Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §69;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. Conrad Carl Borth, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Beamte der Bundeshauptstadt Wien (Senat 2) vom 20. Februar 1998, Zl. MA 2/180/97, betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand bis zu seiner Entlassung mit rechtskräftigem Erkenntnis der Berufungskommission in Disziplinarsachen für den Magistrat der Stadt Wien vom 25. April 1985 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien.
Mit gleichlautenden Anträgen vom 22. Mai 1996 an die Magistratsabteilung 2, die Disziplinarkommission der Stadt Wien und die Disziplinaroberkommission der Stadt Wien beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des genannten, seine Entlassung aussprechenden Disziplinarverfahrens mit der Begründung, dass die Vorfrage seiner strafgerichtlichen Verurteilung, von der die Entscheidung im Disziplinarverfahren abhängig war, im Hinblick auf die am 7. Mai 1996 ergangene Einstellung dieses Strafverfahrens vom zuständigen Landesgericht für Strafsachen Wien nunmehr anders entschieden worden sei.
Diese Wiederaufnahmeanträge ergänzte bzw. wiederholte der Beschwerdeführer mit gleichlautenden Eingaben vom 23. Mai 1996.
Mit Bescheid der Disziplinaroberkommission für Beamte der Bundeshauptstadt Wien (Senat 2) vom 19. November 1996, Zl. MA 2/156/96, wurde "gemäß § 90 Z. 1 DO 1994 idF Landesgesetzblatt für Wien Nr. 33/96 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 AVG 1991 der Antrag des Herrn B vom 22. mai 1996 auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens zur Zl. MD-1869-8/84 als verspätet zurückgewiesen".
Zur Begründung führte die Disziplinarkommission im Wesentlichen aus, unter Berücksichtigung der objektiven Frist des § 69 Abs. 2 AVG von drei Jahren, beginnend ab der am 2. Mai 1985 erfolgten Zustellung des Berufungsbescheides, sei der am 22. Mai 1996 erhobene Wiederaufnahmeantrag jedenfalls verspätet.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen zur hg. Zl. 97/09/0008 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieses Beschwerdeverfahren wurde mit Beschluss vom 9. September 1997 gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG wegen Unterlassung der Mängelbehebung eingestellt.
Am 16. Dezember 1996 stellte der Beschwerdeführer an den "Magistrat der Stadt Wien Personalamt Disziplinarkommission" einen "Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand Bezug:
Pers. Nr. 420585 B, MD-1869-8/84". Darin machte er geltend, er stelle diesen Antrag "aufgrund des Bescheides MA 2/156/96 vom 19.11.96, zugestellt am 2.12.96". Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer auf die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens.
Über Auftrag des Magistrats der Stadt Wien (MA 2-Personalamt) vom 21. April 1997 ergänzte der Beschwerdeführer seinen Wiedereinsetzungsantrag mit Eingabe vom 7. Mai 1997 unter anderem dahingehend, sein Antrag werde deshalb gestellt, weil sein Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid, Zl. MA 2/156/96, als verspätet zurückgewiesen worden sei. Die unvorhergesehen lange Dauer des Gerichtsverfahrens habe ihn daran gehindert, die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens früher zu beantragen.
Der Magistrat der Stadt Wien (MA 2-Personalamt) übermittelte den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers samt den Konkretisierungen vom 7. Mai 1997 und vom 9. Mai 1997 mit Schreiben vom 2. Juni 1997 an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission (Senat 2) vom 4. September 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 14. Dezember 1996 gemäß § 71 AVG wegen Verspätung zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 1998 wurde über die Berufung des Beschwerdeführers wie folgt entschieden:
"I. Der Berufung des B vom 7. Oktober 1997 gegen den Bescheid der Disziplinarkommission - Senat 2 vom 4. September 1997 MA 2/180/97, wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG stattgeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Der Antrag des B an die Disziplinaroberkommission vom 14. Dezember 1996 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist wird gemäß § 71 AVG als unzulässig zurückgewiesen."
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Wiedereinsetzungsantrag vom 14. Dezember 1996 habe sich (wenn auch mit unklarer Formulierung letztlich) an die Disziplinaroberkommission gewendet, um die Wiedereinsetzung in eine bei der Disziplinaroberkommission versäumte Frist zu erlangen. Die Disziplinarkommission sei demnach zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag unzuständig gewesen, weshalb der Berufung - wenn auch aus anderen Gründen - stattzugeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufzuheben gewesen sei.
Zur Entscheidung über den am 14. Dezember 1996 erhobenen Wiedereinsetzungsantrag sei die Disziplinaroberkommission berufen. Dieser Wiedereinsetzungsantrag enthalte keine ausreichenden Angaben zur Rechtzeitigkeit. Des weiteren fehle in diesem Antrag ein Vorbringen darüber, gegen welche Fristversäumung Wiedereinsetzung begehrt werde und aus welchem Grund dem Antragsteller nur ein minderer Grad des Verschuldens anzulasten sei; die versäumte Prozesshandlung sei nicht nachgeholt worden. Der Wiedereinsetzungsantrag sei - auch wenn seine Zulässigkeit bejaht würde - jedenfalls deshalb verspätet, weil er offenkundig nicht innerhalb von zwei Wochen ab Wegfall des vermeintlichen Hindernisses (das sei der Einstellungsbeschluss des Strafgerichtes), sondern erst am 14. Dezember 1996 gestellt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht "auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und auf Entscheidung durch die zuständige Behörde verletzt". Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Beschwerdeführer erstattete zur Gegenschrift der belangten Behörde die Repliken vom 15. Oktober 1998 und vom 2. Mai 1999.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 90 Z. 1 Dienstordnung 1994 (DO 1994 in der Fassung LGBl. Nr. 33/1996) gilt für das Verfahren nach diesem Abschnitt (das ist der 8. Abschnitt Disziplinarrecht), soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, dass unter anderem die §§ 69 bis 74 AVG anzuwenden und unter anderem § 14 Abs. 1 bis 3 und § 15 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) sinngemäß anzuwenden sind.
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei nach Z. 1 glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach Abs. 4 leg. cit. die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Der Beschwerdeführer macht geltend, nicht die belangte Behörde, sondern die Disziplinarkommission sei zur Entscheidung über seinen Wiedereinsetzungsantrag zuständig gewesen.
Bei diesem Vorbringen lässt er jedoch unberücksichtigt, dass sein Wiederaufnahmeantrag von der gemäß § 69 Abs. 4 AVG zuständigen Disziplinaroberkommission, die das Disziplinarerkenntnis vom 25. April 1985 erlassen hatte, als verspätet zurückgewiesen wurde und daher über seinen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Wiederaufnahmeantrages zufolge § 71 Abs. 4 AVG die Disziplinaroberkommission zu entscheiden hatte. Dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag die Behörde, die über seinen Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hatte, unrichtig bezeichnete, vermag daran nichts zu ändern, weil sein Antrag von der unrichtig angerufenen Behörde nach § 6 Abs. 1 AVG zu Lasten des Antragstellers an die zuständige Disziplinaroberkommission weiterzuleiten war (vgl. auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, Seite 1600, E 287 wiedergegebene Judikatur).
Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde aus Anlass der erhobenen Berufung die Entscheidung der unzuständigen Disziplinarkommission behoben und den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers in Behandlung genommen hat.
Insoweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde hätte seinem Wiedereinsetzungsantrag stattgeben müssen, ist ihm folgendes entgegenzuhalten:
In dem am 16. Dezember 1996 erhobenen Wiedereinsetzungsantrag vom 14. Dezember 1996 werden die in der Beschwerde vorgebrachten beiden Hindernisse für die rechtzeitige Stellung des Wiedereinsetzungsantrages nicht behauptet. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers enthielt daher keine vollständigen Angaben zur Rechtzeitigkeit und er war schon aus diesem Grund mit einem nicht verbesserungsfähigen inhaltlichen Mangel behaftet (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 289ff wiedergegebene Judikatur).
Des weiteren ist die Behauptung, die Dauer des strafgerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens habe den Beschwerdeführer an der rechtzeitigen "Stellung des Wiedereinsetzungsantrages" gehindert, nicht nachvollziehbar und zudem mit der weiteren Behauptung, dass er erst auf Grund des Zurückweisungsbescheides der belangten Behörde vom 19. November 1996 die Versäumung der Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages erkannt habe, nicht in Einklang zu bringen. Die Behauptung, das Disziplinarerkenntnis vom 25. April 1985 habe eine unrichtige bzw. hinsichtlich der Fristgebundenheit eines Wiederaufnahmeantrages unvollständige "Rechtsbelehrung" bzw. Rechtsmittelbelehrung enthalten, trifft nicht zu, weil in die Rechtsmittelbelehrung dieses Disziplinarerkenntnisses kein Hinweis auf einen Wiederaufnahmeantrag aufgenommen wurde und das Fehlen einer Belehrung über die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens keinen Wiedereinsetzungsgrund bildet (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, a.a.O., Seite 1598, E 275 wiedergegebene Judikatur). Dass der Wiedereinsetzungsantrag zum Verschulden des Antragstellers an der Fristversäumung keine Angaben enthielt, wird in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.
Es war somit nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall zum Ergebnis gelangte, dass der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen sei.
Insoweit der Beschwerdeführer in seinen Repliken zur Gegenschrift die (mit dem Bescheid vom 19. November 1996 erfolgte) Zurückweisung seines Wiederaufnahmeantrages als fehlerhaft rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass damit das Vorliegen einer (die Grundlage für eine Wiedereinsetzung bildende) Versäumung bezweifelt wird, jedoch kein Wiedereinsetzungsgrund damit geltend gemacht wird (vgl. hiezu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage 1999, RZ 614). Die inhaltliche Überprüfung des Bescheides vom 19. November 1996, betreffend die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages, hätte der Beschwerdeführer nicht durch einen Wiedereinsetzungsantrag, sondern durch die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof herbeiführen müssen (insoweit wird auf die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zur hg. Zl. 97/09/0008, verwiesen).
Die durch § 14 Abs. 4 DVG auf zehn Jahre verlängerten Fristen des § 69 Abs. 2 und 3 AVG kamen im Zeitpunkt der Erlassung des Zurückweisungsbescheides vom 19. November 1996 deshalb nicht zum Tragen, weil der mit 1. September 1996 in Kraft getretene § 90 Z. 1 DO 1994 (in der Fassung LGBl. Nr. 33/1996) nur § 14 Abs. 1 bis Abs. 3 DVG rezipiert und demnach der Abs. 4 des § 14 DVG nicht gilt. Im Übrigen wurde der Wiederaufnahmeantrag ohnedies erst nach Ablauf der Frist von zehn Jahren gestellt.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998090193.X00Im RIS seit
31.07.2001