RS UVS Oberösterreich 1991/07/24 VwSen-400043/2/Gf/Kf

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 24.07.1991
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Verweis auf VfSlg 8038/1977; VfGH vom 11.6.1990, B 947 und 1006/89; VfSlg 11638/1988; VwSlg 12821A/1988 Rechtssatz

Das ordentliche Ermittlungsverfahren abschließender Bescheid ergeht vor der Entscheidung des UVS, aber nach

Beschwerdeerhebung: Schubhaftbeschwerde erfaßt auch die auf Grund des nachfolgenden Bescheides verhängte Schubhaft.

Schubhaftbeschwerde:  Voraussetzung Schubhaftbescheid. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem unabhängigen Verwaltungssenat und der Sicherheitsdirektion: Bloß inhaltliche Kontrolle des Vollzuges des Bescheides durch UVS - formelle Elimination durch Sicherheitsdirektion oder erstinstanzliche Behörde von Amts wegen.

Kein Eingriff in das Recht der persönlichen Freiheit:

Nichtnachweisbarkeit der Identität, Verletzung der Ordnungsvorschriften, Nichtvorliegen eines Wohnsitzes und Mittellosigkeit sind gewichtige Gründe für die Verhängung der Schubhaft; ob daneben der Vorwurf einer Übertretung des KFG zu Recht erhoben wurde oder nicht, ist demgegenüber unbedeutend. Abschiebung vor der Entscheidung durch den UVS.

 

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese Maßnahme zuvor durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11. Juni 1990, B 947 und 1006/89); davon geht erkennbar auch § 5a Abs.2 FrPG aus.  Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z.3 B-VG i. V.m.  § 67a Abs.1 Z.1 AVG und § 5a FrPG - sogenannte "Schubhaftbeschwerde" (und nicht nach Art. 129a Abs.1 Z.2 B-VG i. V.m. § 67a Abs.1 Z.2 AVG - sogenannte "Maßnahmenbeschwerde"). Der unabhängige Verwaltungssenat hat sohin aufgrund einer Schubhaftbeschwerde die Rechtmäßigkeit der mit dem Schubhaftbescheid verhängten Haft zu überprüfen.  Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist. Es hat daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß Art. 129 B-VG - und zwar in erster Linie - die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits auch effektiv zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - den Sicherheitsdirektionen die Berufungsentscheidung über Schubhaftbescheide vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr.  684/1988 (im folgenden: PersFrSchG) Rechnung tragende und im Hinblick auf die Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nach hg. Meinung nur folgendermaßen gefunden werden:

 

Dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG binnen einer Woche - also sehr kurzfristig - über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, kommt im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des die Voraussetzung und Grundlage der Schubhaft bildenden Bescheides nur dahingehend zu, ob durch den Schubhaftbescheid die durch das PersFrSchG verfassungsmäßig (und darauf basierend durch das FrPG einfachgesetzlich; vgl. dazu z.B. VfSlg 11638/1988, S 179, m.w.N.) geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers verletzt worden ist. Trifft dies zu, so erstreckt sich die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Gesetzes wegen aber auch dann lediglich darauf, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung, also gleichsam die Rechtswidrigkeit des Vollzuges des Schubhaftbescheides, festzustellen. Die Wahrnehmung sonstiger materiell nicht mit dem PersFrSchG im Zusammenhang stehender Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides sowie jedenfalls dessen formelle Elimination aus dem Bestand der Rechtsordnung obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde, soweit nicht - etwa bei einer Rechtswidrigerklärung der Festnahme und Anhaltung durch den unabhängigen Verwaltungssenat - schon die bescheiderlassende Behörde selbst Anlaß zu einem Vorgehen gemäß § 68 Abs.2 AVG findet. Für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat macht es dabei auch keinen Unterschied, wenn die Schubhaft mit einem auf § 57 Abs.1 AVG basierenden Mandatsbescheid verhängt worden ist; die zuvor dargestellten Befugnisse der Berufungsbehörde verbleiben in diesem Fall allerdings - infolge der nicht devolutiven Wirkung der Vorstellung gemäß § 57 Abs.2 und 3 AVG - der erstinstanzlichen Behörde, die diesen Schubhaftbescheid erlassen hat.

 

Nach all dem ist die vorliegende Beschwerde, weil sie nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sowie nach dem Beschwerdevorbringen gegen eine Festnahme und Anhaltung, die ihrerseits zum einen (vom 25. Juni 1991 bis 9. Juli 1991) auf einem gemäß § 57 AVG erlassenen und damit sofort vollstreckbaren (wenngleich deshalb noch nicht rechtskräftigen) und zum anderen (seit dem 9. Juli 1991) auf einem gemäß den §§ 58 ff. AVG erlassenen und wegen des nach § 64 Abs.2 AVG verfügten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung sofort vollstreckbaren Schubhaftbescheid basiert, zulässig.

 

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall die Schubhaftbescheide damit begründet, daß der Beschwerdeführer sich widerrechtlich in Österreich aufhalte, seine Identität nicht geklärt sei, er weder über ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes noch über einen ordentlichen Wohnsitz verfüge und schließlich mehrmals wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne entsprechende Berechtigung bestraft worden sei; aus allen diesen Gründen sei zwecks Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und deshalb, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Beschwerdeführers zu verhindern, die Schubhaft zu verhängen gewesen, wobei diese Maßnahme wegen Gefahr im Verzug unverzüglich anzuordnen gewesen wäre.

 

Gemäß § 5 Abs.1 FrPG kann die Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung dann die Schubhaft verhängen, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit (§ 5 Abs.1 erste Alternative FrPG) oder deshalb notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (§ 5 Abs.1 zweite Alternative FrPG).  Dem Fremden kommt in diesem Fall nach § 5a Abs.1 FrPG das Recht zu, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen. Damit werden zwei alternative Beschwerdegegenstände - nämlich der (punktuelle) der Festnahme (und notwendig damit im Zusammenhang stehenden Anhaltung) einerseits und der (auf Dauer gerichtete) der Anhaltung in Schubhaft (als Vollzug der entsprechenden behördlichen Anordnung) - geschaffen, für die jeweils der fremdenpolizeiliche Schubhaftbescheid die Grundlage bildet; eine in diesem Sinne tragfähige Basis vermag dieser Bescheid im Hinblick auf § 68 Abs.1 AVG jedoch nur solange zu bilden, als sich nicht die (rechtlichen oder) tatsächlichen Voraussetzungen, die für dessen Erlassung maßgeblich waren, entscheidungswesentlich geändert haben. Daß derartige Modifikationen während der zwei- bis dreimonatigen Dauer der Schubhaft (§ 5 Abs.2 FrPG) eintreten können, liegt auf der Hand, sodaß die Schaffung zweier unterschiedlicher Beschwerdegegenstände in § 5a Abs.1 FrPG aus Sachlichkeitsgründen verfassungsrechtlich geradezu geboten erschien.  Grundsätzlich nicht anders ist die Situation zu beurteilen, wenn gegen den ersten, auf § 57 AVG basierenden Schubhaftbescheid Vorstellung erhoben und diese von der Fremdenpolizeibehörde nach Durchführung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens abgewiesen wird: Indem im Falle des § 57 Abs.1 zweite Alternative AVG einer Vorstellung schon ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 52 Abs.2 Satz 2 AVG) und damit dieser Mandatsbescheid aber im Regelfall - d.h., wenn die Behörde binnen zwei Wochen das Ermittlungsverfahren bloß einleitet - solange eine eigenständige rechtliche Verbindlichkeit entfaltet (vgl. § 57 Abs.3 Satz 1 AVG), bis an dessen Stelle der das ordentliche Ermittlungsverfahren abschließende und nunmehr seinerseits verbindliche Bescheid tritt, ist insoweit von der Behörde lediglich zu beachten, daß jeder dieser Bescheide jeweils für seinen Geltungszeitraum eine rechtlich einwandfreie Basis für die Schubhaft zu bilden vermag.

 

Wie schon oben dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 zweiter Satz PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG "binnen einer Woche" über die "Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges" bzw. die "Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung" zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine durch diese Intention des PersFrSchG i.V.m. dem FrPG beschränkte materielle Kontrollmöglichkeit des Schubhaftbescheides zu; aus diesem Grund reicht es zur Begründung einer in diesem Sinne umfassenden Prüfungsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates auch hin, wenn in der Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - die Schubhaft als solche (ohne Differenzierung nach deren mehreren bescheidmäßigen Grundlagen) bekämpft wird. Diese Prüfung der Schubhaftbescheide führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

 

Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde in der Hauptsache entgegenhält, daß er die ihm zur Last gelegten Übertretungen des Kraftfahrgesetzes tatsächlich nicht begangen hätte, weil er (allerdings noch nicht im Zeitpunkt der ersten beiden ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen) im Besitz einer Ersatzlenkerberechtigung gewesen sei, so übersieht er dabei, daß diesem Umstand im Hinblick auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Schubhaft keine maßgebliche Bedeutung zukommt: Selbst wenn der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen im Recht wäre, ist zu beachten, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall noch andere, wesentlich gewichtigere Gründe für die Verhängung der Schubhaft - wie die Nichtnachweisbarkeit der Identität, die Verletzung von paß- und grenzkontrollrechtlichen Vorschriften, das Nichtvorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes und die Mittellosigkeit - ins Treffen führen konnte, von denen jeder für sich besehen die Verhängung der Schubhaft gemäß § 5 Abs.1 FrPG zu rechtfertigen vermag. So erscheint etwa die Prognose, daß sich der Beschwerdeführer angesichts des Umstandes, daß sein Asylantrag bereits rechtskräftig negativ entschieden wurde, der bevorstehenden Abschiebung zu entziehen versuchen wird, aufgrund der faktischen Begleitumstände ebenso plausibel wie die Befürchtung naheliegt, daß er sich die finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes illegal - etwa im Wege von Schwarzarbeit - beschaffen wird; dazu kommt noch, daß allein schon die widerrechtliche Einreise und sein zweiwöchiger widerrechtlicher Aufenthalt in Österreich einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung bilden. Schon aus diesen, beide Bescheide gleichermaßen tragenden Gründen erweist sich die verhängte Schubhaft als rechtmäßig. Diese wesentlich zwingenderen Argumente blieben aber im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer unbestritten.

 

Demgegenüber ist die Frage, ob dem Beschwerdeführer in den Schubhaftbescheiden die Übertretung kraftfahrrechtlicher Vorschriften tatsächlich auch zu Recht vorgeworfen wurde, für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft selbst im vorliegenden Fall ohne Belang; Gleiches gilt auch für die Problematik, ob tatsächlich eine partnerschaftliche Beziehung zu einer Inländerin besteht sowie im Hinblick auf sonstige Fehler der Behörde im Ermittlungsverfahren, solange diese - wie im vorliegenden Fall - die tragenden Gründe des jeweiligen Bescheides nicht zu erschüttern vermögen: Es läge insoweit - weil die Rechtmäßigkeit der Schubhaft dadurch nicht in Zweifel gezogen wird - an der mit Berufung anzugehenden Sicherheitsdirektion, derartige Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides aufzugreifen.

Schlagworte
Lenkerberechtigung; Verfahrensfehler; "Schubhaftbeschwerde" - "Maßnahmenbeschwerde"; aufschiebende Wirkung: Ausschluß; Prüfungsbefugnis; Differenzierung nach mehreren bescheidmäßigen Grundlagen; Kraftfahrgesetz (KFG); Asylantrag; Schwarzarbeit; vorzeitige Abschiebung.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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