TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/27 S5 260806-0/2009

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.2009
beobachten
merken
Spruch

S5 260.806-0/2009/8E 27.01.2009

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des E. alias E.J.T., geb. (angebl.) 00.00.1987, StA. von Gambia, vertreten durch RA Dr. Hans Christian Nemetz, Landstraßer Hauptstraße 29, 1030 Wien, gem. § 38 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde des E. alias E.J.T. vom 23.5.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.5.2005, Zahl: 05 06.001-EAST Ost, wird dieser gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Gambia, behauptet am 00.00.1987 geboren zu sein und ist zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in Spanien eingereist, wo er am 6.9.2004 erkennungsdienstlich behandelt wurde (vgl. Eurodac-Treffer Aktenseite 9 f.). Er reiste sodann von Spanien aus über Italien nach Österreich, wo er am 26.4.2005 einen Asylantrag stellte (Aktenseite 17 u. 27).

 

Mit Schreiben vom 28.4.2005 (bei den spanischen Behörden eingelangt am 29.4.2005) ersuchte Österreich Spanien um Übernahme des Asylwerbers. Spanien hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort) gem. Art. 20 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) die Wiederaufnahme des Asylwerbers akzeptiert. Letztlich hat sich Spanien auch (nachträglich) mit Schreiben vom 17.5.2005 (Aktenseite 49) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) zu übernehmen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte der Asylwerber nach Vorhalt, dass Spanien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er in Spanien weder Unterkunft noch Arbeit gehabt habe. (Aktenseite 27).

 

Nach Vorhalt, dass aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes davon auszugehen sei, dass das von ihm angegebene Lebensalter (geb. angebl. 00.00.1987) nicht der Richtigkeit entsprechen würde, gab der Asylwerber an: "Ich kenne mein Alter, sonst kann ich nichts dazu sagen." (Aktenseite 23).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.5.2005, Zahl: 05 06.001-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 als unzulässig zurückgewiesen, Spanien gem. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für die Prüfung des Asylantrages für zuständig erklärt und der Antragsteller gem. § 5 a Abs. 1 iVm § 5 a Abs. 4 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Spanien ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde genannt) erhoben, in welcher er u. a. vorbrachte, dass die Feststellung seines Alters (er sei bereits volljährig) unrichtig und "willkürlich" sei. Diese Beurteilung sei in einem mangelhaften Verfahren erfolgt.

 

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz) vom 27.7.2005, Zahl:

260.806/0-XII/37/05, wurde die Berufung gem. § 5 und 5 a AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen. Begründend wurde zur Frage des Alters des Asylwerbers im Wesentlichen ausgeführt, dass "augenscheinlich festgestellt werden konnte, dass der Asylwerber ein Alter von mindestens 22 Jahren aufweist und somit seine Minderjährigkeit - in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise - ausgeschlossen werden" könne. Dieses durch Augenschein des Bundesasylamtes ermittelte Ergebnis stünde überdies in Einklang mit der Einschätzung des ursprünglich in erster Instanz als gesetzlicher Vertreter fungierenden Rechtsberaters [...]".

 

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.11.2005, Zahl: VH 2005/01/0479-2, wurde dem Antrag des Asylwerbers auf Gewährung der Verfahrenshilfe stattgegeben.

 

Mit Schriftsatz vom 3.2.2006 erhob der Asylwerber sodann durch seinen rechtlichen Vertreter gegen diesen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.12.2008, Zahl:

2006/01/0036-8, behob dieser den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates und führte begründend aus, dass allein die Zustimmung des beigestellten Rechtsberaters zur Altersbestimmung entgegen den Angaben des Beschwerdeführers die Behörde nicht von der in der Judikatur dargestellten Ermittlungspflicht entbinden würde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 75 Abs. 1, erster Satz, AsylG 2005 (Übergangsbestimmung) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Aufgrund der am 26.4.2005 erfolgten Asylantragstellung bezieht sich in casu § 5 AsylG auf die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II), da gem. Art. 29 leg.cit. diese Verordnung auf Asylanträge anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten - dies ist der 1.9.2003 - gestellt werden.

 

Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates normiert in ihren Art. 6 bis 15 die Kriterien zur Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages, wobei gem. Art. 5 leg.cit. nach dem Prinzip der Spezialität die ersteren Vorschriften den letzteren vorgehen.

 

Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:

 

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

 

Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:

 

Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.

 

Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:

 

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See-, oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung

 

unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug

 

untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt ergibt sich, dass das Bundesasylamt die "Feststellung" bezüglich der Volljährigkeit des Asylwerbers (zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Bescheiderlassung u. folglich auch zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung am 19.5.2005) lediglich aufgrund dessen "äußeren Erscheinungsbildes" getroffen hat (Seite 7 des angefochtenen Bescheides), diese Feststellung aber nicht etwa auf einem Sachverständigengutachten basiert.

 

Zur Problematik der "Alterseinschätzung" vertritt der VwGH (zuletzt umfassend dargestellt in seinem Erkenntnis vom 16.4.2007, 2005/01/0463) die Ansicht, dass die Alterseinschätzung eines Asylwerbers in der Regel medizinisches Fachwissen voraussetzt, das durch bloßen "Umgang" mit Asylwerbern - im Rahmen von Einvernahmen oder Verhandlungen - nicht erlangt werden kann. In seiner jüngsten Rechtsprechung geht der VwGH weiters davon aus, dass auch nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens im Einzelfall über das Alter (Volljährigkeit oder Minderjährigkeit) eines Asylwerbers nicht hinreichend gesicherte Aussagen bzw. Aussagensicherheit nur innerhalb einer Bandbreite möglich sind. In einem solchen Zweifelsfall wäre dann von dem vom Asylwerber angegebenen Geburtsdatum (Alter) auszugehen (vgl. sinngemäß die zum "tatsächlichen" Herkunftsstaat ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes: so etwa VwGH 23.7.1999, Zahl: 98/20/0464, 21; VwGH 21.10.1999, Zahl: 98/20/0512 uva.)

 

Dass der einvernehmende Referent des Bundesasylamtes im vorliegenden Fall über ein derartiges medizinisches Fachwissen, worauf er seine "Feststellung" der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (bzw. zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Einvernahmen überhaupt) bereits bestehenden Volljährigkeit des Asylwerbers stützt, verfügt hätte, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

 

Es können somit ohne weitergehende Ermittlungen keine schlüssig begründeten Feststellungen zum tatsächlichen Alter des Asylwerbers getroffen werden. Die Feststellung, ob es sich beim Antragsteller um eine (unbegleitete) minderjährige Person handelt (hinsichtlich derer Art. 6 letzter Satz der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates anwendbar wäre) oder aber um eine volljährige Person (hinsichtlich derer Art. 10 Abs. 1 leg.cit. zur Anwendung käme) ist zur Lösung der Rechtsfrage, welcher Mitgliedstaat der Dublin II-VO zur Prüfung seines Asylantrages zuständig ist, unabdingbar.

 

Dass die Asylbehörden verpflichtet sind, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig und umfassend zu ermitteln und die Ermittlungsergebnisse dem Akt anzuschließen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt. Dieser Verpflichtung ist das Bundesasylamt im konkreten Fall nicht nachgekommen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Altersfeststellung, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Minderjährigkeit, Volljährigkeit
Zuletzt aktualisiert am
02.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten