TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/27 98/18/0009

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Veröffentlicht am 27.04.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
SGG §12;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des R R, (geboren am 10. Juli 1975), in Feldkirch, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Belruptstraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 3. September 1997, Zl. Pab-4321-7/97, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 3. September 1997 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 507/1995, (PassG) der Reisepass Nr. W0850663 und gemäß § 19 Abs. 2, § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 leg. cit. der Personalausweis Nr. 5234151, die ihm jeweils von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (der erstinstanzlichen Behörde) am 2. März 1993 mit Gültigkeit bis 2. März 2003 ausgestellt worden waren, entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29. April 1997 folgender Straftaten für schuldig befunden worden sei: Er habe

I. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge aus- und eingeführt sowie in Verkehr gesetzt bzw. (einen anderen) dazu bestimmt, und zwar

1. im Zeitraum Sommer 1995 bis Sommer 1996 insgesamt zirka 1100 bis 1200 g Haschisch von Deutschland nach Österreich geschmuggelt, hinsichtlich einer Teilmenge von 65 g Haschisch einen anderen zum Schmuggel beauftragt und anschließend an mehr als acht Drogenkonsumenten insgesamt zirka 900 bis 1300 g (Haschisch) verkauft;

2. im Zeitraum von Anfang 1995 bis August 1996 zirka 4440 bis 4590 Stück Ecstasy an mehr als 14 Personen verkauft;

3. im Zeitraum von Anfang 1996 bis Sommer 1996 zirka 40 g Kokain an mehr als vier Personen verkauft;

II. außer in den Fällen der §§ 12 und 14a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erworben und besessen bzw. anderen überlassen, und zwar

1. im Zeitraum Sommer 1994 bis Sommer 1996 in Vorarlberg, Innsbruck, St. Gallen, Zürich und Lindau insgesamt zirka 50 bis 100 g Haschisch konsumiert;

2. im Zeitraum vom Dezember 1994 bis August 1996 in Vorarlberg, der Schweiz und in Deutschland insgesamt zirka 400 Stück Ecstasy konsumiert;

3. im Zeitraum von Sommer 1995 bis Sommer 1996 in der Schweiz, Innsbruck und Kempten dreimal je einen LSD-Trip konsumiert;

4. im Zeitraum Ende Sommer 1995 bis August 1996 zirka 40 g Kokain konsumiert;

5. im Sommer 1992 zirka 30 bis 70 g Speed aus Deutschland nach Österreich geschmuggelt und den größten Teil davon einer am 23. März 1978 geborenen Person verkauft, wodurch er einem Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglicht habe und wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige gewesen sei;

III. am 8. April 1996 in Dornbirn einen anderen dadurch, dass er ihm eine Gaspistole an den Körper angesetzt und erklärt habe, dass er ihn umbringen würde, sollte er nicht binnen 14 Tagen seine Schulden begleichen, mithin durch Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich der Bezahlung von S 16.000,--, zu nötigen versucht.

Der Beschwerdeführer habe zu I. das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG, teilweise in Form der Bestimmungstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB, zu II. das Vergehen nach § 16 Abs. 1 und 2 Z. 1 SGG und zu III. das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB begangen und sei hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Das Gericht habe das Geständnis, die Suchtgiftergebenheit, die Unbescholtenheit, dass es bei der Nötigung beim Versuch geblieben sei und den Umstand, dass der Beschwerdeführer die Taten teilweise als unter 21-Jähriger begangen habe, als mildernd gewertet. Als Erschwerungsgründe sei berücksichtigt worden, dass es zu einem Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, zur Verwirklichung des Verbrechens nach dem SGG sowohl in Form der Ein-/Ausfuhr als auch in Form des Inverkehrsetzens, zur teilweisen gewinnorientierten Tatbegehung, zur Weitergabe an mehrere Jugendliche und zu Tatwiederholungen gekommen sei.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. Mai 1997 sei der Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 23a Abs. 1 SGG bis 30. April 1999 aufgeschoben und ihm die Weisung erteilt worden, die bereits bei der Beratungsstelle "Clean" in Bregenz begonnene ambulante Therapie fortzusetzen und regelmäßige Harnkontrollen abzugeben. Bestätigungen über die ambulante Betreuung wären dem Gericht vierteljährlich unaufgefordert in Schriftform zu erbringen.

Da der Beschwerdeführer im Sommer 1992 zirka 30 bis 70 g Speed und im Zeitraum von Sommer 1995 bis Sommer 1996 insgesamt zirka 1035 bis 1135 g Haschisch jeweils von Deutschland nach Österreich geschmuggelt habe, habe er auch die entsprechenden Zollvorschriften umgangen. Er habe erstmalig im Frühjahr 1990 Kontakt mit Haschisch gehabt. Bis zum Sommer 1994 habe kein weiterer Drogenkonsum stattgefunden. Von Sommer 1994 bis August 1996 sei er selbst Suchtgiftkonsument gewesen. Er habe sohin mindestens vier Jahre in Drogenkreisen verkehrt, wobei seine letzten Straftaten im Sommer 1996 verübt worden seien.

Gerade im Bereich der Suchtgiftkriminalität sei von einer großen Gefahr der Rückfälligkeit auszugehen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers sei er zwar seit maximal einem Jahr drogenfrei, hiebei sei jedoch zu berücksichtigen, dass diese Zeit mit dem laufenden Gerichtsverfahren zusammenfalle. Er habe somit noch nicht beweisen können, dass er auch zu Zeiten drogenfrei bleibe, wo ihm keine derartig schweren Konsequenzen wie ein Gerichtsurteil drohten. Dass das Strafgericht gemäß § 23a SGG die unbedingt verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt habe, binde die belangte Behörde nicht in ihren Erwägungen. Überdies könne erst dann, wenn ein Verurteilter sich nach Ablauf einer bestimmten Frist erfolgreich einer ärztlichen Behandlung unterzogen habe, nachträglich eine bedingte Strafe gewährt werden. Im vorliegenden Fall sei das Strafgericht noch von der Suchtgiftergebenheit des Beschwerdeführers ausgegangen. Dass er seit nunmehr einem Jahr keine Drogen mehr konsumiert hätte, könne nicht als ausreichende Begründung dafür angesehen werden, dass er auch hinkünftig nicht mehr mit der Drogenszene in Kontakt kommen werde. Insbesondere unter Berücksichtigung des mindestens vierjährigen Verkehrs in der Drogenszene und der hohen Rückfallquote im Bereich der Drogenkriminalität bestehe auch weiterhin die Gefahr, dass er seine Reisedokumente wiederum missbräuchlich verwenden würde.

Dass durch die Entziehung der Reisedokumente für den Betroffenen nachteilige persönliche und wirtschaftliche Folgen entstehen könnten, erlaube keine andere rechtliche Beurteilung. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer durch seinen Aufenthalt im Ausland (hier: Deutschland) auch die innere Sicherheit der Republik Österreich, insbesondere im Hinblick auf die Volksgesundheit, gefährden würde.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 27. November 1997, B 2599/97). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG lautet:

"§ 14 (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn

...

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um

...

f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder

4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde."

§ 15 Abs. 1 und § 19 Abs. 2 PassG haben folgenden Wortlaut:

"§ 15 (1) Ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, ist zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen."

"§ 19 ...

(2) Auf die Ausstellung, die Gültigkeitsdauer und ihre Einschränkung, die Vorlagepflicht, die Versagung und die Entziehung von Personalausweisen, weiters auf die Miteintragung von Kindern und auf die Ungültigerklärung einer Miteintragung sowie auf die Abnahme von Personalausweisen sind die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der §§ 9 Abs. 7 und 15 Abs. 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren oder Verfahren zur Ungültigerklärung der Miteintragung auf gültige Personalausweise beschränkt sind."

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung nach dem SGG zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 15 Monaten und insbesondere nicht die Feststellungen betreffend die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Handlungen, er wendet sich jedoch gegen die von der belangten Behörde im Grund des § 14 Abs. 1 PassG getroffene Annahme und bringt vor, dass er sich seit einem Jahr erfolgreich einer Drogentherapie unterziehe und sich in ein neues "Umfeld" eingegliedert habe sowie einer geregelten Beschäftigung nachgehe. Hätte die belangte Behörde das im gerichtlichen Strafakt erliegende Gutachten Dris. Haller beachtet, hätte sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass für den Beschwerdeführer eine ambulante Drogentherapie ausreichend sei und der Gutachter ihn für einen "Ausnahmefall" halte. Der Beschwerdeführer habe sich seit 1996 aus der Drogenszene gelöst und konsumiere seither keine Drogen mehr, sodass die "Suchtmittelproblematik" und sein damit Hand in Hand gehendes delinquentes Verhalten weggefallen seien.

3. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Selbst wenn eine stationäre Aufnahme des Beschwerdeführers aus der Sicht des genannten Gutachters nicht erforderlich sein sollte, böte dies noch keine ausreichende Gewähr dafür, dass die Therapie - ob nun stationär oder ambulant - erfolgreich zum Abschluss gebracht und einen dauerhaften Erfolg zeitigen werde. Abgesehen davon vermag der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer einer Therapie unterzieht, auch deshalb nicht die Annahme seines künftigen Wohlverhaltens zu rechtfertigen, weil er auch in Zeiten, in denen er nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde kein Suchtgift konsumierte, so im Sommer 1992, Suchtgift aus Deutschland nach Österreich schmuggelte und den größten Teil davon einem anderen verkaufte, womit er gezeigt hat, dass seine Suchtgiftabhängigkeit offensichtlich nicht notwendige Voraussetzung für sein strafbares Verhalten nach dem SGG war.

Im Hinblick auf das der besagten Verurteilung zu Grunde liegende gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers (vgl. I.1.) und das Erfahrungswissen, dass gerade bei einem Delikt gemäß § 12 SGG die Wiederholungsgefahr besonderes groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/18/0267, mwN), begegnet Annahme der belangten Behörde, dass er den Reisepass und den Personalausweis zu Handlungen im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG benützen und dadurch die innere Sicherheit der Republik Österreich im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. gefährden würde, keinem Einwand. Da der seit der Begehung der genannten Straftaten verstrichene Zeitraum zu kurz ist, um eine hinreichend verlässliche Prognose des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers stellen zu können, war die belangte Behörde zur Entziehung der beiden Reisepapiere verpflichtet.

4. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen geht das weitere Beschwerdevorbringen, der Beweis, dass jemand in Zukunft drogenfrei bleiben würde, sei objektiv unmöglich, ins Leere. Aus denselben Erwägungen ist es der Beschwerde auch nicht gelungen, die Relevanz des von ihr in Bezug auf die Nichtberücksichtigung des Gutachtens Dris. Haller behaupteten Verfahrensmangels und der von ihr vermissten Feststellungen (vgl. S. 5 und 6 des Mängelbehebungsschriftsatzes vom 18. Februar 1998) aufzuzeigen, sodass auch diese Rüge ins Leere geht.

5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. April 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998180009.X00

Im RIS seit

20.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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