RS UVS Oberösterreich 1991/06/13 VwSen-400026/2/Gf/Kf

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Veröffentlicht am 13.06.1991
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Verweis auf VfSlg 8038/1977; VfGH vom 11.6.1990, B 947 u. 1006/89; VwSen-400015 vom 3.5.1991; VwSen-400017 vom 17.5.1991; VwSen-400020 vom 27.5.1991 Rechtssatz

Schubhaftbeschwerde: Voraussetzung Schubhaftbescheid. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem unabhängigen Verwaltungssenat und der Sicherheitsdirektion: Bloß inhaltliche Kontrolle des Vollzuges des Bescheides durch UVS - formelle Elimination durch Sicherheitsdirektion oder erstinstanzliche Behörde von Amts wegen. Anträge auf Aufhebung des Schubhaftbescheides und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung: Zurückweisung. Asylantrag hindert nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides. Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit, wenn der nicht auf § 57 Abs.1 AVG basierende Schubhaftbescheid mangels echter inhaltlicher Begründung tatsächlich gesetzlos ist.

 

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese zuvor durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11. Juni 1990, B 947 und 1006/89). Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z.3 B-VG i. V.m. § 67a Abs.1 Z.1 AVG und § 5a FrPG (und nicht nach Art. 129a Abs.1 Z.2 B-VG i.V.m.  § 67a Abs.1 Z.2 AVG). Festzuhalten ist jedoch,

daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist. Es hat daher nach

wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß Art. 129 B-VG - und zwar in erster Linie - die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits auch effektiv zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - den Sicherheitsdirektionen die Berufungsentscheidung über Schubhaftbeschwerden vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der

Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art.6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), Rechnung tragende und im Hinblick auf die Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nur folgendermaßen gefunden werden:

Dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art.6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m.  § 5a Abs.6 Z.2 FrPG binnen einer Woche

über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, kommt im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine inhaltliche Kontrolle des Schubhaftbescheides und diese auch nur dahingehend zu, ob dadurch

die durch das PersFrSchG verfassungsmäßig und darauf basierend durch das FrPG einfachgesetzlich geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers verletzt worden ist. Trifft dies allenfalls zu, so erstreckt sich die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Gesetzes wegen lediglich darauf, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung, also gleichsam des Vollzuges des Bescheides, festzustellen. Die Wahrnehmung sonstiger, d.h. nicht mit dem PersFrSchG im Zusammenhang stehender Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides, insbesondere solche verfahrensrechtlicher Natur,

sowie jedenfalls dessen formelle Elimination aus dem Bestand der Rechtsordnung obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde, soweit nicht - etwa bei einer Rechtswidrigerklärung der Festnahme und Anhaltung durch den unabhängigen Verwaltungssenat - schon die bescheiderlassende Behörde selbst Anlaß zu einem Vorgehen gemäß § 68 Abs.2 AVG findet. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Schubhaftbescheides vom 22. Mai 1991, Zl.  Sich05/120/1991, war sohin

als unzulässig zurückzuweisen, weil dem Verwaltungssenat demnach von vornherein die Zuständigkeit für die Behandlung eines solchen Begehrens fehlt.

Wie der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl.  z.B. VwSen-400015 vom 3. Mai 1991, VwSen-400017 vom 17.  Mai 1991 und VwSen-400020 vom 27. Mai 1991), ist gemäß § 5 Abs.2 AsylG nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides, sondern nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst so lange gehindert, bis entweder rechtskräftig festgestellt ist, daß der Asylwerber nicht als Flüchtling im Sinne des AsylG anzusehen ist, oder der Asylwerber bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl.  § 5 Abs.3 AsylG). Abgesehen vom Verbot der Durchführung der Abschiebung unterliegt daher auch ein Asylwerber in vollem Umfang den Bestimmungen des FrPG (vgl. in diesem

Sinne auch VfGH vom 11. Juni 1990, B 947 und 1006/89).  Daher

erweist

sich auch eine während des Asylverfahrens

über den Asylwerber zum Zweck der Sicherung der Abschiebung

verhängte

und aufrecht erhaltene Schubhaft schon dem Grunde nach als nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehend, es sei denn, es

würden die Fristen des § 5 Abs.2 FrPG verletzt. Davon kann aber im vorliegenden Fall, wo die Schubhaft erst drei Wochen andauert, keine Rede sein.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall den Schubhaftbescheid damit begründet, daß der Beschwerdeführer bereits wegen Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt und deshalb von ihr abgeschoben worden, daraufhin aber neuerlich illegal nach Österreich eingereist sei, sodaß gemäß § 5 Abs.1 FrPG die Schubhaft zu verhängen

war.

Wie schon oben dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art.6 Abs.1 zweiter Satz PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG "binnen einer Woche" über die "Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges" bzw. die "Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung" zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine durch diese Intention des PersFrSchG i.V.m. dem FrPG beschränkte materielle Kontrollmöglichkeit

des Schubhaftbescheides zu. Diese Prüfung führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

War im Fall VwSen-400017 vom 17.5.1991 der belangten Behörde zugute zu halten, daß im abgekürzten Verfahren nach § 57 Abs.1 AVG (insbesondere im Fall der zweiten Alternative) bloß vergleichsweise geringere Anforderungen an die Begründungspflicht des Bescheides im Sinne des § 58 Abs.2 i.V.m.  § 60 AVG gestellt werden konnten, so trifft dies im vorliegenden Fall deshalb nicht zu, weil die Behörde keinen Mandatsbescheid, sondern - wie sich aus dem ansonsten gemäß § 57 Abs.2 AVG entbehrlichen Ausspruch über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung ergibt - einen das ordentliche Ermittlungsverfahren abschließenden Bescheid gemäß § 56 AVG erlassen hat; dieser hat aber den üblichen - strengeren - Anforderungen an die

Begründungspflicht im Sinne des § 58 Abs.2 i.V.m.  § 60 AVG zu genügen.

Daraus folgt, daß die Behörde zunächst im Bescheid festzulegen hat, welche der in § 5 Abs.1 FrPG genannten mehreren Alternativen sie aufgrund des vorliegenden Tatbestandes konkret zur Verhängung der Schubhaft berechtigt; sodann hat die Behörde diese von ihr vorgenommene Subsumtion aus dem gegeben Sachverhalt heraus zu bewerten und zu begründen.

Beides ist im vorliegenden Fall allerdings nicht geschehen. Zum einen werden im Spruch sämtliche gesetzlich vorgesehenen Alternativen, die die Behörde zur Erlassung eines Schubhaftbescheides

ermächtigen, angeführt, ohne daß sich gleichzeitig daraus bzw. wenigstens aus der Bescheidbegründung (vgl.  VwSen-400017 vom 17. Mai 1991) erkennen ließe, welches dieser Tatbestandsmerkmale im konkreten

Fall die Behörde zum Einschreiten veranlaßt hat (bzw. allenfalls, daß

sich aus der Begründung ergäbe, daß die Behörde wegen Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale eingeschritten ist). Auf der anderen Seite erschöpft sich die Begründung lediglich in der Wiedergabe des Gesetzestextes sowie in dem Vorwurf der strafgerichtlichen Verurteilung und der Umgehung der Abschiebung, ohne daß sich ein Hinweis darauf findet, inwiefern öffentliche Sicherheitsinteressen in einem Maß als gefährdet erscheinen, das die Verwahrung des Beschwerdeführers in Schubhaft erforderlich macht; dies wäre umso mehr deshalb erforderlich, weil der Beschwerdeführer nunmehr polizeilich gemeldet ist und er nach - von behördlicher Seite

unwidersprochenen - eigenen Angaben über ausreichendes Vermögen verfügt, sodaß ihm nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, daß er sich einer allfälligen neuerlichen Abschiebung zu entziehen versuchen oder zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes in die Kriminalität abgleiten wird. Anders als im Fall VwSen 400015 vom 3. Mai 1991, wo die Schubhaft zur Sicherung der Umgehung der Abschiebung

mit Mandatsbescheid verhängt und dieser auch dementsprechend begründet wurde, lassen sich hingegen aus der Begründung des der vorliegenden Schubhaftbeschwerde zugrundeliegenden Bescheides weder dementsprechende Anhaltspunkte entnehmen noch ergeben sich - da der Beschwerdeführer polizeilich gemeldet ist und ihm die Behörde nicht vorwirft und nach der Aktenlage auch nicht vorzuwerfen vermag, daß es

sich insoweit um einen bloßen Scheinakt handelt - sonst Anhaltspunkte

dafür, daß es schon offensichtlich geboten ist, den Beschwerdeführer im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bzw. deshalb, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten zu verhindern, zum Zweck der Vorbereitung und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft zu halten. Der Schubhaftbescheid erweist sich mithin mangels echter inhaltlicher

Begründung als gesetzlos; fehlt es ihm damit aber an der von Art.6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5 Abs.1 FrPG geforderten materiellrechtlichen Deckung, so vermag dieser keine taugliche Rechtsgrundlage für den angeordneten Freiheitsentzug zu bilden.

Schlagworte
Aufschiebende Wirkung; Berufung gegen Schubhaftbescheid; polizeiliche Meldung; Scheinanmeldung, keine; öffentliche Sicherheitsinteresse; Bescheidbegründung im ordentlichen Ermittlungsverfahren; strafgerichtliche Verurteilung; Mandatsbescheid; Subsumtion; Abgleiten in die Kriminalität
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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