RS UVS Oberösterreich 1991/08/01 VwSen-400045/5/Gf/Kf

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 01.08.1991
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Verweis auf VfSlg 8038/1977; VfGH vom 11.6.1990, B 947 und 1006/89; VfGH vom 6.10.1988, B 888/88; VfSlg 11638/1988; VfSlg 6240/1970; VwSen-400014 vom 3.5.1991; VwSen-400017 vom 17.5.1991; VwSen-400020 vom 27.5.1991; VwSen-400041 vom 23.7.1991; VwSen-400026 vom 13.6.1991; VwSen-400027 vom 24.6.1991; VwSen-400032 vom 24.6.1991; VwSen-400034 vom 28.6.1991; VwSen-400035 vom 4.7.1991; Wie VwSen-400045 vom 1.8.1991. Rechtssatz

Schubhaftbeschwerde: Bescheid als Voraussetzung;

Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Unabhängigen Verwaltungssenaten und Sicherheitsdirektionen: Materielle Kontrolle des Vollzuges des Bescheides durch UVS, formelle Elimination durch Sicherheitsdirektion oder erstinstanzliche Behörde von Amts wegen. Stellung des Asylantrages bewirkt nicht Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes. Schubhaftbeschwerde hindert nur die Vollstreckbarkeit der Abschiebung, nicht aber die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides. "Festnahme" und "Anhaltung" als Beschwerdegegenstand. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von Behörde nur bei offenkundig unverhältnismäßiger Schubhaftverhängung verletzt.

Adäquanz der Mittel. Begründungspflicht bei Mandatsbescheiden:

Eingriff in das Recht der persönlichen Freiheit, wenn sich weder aus der Bescheidbegründung noch aus evident vorliegenden faktischen Umständen Anhaltspunkte für die Notwendigkeit des Freiheitsentzuges oder für Gefahr im Verzug ergeben. Tatsächliches Antreffen des Beschwerdeführers an der von ihm angegebenen Adresse trotz Nichtanmeldung läßt Vermutung des Untertauchens nicht als plausibel erscheinen. Kostenzuspruch nach TP 3/B/I RATG, wobei typusbedingte Unterforderung entsprechend in Abzug zu bringen ist.

 

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese Maßnahme zuvor durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11.6.1990, B 947 und 1006/89); vom Vorliegen eines vollstreckbaren Bescheides geht erkennbar auch § 5a Abs.2 FrPG aus. Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z.3 B-VG i.V.m.

§ 67a Abs.1 Z.1 AVG und § 5a FrPG - sogenannte "Schubhaftbeschwerde" (und nicht nach Art. 129a Abs.1 Z.2 B-VG i. V.m. § 67a Abs.1 Z.2 AVG - sogenannte "Maßnahmenbeschwerde"). Der unabhängige Verwaltungssenat hat sohin aufgrund einer Schubhaftbeschwerde die Rechtmäßigkeit der mit dem Schubhaftbescheid verhängten Haft zu überprüfen.

 

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist. Es hat daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß Art. 129 B-VG - und zwar in erster Linie - die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits auch effektiv zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - den Sicherheitsdirektionen die Berufungsentscheidung über Schubhaftbescheide vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG) Rechnung tragende und im Hinblick auf die Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nach hg. Meinung nur folgendermaßen gefunden werden:

 

Dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG binnen einer Woche - im Gegensatz zur Sicherheitsdirektion (vgl. § 73 AVG) also sehr kurzfristig - über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, kommt im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des die Voraussetzung und Grundlage der Schubhaft bildenden Bescheides nur dahingehend zu, ob durch den Schubhaftbescheid die durch das PersFrSchG verfassungsmäßig (und darauf basierend durch das FrPG einfachgesetzlich; vgl. dazu z.B. VfSlg 11638/1988, S 179, m.w.N.) geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers verletzt worden ist. Trifft dies zu, so erstreckt sich die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Gesetzes wegen aber auch dann lediglich darauf, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung, also gleichsam die Rechtswidrigkeit des Vollzuges des Schubhaftbescheides, festzustellen. Die Wahrnehmung sonstiger materiell nicht mit dem PersFrSchG im Zusammenhang stehender Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides sowie jedenfalls dessen formelle Elimination aus dem Bestand der Rechtsordnung obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde, soweit nicht - etwa bei einer Rechtswidrigerklärung der Festnahme und Anhaltung durch den unabhängigen Verwaltungssenat - schon die bescheiderlassende Behörde selbst Anlaß zu einem Vorgehen gemäß § 68 Abs.2 AVG findet. Für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat macht es dabei auch keinen Unterschied, wenn die Schubhaft mit einem auf § 57 Abs.1 AVG basierenden Mandatsbescheid verhängt worden ist; die zuvor dargestellten Befugnisse der Berufungsbehörde verbleiben in diesem Fall allerdings - infolge der nicht devolutiven Wirkung der Vorstellung gemäß § 57 Abs.2 und 3 AVG - der erstinstanzlichen Behörde, die diesen Schubhaftbescheid erlassen hat.

 

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß die Verhängung der Schubhaft im Hinblick auf sein laufendes Asylverfahren der Anordnung des § 5 Abs.2 AsylG widerspricht, so erweist sich dieser Vorwurf jedoch zunächst als unzutreffend.

 

Wie der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. VwSen-400015 vom 3.5.1991, VwSen-400017 vom 17.5.1991 und VwSen-400020 vom 27.5.1991), ist gemäß § 5 Abs.2 AsylG nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides, sondern nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst solange gehindert, bis entweder rechtskräftig festgestellt ist, daß der Asylwerber nicht als Flüchtling im Sinne des AsylG anzusehen ist, oder der Asylwerber bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. § 5 Abs.3 AsylG). Allein der Umstand der Stellung eines Asylantrages bewirkt daher noch nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Fremden, sondern hindert bloß die Vollstreckung der Abschiebung.  Abgesehen vom Verbot der Durchführung der Abschiebung unterliegt daher auch ein Asylwerber in vollem Umfang den Bestimmungen des FrPG (vgl. in diesem Sinne auch VfGH vom 11.6.1990, B 947 und 1006/89).  Daher erweist sich auch eine während des Asylverfahrens über den Asylwerber zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängte und aufrecht erhaltene Schubhaft schon dem Grunde nach als nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehend, es sei denn, es würden die Fristen des § 5 Abs.2 FrPG verletzt. Davon kann aber im vorliegen Fall, wo die Schubhaft erst zwei Wochen angedauert hat, keine Rede sein.

 

Gemäß § 5 Abs.1 FrPG kann die Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung dann die Schubhaft verhängen, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit (§ 5 Abs.1 erste Alternative FrPG) oder deshalb notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (§ 5 Abs.1 zweite Alternative FrPG).

 

Dem Fremden kommt in diesem Fall nach § 5a Abs.1 FrPG das Recht zu, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und/oder der Anhaltung anzurufen. Damit werden zwei alternative Beschwerdegegenstände - nämlich der (punktuelle) der Festnahme (und notwendig damit im Zusammenhang stehenden Anhaltung) einerseits und der (auf Dauer gerichtete) der Anhaltung in Schubhaft (als Vollzug der entsprechenden behördlichen Anordnung) - geschaffen, für die jeweils der fremdenpolizeiliche Schubhaftbescheid die Grundlage bildet; eine in diesem Sinne tragfähige Basis vermag dieser Bescheid im Hinblick auf § 68 Abs.1 AVG jedoch nur solange zu bilden, als sich nicht die (rechtlichen oder) tatsächlichen Voraussetzungen, die für dessen Erlassung maßgeblich waren, entscheidungswesentlich geändert haben. Daß derartige Modifikationen während der zwei- bis dreimonatigen Dauer der Schubhaft (§ 5 Abs.2 FrPG) eintreten können, liegt auf der Hand, sodaß die Schaffung zweier unterschiedlicher Beschwerdegegenstände in § 5a Abs.1 FrPG aus Sachlichkeitsgründen verfassungsrechtlich geradezu geboten erschien. Dabei kommt dem Schubhaftbescheid im ersteren Fall - der Beschwerde gegen die Schubhaft dem Grunde nach, wo also bezüglich des "OB" der Rechtmäßigkeit der Verhängung der Schubhaft (nur darum geht es nach dem Parteienantrag im vorliegenden Fall; eine amtswegige Erweiterung des Beschwerdevorbringes kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat im Hinblick auf die schon von Gesetzes wegen bestimmte Höchstdauer der Schubhaft - vgl. Art.6 Abs.2 PersFrSchG - nicht zu) zu entscheiden ist - die zentrale Bedeutung zu, während ihm im zweiten Fall - Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzuges, also des "WIE" der Schubhaft - nur als Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung eine Bedeutung zukommt, die eine vergleichbare Wesentlichkeit erst dann erreicht, wenn sich die tatsächlichen Voraussetzungen für dessen Erlassung maßgeblich geändert haben.  Gilt es nun also - wie im vorliegenden Fall - (ausschließlich) zu prüfen, ob die Anordnung der Schubhaft als solche rechtmäßig war, so hat der unabhängige Verwaltungssenat demnach auf die Sach- und Rechtslage, wie sie im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides für jedermann (und nicht etwa nur aus der subjektiven Sicht der Behörde) evident erkennbar vorgeherrscht hat, abzustellen und diese seiner Entscheidung zugrundezulegen.

 

Grundsätzlich nicht anders ist die Situation zu beurteilen, wenn gegen den ersten, auf § 57 AVG basierenden Schubhaftbescheid Vorstellung erhoben und diese von der Fremdenpolizeibehörde nach Durchführung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens abgewiesen wird: Indem im Falle des § 57 Abs.1 zweite Alternative AVG einer Vorstellung schon ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 57 Abs.2 Satz 2 AVG) und damit dieser Mandatsbescheid aber im Regelfall - d.h., wenn die Behörde binnen zwei Wochen das Ermittlungsverfahren bloß einleitet - solange eine eigenständige rechtliche Verbindlichkeit entfaltet (vgl. § 57 Abs.3 Satz 1 AVG), bis an dessen Stelle der das ordentliche Ermittlungsverfahren abschließende und nunmehr seinerseits verbindliche Bescheid tritt, ist insoweit von der Behörde lediglich zu beachten, daß jeder dieser Bescheide jeweils für seinen Geltungszeitraum eine rechtlich einwandfreie Basis für die Schubhaft zu bilden vermag.

 

Wie schon oben dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art.6 Abs.1 zweiter Satz PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG "binnen einer Woche" über die "Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges" bzw.  die "Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung" zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine durch diese Intention des PersFrSchG i.V.m. dem FrPG beschränkte materielle Kontrollmöglichkeit des Schubhaftbescheides zu; aus diesem Grund reicht es vorbehaltlich § 69 Abs.1 Z.2 AVG zur Begründung einer in diesem Sinne umfassenden Prüfungsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates auch hin, wenn in der Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - die Schubhaft als solche (ohne Differenzierung nach deren mehreren bescheidmäßigen Grundlagen) bekämpft wird. Diese Prüfung der Schubhaftbescheide führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

 

Die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seinem Erkenntnis vom 23.7.1991, VwSen-400041 (Pkt. 4.2.2.2.), vertretene Rechtsansicht, daß in Schubhaftsachen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er in Art.1 Abs.3 zweiter Halbsatz PersFrSchG positiviert ist, wegen der durch Art.5 Abs.2 PersFrSchG erfolgten spezialisierenden Einschränkung dieser Bestimmung auf das gerichtliche und finanzbehördliche Strafverfahren sowie - unausgesprochen - auch deshalb, weil sich Art.1 Abs.3 erster Halbsatz PersFrSchG ausschließlich an den Gesetzgeber richtet, dieser aber mit seiner vom Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 6.10.1988, B 888/88, als unbedenklich befundenen Ausgestaltung des Fremdenpolizeigesetzes die Behörde jeglicher weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung enthoben habe, keinen Prüfungsmaßstab bildet, kann in dieser Apodiktik nicht weiter aufrecht erhalten werden: Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl. 134 BlgStenProtNR, 17. GP, 5), soll Art.1 Abs.3 zweiter Halbsatz PersFrSchG sicherstellen, daß auch im Verwaltungs(straf)verfahren die persönliche Freiheit nur in dem Maß entzogen werden darf, als und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat daher grundsätzlich auch im Zuge einer Schubhaftbeschwerde - und zwar selbst dann, wenn der Beschwerdeführer darauf in seinem Schriftsatz nicht Bezug nimmt - zu prüfen, ob die angeordnete Schubhaft als verhältnismäßig erscheint. Eine darauf bezügliche Rechtswidrigkeit ist mit Blick auf die im § 11 Abs.2 FrPG normierte Kompetenzabgrenzung jedoch nur insoweit wahrzunehmen, als sich die Verhängung der Schubhaft als zu dem mit dieser Maßnahme verfolgten Zweck offenkundig außer Verhältnis stehend erweist und deshalb in den - nach Art.1 Abs.2 PersFrSchG bloß unter Gesetzesvorbehalt gewährleisteten - verfassungsgesetzlich geschützten Teilbereich des Grundrechtes der persönlichen Freiheit eingreift. Zudem setzt die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips jeweils - wie bereits im oa.  Erkenntnis vom 23.7.1991, VwSen-400041, ausgeführt - die Existenz eines zur Zweckerreichung gleichermaßen tauglichen, aber weniger eingriffsintensiven Mittels als es die Freiheitsentziehung darstellt, voraus.

 

Im vorliegenden Fall wurde die Schubhaft sowohl zur Vorbereitung der Ausweisung und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als auch zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Unterstellt man an diesem Punkt die die Schubhaftbescheide tragenden Gründe als zutreffend, so ist dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht erkennbar, welche sonstigen, der Behörde durch das Fremdenpolizeigesetz oder andere gesetzlichen Vorschriften an die Hand gegebenen Maßnahmen diesen Zweck in adäquater, aber weniger eingriffsintensiver Weise sicherstellen könnten; eine Überweisung in die Bundesbetreuung (vgl. VwSen-400015 vom 3.5.1991 und VwSen-400041 vom 23.7.1991) oder die Vorladung vor die Behörde (vgl. VwSen-400015 vom 3.5.1991) vermag diesem Sicherungszweck jedenfalls nicht gerecht zu werden. Sollten sich die die Schubhaftbescheide tragenden Gründe hingegen als unzutreffend herausstellen, so bewirkt aber primär (und ausschließlich) dieser Aspekt die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die persönliche Freiheit, ohne daß deshalb das Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzt worden wäre.

 

In diesem und im Sinne der vorstehenden Ausführungen sowie im Sinne der ständigen Rechtsprechung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (vgl. z.B. VwSen-400015 vom 3.5. 1991;

VwSen-400017 vom 17.5. 1991; VwSen-400020 vom 27.5. 1991;

VwSen-400026 vom 13.6. 1991; VwSen-400027 vom 24. 6. 1991;

VwSen-400032 vom 24.6. 1991; VwSen-400034 vom 28.6. 1991; und VwSen-400035 vom 4. 7. 1991) bleibt daher noch zu prüfen, ob der auf § 5 Abs.1 FrPG i.V.m.  § 57 Abs.1 AVG basierende Schubhaftbescheid in inhaltlicher Hinsicht, d.h. im Hinblick auf seine Begründung, den Anforderungen des PersFrSchG genügt.

 

Bereits im Fall VwSen-400017 vom 17.5.1991 hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ausgesprochen, daß bei auf § 57 Abs.1 AVG basierenden Schubhaftbescheiden nur vergleichsweise geringere Anforderungen an die Begründungspflicht des Bescheides im Sinne des § 58 Abs.2 i.V.m. § 60 AVG gestellt werden können, sodaß es z.B. hinreicht, wenn sich - führt die Behörde im Spruch undifferenziert sämtliche Alternativen, die sie nach § 5 Abs.1 FrPG zur Erlassung eines Schubhaftbescheides ermächtigen, an - wenigstens aus der Begründung erkennen läßt, welches dieser Tatbestandsmerkmale die Behörde im konkreten Fall zum Einschreiten veranlaßt hat (bzw. allenfalls, daß sich aus der Begründung ergibt, daß die Behörde tatsächlich wegen Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale eingeschritten ist); andererseits ist aber ein solcher Mandatsbescheid insbesondere auch hinsichtlich des Umstandes, warum die Behörde im konkreten Einzelfall diese besondere Art des Verfahrens gewählt hat, zu begründen (vgl. K. Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Wien 1987, 500).

 

Beides fehlt in den vorliegenden Bescheiden, deren Begründung sich - von der in ihnen enthaltenen Wiedergabe des Gesetzestextes und des Sachverhaltes abgesehen - in dem Vorwurf begangener Ordnungswidrigkeiten erschöpft, ohne gleichzeitig Argumente für die Notwendigkeit des Freiheitsentzuges bzw. das Vorliegen von Gefahr in Verzug anzuführen.

 

Es bleibt aber zu prüfen, ob nicht im Zeitpunkt der Bescheiderlassung Gründe vorgelegen sind, die die Behörde evidentermaßen (vgl. z.B. VwSen-400035 vom 4.7.1991) zur Verhängung der Schubhaft berechtigt haben und deren Nichtanführung in der Begründung vornehmlich deshalb und auch zufolge der Raschheit des Verfahrens nach § 57 Abs.1 zweite Alternative AVG unterbleiben konnte. Bei der Prüfung dieser Frage ist ein objektiver Maßstab anzulegen, d.h. es können in diesem Zusammenhang nur solche Umstände berücksichtigt werden, die in gleichem Maße wie der Behörde auch dem Beschwerdeführer erkennbar sein mußten, gilt es doch zu bedenken, daß aus der Sicht des Beschwerdeführers, der den Inhalt der behördlichen Akten in der Regel nicht kennt, im übrigen allein die Begründung des Bescheides die entscheidenden Anhaltspunkte für eine taugliche Begründung seines Rechtsmittels zu liefern vermag.

 

Derartige Gründe lagen jedoch nicht vor, im Gegenteil: Der Umstand, daß der Beschwerdeführer an der von ihm angegebenen Adresse sowohl im Zuge behördlicher Kontrollen als auch bei seiner Festnahme - wenn er dort auch formell nicht angemeldet war, so doch - tatsächlich (wenn auch nicht tagsüber, sondern nur nachts) angetroffen wurde, läßt die Vermutung, daß er sich einer fremdenpolizeilichen Behandlung von vornherein zu entziehen versuchen wird, - da ihm bloß geringfügige Ordnungswidrigkeiten zum Vorwurf gemacht werden konnten - weder im Zeitpunkt der Erlassung des ersten noch im Zeitpunkt der Erlassung des zweiten Schubhaftbescheides als plausibel erscheinen (vgl. VwSen-400017 vom 17.5.1991); daß der Beschwerdeführer etwa mittellos, als ein bloßer "Wirtschaftsflüchtling" anzusehen oder unsteten Aufenthalts wäre o. ä., wird von der Behörde hingegen weder in der Begründung der Schubhaftbescheide behauptet noch ist das evidente Vorliegen solcher Umstände aus dem vorgelegten Verwaltungsakt erkennbar. Insbesondere das Grundrecht der persönlichen Freiheit stellt aber andererseits ein zu hochwertiges Schutzgut dar, als daß es durch ein leichtfertiges oder bloß oberflächliches Vorgehen der Behörde beeinträchtigt werden dürfte.

 

Erst mit dem Vorliegen des negativen Asylbescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Juli 1991, Zl. FrA-3168/91, erscheint allenfalls die Prognose der belangten Behörde, daß sich der - anwaltlich vertretene und daher auch für in dessen Interesse liegende behördliche Zustellungen nicht persönlich verfügbar sein müssende - Beschwerdeführer künftigen fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen versuchen wird, vertretbar. Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt lag aber demnach keine denkmögliche (vgl. z.B. VfSlg 11638/1988, S 179) Gesetzesanwendung, wie sie aufgrund des Art.1 Abs.2 PersFrSchG ("gesetzlich vorgeschriebene Weise") i.V.m. Art.18 Abs.1 B-VG seitens der Behörde auch gegenüber Ausländern geboten ist - die vom Verfassungsgerichtshof noch in seinem Erkenntnis VfSlg 6240/1970, S.499, vertretene gegenteilige, allerdings aus dem (im gegenständlichen Verfahren jedoch keinen Prüfungsmaßstab bildenden) Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Auffassung erscheint somit durch die zwischenzeitliche Normierung des Art.1 Abs.2 PersFrSchG insoweit als überholt -, vor.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 79a und 67c AVG i.V.m. § 5a Abs.6 FrPG der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten in Höhe von 9.014,40 S zuzusprechen; darin ist Umsatzsteuer in Höhe von 1.482,40 S enthalten.  Dieser Betrag wurde mangels gesetzlicher Regelung in analoger Heranziehung der TP 3/B/I (für die Beschwerde unter Berücksichtigung der Unterforderung) bzw. der TP 1/I/lit.d i. V.m. § 22 des Rechtsanwaltstarifgesetzes (für den Ergänzenden Schriftsatz), jeweils i.V.m.  § 8 Abs.7 und § 5 Z.38 der Autonomen Honorarrichtlinien des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig festgesetzt. Ein weiteres Mehrbegehren in Höhe von 120 S für eine Bundesstempelmarke für die Zweitausfertigung der Beschwerde war abzuweisen, weil Schubhaftbeschwerden mangels gegenteiliger gesetzlicher Anordnung bloß in einfacher Ausfertigung einzubringen sind.

Schlagworte
Autonome Honorarrichtlinien; "Schubhaftbeschwerde" - "Maßnahmenbeschwerde"; punktuelle Festnahme - dauernde Anhaltung; Änderung der faktischen Umstände während der Schubhaft; Apodiktik; Gesetzesvorbehalt; adäquate, aber weniger eingriffsintensive Maßnahme; evidente Umstände; Nichtmeldung - tatsächliches Antreffen bei Kontrolle und Festnahme; geringfügige Ordungswidrigkeiten.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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