TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/30 B1 237794-0/2008

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Veröffentlicht am 30.01.2009
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Spruch

B1 237.794-0/2008/17E

 

B1 237.795-0/2008/12E

 

B1 316.827-1/2008/8E

 

B1 316.828-1/2008/8E

 

B1 267.445-0/2008/8E

 

B1 303.411-1/2008/9E

 

Im Namen der Republik

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 75 Abs 1 und 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 4/2008 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde des D.N., geb. 00.00.1982, StA.:

Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.05.2003, Zl. 02 33.489-BAG, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 75 Abs 1 und 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 4/2008 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde der D.F., geb. 00.00.1980, StA.:

Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.05.2003, Zl. 02 33.490-BAG, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 75 Abs 1 und 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 4/2008 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde der D.M., geb. 00.00.1997, StA.:

Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.05.2003, Zl. 02 33.490-BAG, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 75 Abs 1 und 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 4/2008 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde des D.E., geb. 00.00.2000, StA.:

Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.05.2003, Zl. 02 33.490-BAG, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 75 Abs 1 und 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 4/2008 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde des D.G., geb. 00.00.2003, StA.:

Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.12.2005, Zl. 05 23.149-BAG, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 75 Abs 1 und 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 4/2008 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde des D.R., geb. 00.00.2006, StA.:

Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2006, Zl. 06 06.410-BAG, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

1.1 Der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, stellte nach gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin, seiner Gattin und zwei in der Türkei geborenen minderjährigen Kindern erfolgter illegaler Einreise am 19.11.2002 einen Asylantrag.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 13.05.2003 gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er die Türkei mit seiner Familie verlassen habe, weil es in seiner Herkunftsregion V. immer wieder Übergriffe gegen die kurdische Bevölkerung gegeben habe. Seit 1999 habe er 10 bis 15 Mal erlebt, dass Soldaten die Dörfer durchsucht und die Einwohner geschlagen hätten. Dies sei das letzte Mal einen Monat vor dem Eintreffen des Erstbeschwerdeführers in Österreich geschehen. Der Erstbeschwerdeführer habe gewollt, dass seine Kinder ein besseres Leben haben. Es sei zu keinen individuellen, gegen ihn gerichteten Maßnahmen der türkischen Sicherheitsbehörden gekommen und er habe immer nur Probleme im Zusammenhang mit den Aktionen des türkischen Militärs in den Dörfern gehabt. Er habe gehört, dass man in Europa, speziell in Österreich, sehr gut für Flüchtlinge sorge und sei deshalb mit seiner Familie hierher gekommen. Die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte diese Angaben und führte aus, dass sie ebenfalls keiner individuellen Verfolgung unterlegen sei.

 

1.2 Die Asylanträge des Erstbeschwerdeführers, seiner Gattin und der beiden minderjährigen Kinder wurden mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesasylamtes vom 13.05.2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerbers in die Türkei gemäß § 8 Abs.1 AsylG zulässig ist (Spruchpunkt II.).

 

Darin wurde festgestellt, dass die Antragsteller unabhängig vom Wahrheitsgehalt ihrer Angaben keine Umstände geltend gemacht hätten, die die Dimension einer asylrelevanten Verfolgung erreichen. Aufgrund der Situation im Herkunftsstaat bestehe für Kurden in der Türkei grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative und seien diese in der West-Türkei, wenn sie politisch nicht exponiert seien, vor Verfolgung hinreichend sicher. Aufgrund der Situation im Herkunftsstaat bestehe auch keine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung.

 

1.3 Dagegen richten sich die mit Schreiben vom 27.05.2003 ausgeführten Berufungen, worin vorgebracht wird, dass der Erstbeschwerdeführer Opfer von Übergriffen im Zusammenhang mit der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Aktivisten der PKK und türkischen Sicherheitskräften gewesen sei. Weiters habe der Erstbeschwerdeführer aufgrund seines Alters mit einer Einziehung zum Militär zu rechnen und in einem solchen Fall aufgrund seiner Herkunft Benachteiligung, Misshandlung oder Folter zu erwarten. Da der Erstbeschwerdeführer aus einer Hochburg der Kurden stamme und häufig Personen aus kleinen Dörfern im Osten der Türkei mit PKK-Aktivisten gleichgesetzt werden. Eine Überprüfung des Sachverhaltes sei im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt und dem Bescheid der ersten Instanz nicht zu entnehmen.

 

Die Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin, die über keinerlei schulische Ausbildung verfüge und der türkischen Sprache nicht mächtig sei, sei durch das Bundesasylamt unter schwierigen Voraussetzungen erfolgt, indem die türkischen Fragestellungen durch den Erstbeschwerdeführer übersetzt wurden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei dadurch vollständig der Möglichkeit beraubt worden, eigene Fluchtgründe anzugeben und habe diese lediglich die Angaben ihres Ehegatten bestätigen können. In den Schriftsätzen wird beantragt, den Berufungen stattzugeben und Asyl zu gewähren und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung als unzulässig zu erkennen, allenfalls den Bescheid aufzuheben und (die Sache) zur Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

 

1.4 Ein für die in Österreich geborene Tochter am 00.00.2005 durch den Erstbeschwerdeführer als gesetzlicher Vertreter eingebrachter Asylantrag wurde durch den angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.12.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I) wobei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Antragstellerin in die Türkei als zulässig erkannt (Spruchpunkt II) und diese gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen wurde. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde auf die anhängigen Berufungsverfahren über die Asylanträge der Eltern verwiesen und beantragt, den Bescheid des Bundesasylamtes aufzuheben, in eventu diesen Bescheid aufzuheben und (das Verfahren) zur Ergänzung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

 

Der für den danach in Österreich geborenen Sohn des Erstbeschwerdeführers am 19.06.2006 eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz wurde durch den angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2006 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem Antragsteller der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I), wobei gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dem Antragsteller der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt wurde (Spruchpunkt II) und dieser gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen wurde (Spruchpunkt III). Die dagegen mit Schreiben vom 04.07.2006 erhobene Berufung releviert einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht des Beschwerdeführers und beantragt eine günstige Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, eine Behebung der Ausweisung, in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung (der Sache) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde.

 

1.5 Am 31.01.2008 fand vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, wobei der Erstbeschwerdeführer vorbrachte, dass er einem in XY niedergelassenen kurdischen Verein angehöre, in dessen Rahmen er an gegen die türkische Regierung gerichteten Kundgebungen teilgenommen habe. Er befürchte daher Verfolgungshandlungen wegen dieser exilpolitischen Betätigung. Weiters sei für den Erstbeschwerdeführer wegen seiner Abstammung aus seiner Heimatprovinz zu erwarten, dass er als pro-kurdisch eingestuft werde und er auch wegen des nicht abgeleisteten Militärdienstes Verfolgungshandlungen zu befürchten habe.

 

1.6 Mit Schriftsätzen vom 21.01.2009 wurden durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer an den Präsidenten des Asylgerichtshofes zu den vorliegenden Verfahren Fristsetzungsanträge gestellt, wonach der Präsident dem zur Entscheidung berufenden Vorsitzenden eine angemessene, drei Monate nicht übersteigende Frist zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zur Gutachtenserörterung, sowie allenfalls eine angemessene einen Monat nicht übersteigende Frist, binnen der der Vorsitzende die Erstellung des Gutachtens des landeskundlichen Sachverständigen zu betreiben habe und schließlich eine angemessene, wiederum drei Monate nicht übersteigende Frist, binnen der der Vorsitzende die Entscheidung über die offene Beschwerde der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 13.05.2003, vom 30.12.2005 und vom 27.06.2006 auftragen möge.

 

II. Rechtliche Beurteilung:

 

1.1 Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Nach Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG sind am 1. Juli "beim unabhängigen Bundesaylsenat" anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Da in den vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

1.2. Gemäß § 23 Abs.1 AsylGHG (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die mit Schreiben vom 27.05.2003, vom 28.12.2005 und vom 04.07.2006 erhobenen Berufungen gegen die angefochtenen Bescheide gelten daher nunmehr als Beschwerden und es sind die Rechtmittelwerber als Beschwerdeführer zu bezeichnen.

 

1.3. Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Asylverfahren nach dem Asylgesetz 1997 (AsylG) zu Ende zu führen. § 44 AsylG gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 sind Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die wie die vorliegenden des Erstbeschwerdeführers, seiner Gattin und ihrer beiden im Herkunftsstaat geborenen Kinder, bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen. Gemäß § 44 Abs 3 sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a idF BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Absatz 1 anzuwenden.

 

Nach § 44 Abs.2 AsylG werden Verfahren über Asylanträge, die - wie jener der in Österreich geborenen Tochter des Erstbeschwerdeführers - ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden und am 31.12.2005 anhängig waren, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Das Verfahren über den für den in Österreich geborenen Sohn des Erstbeschwerdeführers nach dem 31.12.2005 eingebrachten Antrag auf internationalen Schutz richtet sich nach dem AsylG 2005

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

2.1 Im hier zu beurteilenden Fall enthält der angefochtene Bescheid keine Feststellungen über die behaupteten exilpolitischen Aktivitäten des Erstbeschwerdeführers und eine allenfalls daraus erwachsende Bedrohungssituation. Ebenso liegen keine Feststellungen zu der Frage vor, ob der Erstbeschwerdeführer aufgrund der behaupteten Verletzung der Wehrpflicht im Herkunftsstaat mit asylrelevanten Sanktionen zu rechnen hätte. Diese Mängel wirken sich wegen der Bestimmungen über das Familienverfahren auch ergebnisbezogen auf die möglichen Entscheidungen über die Anträge seiner Familienangehörigen aus. Die Durchführung entsprechender Ermittlungen - wobei zunächst auch die Beurteilung, ob tatsächlich die Einholung eines landeskundlichen Sachverständigengutachtens über die allfällige Bedrohungssituation wegen exilpolitischer Aktivitäten des Erstbeschwerdeführers erforderlich ist, zu treffen ist - und die Erörterung von deren Ergebnis lässt die Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidbar erscheinen. Damit liegt aber eine der Voraussetzungen vor, die § 66 Abs. 2 AVG normiert: dass nämlich die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine; denn ob es sich um eine kontradiktorische Verhandlung oder um eine bloße Einvernahme handelt, macht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Unterschied (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084 mwN; 21.11.2002, 2002/20/0315; 11.12.2003, 2003/07/0079).

 

2.2 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; 30.9.2004, 2001/20/0135; ebenso der Sache nach zu einem Verfahren, in dem der unabhängige Bundesasylsenat einen nach § 5 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 ergangenen Bescheid nach § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben hatte: VwGH 9.5.2006, 2005/01/0141) ausgeführt hat, war in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kam dem unabhängigen Bundesasylsenat - einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129 c Abs. 1 B-VG idF vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I 100/2005). In diesem Verfahren hatte bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es war gemäß § 27 Abs. 1 AsylG 1997 grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber - so die Rechtsprechung zu dieser Rechtslage - unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde - den unabhängigen Bundesasylsenat - verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und - so die Beispiele der Rechtsprechung - brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es die Berufungsbehörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass sie ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich enden, sieht man von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle ihrer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Dies konnte auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür sprechen, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

Art. 129 c B-VG idF des Art. 1 Z 28 BVG BGBl. I 2/2008 spricht nicht mehr vom unabhängigen Bundesasylsenat als der "oberste[n] Berufungsbehörde", sondern richtet den Asylgerichtshof als Gericht ein, das nach Erschöpfung des Instanzenzuges (ua.) "über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen" erkennt. Der Asylgerichtshof sieht keinen Grund anzunehmen, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf die neue Verfassungsrechtslage übertragen ließe, kann doch von einer Behörde, die - verfassungsrechtlich vorgesehen - "nach Erschöpfung des Instanzenzuges" zu erkennen hat, nicht gesagt werden, sie habe in dieser Hinsicht nicht (mindestens) dieselbe Stellung wie eine oberste Berufungsbehörde. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es dieses Gericht ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich enden, sieht man von der beschränkten Kontrolle seiner Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof ab.

 

2.3 Von der durch § 66 Abs. 3 AVG der eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", wäre im vorliegenden Fall schon auch deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil damit - angesichts des Erfordernisses der Durchführung eines den Rechtsstaatsgrundsätzen genügenden Verfahrens unter Beiziehung der Beschwerdeführer - keinesfalls eine Ersparnis an Zeit und Kosten zu erwarten wäre (siehe zu den Kriterien für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG im Asylberufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat insbesondere die beiden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.11.2002, Zahlen 2000/20/0084 und 2002/20/0315). Soweit aus dem Verwaltungsakt und aus der Berufungsschrift ersehen werden kann, haben nicht nur die Beschwerdeführer ihren Wohnsitz, ihr Rechtsvertreter seinen Sitz sowie der Verein, in welchem der Erstbeschwerdeführer nach dem Vorbringen exilpolitische Aktivitäten setzt, seinen Sitz in XY, also im Bereich jener Außenstelle des Bundesasylamtes, wo die Asylanträge eingebracht wurden und die das Ermittlungsverfahren geführt hat. Die Durchführung des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof mit Sitz in Wien hätte dem gegenüber die Anreise der Beschwerdeführer und ihres Rechtsvertreters erforderlich gemacht und damit einen Mehraufwand an Zeit und Kosten erwarten lassen.

 

2.4 Da die nunmehr erfolgte Behebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt in den vorliegenden Beschwerden von den Beschwerdeführern jeweils zumindest eventualitär ausdrücklich beantragt worden ist, liegen auch aus Sicht der Beschwerdeführer keine Interessen vor, die einer solchen Entscheidung entgegenstehen. Da mit der vorliegenden Entscheidung die Beschwerdeverfahren erledigt sind, werden die am 26.01.2009 eingelangten Fristsetzungsanträge gegenstandslos.

 

2.5 Das besondere Gewicht des Bundesasylamtes als Tatsacheninstanz ist auch vom Gesetzgeber des Asylgesetzes 2005 durch die in § 75 Abs.1, dritter Satz, getroffene Regelung weiter betont worden, wonach in am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren § 60 AsylG 2005, worin die Führung einer Staatendokumentation durch das Bundesasylamt vorgesehen wurde, anzuwenden ist. Im vorliegenden Verfahren wäre zweckmäßigerweise (jedenfalls auch) auf die in der Staatendokumentation gesammelten und in wissenschaftlicher Form aufbereiteten Tatsachen gemäß § 60 Abs.2 Z 2 AsylG 2005 zurückzugreifen, um die zur Weiterführung des Verfahrens erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
11.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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