RS UVS Oberösterreich 1991/09/19 VwSen-400054/3/Gf/Kf

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 19.09.1991
beobachten
merken
Beachte
Verweis auf VfSlg 11638/1988; VfSlg 8038/1977; VfGH vom 11.6.1990, B 947, 1006/89. Rechtssatz

Schubhaftbeschwerde: Voraussetzung Schubhaftbescheid. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem unabhängigen Verwaltungssenat und der Sicherheitsdirektion: Bloß inhaltliche Kontrolle des Vollzuges des Bescheides durch UVS - formelle Elimation durch Sicherheitsdirektion oder erstinstanzliche Behörde von Amts wegen. Kein Eingriff in die persönliche Freiheit, wenn die Behörde zu Unrecht das Vorliegen eines Meldevergehens bzw. Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers angenommen hat, dieser aber bereits einmal wegen illegalen Aufenthaltes in Österreich bestraft wurde und es unterlassen hat, rechtzeitig für die Verlängerung seines Sichtvermerkes zu sorgen.

 

 

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese Maßnahme zuvor durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11.6.1990, B 947 und 1006/89); vom Vorliegen eines vollstreckbaren Bescheides geht erkennbar auch § 5a Abs.2 FrPG aus. Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z.3 B-VG i.V.m.

§ 67a Abs.1 Z.1 AVG und § 5a FrPG - sogenannte "Schubhaftbeschwerde" (und nicht nach Art. 129a Abs.1 Z.2 B-VG i. V.m. § 67a Abs.1 Z.2 AVG - sogenannte "Maßnahmenbeschwerde"). Der unabhängige Verwaltungssenat hat sohin aufgrund einer Schubhaftbeschwerde die Rechtmäßigkeit der mit dem Schubhaftbescheid verhängten Haft zu überprüfen.

 

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß durch die (erste) FrPG-Novelle 1991 (BGBl. Nr. 21/1991) die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist. Es hat daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß Art. 129 B-VG - und zwar in erster Linie - die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits auch effektiv zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - den Sicherheitsdirektionen die Berufungsentscheidung über Schubhaftbescheide vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), Rechnung tragende und im Hinblick auf die Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nach hg. Meinung nur folgendermaßen gefunden werden:

 

Dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG binnen einer Woche - im Gegensatz zur Sicherheitsdirektion (vgl. § 73 AVG) also sehr kurzfristig - über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, kommt im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des die Voraussetzung und Grundlage der Schubhaft bildenden Bescheides nur dahingehend zu, ob durch den Schubhaftbescheid die durch das PersFrSchG verfassungsmäßig (und darauf basierend durch das FrPG einfachgesetzlich; vgl. dazu z.B. VfSlg 11638/1988, S 179, m.w.N.) geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers verletzt worden ist. Trifft dies zu, so erstreckt sich die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Gesetzes wegen aber auch dann lediglich darauf, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung, also gleichsam die Rechtswidrigkeit des Vollzuges des Schubhaftbescheides, festzustellen. Die Wahrnehmung sonstiger materiell nicht mit dem PersFrSchG im Zusammenhang stehender Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides sowie jedenfalls dessen formelle Elimination aus dem Bestand der Rechtsordnung obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde, soweit nicht - etwa bei einer Rechtswidrigerklärung der Festnahme und Anhaltung durch den unabhängigen Verwaltungssenat - schon die bescheiderlassende Behörde selbst Anlaß zu einem Vorgehen gemäß § 68 Abs.2 AVG findet.

 

Nach all dem ist die vorliegenden Beschwerde, soweit sie sich gegen eine Festnahme und Anhaltung, die ihrerseits auf einem gemäß den §§ 58 ff AVG erlassenen und wegen des nach § 64 Abs.2 AVG verfügten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung sofort vollstreckbaren Schubhaftbescheid basiert, zulässig; insoweit gründet sie sich tatsächlich auf § 5a FrPG und sind auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 67c AVG erfüllt.

 

Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie im Ergebnis jedoch nicht gerechtfertigt.

 

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall den Schubhaftbescheid damit begründet, daß der Beschwerdeführer paß- und melderechtliche Vorschriften verletzt habe, sich daher widerrechtlich in Österreich aufhalte und die Gefahr bestehe, daß er sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen versuchen wird.

 

Gemäß § 5 Abs.1 FrPG kann die Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung dann die Schubhaft verhängen, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit (§ 5 Abs.1 erste Alternative FrPG) oder deshalb notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (§ 5 Abs.1 zweite Alternative FrPG).

 

Dem Fremden kommt in diesem Fall nach § 5a Abs.1 FrPG das Recht zu, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und/oder der Anhaltung anzurufen. Damit werden zwei alternative Beschwerdegegenstände - nämlich der (punktuelle) der Festnahme (und notwendig damit im Zusammenhang stehenden Anhaltung) einerseits und der (auf Dauer gerichtete) der Anhaltung in Schubhaft (als Vollzug der entsprechenden behördlichen Anordnung) - geschaffen, für die jeweils der fremdenpolizeiliche Schubhaftbescheid die Grundlage bildet; eine in diesem Sinne tragfähige Basis vermag dieser Bescheid im Hinblick auf § 68 Abs.1 AVG jedoch nur solange zu bilden, als sich nicht die (rechtlichen oder) tatsächlichen Voraussetzungen, die für dessen Erlassung maßgeblich waren, entscheidungswesentlich geändert haben. Daß derartige Modifikationen während der zwei- bis dreimonatigen Dauer der Schubhaft (§ 5 Abs.2 FrPG) eintreten können, liegt auf der Hand, sodaß die Schaffung zweier unterschiedlicher Beschwerdegegenstände in § 5a Abs.1 FrPG aus Sachlichkeitsgründen verfassungsrechtlich geradezu geboten erschien. Dabei kommt dem Schubhaftbescheid im ersteren Fall - der Beschwerde gegen die Schubhaft dem Grunde nach, wo also bezüglich des "OB" der Rechtmäßigkeit der Verhängung der Schubhaft (nur darum geht es nach dem Parteienantrag im vorliegenden Fall; eine amtswegige Erweiterung des Beschwerdevorbringes kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat im Hinblick auf die schon von Gesetzes wegen bestimmte Höchstdauer der Schubhaft - vgl. Art.6 Abs.2 PersFrSchG - nicht zu) zu entscheiden ist - die zentrale Bedeutung zu, während ihm im zweiten Fall - Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzuges, also des "WIE" der Schubhaft - nur als Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung eine Bedeutung zukommt, die eine vergleichbare Wesentlichkeit erst dann erreicht, wenn sich die tatsächlichen Voraussetzungen für dessen Erlassung maßgeblich geändert haben.  Gilt es nun also - wie im vorliegenden Fall - (ausschließlich) zu prüfen, ob die Anordnung der Schubhaft als solche rechtmäßig war, so hat der unabhängige Verwaltungssenat demnach auf die Sach- und Rechtslage, wie sie im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides für jedermann (und nicht etwa nur aus der subjektiven Sicht der Behörde) evident erkennbar vorgeherrscht hat, abzustellen und diese seiner Entscheidung zugrundezulegen.

 

Wie schon oben dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art.6 Abs.1 zweiter Satz PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG "binnen einer Woche" über die "Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges" bzw.  die "Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung" zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine durch diese Intention des PersFrSchG i.V.m. dem FrPG beschränkte materielle Kontrollmöglichkeit des Schubhaftbescheides zu.  Diese Prüfung der Schubhaftbescheide führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

 

Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, daß die belangte Behörde im Ergebnis unzutreffend von einer Verletzung melderechtlicher Vorschriften ausgegangen ist. Wie aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Meldezettel hervorgeht, hat der Beschwerdeführer am 24. Oktober 1990 unter ausdrücklicher Aufgabe seines bisherigen ordentlichen Wohnsitzes (Rauchfangkehrergasse 31/22, 1150 Wien) bei der Bundespolizeidirektion Wien unter der Adresse "Wendtgasse 5/15, 1160 Wien" einen neuen ordentlichen Wohnsitz begründet. Im Juni 1991 wurde von der Bundespolizeidirektion Wien zwar zur Anzeige gebracht, daß sich der Beschwerdeführer ohne Meldung unter der Adresse "Wurlitzergasse 72/2/21, 1160 Wien", aufgehalten hat, doch hat es diese Behörde bei der Aufforderung, der Beschwerdeführer möge seine fremdenpolizeilichen Angelegenheiten in Ordnung bringen, bewenden lassen. Am 7. August 1991 hat sich der Beschwerdeführer sodann unter der Adresse "Lohnsberg 4, 5133 Gilgenberg am Weilhart" angemeldet und dabei den früheren Meldezettel vom 24. Oktober 1991 vorgelegt. Da der neue Meldezettel offensichtlich mittels Schreibmaschine ausgefüllt wurde, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß diese Tätigkeit nicht von ihm, sondern von einem Gemeindebediensteten durchgeführt wurde, zumindest nicht von vornherein von der Hand zu weisen; aus diesem Grund scheint auch der Einwand, daß es dabei - auch infolge von Sprachschwierigkeiten

-

zu der fälschlichen Eintragung des bereits mit der obigen Meldung vom 24. Oktober 1990 aufgegebenen als weiteren ordentlichen Wohnsitz und zum versehentlichen Ankreuzen des nunmehr neugemeldeten als nicht ordentlicher (anstelle ordentlicher) Wohnsitz gekommen ist, glaubhaft. Damit erweist sich aber auch der

-

offenkundig aufgrund unzureichender Ermittlungen - erhobene Vorwurf seitens der belangten Behörde in der Begründung ihres Bescheides, der Beschwerdeführer habe bei seiner letzten Anmeldung nicht die richtige Adresse "Wendtgasse 5/15, 1160 Wien", sondern fälschlicherweise die Adresse "Rauchfangkehrergasse 31/22, 1150 Wien" als seinen bisherigen ordentlichen Wohnsitz angegeben und suche sich im Wege derartiger Falschangaben dem behördlichen Zugriff zu entziehen, nicht als in dem Sinne stichhaltig, daß darauf die gravierende Eingriffsmaßnahme der Verhängung der Schubhaft gestützt werden könnte.

 

Gleiches gilt für die Annahme, daß der Beschwerdeführer nicht über die entsprechenden Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfügen würde. Der Tatsache, daß der Beschwerdeführer arbeitslos ist und bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde lediglich 2.000 S besaß, stand die aktenkundige und vor allem unbefristete Verpflichtungserklärung jedenfalls eines Großonkels des Beschwerdeführers, für dessen Lebensunterhalt aufzukommen, gegenüber. Aufgrund dieser Verpflichtungserklärung hat seinerzeit die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer immerhin einen einjährigen Sichtvermerk erteilt. Angesichts dieser Umstände konnte die belangte Behörde daher aber auch nicht ohne nähere Prüfung mit Grund davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes außerstande und deshalb die Verhängung der Schubhaft unbedingt erforderlich wäre.

 

Die belangte Behörde wirft dem Beschwerdeführer aber auch vor, sich ohne gültigen Sichtvermerk und damit seit 21. August 1991 widerrechtlich in Österreich aufzuhalten. Es ist in diesem Zusammenhang eine unbestrittene Tatsache, daß über den Beschwerdeführer bereits von der Bundespolizeidirektion Wien wegen eines aus diesem Grunde illegalen siebenmonatigen Aufenthaltes in Österreich im Jahre 1990 eine rechtskräftige Verwaltungsstrafe verhängt worden ist.  Im Anschluß daran wurde ein befristeter Sichtvermerk erteilt. Der Beschwerdeführer war demnach offensichtlich über die - verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte - Notwendigkeit eines gültigen Sichtvermerkes als Voraussetzung für einen legalen Aufenthalt in Österreich informiert. Umso unverständlicher muß es daher erscheinen, daß sich der Beschwerdeführer nicht zeitgerecht um die Verlängerung des Sichtvermerkes bemüht hat, noch dazu, wo er nach seinen eigenen Angaben beabsichtigt, in nächster Zeit eine Inländerin zu heiraten. Da der Beschwerdeführer für dieses Fehlverhalten weder bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde noch in der vorliegenden Beschwerde tragfähige Gründe vorzubringen vermochte, war aber andererseits auch die Prognose der belangten Behörde, der Beschwerdeführer werde sich weiterhin in dieser Weise rechtswidrig verhalten, sowie die daraufhin zwecks Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erfolgte Verhängung der Schubhaft jedenfalls nicht unvertretbar und aus diesem Grunde gemäß § 5 Abs.1 erste Alternative FrPG rechtmäßig.

Schlagworte
Scheinanmeldung, keine; Ausfüllen des Meldezettels durch Gemeindebedienstete; Sprachschwierigkeiten; behördliche Ermittlungspflicht; Verpflichtungserklärung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten