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E1E;Norm
11997E234 EG Art234;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2000/16/0393 E 9. August 2001 2000/16/0556 E 17. Mai 2001Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der A in U, vertreten durch die Treuhand-Union, WP/StB Dr. Pircher - WP/StB Mag. Wolfgang Reitschuler, Wirtschaftstreuhand KEG in 6020 Innsbruck, Neuhauserstraße 7, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Mai 2000, Zl. Ib-8251/9, betreffend Zahlungsaufschub für Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Gemeinde U, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde setzte mit Bescheid vom 5. März 1999 die Getränkesteuer für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1997 mit S 309.146,45 zuzüglich eines Säumniszuschlages von S 6.182,93 fest. Im Berufungsschriftsatz brachte die Beschwerdeführerin vor, die Getränkesteuer sei gemeinschaftsrechtswidrig, und beantragte die Festsetzung der Getränkesteuer und des Säumniszuschlages mit Null, die Rückzahlung der auf Grund der vorläufigen Vorschreibung bereits entrichteten Getränke- und Speiseeissteuer in Höhe von S 163.665,52 sowie die Gewährung des Zahlungsaufschubs hinsichtlich des Differenzbetrages von S 151.663,86 gemäß § 199 Abs. 2 TLAO.
Das Berufungsverfahren setzte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde im Hinblick auf die Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes an den EuGH vom 18. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0221 und 97/16/0021, mit Bescheid vom 10. Mai 1999 aus.
Der von der Aussetzung des Verfahrens nicht berührte Antrag auf Zahlungsaufschub wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Mai 1999 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 28. Juni 1999 ab. In der Begründung dieses Bescheides wurde argumentiert, eine entsprechende Erfolgsaussicht der Berufung sei nicht gegeben, weil eine rückwirkende Aufhebung der Getränke- und Speiseeissteuerpflicht durch den Verwaltungsgerichtshof mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei. Im Hinblick auf den Vertrauensschutz der Republik Österreich auf Grund der Beitrittsverhandlungen und den Umstand, dass die Getränke- und Speiseeissteuer von den Konsumenten wirtschaftlich getragen worden sei und nicht mehr zurückgegeben werden könne, fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung berief sich die Beschwerdeführerin auf den veröffentlichten Schlussantrag des Generalanwaltes in der vom Verwaltungsgerichtshof beim Gerichtshof der europäischen Gemeinschaften initiierten Rechtssache C-437/97, in dem sich dieser gegen eine Beibehaltung der Getränkesteuer ausgesprochen habe. Angesichts des hohen Stellenwertes der Schlussanträge des Generalanwalts für die Urteilsfindung des EuGH und der erga-omnes Wirkung seiner Urteile könne von einer "offensichtlich nicht hinreichenden Aussicht auf Erfolg" der Berufung nicht gesprochen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Die Beurteilung der Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides sei durch die Gemeindeinstanzen korrekt vorgenommen worden. Nach dem Urteil des EuGH vom 9. März 2000, Rs C-437/97, sei leicht zu sagen, man habe immer schon gewusst, dass die Getränkesteuer gemeinschaftsrechtswidrig sei, jedoch habe auch der EuGH in diesem Urteil ausgeführt, dass die österreichische Regierung aufgrund des Verhaltens der Kommission annehmen habe dürfen, dass die Vorschriften über die Besteuerung alkoholischer Getränke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar seien. Die Argumentation der Gemeindebehörde sei nicht undenkbar gewesen und sie habe nicht willkürlich die Ansicht vertreten, der Berufung gegen den Abgabenbescheid werde kein hinreichender Erfolg beschieden sein.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gesetzeskonforme Anwendung der Bestimmungen der Tiroler Landesabgabenordnung betreffend die Möglichkeiten und Grenzen des Ausschlusses des Zahlungsaufschubes durch die Abgabenbehörde verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 199 Tiroler Landesabgabenordnung (LGBl. Nr. 34/1984, TLAO)
lautet:
"(1) Soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, wird durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe, nicht gehemmt.
(2) Wird gegen einen Abgabenbescheid, auf Grund dessen ein Abgabenbetrag von mehr als 4.000,-- Schilling zu entrichten ist, eine Berufung eingebracht, so hat diese zugleich die Wirkung eines Zahlungsaufschubes, soweit
a) ein Zahlungsaufschub in der Berufung oder in einer sonstigen innerhalb der Berufungsfrist eingebrachten Eingabe verlangt,
b) der Abgabenbetrag, auf den sich der Zahlungsaufschub erstrecken soll, ziffernmäßig bezeichnet und
c) der Zahlungsaufschub nicht nach Abs. 4 ausgeschlossen wird.
(3) Kommt einer Berufung die Wirkung eines Zahlungsaufschubes nach Abs. 2 zu, so tritt im Umfang des Abs. 2 lit. b die Verpflichtung zur Entrichtung des Abgabenbetrages nicht ein und es dürfen bis zum Ablauf eines Monats nach dem rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens oder bis zur Bekanntgabe eines Bescheides nach Abs. 4 Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.
(4) Die Abgabenbehörde hat den Zahlungsaufschub auszuschließen, wenn
a) die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder
b) Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Einbringung einer Abgabe zu gefährden oder zu erschweren."
Zu entscheiden ist hier allein die Frage, ob die Berufung "offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg" hatte.
Der Bürgermeister hat mit Bescheid vom 10. Mai 1999 über den Aufschiebungsantrag entschieden. Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde entschied mit Bescheid vom 28. Juni 1999.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 18. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0221 und 97/16/0021, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung darüber angerufen, ob Artikel 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern und Artikel 3 Abs. 2 bzw. Abs. 3 zweiter Satz der Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1992 (Verbrauchsteuerrichtlinie) der Beibehaltung einer Abgabe entgegensteht, die auf die entgeltliche Lieferung u. a. von Getränken erhoben wird. Über dieses Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes wurde auch in den Medien berichtet (siehe beispielsweise "Die Presse" vom 9. Jänner 1998, Tiroler Tageszeitung vom 23. Jänner 1998).
Eine Abweisung nach - dem insofern vergleichbaren - § 212a Abs. 2 lit. a BAO kommt nur dann in Betracht, wenn die Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels offenkundig ist, wenn also die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels für jede mit der Sache vertraut gemachte urteilsfähige und objektiv urteilende Person erkennbar ist (Stoll, BAO, 2273, zu § 212a BAO). Nichts anderes kann für den hier anzuwendenden Tatbestand des § 199 Abs. 4 lit. a TLAO gelten: Eine Berufung hat "offensichtlich" keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Aussichtslosigkeit für jede mit der Sache vertraut gemachte Person erkennbar ist. Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit zwei EU-Richtlinien Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens war, kann keine Rede davon sein, dass eine Geltendmachung der Unvereinbarkeit "offensichtlich" aussichtslos war. Die herangezogene Bestimmung erfordert ja nicht eine Abwägung der Erfolgschancen eines Rechtsmittels, sondern erfasst als Ausschluss des Zahlungsaufschubes nur den Fall der offenkundigen Aussichtslosigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. August 2000, Zl. 98/16/0296).
Da die Gemeindeinstanzen in Verkennung der Rechtslage den Aufschiebungsantrag als offensichtlich aussichtslos ansahen und die belangte Behörde dies nicht zum Anlass der Aufhebung des rechtswidrigen Bescheides des Gemeindevorstandes machte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dass die Berufung zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht offensichtlich aussichtslos war, zeigt letztlich auch das Urteil des EuGH vom 9. März 2000, Rs C-437/97. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Was die in der Beschwerde geltend gemachte Verletzung des Parteiengehörs im Zuge des Schätzungsverfahrens betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand dieses Verfahrens die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Zahlungsaufschubs ist. Über die behauptete Verletzung des Parteiengehörs im Schätzungsverfahren wird im Verfahren betreffend die Festsetzung der Getränkesteuer zu entscheiden sein, ein solcher Verfahrensmangel ist und bei der Entscheidung über den Zahlungsaufschub jedoch nicht von Relevanz.
Im Hinblick auf die klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Mai 2001
Gerichtsentscheidung
EuGH 61997J0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORABSchlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Aussichtslosigkeit eines RechtsmittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000160383.X00Im RIS seit
15.01.2002Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011