TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/18 99/18/0116

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Veröffentlicht am 18.05.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §6;
FrG 1997 §33 Abs1;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des MC in Wien, geboren am 10. Oktober 1970, vertreten durch Dr. Andreas Mayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3/4/20, als beigegebenen Verfahrenshelfer, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Dezember 1998, Zl. SD 997/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Dezember 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 19. Mai 1998 illegal, ohne im Besitz eines Reisedokumentes zu sein, nach Österreich gelangt und habe am 20. Mai 1998 einen Asylantrag gestellt, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 26. Mai 1998 abgewiesen habe. Die dagegen erhobene Berufung habe der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 3. Oktober 1998 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei. Im gesamten Verfahren sei dem Beschwerdeführer weder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG zugekommen noch sei ihm eine solche Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 AsylG zuerkannt worden, sodass sein Aufenthalt in Österreich seit seiner Einreise unrechtmäßig sei. Daran vermöge auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er gegen sein negativ beschiedenes Asylverfahren Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hätte, nichts zu ändern. Selbst wenn seinem Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde stattgegeben werden würde, käme ihm auch nur die Stellung als Asylwerber vor Erlassung der Bescheide zu. Da er jedoch, wie bereits ausgeführt, im gesamten Verfahren keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz erlangt habe, würde ihm auch eine aufschiebende Wirkung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu keinem rechtmäßigen Aufenthalt verhelfen. Der Beschwerdeführer halte sich seit seiner Einreise im Mai 1998 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und gefährde solcherart die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, in hohem Maß. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass sich die vorliegende Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 FrG - im Grund des § 33 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG betreffe, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer keinerlei familiäre Bindungen zum Bundesgebiet habe und solche auch nicht behaupte. Auf Grund seines kurzen inländischen Aufenthaltes in der Dauer von etwa sieben Monaten könne von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben ebenfalls keine Rede sein. In einem solchen Fall habe die Zulässigkeitsprüfung nach § 37 Abs. 1 FrG zu entfallen. Die Bestimmungen des "§ 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG" stünden daher einer Ausweisung nicht entgegen.

Angesichts des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften könne die belangte Behörde im Hinblick auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung der Ausweisung Abstand nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, die belangte Behörde habe - trotz seines Vorbringens in der Berufung - keine Ermittlungen darüber angestellt, ob seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bzw. seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an diese Beschwerde mittlerweile Erfolg beschieden sei. Im Fall einer zwischenzeitigen Stattgebung der Beschwerde wäre eine Asylgewährung wahrscheinlich und der Beschwerdeführer daher zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Gleiches gelte im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Eine solche käme der Zuerkennung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 AsylG gleich. Die belangte Behörde hätte sich nach dem Stand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erkundigen müssen.

2. Mit diesem, auf das Bestehen einer - asylrechtlich begründeten - vorläufigen Aufenthaltsberechtigung abzielenden Vorbringen zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung, wonach er gegen sein negativ beschiedenes Asylverfahren Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe und "in Kürze die Beigebung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG (erwarte)", als rechtlich irrelevant.

Aus dem hg. Akt Zl. 98/20/0527, AW 98/20/0354, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. August 1998 am 17. November 1998 Beschwerde mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erhob. Mit Beschluss vom 26. November 1998 wurde diesem Antrag stattgegeben. Dieser Beschluss wurde den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 14. Dezember 1998 zugestellt.

Mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die zur hg. Zl. 98/20/0527 erhobene Beschwerde gegen den den Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abweisenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch den hg. Beschluss vom 26. November 1998, Zl. AW 98/20/0354, wurden die Wirkungen dieses Bescheides vorläufig aufgeschoben. Der Beschwerdeführer erlangte dadurch wieder die Rechtsstellung eines Asylwerbers, weshalb ab jenem Zeitpunkt (14. Dezember 1998) die für diesen Personenkreis geltenden Regelungen auf ihn anzuwenden waren. Das gilt im gegebenen Zusammenhang insbesondere für die (mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretene) Bestimmung des § 19 AsylG über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung. Aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 AsylG und aus dem vom Gesetzgeber erkennbar mit dieser Bestimmung verfolgten Zweck ist der Schluss zu ziehen, dass auch unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereisten Asylwerbern eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung gewährt werden soll, außer es liegt eine Entscheidung darüber vor, dass der Asylantrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 98/21/0373 mwN.)

Im vorliegenden Fall wurde der Asylantrag des - unstrittig unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereisten (vgl. Niederschrift vom 19. November 1998, Blatt 33 der Verwaltungsakten) - Beschwerdeführers weder als unzulässig zurückgewiesen (§§ 4 und 5 AsylG) noch als offensichtlich unbegründet abgewiesen (§ 6 leg. cit.). Hätte die belangte Behörde den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides als Asylwerber zu betrachten war, berücksichtigt, hätte sie - vgl. abermals das genannte hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000 - bei Übung des ihr im Grund des § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers nach dieser Bestimmung nicht im Sinn des Gesetzes liegt.

3. Nach dem Gesagten war der vorliegende Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Mai 2001

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Polizeirecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999180116.X00

Im RIS seit

23.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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