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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der B M, (geb. 10.Jänner 1972), in Wien, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. März 1999, Zl. SD 252/99, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. März 1999 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm § 10 Abs. 2 Z. 1 und 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei nach der Aktenlage am 22. Mai 1991 erstmals in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge auf Grund vorgelegter Verpflichtungserklärungen, die von verschiedenen Personen (etwa von Frau B.M., von S.R., von M.S. und von V.M.) abgegeben worden seien, Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen erhalten. Auch die zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung, die vom 1. Oktober 1993 bis 3. Juli 1994 Gültigkeit gehabt habe, habe sich auf eine Verpflichtungserklärung der Angehörigen der Jugoslawischen Föderation S.R. gegründet. Am 15. Juni 1994 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung eingebracht, habe als Aufenthaltszweck "unselbstständige Tätigkeit" angegeben, jedoch gleichzeitig eine Verpflichtungserklärung von Frau S.M. vorgelegt. Dieser Antrag sei zunächst auf Grund verspäteter Antragstellung abgewiesen worden, der Verwaltungsgerichtshof habe aber das diesbezügliche Beschwerdeverfahren als gegenstandslos eingestellt. Sohin sei der obgenannte Antrag als solcher auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (Niederlassungsbewilligung) anzusehen. Im Zug des vorliegenden Verfahrens hätten die Tante der Beschwerdeführerin, Frau R.S (sie sei mittlerweile österreichische Staatsbürgerin) und der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin, Herr M.L., Verpflichtungserklärungen abgegeben. Gemäß § 10 Abs. 3 letzter Satz FrG sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung unzulässig. Eine Ausnahme von dieser Regelung normiere der Gesetzgeber lediglich im § 13 (richtig: 113) Abs. 5 letzter Satz leg.cit. Danach könne einem Fremden, dem eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft" oder "privater Aufenthalt" auf Grund einer Verpflichtungserklärung erteilt worden sei, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen künftig eine weitere Niederlassungsbewilligung erteilt werden, solange die Verpflichtung der Person mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet weiter bestehe. Da vorliegend ein Wechsel in der Person der Verpflichteten stattgefunden habe, könne sich die Beschwerdeführerin nicht mit Erfolg auf diese Übergangsbestimmung berufen. Abgesehen davon erschienen die vorgelegten Verpflichtungserklärungen nicht tragfähig. Der Tante der Beschwerdeführerin stehe lediglich ein monatliches Nettoeinkommen von S 9.000,-- zur Verfügung, ihr Lebensgefährte verdiene etwa S 4.700,-- netto im Monat. Angesichts dieses Sachverhaltes und im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin, die auch nie im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung gewesen sei, bislang keiner Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen sei und über keinerlei eigene Unterhaltsmittel verfüge, lägen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 FrG und damit auch jene des § 34 Abs. 1 Z. 2 leg.cit. vor.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung nach § 37 Abs. 1 FrG betreffe, so sei auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf ihre familiäre Bindung zu ihrer im Bundesgebiet lebenden Tante ein mit dieser Maßnahme verbundener Eingriff in ihr Privat- und Familienleben gegeben. Dessen ungeachtet sei die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens) als dringend geboten zu erachten. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den etwa siebeneinhalbjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Im Hinblick darauf, dass sie bislang keiner Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen sei, könne sie sich aber nicht mit Erfolg auf einen relevanten Grad ihrer Integration berufen. Ihre familiäre Bindung zu ihrer Tante erfahre weiters durch den Umstand, dass die Beschwerdeführerin erwachsen sei, eine nicht unbeträchtliche Relativierung. Diesen - solcherart geschmälerten - familiären und privaten Interessen der Beschwerdeführerin stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Entgegen der offensichtlichen Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin komme vorliegend auch nicht die Bestimmung des § 35 FrG zum Tragen. Wie oben dargelegt habe sie nie über eine Beschäftigungsbewilligung oder Arbeitserlaubnis verfügt und sei bislang im Bundesgebiet auch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Nach der Aktenlage sei auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren ernsthaft bemüht gewesen sei, eine Beschäftigungsbewilligung oder Arbeitserlaubnis zu erhalten, sodass § 35 Abs. 1 FrG der Ausweisung nicht entgegenstehe. Die am 13. März 1999 erfolgte Zusicherung eines Unternehmens, die Beschwerdeführerin als Küchengehilfin beschäftigen zu wollen, vermöge daran nichts zu ändern, mache doch das Unternehmen die Einstellung der Beschwerdeführerin vom Vorliegen eines Aufenthaltstitels und einer "Arbeitsgenehmigung" abhängig. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass auch keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände vorlägen, könne ihr weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die der Beschwerdeführerin zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung hatte unbestritten bis 3. Juli 1994 Gültigkeit. Auf Grund des am 15. Juni 1994 von der Beschwerdeführerin eingebrachten Antrags auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung und im Hinblick auf die Einstellung des gegen die rechtskräftige Versagung der Verlängerung gerichteten Beschwerdeverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof nach den Übergangsbestimmungen des FrG (vgl. Blatt 87 f der vorgelegten Verwaltungsakten) wurde (ebenfalls unstrittig) das zur vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme führende Verwaltungsverfahren als solches "auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (Niederlassungsbewilligung)" nach dem FrG geführt. Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung war die Beschwerdeführerin (die nach Ausweis der Verwaltungsakten im Übrigen auch weiter in Österreich auf Dauer niedergelassen blieb) somit ab dem Ablauf der Gültigkeitsdauer der ihr zuletzt erteilten Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bis zur rechtskräftigen Erlassung der vorliegenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme durchgehend rechtmäßig in Österreich aufhältig (vgl. das Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 99/18/0306).
2.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den angefochtenen Bescheid u.a. im Grund des § 37 FrG. Zum Zeitpunkt seiner Erlassung sei sie seit beinahe acht Jahren durchgehend rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen. Während dieser Zeit habe sie sich "in das österreichische Gesellschaftsleben" völlig integrieren können. Sie lebe bei ihrer österreichischen Tante im gemeinsamen Haushalt, ihr Lebensgefährte sei ein österreichischer Staatsangehöriger. Dem Argument des "übergeordneten öffentlichen Interesses" an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei entgegenzuhalten, dass sich die Beschwerdeführerin stets an die fremdenrechtlich relevanten Gesetze gehalten und (lediglich) die ihr zustehenden Rechtsmittel gebraucht habe.
2.2. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend. Die belangte Behörde hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen ein hoher Stellenwert zukommt. Sie hat aber den beachtlichen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich nicht das ihnen gebührende Gewicht beigemessen. Die Beschwerdeführerin befindet sich (zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides) seit etwa sieben Jahren und neun Monaten rechtmäßig in Österreich (vgl. oben II.1). Die aus diesem längere Zeit währenden Aufenthalt ableitbare Integration der Beschwerdeführerin, ihre schon im Verwaltungsverfahren (vgl. etwa Blatt 136 der vorgelegten Verwaltungsakten) geltend gemachte - von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogene - private Bindung zu ihrem Lebensgefährten (vgl. etwa das zu § 19 des Fremdengesetzes aus 1992 ergangene, aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/0784), sowie ihre (unstrittige) familiäre Beziehung zu ihrer Tante sind insgesamt von solchem Gewicht, dass sie im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG von dem besagten öffentlichen Interesse an der Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht aufgewogen werden. Dies hat die belangte Behörde verkannt und deshalb den bekämpften Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. April 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999180248.X00Im RIS seit
12.07.2001