RS UVS Oberösterreich 1992/02/27 VwSen-240024/11/Gf/Kf

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.02.1992
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Verweis auf VwGH vom 7.3.1984, 84/09/0032; vom 13.2.1985, 84/09/0106, VwSen-100127 vom 20.1.1992; VwSen-240023 vom 25.2.1992 Rechtssatz

Keine Bestrafung, wenn einander widersprechende,

aber gleichermaßen glaubwürdige Zeugenaussagen vorliegen: Grundsatz des "in dubio pro reo". Unternehmer tut seiner Verantwortlichkeit genüge, wenn er Direktiven erteilt und diese in wirksamer Weise stichprobenartig kontrolliert.

 

Zum entscheidenden Faktum, ob der in Verkehr gebrachte Leberkäse direkt mit einer Wolldecke abgedeckt war oder ob sich dazwischen noch eine Lage Papier befand, versicherte der als Zeuge unter Wahrheitspflicht stehende, im erstbehördlichen Verfahren nicht einvernommene Lieferant des Beschwerdeführers, den Leberkäse nach allen Seiten hin mit Papier abgedeckt zu haben; dies mache er im übrigen immer so. Das ebenfalls zeugenschaftlich einvernommene lebensmittelpolizeiliche Aufsichtsorgan vermeinte hingegen, kein derartiges Papier wahrgenommen zu haben, konnte jedoch nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit dartun, daß beim Entfernen der Decke auch ein allenfalls vorhandenes Papier mitentfernt, d.h. in die Decke eingeschlagen, oder verschoben wurde. Dies letztlich deshalb nicht, weil er die Wolldecke nur mit einer Hand zurückschieben konnte, da er in der anderen die Kamera hielt; der Einwand, daß er die Decke nicht auch zurückgeschoben, sondern nur vorne hochgehoben und dann zurückgeklappt hätte, findet hingegen in den angefertigten Photos keine Bestätigung, weil daraus eindeutig hergeht, daß die Wolldecke jedenfalls auch zurückgeschoben worden sein muß. Von diesen Widersprüchen abgesehen wirkten im übrigen beide Zeugen bei der Darstellung des Sachverhaltes in gleicher Weise glaubwürdig und lieferten vor allem keinerlei Anhaltspunkt dafür, bestimmte Angaben wider besseres Wissen vorzubringen. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, daß sich beide Zeugen nach dem inzwischen verstrichenen Vierteljahr nicht mehr an jedes Detail eines im Grunde alles andere als markanten Vorfalles erinnern konnten.

 

Auch die drei vom Aufsichtsorgan während der Amtshandlung angefertigten Photos lassen schon deshalb keine Rückschlüsse für die Wahrheit der ersten oder der letzteren Behauptung zu, weil nicht festzustellen war, in welcher Reihenfolge diese angefertigt wurden: Jenes Bild, auf dem ein über den Leberkäse gebreitetes Papier zu erkennen ist, soll nach der Aussage des Aufsichtsorgan als letztes, hingegen nach den Angaben des Lieferanten als erstes Photo angefertigt worden sein; daß auf diesem Bild die Wolldecke den Leberkäse nicht berührt, weil sie auf der Kante der Plastikwanne liegt, kann sowohl daher rühren, daß diese nach Anfertigung der anderen beiden Photos zwecks späterer Abdeckung des Leberkäses mit Papier zurückgeschoben wurde, als auch daher, daß die Wolldecke nach Entfernung des Papiers auf den Leberkäse heruntergefallen ist.

All dies zeigt, daß die in der vorliegenden Form angebotenen Beweismittel sowohl Indizien für als auch gleichwertige Indizien gegen den Vorwurf, der Leberkäse sei nicht auch mit Papier, sondern direkt mit der Wolldecke abgedeckt gewesen, liefern. Im nachhinein wäre eine eindeutige Klärung dieser Frage - weil keine weitere Zeugen bekannt wurden - im Wege von Bildmaterial nur dann möglich, wenn der Vorgang des Abdeckens des Leberkäses, vornehmlich der Entfernung der Wolldecke durch das Aufsichtsorgan, zugleich (und nicht ex post) schrittweise photographisch oder filmisch festgehalten worden wäre. Daß dies unterblieben ist, kann dem einschreitenden Aufsichtsorgan nicht zum Vorwurf gemacht werden, ändert aber andererseits auch nichts daran, daß die als Beweismittel gedachten Photos im konkreten Fall keinen echten Beweis, sondern nur Indizien zu liefern vermögen.

 

Steht damit im Ergebnis aber Aussage gegen Aussage, so ist die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht als erwiesen anzusehen, sondern nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" von der Unschuld des Beschwerdeführers auszugehen (vgl. Art. 6 Abs. 2 MRK und dazu VwSen-100127 vom 20.1.1992). Weitere als die bereits im erstbehördlichen Verfahren offenkundig zu erhebenden und zu würdigenden sowie die im Berufungsverfahren von den Parteien angebotenen Beweise aufzunehmen sieht sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aufgrund seiner verfassungsmäßigen Stellung und Funktion (als ein Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle und ein unabhängiges und unparteiisches Gericht i.S.d. Art. 6 Abs. 1 MRK) weder befugt noch veranlaßt (vgl. zuletzt VwSen-240023 vom 25.2.1992).

 

Konnte dem Beschwerdeführer damit im Ergebnis die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht nachgewiesen werden, so war das angefochtene Straferkenntnis schon aus diesem Grunde aufzuheben.

 

Nach der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes ist der gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Außenvertretungsbefugte einer GmbH befugt, seinen Arbeitnehmern einzelne Angelegenheiten zur eigenverantwortlichen Besorgung zu überlassen und sich diesbezüglich nur auf eine - allerdings wirksame - Kontrolle zu beschränken; hat er Maßnahmen getroffen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen, so ist der Außenvertretungsbefugte von seiner eigenen verwaltungsstrfrechtlichen Verantwortlichkeit befreit (vgl. z.B. VwGH v. 7.3.1984, 84/09/0032; v. 13.2.1985, 84/09/0106; s.a. die bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Wien 1990, S 765 ff zit. Jud.). Es reicht daher hin, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Unternehmer dem in seinen Diensten stehenden Lieferanten bloß einen generellen Auftrag dahingehend, bei der Zustellung der Fleisch- und Wurstwaren auf eine entsprechende Hygiene zu achten, erteilt, die Einhaltung dieses Auftrages stichprobenartig kontrolliert und bei Zuwiderhandeln entsprechende Konsequenzen zieht. Keinesfalls trifft jedoch den Unternehmer die Verpflichtung, persönlich dafür Sorge zu tragen, daß seine Lieferanten dann, wenn sie einem Kunden warmen Leberkäse zustellen sollen, diesen nicht unmittelbar mit einer Wolldecke, sondern zuerst mit Papier umhüllen. Bei einem derartigen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit vielmehr den Lieferanten selbst. Da das angefochtene Straferkenntnis aber nicht gegenüber dem Lieferanten, sondern gegenüber dem Beschwerdeführer als dem Außenvertretungsbefugten einer GmbH und daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen ergangen ist, war es auch aus diesem Grunde aufzuheben.

Schlagworte
Leberkäse; Wolldecke; Lieferant; Hygienevorschriften; widersprechende Zeugenaussagen; Umfang der Beweisaufnahme durch UVS.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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