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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §12a Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der Reitschule S Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 5. Dezember 1997, Zl. LGS NÖ/ABV/13114/624268/1997, bereffend Nichtausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 26. April 1996 beim Arbeitsmarktservice Tulln die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zur Anwerbung des polnischen Staatsangehörigen S (geboren 25. März 1957) für die berufliche Tätigkeit Pferdepfleger zu einem monatlichen Bruttolohn von S 16.635,--; als spezielles Bildungserfordernis wurde "Pferdekenntnisse" angegeben. Zu diesem Formularantrag brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, der Arbeitsplatz sei am 31. März 1996 durch Pensionierung eines näher genannten Ausländers frei geworden, es werde dringend für diesen ausgeschiedenen Ausländer Ersatz benötigt. In ihrem Reitstall seien 70 Pferde untergebracht, ein Pferdepfleger könne 12 Pferde betreuen. Zu den Aufgaben eines Pferdepflegers gehöre die tägliche Fütterung der Pferde, das Ausmisten der Boxen und die Neueinstreu, das Putzen der Pferde, das Wegführen des Mistes und die wöchentliche Reinigung von Zaumzeug und Sattel. Derzeit seien bei der Beschwerdeführerin 4 Pferdepfleger beschäftigt. Ohne die Anwerbung bzw. künftige Beschäftigung des beantragten Ausländers könne der Reitstallbetrieb nicht im bisherigen Umfang tierschutzgerecht aufrecht erhalten werden.
Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice Tulln mit Bescheid vom 14. Mai 1996 gemäß § 11 Abs. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 7 AuslBG und im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1996 ab.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 1997 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 11 Abs. 6, 4 Abs. 7 und 12a AuslBG und im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1997 sowie der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV) keine Folge gegeben und damit der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Bundeshöchstzahl 1997 sei überschritten und die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 7 AuslBG seien nicht vorgelegen. Es sei daher zu prüfen, ob die beantragte Sicherungsbescheinigung im Bundeshöchstzahlenüberziehungsverfahren ausgestellt werden dürfe. Nach § 1 Z. 3a BHZÜV seien kumulativ vom Ausländer eine subjektive und eine am gesamtwirtschaftlichen Interesse orientierte objektive Komponente zu erfüllen. Auch wenn das subjektive Kriterium erfüllt sei - was im Beschwerdefall "allerdings nicht vorbehaltlos bestätigt werden kann" - könne dennoch das gesamtwirtschaftliche Interesse an der Beschäftigung fehlen. Zu den Argumenten der Beschwerdeführerin betreffend das gesamtwirtschaftliche Interesse sei auszuführen, dass allein mit dem Hinweis auf eine direkte oder indirekte Bedeutung der Pferdehaltung für andere Unternehmen das Tatbestandserfordernis eines gesamtwirtschaftlichen Interesses an der Beschäftigung des beantragten Ausländers nicht erfüllt sei. Die tierschutzgerechte Versorgung von Pferden sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Der Erhaltung eines einzigen Reitstall- und Reitschulbetriebes könne keine überregionale Bedeutung beigemessen werden. Mit dem Vorbringen, dass einschlägige inländische Arbeitskräfte nicht vorhanden seien, bzw. dass die Nichtzulassung der beantragten Anwerbung den gesamtwirtschaftlichen Interessen am Fortbestand und der Weiterentwicklung einschlägiger Unternehmen nicht förderlich wäre, habe die Beschwerdeführerin kein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Beschäftigung des beantragten Ausländers nachgewiesen, weil ein qualifiziertes Interesse im Sinne des § 1 Z. 3a BHZÜV über das betriebsbezogene Interesse an der Befriedigung eines Arbeitskräftebedarfes hinausgehe. Die Argumente der Beschwerdeführerin seien insgesamt nicht ausreichend, die objektive Komponente des gesamtwirtschaftlichen Interesses an der Anwerbung des beantragten Ausländers zu erweisen. Der beantragte Ausländer sei somit keiner Personengruppe der BHZÜV zuzuordnen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Ausstellung der beantragten Sicherungsbescheinigung verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Ausstellung der beantragten Sicherungsbescheinigung auf die gemäß § 11 Abs. 6 AuslBG in einem solchen Verfahren sinngemäß geltende Bestimmung des § 4 Abs. 7 AuslBG in Verbindung mit § 12a Abs. 1 und 2 AuslBG sowie die Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1997 (BGBl. Nr. 646/1996) und auf die BHZÜV gestützt.
Die Überschreitung der maßgebenden Bundeshöchstzahl 1997 und die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Bundeshöchstzahlenüberziehungsverfahrens werden von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen. Sie meint aber, an der Anwerbung bzw. künftigen Beschäftigung des als Pferdepfleger besonders qualifizierten Ausländers bestehe ein gesamtwirtschaftliches Interesse.
Gemäß § 1 BHZÜV (in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 278/1995) dürfen unter anderem nach der - aus der Sicht des Beschwerdefalles relevanten - Z. 3 über die Gesamtzahl der unselbstständig Beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 12a Abs. 1 AuslBG hinaus Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden für
"Ausländer, an deren Beschäftigung
a) im Hinblick auf ihre besondere Ausbildung, speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten oder besonderen Erfahrung oder
b) im Hinblick auf den mit der Beschäftigung verbundenen Transfer von Investitionskapital
gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen;".
Das aus der Sicht des Beschwerdefalles entscheidungserhebliche gesamtwirtschaftliche Interesse an der Anwerbung bzw. künftigen Beschäftigung des beantragten Ausländers (die objektive Komponente) setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein qualifiziertes, über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Betriebes an der Befriedigung seines Arbeitskräftebedarfes hinausgehendes Interesse voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 97/09/0312, und die darin angegebene Judikatur).
Die Beschwerdeführerin hat weder in ihrem Antrag noch in ihrer Berufung ein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Anwerbung des beantragten Ausländers behauptet. Dass sie für einen ausgeschiedenen Ausländer dringend Ersatz benötigt, wie mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/09/0173, in der Beschwerde neuerlich betont wird, stellt bloß ein einzelbetriebliches Interesse an der beantragten Anwerbung des Ausländers dar. Die Beschwerdeführerin lässt dabei zudem unberücksichtigt, dass die belangte Behörde den Versagungsgrund des § 4 Abs. 6 AuslBG nicht angewendet hat und daher die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG ihre Beschwerde nicht zum Erfolg führen könnten. Gleiches gilt hinsichtlich der Argumentation, dass keine Ersatzkraftstellung (durch geeignete Inländer oder Ausländer) erfolgt sei, hat doch die belangte Behörde den Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 AuslBG ebenfalls nicht angewendet.
In ihrer im Berufungsverfahren erstatteten Stellungnahme vom 6. Juni 1997 wies die Beschwerdeführerin auf die Zunahme des Pferdebestandes und Reitsportes in Österreich hin; dieser sei ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor und wichtiger Beitrag zur Volksgesundheit, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der "Hippotherapie". Zu dem ausdrücklichen Vorhalt der belangten Behörde vom 2. September 1997 betreffend unter anderem das Vorliegen eines gesamtwirtschaftlichen Interesses an der Anwerbung des beantragten Ausländers führte die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 18. September 1997 in dieser Hinsicht aus, der "betreffende Wirtschaftszweig" habe überregionale Bedeutung; dies sei notorisch (danach wird die historische Entwicklung der Pferdehaltung in Österreich und ihre Bedeutung als Wirtschaftsfaktor für andere Wirtschaftszweige dargestellt). Nach Ansicht der Beschwerdeführerin würde es gesamtwirtschaftlichen Interessen geradezu zuwiderlaufen, wenn für einschlägige Betriebe eine Beschäftigung erforderlicher Arbeitskräfte nicht zugelassen werde. In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beruft die Beschwerdeführerin sich auf ihr Vorbringen über die Bedeutung der Pferdehaltung und eine bestehende Abhängigkeit anderer Betriebe von dieser. Ein einzelner Betrieb sei durch das Fehlen einer einzigen Arbeitskraft meistens nicht existenziell bedroht. Zur Aufrechterhaltung einer Branche sei es aber unerlässlich, die Möglichkeiten des Arbeitsmarktes zu nützen; auf dem österreichischen Arbeitsmarkt seien aber weder Inländer noch Ausländer verfügbar. Auch wenn die Einstellung des beantragten Ausländers nur für den Betrieb der Beschwerdeführerin "von existenzieller Bedeutung ist", sei das wirtschaftliche Interesse "von allgemeiner, gesamtwirtschaftlicher Natur".
Von diesem Vorbringen ausgehend ist weder den im Verwaltungsverfahren noch dem in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dargelegten Argumenten der Beschwerdeführerin nachvollziehbar zu entnehmen, aus welchem Grund an der Anwerbung bzw. künftigen Beschäftigung des beantragten Ausländers ein gesamtwirtschaftliches Interesse besteht. Dass im Regelfall an der künftigen Beschäftigung eines beantragten Ausländers ein betriebliches Interesse besteht und jede (auch künftige) Beschäftigung in irgendeiner Weise der Gesamtheit der Bevölkerung zugute kommt, bedeutet nicht, dass deshalb eine Versagung der Anwerbung des beantragten Pferdepflegers - gemessen am gesamtwirtschaftlich orientierten Bedarf hoch qualifizierter Arbeitskräfte - negative Auswirkungen auf gesamtwirtschaftliche Interessen haben muss (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1997, Zl. 96/09/0391, und vom 16. Dezember 1997, Zl. 97/09/0116).
In welcher Weise die Gesamtwirtschaft oder wenigstens andere Betriebe von der beantragten künftigen Beschäftigung betroffen sein würden, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet, bringt sie doch selbst vor, die künftige Beschäftigung des Ausländers habe "unmittelbar" nur für ihren Betrieb Bedeutung. Das über die allgemeine Bedeutung der Pferdehaltung bzw. des Pferdesports, insbesondere als Wirtschaftsfaktor, erstattete Vorbringen kommt im Ergebnis nicht zum Tragen, lassen diese Ausführungen doch keinen nachvollziehbaren Zusammenhang mit der Anwerbung der beantragten ausländischen Arbeitskraft erkennen. Die Beschwerdeführerin hat nicht hinreichend dargetan, aus welchen Erwägungen einer künftigen Beschäftigung des beantragten Ausländers - als Pferdepfleger mit einer Betreuung im Ausmaß von äußerstenfalls 12 Pferden - überregionale Bedeutung bzw. wesentlicher Einfluss auf die Gesamtwirtschaft beigemessen werden kann (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 2000, Zl. 97/09/0312, und vom 23. Jänner 1997, Zl. 94/09/0125). Dass dem beantragten Ausländer in ihrem Unternehmen etwa die Position einer Schlüsselkraft zukäme, behauptet die Beschwerdeführerin nicht (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 94/09/0001).
Die auf die gegebene Situation am Arbeitsmarkt aufbauende Argumentation der Beschwerdeführerin, der Beruf eines Pferdepflegers werde ausschließlich von Ausländern ausgeübt (so in der Stellungnahme vom 6. Juni 1997) bzw. seien weder Inländer noch Ausländer verfügbar (so in der Beschwerde), zeigt eine einzelbetriebliche Sichtweise. Die Beschwerdeführerin lässt dabei unberücksichtigt, dass das AuslBG mit der Regelung der Beschäftigung von Ausländern grundsätzlich das Ziel verfolgt, die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte im Verhältnis zu den inländischen Arbeitskräften auf dem entsprechenden Teilarbeitsmarkt zu begrenzen (vgl. hiezu schon die Gesetzesmaterialien der Regierungsvorlage zum AuslBG, 1451 BlgNR XIII.GP, Seite 28). Das einzelbetriebliche Interesse der Beschwerdeführerin an einer Fortsetzung der behaupteten Arbeitsmarktlage, nämlich auf diesem Teilarbeitsmarkt ausschließlich Ausländer zu beschäftigen, konserviert gerade die behauptete strukturelle Fehlentwicklung.
Wenn die belangte Behörde, ausgehend von dem von der Beschwerdeführerin erstatteten Vorbringen zu dem Ergebnis gelangte, dass die Voraussetzungen für eine Zuordnung der beantragten Arbeitskraft zum Personenkreis des § 1 BHZÜV im Beschwerdefall nicht vorlagen, vermag der Verwaltungsgerichtshof dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Bei diesem Ergebnis mangelt es den in der Beschwerde behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften schon aus den dargelegten Gründen an der erforderlichen Relevanz (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Im Übrigen war das Vorliegen des gesamtwirtschaftlichen Interesses im Sinn des § 1 Z. 3 BHZÜV in rechtlicher Hinsicht durch die belangte Behörde zu beurteilen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998090015.X00Im RIS seit
31.07.2001