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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, in der Beschwerdesache der HL in T, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 12. April 1999, Zl. LGSTi/V/1217/1646 27 05 65-707/1998, betreffend Versagung von Sondernotstandshilfe, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 11. November 1998 die Zuerkennung der Sondernotstandshilfe, eventualiter der Notstandshilfe. Die Behörde erster Instanz wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Jänner 1999 ab, weil seitens der Gemeinde A ab sofort für den Sohn Johannes eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden könne.
Aus dem Verwaltungsakt ist zu ersehen, dass sich diese Unterbringungsmöglichkeit im Osttiroler Kinderbetreuungszentrum, 9900 Lienz (Kolpinghaus), Adolf-Purtscher-Straße 6, befindet.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durch. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 10. März 1999 hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor, dass die Gemeinde T mit Schreiben vom 2. Februar 1999 neuerlich festgestellt habe, die angebotene Kinderbetreuungseinrichtung im Osttiroler Kinderbetreuungszentrum stehe jederzeit zur Verfügung und sei von T aus in relativ kurzer Zeit (ca. 25 Minuten) erreichbar. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz habe mitgeteilt, dass die von der Gemeinde A genannte Unterbringungsmöglichkeit in Lienz zumutbar sei. Es werde jedoch auf einen anderen Bericht der Bezirkshauptmannschaft Lienz hingewiesen, nach dem die Unterbringung des Kindes Johannes auf Grund der sonstigen Familiensituation als nicht zumutbar angegeben worden sei. Zur Wegzeit werde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe "vom Wohnhaus zur Haltestelle einen Fußweg von zehn Minuten, von T nach Lienz eine Fahrzeit von 15 bis 25 Minuten und von der Haltestelle in Lienz zum Osttiroler Kinderbetreuungszentrum eine weitere Wegzeit von zehn bis 15 Minuten zurückzulegen". Die gesamte Wegzeit betrage somit 35 bis 45 Minuten, wobei die Beschwerdeführerin ihre zwei Kinder im Alter von zwei und vier Jahren mitnehmen müsste. Laut aktuellem Fahrplan habe die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, morgens mit dem Bus entweder um 7.12 Uhr oder um 8.20 Uhr von T nach Lienz zu fahren. Die Fahrzeit betrage 15 Minuten. Die Beschwerdeführerin habe außerdem die Möglichkeit, mittags um 12.35 Uhr oder 13.45 Uhr von Lienz wieder zurück nach T zu fahren.
Die Beschwerdeführerin nahm hiezu ua. mit dem Argument Stellung, die Einsichtnahme in die Fahrpläne habe gezeigt, dass eine Rückkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln erst ab 11.00 Uhr vormittags möglich sei, sodass die Beschwerdeführerin insgesamt für einen Weg fünf Stunden lang unterwegs wäre. Es könne nicht nur der Weg zur Unterbringungsstelle berücksichtigt werden, sondern es sei auch der Rückweg zu berücksichtigen. Wenn sie am Nachmittag das Kind wiederum von Lienz abholen müsste, wären nach den Verkehrsplänen wiederum zwei bis drei Stunden notwendig, sodass der Tag für die Beschwerdeführerin nur mit Hinbringen und Abholen des Kindes ausgefüllt sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. April 1999 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die von der Gemeinde T genannte Unterbringungsmöglichkeit für das Kind Johannes sei als geeignet anzusehen. Zur Erreichung der Unterbringungsmöglichkeit wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine Gesamtwegzeit von 35 bis 45 Minuten zurückzulegen habe, wobei die gesamte Gehzeit maximal 20 bis 25 Minuten betrage. Bei der Beurteilung der "maximal einstündigen Wegzeit vom Wohnort zur Betreuungseinrichtung" könne "nur die tatsächlich für die Zurücklegung des Weges notwendige Zeit und nicht auch die in Lienz notwendige Wartezeit für eine Heimfahrt der Beschwerdeführerin berücksichtigt werden. Die Hinfahrt bestehe in der Hinbringung des Kindes vom Wohnort zur Unterbringungsmöglichkeit und die Retourfahrt in der Abholung des Kindes von der Unterbringungsmöglichkeit, da bei einer Limitierung der Wegzeit speziell darauf Rücksicht genommen werden sollte, ob dem Kind die Zurücklegung der Wegstrecke zumutbar sei oder nicht. In § 1 Abs. 2 lit. b der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl Nr. 361/1995 idF BGBl II Nr. 90/1998 - SNH-VO werde ausdrücklich von "aufzuwendender Zeit (Fahrzeit und Gehzeit) vom Wohnort zum Betreuungsort" gesprochen. Wartezeiten seien dabei nicht zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid wendete sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 13. Juni 2000, B 895/99-3, ihre Behandlung ab und trat sie sodann dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift. Deren wesentlicher Inhalt lautet, dass mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2000, Zl. 97/08/0420, definiert worden sei, dass unter "aufzuwendende Zeit vom Wohnort zum Betreuungsort in einer Richtung" nicht nur die reine Geh- und Fahrzeit, sondern die gesamte aufzuwendende Zeit vom Wohnort zum Betreuungsort, inklusive der Wartezeiten, und wieder zurück zu berechnen sei, wobei die Gesamtwegzeit durch zwei zu dividieren sei. Da im gegenständlichen Fall die Wegzeit nach dieser Berechnungsmethode über dem in § 1 Abs. 2 lit. b SNH-VO zumutbaren Zeitrahmen liege, "wäre dem Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin an und für sich stattzugeben". Allerdings sei die Beschwerdeführerin bereits auf Grund der gegen den Berufungsbescheid vom 30. September 1998 gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof "klaglos gestellt" und ihr in der Folge für den Zeitraum vom 4. August 1998 bis 2. August 1999 Sondernotstandshilfe im maximalen Ausmaß von 52 Wochen zuerkannt worden. Da gemäß § 39 Abs. 1 AlVG Mütter und Väter Anspruch auf Sondernotstandshilfe für die Dauer von maximal 52 Wochen hätten, könne der Beschwerdeführerin nicht noch ein weiteres Mal Sondernotstandshilfe für dasselbe Kind zuerkannt werden.
Der Beschwerdeführerin wurde diese Ansicht der belangten Behörde mit der Richtigstellung, dass durch die Zuerkennung der Sondernotstandshilfe mit Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 18. Mai 2000 die gegenständliche Beschwerde gegenstandslos geworden sei, zur Kenntnis gebracht. Sie teilte mit Schriftsatz vom 4. April 2001 mit, dass zwar der angefochtene Bescheid noch aufrecht sei, die gegenständliche Beschwerde sei allerdings durch die in Erledigung des obzitierten Bescheides vom 18. Mai 2000 inzwischen erfolgte Auszahlung der Sondernotstandshilfe für den Zeitraum 4. August 1998 bis 2. August 1999 "insoweit" gegenstandslos geworden.
Wie die belangte Behörde zutreffend in der Gegenschrift ausführt, hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 97/08/0420, die Auslegung der belangten Behörde, dass Wartezeiten nicht in die Wegzeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. b SNH-VO einzurechnen seien, als unrichtig erkannt. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Da auch im gegenständlichen Fall die nach dem genannten Erkenntnis zu berechnende Wegzeit über dem in § 1 Abs. 2 lit. b SNH-VO zumutbaren Zeitrahmen liegt, hätte sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet erwiesen.
Die Beschwerdeführerin ist im konkreten Fall zwar nicht klaglos gestellt worden. Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG bedeutet die Herbeiführung des Zustandes durch die belangte Behörde, der mit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof herbeigeführt werden soll, nämlich die Beseitigung des angefochtenen Bescheides (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 307 wiedergegebene hg. Rsp). Im gegenständlichem Fall wurde aber nicht der angefochtene Bescheid beseitigt, denn die belangte Behörde hob mit dem obzitierten Bescheid vom 18. Mai 2000 ihren im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. September 1998 gemäß § 68 Abs. 2 AVG auf, mit welchem dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. August 1998 auf Zuerkennung der Sondernotstandshilfe keine Folge gegeben worden war.
§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt zB. auch dann vor, wenn die Beschwerdeführerin kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung zB. den Beschluss vom 24. Jänner 1979, Zl. 95/19/1009).
Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall gegeben, weshalb die Beschwerde in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 58 Abs. 2 erster Satz VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Beschwerdeführerin war Kostenersatz zuzusprechen, weil der angefochtene Bescheid aus den im Erkenntnis
vom 23. Februar 2000, Zl. 97/08/0420, genannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gewesen wäre.
Wien, am 18. Mai 2001
Schlagworte
Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000020200.X00Im RIS seit
07.11.2001