S12 404.010-1/2009/2E
Im Namen der Republik
ergeht folgendes
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde der D.M., geb. 00.00.1981, StA. Russische Föderation, p.A. European Homecare GmbH, Neuaigen 12, 4362 Bad Kreuzen, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.01.2009, FZ. 08 08.429, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), idF BGBl. I Nr. 4/2008, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, hat ihr Heimatland gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn am 05.09.2008 legal mit ihrem eigenen internationalen Reisepass verlassen, ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 11.09.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Eine Eurodac-Abfrage vom selben Tag ergab, dass die Beschwerdeführerin bereits am 06.09.2008 in Lublin (Polen) einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-ID: 0000).
1.2. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Tschetschenisch, gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie habe ihr Heimatland gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn von Grosny aus über Moskau am 05.09.2008 legal mit ihrem eigenen internationalen Reisepass verlassen und sei über Weißrussland am 06.09.2008 in Polen eingereist. An der polnischen Grenze sei sie von der Polizei angehalten und in der Folge erkennungsdienstlich behandelt worden. Es sei ihr gesagt worden, sie solle zu einem Flüchtlingslager fahren. Dies habe sie jedoch nicht getan, da sie zwei Frauen kennen gelernt habe, denen sie gesagt habe, sie wolle nach Österreich gebracht werden. Sie habe in der Folge vier Tage bei diesen Frauen gewohnt und sei dann schlepperunterstützt nach Österreich gefahren, wo sie am 11.09.2008 angekommen sei. Ob sie in Polen einen Asylantrag gestellt habe, wisse sie nicht; sie habe jedoch einige Dokumente unterschrieben. Ihr Heimatland habe sie verlassen, da ihr Ehemann am 00.00.2002 ermordet worden sei, und sie wegen der Blutrache um ihren Sohn fürchte. Sie sei auch beschimpft worden, weil sie die Witwe eines Rebellen sei. Gegen eine Rückkehr nach Polen spreche, dass sie in Polen keine Verwandten habe. Alle Verwandten ihres Sohnes seien hier in Österreich. Für ihren Sohn würden dieselben Asylgründe gelten wie für sie.
1.3. Am 23.09.2008 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrag zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO), an die zuständige polnische Behörde.
1.4. Mit Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 23.09.2008 wurde der Beschwerdeführerin am 24.09.2008 bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG) (§29 Abs.3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Polen seit dem 23.09.2008 geführt werden (vgl. AS 71f).
1.5. Mit Schreiben vom 26.09.2008 erklärte sich Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Wiederaufnahme der Asylwerberin und ihres minderjährigen Sohnes für zuständig.
1.6. Am 23.10.2008 erfolgte die Untersuchung zur gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren durch Dr. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin. Dieser Stellungnahme ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin an einer Anpassungsstörung leide, sich jedoch für eine PTSD oder eine komplexe PTSD keine ausreichende Symptomatik zeige. Einer Überstellung nach Polen stünden derzeit keine schweren psychischen Störungen entgegen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden (vgl. AS 97ff).
1.7. Am 13.01.2009 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Tschetschenisch niederschriftlich einvernommen und gab dabei zunächst an, dass alle ihre Angaben auch für ihr minderjähriges Kind gelten würden. Weiters brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie sich körperlich und geistig in der Lage fühle, die Einvernahme durchzuführen. Auf die Frage des Bundesasylamtes nach eventuell vorhandenen Krankheiten gab sie an, sie sei krank, da sie seit ca. einem Jahr auf der linken Seite nicht schlafen könne. Sie sei bereits im Herkunftsstaat deswegen behandelt worden; es gebe dort jedoch nicht so gute Ärzte. Sie habe in ihrem Heimatland Probleme bekommen, da ihr Mann im Krieg gekämpft habe und werde daher von drei Familien wegen Blutrache gesucht. Seit dem Tod ihres Mannes habe sie von einer staatlichen Rente gelebt und das Geld für die Ausreise habe sie von ihrer Mutter erhalten. In den Jahren 2000 bis 2005 habe sie im Haus ihres Ehemannes gelebt. Danach sei sie wieder in ihr Elternhaus gezogen, um sich um ihre kranke Mutter zu kümmern. Österreich sei ihr Reiseziel gewesen, da hier ihr Schwager, Bruder ihres verstorbenen Ehemannes lebe. Sonst habe sie keine weiteren Verwandten in Österreich. Sie wisse seit dem Jahr 2004, dass ihr Schwager in Österreich lebe. Zuvor sei er in Baku aufhältig gewesen. Im Heimatland hätten sie alle gemeinsam auf einem Hof gelebt, wobei ihr Schwager häufig weg gewesen sei. Er sei zwischen 2000 und 2002 immer wieder nach Baku gefahren, sei wieder zurückgekehrt und dann erneut nach Baku gereist. Ferner habe sie ihr Schwager unterstützt, indem er mehrmals Kleidung für ihren Sohn geschickt habe. Polen habe sie verlassen, da sie und ihr Sohn in Polen keine Verwandten hätten. Der hier lebende Schwager sei für ihren Sohn der Ersatzvater. Ihr Sohn habe den Schwager - seinen Onkel - am Telefon immer gefragt, wann er sie abholen würde. In das zugewiesene Flüchtlingslager in Polen sei sie nicht gefahren, da sie nicht in Polen bleiben habe wollen. Weder sie noch ihr Sohn seien in Polen in medizinischer Behandlung gewesen, da sie nach Österreich gewollt habe. Weder sie noch ihr Kind seien in Polen jemals verfolgt oder bedroht und sei auch keine Anzeige an die Polizei erstattet worden. Ferner habe sie auch niemals bei einer Menschenrechtsorganisation um Unterstützung ersucht. Auf Vorhalt der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren, dass einer Überstellung nach Polen aus ärztlicher Sicht nichts entgegenstehe, gab sie an, sie wolle nicht nach Polen. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, sie nach Polen zu überstellen, habe sie nichts zu sagen.
2. Mit Bescheid vom 17.01.2009, FZ. 08 08.429-EAST-WEST, hat das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 11.09.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass ihr Schwager hier in Österreich lebe und sie noch weitere Verwandte hier habe. Ihr Schwager unterstütze sie und ihren Sohn mit Kleidung und dem Notwendigsten. Sie könne nicht nach Polen gehen, da sie dort keine Familie habe. Ihr Mann sei verstorben und ihre gesamte Familie lebe in Österreich. Diese hätten alle den Status eines Asylberechtigten. Sie sei auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen, da in der tschetschenischen Gesellschaft die Situation einer alleinstehenden Frau sehr schwierig sei. Sie habe Angst, alleine in Polen zu leben, da in der tschetschenischen Gesellschaft eine Frau immer bei ihrer Familie lebe. Ferner könne ihr Schwager in Erziehungsfragen ihres Sohnes den fehlenden Vater gut ersetzen. Zum polnischen Asylverfahren wurde ausgeführt, dass man bei illegalem Verlassen Polens während eines anhängigen Asylverfahrens keinen Schutz mehr habe und sohin eine Kettenabschiebung drohe. Ferner wurde das polnische Asylverfahren, das Leben in Polen mit einem Duldungsstatus sowie die medizinische Versorgung unter Zitierung eines Berichts, der sich - soweit erkennbar - auf die Situation in Polen kurz nach dem EU-Beitritt bezieht, kritisiert.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, hat ihr Heimatland gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn am 05.09.2008 legal unter Verwendung ihres eigenen internatonalen Reisepasses verlassen, ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte am 11.09.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerin hat bereits am 06.09.2008 in Lublin (Polen) einen Asylantrag gestellt, dessen Ergebnis sie nicht abgewartet hat.
Die Beschwerdeführerin leidet an einer Anpassungsstörung, welcher allerdings einer Überstellung nach Polen aus ärztlicher Sicht nicht entgegensteht.
Sie ist verwitwet und Mutter eines minderjährigen Sohnes. In Österreich lebt seit dem Jahr 2005 der Schwager, Bruder ihres verstorbenen Mannes, mit seiner Ehefrau und vier minderjährigen Kindern. Der Schwager der Beschwerdeführerin ist seit dem 12.01.2009 als Konventionsflüchtling in Österreich anerkannt. Vor seiner Flucht nach Österreich am 29.04.2005 lebte der Schwager der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2003 in Baku. Zwischen den Jahren 2000 und 2002 lebte ihr Schwager zwar am selben Hof wie die Beschwerdeführerin, hat sich jedoch immer wieder für längere Zeiträume nicht an dieser Adresse aufgehalten. Seit dem Tod ihres Ehemannes am 00.00.2002 lebte der Schwager der Beschwerdeführerin gar nicht mehr auf diesem Hof. Eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit bestand bzw. besteht zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Schwager weder im Heimatland noch hier in Österreich. Sie erhält von ihm lediglich kleinere Geschenke wie etwa Kleidungsstücke für ihren Sohn. In Österreich besteht ferner auch kein gemeinsamer Haushalt. Darüber hinausgehende verwandtschaftliche Beziehungen in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, Norwegen oder Island zu einem Staatsangehörigen oder aufenthaltsberechtigten Fremden besteht nicht. Eine sonstige Beziehung der Beschwerdeführerin zu Österreich besteht ebenfalls nicht.
Polen hat sich mit Schreiben vom 26.09.2008 gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zur Wiederaufnahme der Asylwerberin und ihres minderjährigen Sohnes für zuständig erklärt.
1.2. Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil der Beschwerdeführerin das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO innerhalb der Frist mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.
2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben der Beschwerdeführerin bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.09.2008, aus der niederschriftlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin vom 13.01.2009, aus der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren von Dr. I.H. sowie aus der Zuständigkeitserklärung Polens vom 26.09.2008 und der Eurodac-Abfrage vom 11.09.2008.
Darüber hinaus ergeben sich die Feststellungen zum Schwager der Beschwerdeführerin, insbesondere zur Dauer seines Aufenthalts in Österreich, in Baku sowie im Heimatland und seines Status als Konventionsflüchtling, aus der Einsicht in das Zentrale Melderegister vom 27.01.2009 und dem Auszug aus dem AIS samt der dort gespeicherten Einvernahmen des Schwagers in seinem eigenen Asylverfahren.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 2008/4 (in der Folge: AsylG) anzuwenden war.
Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF der Dienstrechtsnovelle 2008, BGBl. I Nr. 147/2008 sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I 4/2008 idgF entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG und nach § 68 AVG durch Einzelrichter.
Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG haben Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses zu ergehen.
3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.
3.3. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin II-VO oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.
3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass die Beschwerdeführerin bereits in Polen einen Asylantrag gestellt hat und, dass Polen einer Übernahme der Beschwerdeführerin auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO am 26.09.2008 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.
3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.
3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.
Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.
In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
3.5.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihr bzw. ihrem minderjährigen Sohn durch eine Rückverbringung nach Polen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
Während des gesamten Verfahrens vor dem Bundesasylamt hat die Beschwerdeführerin kein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, aus welchen Gründen sie nicht nach Polen überstellt werden könne, um dort ihr Asylverfahren zu Ende zu führen. Im Zuge der Erstbefragung bzw. der Einvernahme vor dem Bundesasylamt hat sie lediglich angegeben, dass sie nach Österreich wolle, da hier ihr Schwager lebe.
Zu ihrem Aufenthalt in Polen hat die Beschwerdeführerin im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesasylamt lediglich angegeben, dass sie von der polnischen Polizei angehalten, erkennungsdienstlich behandelt und die Zuweisung zu einem polnischen Flüchtlingslager erhalten habe, der sie in der Folge allerdings nicht nachgekommen sei. Erstmals wurde in den Beschwerdeausführungen das polnische Asylverfahren, das Leben mit "Duldung" in Polen sowie die medizinische Versorgung kritisiert; dies alles unter Bezugnahme auf den Bericht "Die Situation tschetschenischer Asylwerber und Flüchtlinge in Polen und Auswirkungen der EU-Verordnung Dublin II:
Ein Bericht von Barbara Esser (Bielefelder Flüchtlingsrat), Barbara Gladysch (Mütter für den Frieden) und Benita Suwelack (Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen e.V.)". Zu diesem Bericht ist zunächst auszuführen, dass jegliche Angaben zum Erscheinungsdatum fehlen. Aus dem zitierten Inhalt ist jedenfalls zu schließen, dass sich der Bericht auf einen Zeitraum kurz nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union (01.05.2004) bezieht und sohin jedenfalls älter als die vom Bundesasylamt verwendeten Länderfeststellungen - auf die im Übrigen konkret nicht Bezug genommen wurde - ist. So bezieht sich der zitierte Bericht beispielsweise auf Anerkennungszahlen aus dem Jahr 2004 (vgl. Beschwerde, Seite 4 unten). Weiters ist darauf zu verweisen, dass der zitierte Bericht keinen Bezug zum tatsächlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin aufweist und sohin auch nicht aufzeigt, was dieser Bericht mit dem noch offenen Asylverfahren der Beschwerdeführerin in Polen konkret zu tun hat.
Zum Beschwerdevorbringen, dass die Beschwerdeführerin Polen während eines laufenden Asylverfahrens verlassen habe und sohin - nach dem polnischen Asylgesetz - kein Asyl erhalten werde und ihr eine Kettenabschiebung drohe, ist auszuführen, dass sich die Beschwerde hier auf das polnische Asylgesetz vom 13.06.2003 bezieht; jedoch nicht berücksichtigt, dass dieses seit 2003 mehrfach novelliert und an EU-Richtlinien angepasst wurde. Die letzte Änderung ist beispielsweise am 20.07.2007 in Kraft getreten und beinhaltet unter anderem auch die Einführung des subsidiären Schutzes, sodass nicht zwangsläufig ein Asylwerber, der kein Asyl in Polen erhält, lediglich eine "Duldung" bekommt. Hinzu kommt, dass - wie den Länderfeststellungen des Bundesasylamtes vom 16.10.2008 zu entnehmen ist - Asylwerber, die im Rahmen der Dublin II-VO nach Polen zurückkehren, Zugang zum normalen Asylverfahren und zu denselben Versorgungsleistungen haben wie alle anderen Asylwerber auch.
Ein konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Polen in Hinblick auf tschetschenische Asylwerber unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. In diesem Zusammenhang ist lediglich der Vollständigkeit halber noch anzuführen, dass von Seiten Polens keine systemwidrigen Verletzungen der Verpflichtungen aus der Dublin II-VO bekannt sind. Auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat sind für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2008, Zl. 2005/20/0095). Im Übrigen erhalten Antragsteller aus Tschetschenien in Polen zumindest tolerierten Aufenthalt.
Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich ein systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Polen keinesfalls erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer von der Beschwerdeführerin bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass etwa die Beschwerdeführerin im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in ihr Heimatland, also in die Russische Föderation, zurückgeschoben werden könnte.
Soweit aus dem Vorbringen bzw. aus der Beschwerde herauszulesen ist, dass die Beschwerdeführerin in Polen möglicherweise kein Asyl erhalten werde und in die russische Föderation abgeschoben werden könne, ist ihr entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2008, Zl. 2005/20/0095).
Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.01.2009 die konkrete Frage, ob sie bzw. ihr Sohn in Polen jemals verfolgt oder bedroht worden seien, eindeutig verneint hat. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass auch für die Beschwerdeführerin in Polen jederzeit die Möglichkeit besteht, bei allfälligen, gegen sie gerichteten, kriminellen Handlungen diese zur Anzeige zu bringen und staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen.
Das Vorbringen in der Beschwerde, wobei hier wieder auf den bereits oben erwähnten Bericht Bezug genommen wurde, wonach sie in Polen bei Gewährung der "Duldung" - offenbar geht die Beschwerdeführerin selbst davon aus, in Polen den subsidiären Schutz bzw. einen "Duldungsstatus" zu erlangen - zwar von Gesetzes wegen auf Sozialleistungen ein Anrecht habe, jedoch aufgrund des äußerst schwierigen polnischen Wohnungsmarktes mangels gemeldeten Wohnsitzes keine Unterstützung erhalten würde, kann in Ermangelung konkreter Untermauerungen nicht als ausreichend substantiiert und daher nicht als relevant im Hinblick auf eine maßgeblich wahrscheinliche Verletzung des Art 3 EMRK gewertet werden. Die Beschwerdeführerin hat lediglich ein allgemeines Vorbringen erstattet, jedoch ohne dieses auf sich persönlich konkret zu beziehen.
Was die Befürchtung der Beschwerdeführerin betrifft, als alleinstehende Frau sei die Stellung in der tschetschenischen Gesellschaft schwierig und daher könne sie in Polen nicht leben, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich bei Polen um ein demokratisches Land handelt, welches Mitglied der Europäischen Union ist, und in dem alleinstehende Frauen bzw. alleinerziehende Mütter weder eine Seltenheit darstellen noch mit gesellschaftlicher Ächtung in existenzbedrohendem Ausmaß rechnen müssen.
Die Beschwerdeführerin hat sohin kein Vorbringen erstattet, welches die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihr in Polen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Zusammenhang mit Krankheiten, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.
Abschiebungen trotz Krankheitszuständen können sowohl in den Schutzbereich des Artikel 3 EMRK als auch jenen des Artikel 8 EMRK (psychiatrische Integrität als Teil des Rechts auf Persönlichkeitsentfaltung) fallen. Nach dem EGMR (vgl. auch VwGH 28.06.2005, Zl. 2005/01/0080) hat sich die Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung auf die allgemeine Situation im Zielland als auch auf die persönlichen Umstände des Antragstellers zu erstrecken. Für die Prüfung der allgemeinen Situation wurden Berichte anerkannter Organisationen (z.B. der WHO), aus denen jedenfalls eine medizinische erreichbare Grundversorgung, wenn auch nicht kostenfrei, hervorgeht, als ausreichend angesehen. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und eventuell "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend; Selbstmordgefahr kann ausschlaggebend sein, wenn eine Person in psychiatrischer Spitalsbehandlung ist; vgl. KALDIK v Deutschland, 22.09.2005, Rs 28526/05; Einzelfallprüfung erforderlich), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen; bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. Auch Selbstmordabsichten hindern eine Abschiebung für sich genommen nicht. In der Beschwerdesache OVDIENKO v Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und selbstmordgefährdet war, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes ¿real risk'. Im psychiatrischen Bereich kann als Leitentscheidung weiterhin BENSAID v. the United Kingdom, Nr. 44599/98, § 38, ECHR 2001-I, angesehen werden, in der die Abschiebung einer an Schizophrenie leidenden Person nach Algerien für zulässig erklärt wurde.
Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Polen sind der Aktenlage nicht zu entnehmen und ist somit von der Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen, zumal dies auch von Dr. I.H. in ihrer gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren bestätigt wurde.
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde - wieder in Bezugnahme auf den oben angeführten Bericht - eine mangelhafte medizinische Versorgung in Polen ins Treffen führt, ist anzuführen, dass nach den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid (die, wie bereits erwähnt, deutlich jünger als der obige Bericht sind), die ärztliche Betreuung in den elf Betreuungseinrichtungen durch die permanente Anwesenheit eines Arztes gewährleistet ist. Psychologische Unterstützung wird in allen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende einmal wöchentlich angeboten und ist kostenlos. Ferner werden in den Aufnahmezentren alle, auch weniger schwerwiegende Krankheiten von Asylsuchenden behandelt. Jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, wird umfassende Versorgung gewährt. Abgesehen von Unterkunft und ausreichender Verpflegung gehört hierzu auch eine medizinische Versorgung, die für Asylwerber kostenlos ist.
Somit ist festzuhalten, dass die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin nicht jene besondere Schwere aufweist, um eine Überstellung nach Polen als im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend zu werten. Durch eine Abschiebung der Beschwerdeführerin wird Art. 3 EMRK daher nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was in Polen jedenfalls der Fall ist.
Der Asylgerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführerin sowie ihrem minderjährigen Kind in Polen keine reale Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
3.5.3. Ferner ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob die Beschwerdeführerin über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
In der Rechtsprechung des EGMR ist klargestellt, dass Art. 8 EMRK nicht das Recht gewährt, den Ort zu wählen, der nach Ansicht der Betroffenen am besten geeignet ist, ein Familienleben aufzubauen (EGMR 28.11.1996, Ahmut v. Niederlande). Das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte der ansässigen Einwanderer in das Staatsgebiet immigrieren zu lassen, hängt vielmehr von den besonderen Umständen der betroffenen Personen ab (EGMR, Fall Abdulaziz, Urteil vom 28.05.1985). Maßgeblich ist die Nähe des Verwandtschaftsgrades, die Intensität des Familienlebens und natürlich der Umstand, ob es sich um einen legalen Aufenthalt der Familie handelt. Dabei können die Beurteilungsparameter, die untereinander abzuwägen sind, sehr unterschiedlich sein. Maßgebend ist auch, ob das Familienleben zu einer Zeit entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten und nicht mit einer Fortsetzung des Familienlebens rechnen konnten (EGMR 11.4.2006, Useinov v. die Niederlande).
Im gegenständlichen Fall lebt ein Schwager der Beschwerdeführerin bzw. Onkel ihres Sohnes (i.e. Bruder des Ehemannes bzw. Vaters) seit dem Jahr 2005 in Österreich und ist seit dem 12.01.2009 anerkannter Konventionsflüchtling. Ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK liegt jedoch zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Schwager bzw. dem Sohn der Beschwerdeführerin und seinem Onkel nicht vor. Dies aus folgenden Gründen:
Zunächst einmal ist anzuführen, dass die Beschwerdeführerin und ihr Schwager zwar zwischen den Jahren 2000 und 2002 sporadisch im selben Haushalt (die Beschwerdeführerin spricht von einem "Hof") gelebt haben, jedoch gibt die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt selbst an, dass ihr Schwager in diesem Zeitraum "immer wieder weggefahren ist" bzw. "immer unterwegs" war. Der Schwager, V.R., gibt in der Einvernahme im Rahmen seines eigenen Asylverfahrens vom 29.09.2005 an, dass er sich an seiner Heimatadresse (das ist jene, die auch die Beschwerdeführerin genannt hat) bis Anfang Frühling 2000 aufgehalten habe und danach immer wieder zum Teil bei Verwandten und zum Teil in eigenen Wohnungen gelebt und seine Heimatadresse nur noch sporadisch aufgesucht habe. Seit dem Tod seines Bruders, den Ehemann der Beschwerdeführerin, am 00.00.2002 habe er dort gar nicht mehr gelebt und im Mai 2003 sei er endgültig nach Baku gegangen. Daraus folgt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Schwager lediglich zwischen den Jahren 2000 (damals ist sie zu ihrem Ehemann in diesen Hof gezogen) und 2002 zeitweise in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, wobei keinerlei finanzielle Abhängigkeit bestanden hat, da die Beschwerdeführerin seit dem Tod ihres Mannes eine staatliche Rente bezogen hat und ihre Ausreise von ihrer Mutter finanziert wurde. Ferner lebt die Beschwerdeführerin auch seit ihrer Ankunft in Österreich am 11.09.2008 nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Schwager. Dieser lebt mit seiner eigenen Familie (Ehefrau und vier minderjährige Kinder) in Graz; sie selbst lebt mit ihrem Sohn in Oberösterreich. Im Übrigen ist noch darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin angegeben hat, ihr sei seit dem Jahr 2004 bekannt, dass sich ihr Schwager in Österreich aufhalte, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht, da dieser nachweislich erst am 29.04.2005 über den Flughafen Wien nach Österreich eingereist ist. Zu der angegebenen Unterstützung des Schwagers - er schickte ihrem Sohn Kleidung - ist auszuführen, dass es sich hierbei nicht um eine finanzielle Abhängigkeit wie z.B. Unterhaltsleistungen handelt, sondern lediglich um kleinere Geschenke, wie sie nicht nur in Familien, sondern auch unter Freunden oder Bekannten üblich sind.
Betreffend das Vorbringen, der Schwager stelle einen "Ersatzvater" für ihren Sohn dar, ist dem Bundesasylamt in seinen Ausführungen Recht zu geben, dass dies in keiner Weise nachvollziehbar ist, da der Schwager bzw. Onkel seit dem Tod des Vaters des Sohnes der Beschwerdeführerin am 00.00.2002 nicht mehr an diesem Hof gelebt hat und seit Mai 2003 überdies nicht mehr in der Russischen Föderation, sondern in Baku. Ein persönlicher Kontakt zwischen Neffen und Onkel hat sohin seit dem 00.00.2002 nicht mehr bestanden (zu diesem Zeitpunkt war der Sohn der Beschwerdeführerin etwas über ein Jahr alt) und liegt auch derzeit - wie bereits oben erwähnt - kein gemeinsamer Haushalt oder Unterhaltsleistungen vor.
Zum Beschwerdevorbringen, die gesamte Familie der Beschwerdeführerin lebe in Österreich, ist auszuführen, dass dies wohl eine Schutzbehauptung darstellt, da im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen ist, dass - abgesehen vom Schwager - jemand aus der Familie der Beschwerdeführerin in Österreich lebt. Sie selbst hat im Rahmen der Aufnahme ihrer persönlichen Daten am 11.09.2008 angegeben, dass ihre Eltern und ihre beiden Brüder im Heimatland leben und ist ihren Angaben im Rahmen der Einvernahme vom 13.01.2009 zu entnehmen, dass auch ihre Schwiegereltern nach wie vor am Hof der Familie aufhältig sind.
Die Ausweisung der Beschwerdeführerin stellt daher im gegenständlichen Fall im Verhältnis zu ihrem in Österreich lebenden Schwager keine Verletzung des Familienlebens im Sinne von Art. 8 EMRK dar. Dasselbe gilt für den Sohn der Beschwerdeführerin im Verhältnis zu seinem Onkel.
Da auch der mit der Beschwerdeführerin gemeinsam eingereiste minderjährige Sohn eine negative Ausweisungsentscheidung erhält und somit die gesamte Familie nach Polen überstellt wird, ist auch in diesem Zusammenhang kein Eingriff in Art. 8 EMRK gegeben.
Im gegenständlichen Fall liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration der Beschwerdeführerin in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07 und VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07).
3.5.4. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK besteht.
3.5.5. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.
3.5.6. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Beschwerdeführerin oder ihr Sohn in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes im Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.
3.5.7. Die Beschwerde erwies sich somit als nicht berechtigt und war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.5.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 2008/4 abgesehen werden. Angesichts des Spruchinhaltes erübrigt sich eine gesonderte Erwägung betreffend eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.