wären - so wäre es der allgemeinen Lebenserfahrung und auch unter Berücksichtigung der Lage in Armenien für die Polizei grds. kein gröberes Problem diese "ständig" im Nahbereich der BF aufhältigen "Verfolger", die von der BF noch dazu identifiziert werden könnten, anzuhalten und zu befragen bzw. ein Ermittlungsverfahren zu führen. Dass die BF - welche sich auch offensichtlich nicht veranlasst sah, sich vor ihren "Verfolgern" zu verstecken und sogar bis zu ihrer Ausreise im Krankenhaus in Jerewan gearbeitet haben soll, keinen Versuch unternahm bei der Polizei bzw. den für die Strafverfolgung zuständigen Instanzen Schutz bzw. Hilfe zu suchen, ist daher nicht nachvollziehbar.

 

Die Zulässigkeit für den Asylgerichtshof über die Beweiswürdigung der Erstbehörde hinaus ergänzende Schlüsse aus den bisherigen Ermittlungen zu ziehen, ergibt sich aus § 41 Abs 7, 2. Fall, AsylG 2005, wonach von einer mündlichen Verhandlung auch dann abgesehen werden kann, wenn sich aus "den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht". Um der Begründungspflicht, resultierend aus § 60 AVG, wonach der Bescheid [das Erkenntnis] erkennen lassen muss, aus welchen Erwägungen die Behörde [der Asylgerichtshof] zu dieser Ansicht gelangt ist, zu entsprechen, bedarf es aber einer (nachvollziehbaren) Darstellung der dafür maßgeblichen gedanklichen Vorgänge.

 

Der Gesetzgeber verwendet hier mit "zweifelsfrei" eine andere Diktion wie im § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 1997 idFd Asylgesetz-Novelle 2003, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist, wenn das "......Bedrohungsszenario offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht". Schon aus dem anders gewählten Wortlaut leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber hier im § 41 Abs 7 2. Fall AsylG 2005 idgF - womit eine Erweiterung der Möglichkeit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung geschaffen werden sollte - mit "zweifelsfrei" auf Grund des anderen Wortsinnes eine andere Wertung anlegen wollte, als mit der "Offensichtlichkeit", ansonsten es keiner Änderung der Diktion bedurft hätte. Daraus resultiert aber auch, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Offensichtlichkeit (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 Praxiskommentar, S 100ff mwN auf die Judikatur des VwGH) im zitierten § 6 AsylG 1997 nicht ohne weiteres auf diese neue Bestimmung übertragen lässt. Dem Wortsinn nach ist unter "zweifelsfrei" die "Freiheit von (innerer) Unsicherheit, Ungewissheit, mangelndem Glauben oder innerem Schwanken gegenüber einem (möglichen) Sachverhalt oder einer Behauptung" zu verstehen. Zu dieser Überzeugung hat der Richter (das Gericht) auf Basis der "bisherigen Ermittlungen" zu gelangen.

 

Hier ergeben sich derartige Fakten im Wesentlichen aus den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens. Der Asylgerichtshof ist nicht verhalten, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in seinen eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem § 45 Abs 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde bzw. das Gericht ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

 

Die BF wiederholte in der Beschwerde im Wesentlichen ihre behauptete und auch im Beschwerdeverfahren bescheinigungslos gebliebene "Verfolgung" durch ihr unbekannte Personen, weil diese den Aufenthaltsort ihres Vaters erfahren bzw. Kassetten/ DVDs erlangen wollten. Den hier dargestellten und die Beweiswürdigung tragenden Argumenten wurde aber nicht konkret und substantiiert entgegen getreten.

 

Die Beschwerdeführerin bringt allerdings im Asylverfahren erstmals in der Beschwerde - unbescheinigt - vor, dass sie in Armenien politischen Problemen ausgesetzt gewesen sei. Neu wird von ihr auch vorgebracht, dass der Vater der BF nach der Präsidentschaftswahl 2008 wegen der bereits zuvor erwähnten Kassetten Probleme mit Mitgliedern des jetzigen Präsidenten gehabt habe.

 

In Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen nur eingeschränkt neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden.

 

Die dafür maßgebliche Norm des § 40 Asylgesetz 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 2008/4 lautet:

 

"(1) In einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesasylamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden,

 

1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach

 

der Entscheidung erster Instanz entscheidungsrelevant geändert hat;

 

2. wenn das Verfahren erster Instanz mangelhaft war;

 

3. wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung

 

erster Instanz nicht zugänglich waren (nova reperta) oder

 

4. wenn der Asylwerber nicht in der Lage war, diese vorzubringen.

 

(2) (...)

 

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die BF diese Behauptungen nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen können, wenn sie den Tatsachen entsprechen würden. Hierfür wurde ihr in mehreren Einvernahmen ausreichend Gelegenheit geboten und es kam auch kein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens hervor, der sie daran gehindert hätte dies nicht schon beim BAA vorzutragen (vgl. VfGH 15. 10. 2004, G 237/03 ua)

 

Der Asylgerichtshof gelangt daher im Ergebnis zur Ansicht, dass - ohne hier auf die Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens einzugehen - eine mangelnde Mitwirkung der Beschwerdeführerin ursächlich dafür war, dass sie diesen Sachverhalt erst im Beschwerdeverfahren vorbrachte.

 

Auf Grund des Ermittlungsverfahrens ergeben sich keine konkreten Hinweise, dass einer der Ausnahmetatbestände des § 40 leg cit erfüllt wäre. Auch die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich keine konkret aufgezeigt.

 

Selbst wenn man diese neuen Angaben in der Beschwerdeschrift berücksichtigen würde, so sind dies lediglich bloße Behauptungen, die durch nichts bescheinigt wurden und auch nicht notorisch sind. Darin ist kein hinreichendes Vorbringen zu erblicken, um der erstinstanzlichen Beweiswürdigung konkret und substantiiert entgegen zu treten. Nach der Judikatur des VwGH reicht eine allgemeine Behauptung für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011, 1.10.1997, 96/09/0007). Noch dazu wenn sie wie in diesem Fall derart spät erst anlässlich der 4. Stellungnahmemöglichkeit in ihrem Asylverfahren vorgebracht wird und auch die generelle Glaubwürdigkeit der Person nicht festgestellt werden kann. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wäre dies grds. als gesteigertes und damit nicht glaubhaftes Vorbringen zu beurteilen (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Den vom Bundesasylamt herangezogenen Berichten zur Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin wurde in der Beschwerde im Ergebnis nicht konkret und substantiiert entgegen getreten. Eine maßgebliche nachteilige Änderung der entscheidungsrelevanten Lage in Armenien, ist weder notorisch noch entspricht dies dem Amtswissen, wie sich zB aus dem aktuellsten Bericht des deutschen auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien vom Juni 2008 ergibt, weshalb die vom BAA dargestellte Situation - sofern sie entscheidungsrelevant ist - noch als aktuell anzusehen ist.

 

Die Beschwerdeführerin beantragte in der Beschwerde eine mündliche Verhandlung. In der Beschwerde wird aber nicht angeführt, was bei dieser Einvernahme an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können, insbesondere, womit sie die aufgetretenen und für die Entscheidung maßgeblichen Widersprüche und Unplausibilitäten, die zur Nichtglaubhaftmachung ihrer ausreisekausalen Gründe führten- und im angefochtenen Bescheid dargestellt sind-, aufzuklären beabsichtige. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an diesen Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung, der sich der Asylgerichtshof anschließt, nicht substantiiert entgegen getreten wird.

 

Im Ergebnis ist es der Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist sie dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung, soweit diese infolge partiell unzulässiger Neuerung überhaupt zu berücksichtigen ist, in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihr dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.

 

2. Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde nach Inkrafttreten des AsylG 2005 BGBl I 2005/100 gestellt, weshalb sich die Anwendung dieses Gesetzes nach Maßgabe der Fassung von BGBl I 2008/4 zum Zeitpunkt dieser Entscheidung ergibt.

 

Soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die BF hat ihren Angaben gemäß nach ihrer Einreise und Asylantragstellung in Österreich den S.H. - ebenfalls Asylwerber - kennen gelernt und diesen am 00.00.2008 in der armenisch-apostolischen Kirchengemeinde "geheiratet". Im gegenständlichen Fall ist gemäß § 34 iVm § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 schon aus dem Grund kein Familienverfahren mit ihrem Lebensgefährten gegeben, weil sie keine "Familienangehörige" des S. ist, da hinsichtlich Ehegatten gefordert ist, dass die Familieneigenschaft schon im Herkunftsstaat bestanden haben muss und die BF aber behauptete diesen erst in Österreich kennen gelernt zu haben. Ob diese "Heirat" bei der armenisch-apostolischen Kirchengemeinde geeignet ist eine "Ehe" bzw. Familieneigenschaft iSd AsylG herbeizuführen, war daher nicht mehr zu prüfen.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Antrag auf Internationalen Schutz ist gem. § 3 Abs 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

 

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

 

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, eine solche glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen ausreisekausalen Angaben der Asylwerberin gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Auch die allgemeine Lage ist in Armenien nicht dergestalt, dass sich konkret für die Beschwerdeführerin eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

 

Es war daher unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status einer Asylberechtigten zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

Gem. § 8 Abs 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)

 

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit grds. derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Kann dieser nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bzgl. des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen (Abs 6 leg cit).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

 

Im gegenständlichen Fall ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ihre vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Auch ist die allgemeine Lage in Armenien nicht dergestalt, dass sich daraus eine reale Gefahr der Verletzung der hier maßgeblichen Rechtsgüter der BF ergeben würde.

 

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Lebensbedingungen von einer lebensbedrohenden Notlage in ihrem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Die Beschwerdeführerin ist eine vierundzwanzigjährige Frau, die sich damit in einem Alter befindet, in dem eine Erwerbstätigkeit möglich und zumutbar ist. Sie brachte im erstinstanzlichen Verfahren nicht vor, dass sie vor ihrer Ausreise nicht die Möglichkeit hatte, ihre Existenz zu sichern, vielmehr war sie bis zu ihrer Ausreise im Juli 2008 als Kinderkrankenschwester tätig (AS 81). Es müsste ihr - insbesondere auf Grund ihrer universitären Ausbildung - auch nach ihrer Rückkehr möglich sein, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Im Laufe des Verfahrens kamen keine Gründe hervor, die einen Ausschluss der BF vom Erwerbsleben darstellen könnten. Aus ihren erstinstanzlichen Angaben ist zu schließen, dass die wirtschaftliche Lage gar nicht ihr Ausreisemotiv war.

 

Selbst eine Wohnmöglichkeit ist für die BF gegeben. Ihre Eltern besitzen in Jerewan eine Eigentumswohnung, in der sie ihren Angaben nach auch größtenteils lebte. Weiters hat sie auch noch andere Verwandte in Armenien, die sie schon in der Vergangenheit vor ihrer Ausreise unterstützt haben.

 

Sie spricht die wichtigsten Sprachen ihres Landes Armenisch und Russisch, weiters Deutsch. Entscheidungsrelevante aktuelle behandlungsbedürftige Krankheiten kamen im Verfahren nicht hervor. Die BF verfügt in Armenien auch über Bekannte bzw. Freunde, die ihr schon in der Vergangenheit in schwierigen Lebenslagen halfen. So organisierte nach Aussage der BF ein Freund ihres Vaters die Ausreise (AS 5) bzw. existieren auch Freundinnen (AS 83). Sie verfügt somit im Herkunftsstaat über ein soziales Netz, das sie auch schon in der Vergangenheit unterstützte. Weiters halten sich nach eigener Aussage noch Tanten und Onkel in Armenien auf (AS 87). Schließlich wurde von Seiten ihres Vaters auch die Ausreise nach Österreich iHv ¿ 4.500,-- finanziert (AS 5), weshalb der allgemeinen Lebenserfahrung nach davon ausgegangen werden kann, dass sie auch weiterhin bei Erforderlichkeit mit familiärer Unterstützung rechnen könnte.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 67 AsylG 2005 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Armenien gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen

(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt III.:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

(...)

 

Z 2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

(...)

 

Gemäß § 10 Abs 2 AsylG ist eine Ausweisung nach Abs 1 leg cit unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde.

 

Der Gesetzgeber wollte durch diese - im Gegensatz zur fremdenpolizeilichen Ausweisung keinem Ermessen zugängliche - zwingende asylrechtliche Ausweisung eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Asylwerbern, die sich bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Bundesgebiet aufhalten durften, verhindern (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen und auch der Status einer subsidiär Schutzberechtigten war nicht zuzuerkennen. Ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht liegt zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor. Die Beschwerdeführerin hält sich daher nach Erlassung dieses Erkenntnisses nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

Bei Erlassung einer Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Ein unverhältnismäßiger Eingriff würde eine Ausweisung unzulässig machen.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

 

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

 

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Am 14.07.2008 reiste die BF in Österreich ein. Wenn auch die Eheschließung der BF mit S.H. - ebenfalls Asylwerber - am 00.00.2008 in der armenisch-apostolischen Kirchengemeinde keine verbindliche, rechtsgültige Heirat nach den Bestimmungen des österreichischen Zivilrechtes darstellt, so ist sie doch ein Beleg für das Vorliegen einer sog. de-facto Beziehung. Auffallend ist allerdings, dass diese Heirat nur zehn Tage nach Einreise der BF erfolgte und die BF bei der Einvernahme am 05.08.2008 das Geburtsdatum ihres "Ehegatten" nicht kannte. Parallel zu dieser Eheschließung erfolgte die polizeiliche Anmeldung der BF am Wohnsitz des S.H.. Es ist daher als gegeben anzusehen, dass die BF und ihr "Ehemann" seit nunmehr beinahe sechs Monaten zusammenleben. Im Zweifel wird diese Beziehung als Familienleben iSd Art. 8 EMRK qualifiziert.

 

Die BF ist erst seit 14.07.2008 in Österreich aufhältig (rund sechs Monate seit Antragstellung). Besondere Umstände, die auf eine hinreichende Integration in Österreich hinweisen würden, wurden nicht vorgebracht und können auch amtswegig nicht festgestellt werden. Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkte sind in Armenien. Die BF ist in Armenien aufgewachsen und wurde dort sozialisiert. Sie verfügt dort auch noch über soziale Kontakte. Unter der Berücksichtigung der oa. Judikatur der Höchstgerichte und des EGMR kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass sie hinreichende private Anknüpfungspunkte zu Österreich hat die ein relevantes Privatleben iSd Art 8 EMRK darstellen würden.

 

Bei vorliegendem Sachverhalt geht der Asylgerichtshof aber grundsätzlich von relevanten familiären Anknüpfungspunkten in Österreich aus.

 

Ob ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Familienleben durch die asylrechtliche Ausweisung iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig ist, bedarf einer Abwägung der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden.

 

Art 8 Abs 2 EMRK lautet:

 

"Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen der Beschwerdeführerin ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN ) -, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

 

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiters dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

 

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es der beschwerdeführenden Partei bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN). Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt der bestünde, wenn sie sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätten und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Auslandsantragsstellungsgrundsatz ihren Antrag gem. FPG bzw. NAG vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.

 

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff in das Recht auf Familienleben gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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