RS UVS Oberösterreich 1991/06/24 VwSen-400032/1/Gf/Kf

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 24.06.1991
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Hinweis auf VfSlg 8038/1977; VfGH vom 11.6.1900, B 947 und 1006/89 Rechtssatz

Schubhaftbeschwerde: Voraussetzung Schubhaftbescheid, Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem unabhängigen Verwaltungssenat und der Sicherheitsdirektion: Bloß inhaltliche Kontrolle des Vollzuges des Bescheides durch UVS - formelle Elimination durch Sicherheitsdirektion oder erstinstanzliche Behörde von Amts wegen.

Antrag auf Aufhebung des Schubhaftbescheides: Zurückweisung. Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit, wenn der auf § 57 AVG basierende Schubhaftbescheid weder das Vorliegen einer Verletzung öffentlicher Sicherheitsinteressen noch von Gefahr im Verzug begründet - Gesetzlosigkeit gleichzuhaltender Mangel.

 

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese zuvor durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11. Juni 1990, B 947 u. 1006/89).  Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z. 3 B-VG i. V.m. § 67a Abs.1 Z. 1 AVG und § 5a FrPG (und nicht nach Art. 129a Abs.1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67 Abs.1 Z. 2 AVG). Festzuhalten ist jedoch, daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist. Es hat daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß Art. 129 B-VG - und zwar in erster Linie - die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits auch effektiv zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - den Sicherheitsdirektionen die Berufungsentscheidung über Schubhaftbeschwerden vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), Rechnung tragende und im Hinblick auf die Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nur folgendermaßen gefunden werden:

 

Dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z. 2 FrPG binnen einer Woche - also sehr kurzfristig - über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, kommt im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine inhaltliche Kontrolle des Schubhaftbescheides und diese auch nur dahingehend zu, ob dadurch die durch das PersFrSchG verfassungsmäßig (und darauf basierend durch das FrPG einfachgesetzlich) geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers verletzt worden ist.  Trifft dies zu, so erstreckt sich die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Gesetzes wegen aber auch dann lediglich darauf, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung, also gleichsam jene des Vollzuges des Bescheides, festzustellen. Die Wahrnehmung sonstiger, materiell nicht mit dem PersFrSchG im Zusammenhang stehender Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides sowie jedenfalls dessen formelle Elimination aus dem Bestand der Rechtsordnung obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde, soweit nicht - etwa bei einer Rechtswidrigerklärung der Festnahme und Anhaltung durch den unabhängigen Verwaltungssenat - schon die bescheiderlassende Behörde selbst Anlaß zu einem Vorgehen gemäß § 68 Abs.2 AVG findet.

 

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des Schubhaftbescheides vom 14. Juni 1991, Zl. Fr 21.183, war sohin als unzulässig zurückzuweisen, weil dem Verwaltungssenat demnach von vornherein die Zuständigkeit für die Behandlung eines solchen Begehrens fehlt.

 

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall den Schubhaftbescheid damit begründet, daß die Beschwerdeführerin die zu ihrem Aufenthalt erforderlichen Mittel nicht nachzuweisen vermöge sowie einer Arbeit nachgehe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Beschäftigungsbewilligung sowie bei einem Sozialversicherungsträger gemeldet zu sein.

 

Wie schon oben dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 zweiter Satz PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG "binnen einer Woche" über die "Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges" bzw. die "Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung" zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine durch diese Intention des PersFrSchG i.V.m. dem FrPG beschränkte materielle Kontrollmöglichkeit des Schubhaftbescheides zu. Diese Prüfung führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

 

Wenngleich der belangten Behörde einerseits zugute zu halten ist, daß im abgekürzten Verfahren nach § 57 Abs.1 AVG (insbesondere im Falle der zweiten Alternative) bloß vergleichsweise geringere Anforderungen an die Begründungspflicht des Bescheides i.S.d. § 58 Abs.2 i.V.m. § 60 AVG gestellt werden können, so ist auf der anderen Seite nach allgemeiner Auffassung dennoch unbestritten, daß auch Mandatsbescheide prinzipiell (vgl. z.B. K. Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, Wien 1987, 500 und 509), insbesondere aber auch hinsichtlich des Umstandes, warum die Behörde im konkreten Fall diese besondere Art des Verfahrens angewendet hat (ebd., 500), zu begründen sind.

 

Letzteres fehlt allerdings im vorliegenden Bescheid.

 

Angesichts des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen - und von der belangten Behörde unbestrittenen - Angaben über ein Tageseinkommen von 350,-- Schilling (d.s. ca. 9.000,-- Schilling monatlich abzüglich 2.500,-- Schilling für Mietkosten) verfügen wird und die Beschwerdeführerin auch ganz offensichtlich an dieser Erwerbsmöglichkeit weiterhin interessiert ist, erscheint es demgemäß keineswegs offensichtlich, daß sie sich einer bevorstehenden Abschiebung zu entziehen versuchen wird. Es wäre daher der Behörde obgelegen, zu begründen, inwiefern öffentliche Sicherheitsinteressen in einem Maß als gefährdet erscheinen, das die Verwahrung der Beschwerdeführerin in Schubhaft erforderlich macht, sowie zu belegen, inwiefern eine Gefahr im Verzug die unmittelbare Verwahrung der Beschwerdeführerin in Schubhaft bedingte. Beides fehlt allerdings im vorliegenden Bescheid. Der Schubhaftbescheid erweist sich mithin mangels echter inhaltlicher Begründung als gesetzlos; fehlt es ihm damit aber an der von Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5 Abs.1 FrPG geforderten materiellrechtlichen Deckung, so vermag dieser keine taugliche Rechtsgrundlage für den angeordneten Freiheitsentzug zu bilden.

Schlagworte
Berufung gegen Schubhaftbescheid; öffentliche Sicherheit; Begründung von Mandatsbescheiden; Beschäftigung als Tänzerin ohne Beschäftigungsbewilligung; Scheinanmeldung, keine; Vorliegen von Vermögen (Einkommen); offensichtliches Interesse der Prostituierten an Berufsausübung; Abschiebung vor Entscheidung des UVS.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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