RS UVS Oberösterreich 1991/11/08 VwSen-240007/2/Gf/Kf

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Veröffentlicht am 08.11.1991
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Rechtssatz

Irreführende und damit verbotene gesundheitsbezogene Angabe bei Inverkehrbringen eines Kosmetikums: Die Angabe "Revitalisiert und pflegt strapaziertes, trockenes Haar" i.V.m. einem Haarkurmittel weckt keine medizinischen, sondern nur schönheitspflegerische Assoziationen und ist daher zulässig. Strafrechtliche Verantwortlichkeit jedes einzelnen Geschäftsführers einer GmbH, wenn zwar gesellschaftsrechtlich mehrere Geschäftsführer bestellt sind, der Behörde gegenüber jedoch keine bestimmte aus dem Kreis dieser Personen gemäß § 9 Abs.2 VStG namhaft gemacht wurde. Stattgabe.

 

 

Nach § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen derjenige strafrechtlich verantwortlich, der zur Vertretung nach außen berufen ist, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und nicht ein verantwortlicher Beauftragter bestellt ist. Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH und somit deren außenvertretungsbefugtes Organ; das Lebensmittelgesetz, BGBl. Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 78/1987 (im folgenden: LMG), enhält auch keine dem § 9 Abs. 1 VStG derogierende Sonderregelung und seitens der GmbH wurde der Behörde gegenüber kein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellt. Der Beschwerdeführer ist daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die GmbH durch mehrere Geschäftsführer vertreten wird, weil in diesem Fall jeden dieser Geschäftsführer die volle Verantwortlichkeit trifft; eine gesellschaftsinterne Zuständigkeitsaufteilung ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, solange diese nicht gemäß § 9 Abs. 2 VStG auch der Behörde gegenüber in Erscheinung tritt (vgl. dazu auch die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Eisenstadt 1990, 755 ff).

 

Gemäß § 74 Abs.1 LMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, der falsch bezeichnete kosmetische Mittel in Verkehr bringt; gemäß § 26 Abs. 2 i. V.m. den §§ 1 Abs. 2, 8 lit. f und 9 Abs. 1 lit. a LMG liegt ein Inverkehrbringen falsch bezeichneter kosmetischer Mittel (im vorliegenden Fall: durch Lagern) insbesondere dann vor, wenn diese durch verbotene gesundheitsbezogene, d.h. sich auf irreführende physiologische oder pharmakologische - insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende - Wirkungen beziehende oder den Eindruck einer derartigen Wirkung erweckende Angaben gekennzeichnet sind.

 

Es gilt daher zu prüfen, ob es sich im vorliegenden Fall bei der Angabe "Revitalisiert und pflegt strapaziertes, trockenes Haar" i. V.m. einem Haarkurmittel um eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der eben genannten Bestimmungen handelt.

 

Dies trifft im Ergebnis jedoch nicht zu.

 

Zwar entspricht das Fremdwort "revitalisieren" in seiner wörtlichen Übersetzung tatsächlich dem Terminus "wieder zum Leben erwecken" in dem Sinne, daß eine früher lebendige Materie vom unmittelbar zuvor toten Zustand nunmehr wiederum lebendig gemacht wird; da aber der Menschheit eine derartige Fähigkeit, Totes zum Leben zu erwecken generell nicht in die Hand gegeben ist, kommt eine derartige restriktive Auslegung des Wortes "revitalisieren" nur in bestimmten engen Zusammenhängen, wie etwa im metaphysisch-philosophischen Bereich, in Betracht. Im allgemeinen Sprachgebrauch verbindet man hingegen mit diesem Wort keineswegs die Vorstellung, daß Totes zum Leben erweckt wird, sondern diesem Terminus kommt vielmehr bloß die Bedeutung des Belebens im Sinne eines "Wieder-in-Schwung-Kommens" zu (vgl. z.B. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Auflage, Mannheim 1989, 1251).  Und konkret in Verbindung mit einem Haarkosmetikum gebracht, ist damit bloß gemeint, daß das Haar nach der Behandlung mit diesem Kosmetikum im Vergleich zu vorher wieder vorteilhafter und in diesem Sinne "lebendiger" aussieht, wie dies übrigens selbst in der Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz vom 17. Juni 1991, Zl. 166/91, offensichtlich bestätigt wird. Mag man daher auch vielleicht aus bestimmter wissenschaftlicher Sicht das Haar als ein totes Anhangsgebilde der Kopfhaut qualifizieren können - wofür sich allerdings keine Anhaltspunkte finden ließen, im Gegenteil: etwa im Hinblick auf dessen Wachstum und Veränderung (insbes.  etwa Ergrauen im Alter) wird durchaus davon ausgegangen, daß es sich insoweit um lebendes und damit auch krankheitsanfälliges Gewebe handelt (vgl. z.B. W. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Auflage, Berlin 1990, 631 f) -, so stellt ein objektiver Durchschnittsmensch in der Regel bei der Haarbehandlung mit einem Kosmetikum (Haarkurmittel) keinerlei gedankliche Verbindung zu medizinischen Aspekten, nämlich "Krankheit" oder "Gesundheit" (hiefür spricht auch ganz wesentlich der Umstand der Käuflichkeit des vorliegenden Produktes außerhalb von Apotheken), und erst recht nicht zum Effekt der Wiederbelebung einer toten Materie her. Vielmehr dominiert für diesen ausschließlich der Verschönerungseffekt, wobei das Wort "revitalisieren" in diesem Zusammenhang den - allenfalls unzutreffenden - Eindruck suggerieren mag, daß dieser Effekt nachhaltiger als bei anderen Produkten eintritt. Eine allenfalls diesbezügliche Falschbezeichnung zu ahnden ist damit aber keine lebensmittelpolizeiliche, sondern vielmehr eine konsumentenschutz- bzw. wettbewerbsrechtliche (vgl. die §§ 2 bis 4 UWG) Angelegenheit.

 

Handelte es sich damit aber im vorliegenden Fall im Ergebnis jedenfalls nicht um eine Falschbezeichnung i.S.d. § 74 Abs. 1 LMG, so war das angefochtene Straferkenntnis mangels Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

Schlagworte
Revitalisieren - Begriff; Haarpflege; Haarkur; Gutachten; Widersprüchliches; mehrere Geschäftsführer.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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