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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §91 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/15/0181Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1. des Dr. K und 2. der Dr. E, beide in S, beide vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 21. September 1998, 1. GZ. RV 69/1-6/98, und 2. GZ. RV 70/1-6/98, betreffend Beschlagnahme von Unterlagen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Die Beschwerdeführer betreiben als Kanzleigemeinschaft eine Rechtsanwaltskanzlei in S.
Der Vorsitzende des Spruchsenates erließ an jeden der Beschwerdeführer einen Bescheid, mit dem, weil gegen die beiden Rechtsanwälte für den Zeitraum 1989 bis 1995 der Verdacht der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG bestehe, angeordnet wurde, in den Kanzleiräumlichkeiten sowie in der Privatwohnung jedes der Beschwerdeführer eine Hausdurchsuchung durchzuführen.
Gegen die Hausdurchsuchungsbescheide erhoben die Beschwerdeführer Administrativbeschwerde, welche mit Bescheiden der belangten Behörde vom 21. März 1996 abgewiesen wurde. Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, 96/15/0155, 0156, als unbegründet ab.
Der Vorsitzende des Spruchsenates erließ gegen jeden der Beschwerdeführer mit Ausfertigungsdatum vom 9. April 1996 einen Bescheid, mit welchem hinsichtlich des Großteiles der im Zuge der Hausdurchsuchung unter Verschluss genommenen Unterlagen gemäß § 89 Abs. 5 FinStrG festgestellt wurde, dass sie der Beschlagnahme unterliegen. Gegen die genannten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Administrativbeschwerde, welche mit Bescheiden der belangten Behörde vom 13. Juni 1996 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Juni 1997, 96/15/0225, 0226, als unbegründet ab.
Der Vorsitzenden des Spruchsenates erließ gegen jeden der Beschwerdeführer weiters einen Bescheid mit Ausfertigungsdatum vom 20. Mai 1996, mit welchen - jeweils gleich lautend - gemäß § 89 Abs. 5 FinStrG festgestellt wurde, dass die Karteikarten 1983 bis 1989, Ordner mit Versicherungsurkunden sowie bestimmte Teile der Buchhaltungsunterlagen und der Handakten der Beschlagnahme unterliegen und den Beschwerdeführern nicht herauszugeben seien. Auch gegen diese genannten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer gleich lautende Administrativbeschwerden, welche mit Bescheiden der belangten Behörde vom 6. September 1996 abgewiesen wurden. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 25. Juni 1997, 96/15/0267, 0268, die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden als unbegründet ab.
Mit Schriftsatz vom 12. Mai 1998 beantragten die Beschwerdeführer nunmehr u.a. die Aufhebung der Beschlagnahme der sich bei der Abgabenbehörde erster Instanz befindlichen Buchhaltungsunterlagen. Die Ermittlungsbehörde habe den Beschwerdeführern die bisherigen Ermittlungsergebnisse mit Vorhalt vom 22. April 1998 übermittelt. Im Wesentlichen enthalte das bisherige Ermittlungsergebnis eine umfängliche Auflistung von laufenden Nummern und Ablagennummern samt angeblich unversteuerten Einnahmebestandteilen. Eine konkrete Stellungnahme sei derzeit nicht möglich, weil auf Grund der im Vorhalt angeführten laufenden Nummern und Ablagenummern die bezughabenden Klientenakten nicht aufgefunden werden könnten. Erst nach Aufhebung der Beschlagnahme und Herausgabe der Buchhaltungsunterlagen könne eine konkrete Stellungnahme abgegeben werden. Nach Überprüfung der gegenständlichen Listen unter Zuhilfenahme der Buchhaltungsunterlagen könne zu den übermittelten Niederschriften von namentlich genannten Personen konkret Stellung bezogen werden.
Das Finanzamt wies die Anträge der Beschwerdeführer mit Bescheiden vom 19. Mai 1998 ab. Da das Untersuchungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei und die beschlagnahmten Unterlagen nach wie vor zu Beweiszwecken benötigt würden, habe die Freigabe derselben zu unterbleiben. Das Recht, in die beschlagnahmten Unterlagen jederzeit Einsicht zu nehmen, bleibe davon unberührt, solange das Verfahren hiedurch nicht ungebührlich verzögert werde.
Die Beschwerdeführer stellten nach Abweisung den Antrag auf Herstellung von Ablichtungen der gegenständlichen Buchhaltungsmaterials, um gemeinsam mit dem Steuerberater die Überprüfung in den Abendstunden und an Wochenenden vornehmen zu können, ohne dass der jeweilige Kanzleibetrieb ungebührlich beeinträchtigt werde. Die Abgabenbehörde erster Instanz wies auch diesen Antrag der Beschwerdeführer ab. Nach den Bestimmungen der §§ 79 Abs. 1 und 92 FinStrG sei lediglich eine Einsichtnahme und Abschriftnahme zu gestatten. Eine Verpflichtung zur Herstellung und Übersendung von Kopien bestehe nicht.
Mit Schriftsatz vom 22. Juni 1998 erhoben die Beschwerdeführer sodann gegen die Anträge auf Aufhebung der Beschlagnahme der Buchhaltungsunterlagen abweisenden Bescheide Beschwerde. Gemäß § 91 Abs. 2 FinStrG seien beschlagnahmte Gegenstände unverzüglich herauszugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt sei. Die beschlagnahmten Gegenstände seien daher zurückzustellen, wenn die Voraussetzungen für die Beschlagnahme weggefallen seien, sei es, dass der Verdacht eines Finanzvergehens zerstreut sei, sei es, dass die beschlagnahmten Unterlagen nicht mehr benötigt würden.
In der gegenständlichen Finanzstrafsache seien sämtliche Buchhaltungsunterlagen der Beschwerdeführer beschlagnahmt worden. Für die Beschwerdeführer sei nicht verständlich, weshalb sämtliche bereits Anfang 1996 beschlagnahmten Buchhaltungsunterlagen immer noch durch die Finanzstrafbehörde benötigt würden. Wenn das bisherige Ermittlungsergebnis nur die im Vorhalt angeführte Liste beinhalte, sei zu fragen, ob die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme noch gerechtfertigt sei. Die bisherigen Stellungnahmen der Verdächtigen zu den vorgehaltenen Listen und konkreten Vermerken seien zwar noch konkretisierungsbedürftig. Was diese Vermerke aber mit den Buchhaltungsunteralgen zu hätten, sei nicht ersichtlich. Insbesondere könne nicht nachvollzogen werden, wie auf Grund der im Vorhalt angeführten Aktenzahlen auf das Fehlen der jeweils angeführten, vermeintlich hinterzogenen Erlöse in der Buchhaltung geschlossen werden könne. Da die Liste der anonymisierten Aktenzahlen das bislang einzige Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei, erscheine die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme sämtlicher Buchhaltungsunterlagen rechtswidrig.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde des Erstbeschwerdeführers ab, mit dem zweitangefochtenen Bescheid jene der Zweitbeschwerdeführerin. Zur Begründung wird in den Bescheiden im Wesentlichen wortgleich ausgeführt, auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1997, 96/15/0225 sowie 0226, sei davon auszugehen, dass die seinerzeitige Beschlagnahme zu Recht erfolgt sei. Der Wegfall der Voraussetzungen für eine Beschlagnahme sei unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 1989, 87/15/0153, u.a. dann anzunehmen, wenn der Verdacht des Finanzvergehens verstreut sei. Davon könne aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, zumal erst durch die Auswertung der in Beschlag genommenen Handakten und Buchhaltungsunterlagen die Verkürzungsbeträge ermittelt werden konnten.
Das gegen den jeweiligen Beschwerdeführer eingeleitete Finanzstrafverfahren befinde sich noch im Stadium des Untersuchungsverfahrens. Eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder die Zuleitung an den Spruchsenat sei bisher nicht erfolgt. Wenn argumentiert werde, es könne in Ermanglung von Unterlagen keine Stellungnahme zum Vorhalt vom 22. April 1998 abgeben werden, so entbehre dies jeder sachlichen Grundlage. Tatsächlich seien von den beschlagnahmten Unterlagen Kopien angefertigt worden und die Buchhaltungsunterlagen gleich den Originalakten längst zurückgestellt worden. Es sei somit nicht ersichtlich, warum eine Abgleichung des Ermittlungsergebnisses mit den Unterlagen nicht möglich sei. Davon abgesehen bestehe nach § 92 FinStrG die Möglichkeit, in beschlagnahmte Geschäftsbücher, Aufzeichnungen und Belege Einsicht zu nehmen. Die Aussagekraft der im Vorhalt enthaltenen Aufstellung der Verkürzungsbeträge sei nicht Gegenstand des Verfahrens betreffend die Aufhebung der Beschlagnahme. Die zu erwartenden Einwendungen gegen die Prüfungsfeststellungen würden an Hand der beschlagnahmten Unterlagen zu prüfen sein. Die beschlagnahmten Unterlagen würden somit weiterhin zu Beweiszwecken benötigt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:
§ 91 Abs. 2 Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958, lautet:
"Beschlagnahmte Gegenstände sind unverzüglich zurückzugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht
gerechtfertigt
ist."
Die belangte Behörde führt in der Begründung der angefochtenen Bescheide aus, dass die Originalakten der beschlagnahmten Unterlagen den Beschwerdeführern "längst zurückgestellt" worden seien. Gleiches gelte für die gegenständlichen Buchhaltungsunterlagen. Die belangte Behörde ist daher in den angefochtenen Bescheiden in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon ausgegangen, dass die Buchhaltungsunterlagen, deren Herausgabe die Beschwerdeführer beantragt haben, den Beschwerdeführern (zumindest teilweise) tatsächlich zurückgestellt worden sind. Dies wird von den Beschwerdeführern in den Beschwerden bekämpft. Die belangte Behörde räumt in den Gegenschriften ein, dass der von ihr festgestellte Sachverhalt dem Akteninhalt widerspricht, die gegenständlichen Buchhaltungsunterlagen somit den Beschwerdeführern entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid tatsächlich nicht zurückgestellt worden sind. Der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellte Sachverhalt entspricht somit nicht der Aktenlage. Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde festzustellen haben, welche der vom Antrag der Beschwerdeführer umfassten Unterlagen sich noch bei der Finanzstrafbehörde befinden und somit von einer Verweigerung der beantragten Aufhebung der Beschlagnahme erfasst sein sollen. Die belangte Behörde wird weiters festzustellen haben, hinsichtlich welcher Arten von Unterlagen die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme auch im Hinblick auf die bereits verstrichene Dauer der Beschlagnahme noch gerechtfertigt ist. Dies kann je nach Art der beschlagnahmten Unterlagen unterschiedlich sein, weil in diesem Zusammenhang auch mit zu berücksichtigen ist, ob die Beschwerdeführer durch die Verweigerung (Verzögerung) der Zurückgabe der beschlagnahmten Gegenstände belastet sind, was etwa nicht der Fall sein wird, soweit es sich bei den beschlagnahmten Unterlagen, wie dies in den Gegenschriften der belangten Behörde ausgeführt wird, um EDV-Ausdrucke handelt, die die Beschwerdeführer auf Grund der bei ihnen elektronisch gespeicherten Daten jederzeit neuerlich herstellen können.
Da die belangte Behörde den Sachverhalt der angefochtenen Bescheide im aufgezeigten Umfang aktenwidrig festgestellt hat, waren die angefochtenen Bescheide infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998150180.X00Im RIS seit
29.08.2001