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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des BK in Ried im Innkreis, geboren am 12. August 1976, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. September 1998, Zl. St 198/98, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, war mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 6. Juli 1995 ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, woraufhin er am 12. Juli 1995 in die Türkei abgeschoben wurde.
Im März 1998 gelangte der Beschwerdeführer über Italien wieder nach Österreich und beantragte am 11. März 1998 die Gewährung von Asyl. Weiters beantragte er - anwaltlich vertreten - mit Schriftsatz vom 8. Juni 1998 gemäß § 75 Abs. 1 FrG die Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Italien und in die Türkei.
Mit Bescheid vom 29. Mai 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag als unzulässig zurück und sprach aus, dass gemäß Art. 6 und 8 des Dubliner Übereinkommens Italien für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werde. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 17. Juni 1998 abgewiesen.
2. Nach Einholung einer Äußerung des Bundesasylamtes gemäß § 75 Abs. 3 FrG wies die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis mit Bescheid vom 25. August 1998 den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Italien gemäß § 75 Abs. 1 leg. cit. als unzulässig zurück. (In Bezug auf die Türkei wurde keine Entscheidung getroffen.) In der Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass im konkreten Fall ein Verfahren nach § 75 Abs. 1 FrG nicht offen stehe, weil die Asylbehörde durch einen rechtskräftigen "§ 5-Asylgesetz-Bescheid" de facto festgestellt habe, dass für den Beschwerdeführer in Italien Schutz vor Verfolgung bestünde. Der Gesetzgeber habe bei Verfahren nach § 5 Asylgesetz 1997 offensichtlich vorausgesetzt, dass sämtliche Länder des Dubliner Übereinkommens als "sichere Länder" gelten würden, in denen ein Asylwerber Schutz vor Verfolgung genieße. Weiters sprächen Gründe der Verfahrenskonzentration und - beschleunigung dafür, dass § 75 Abs. 2 FrG ein Ausweisungsverfahren nach § 5 Asylgesetz 1997 nicht umfasse, sondern ausschließlich jene gemäß §§ 33 und 34 FrG. In den Fällen des § 5 Asylgesetz 1997 bestehe die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung, dass ein Asylwerber in den "Dublin Staaten" - somit auch in Italien - Schutz vor Verfolgung genieße. Italien habe nach den Art. 10 und 13 des Dubliner Übereinkommens die Verpflichtung übernommen, den Beschwerdeführer wieder aufzunehmen und die Prüfung des Asylantrages bis zum Ende durchzuführen. Der Antrag des Beschwerdeführers sei somit, ohne in die Sache einzutreten, als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
3. Mit Bescheid vom 22. September 1998 sprach die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) aus, dass gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 75 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 und 2 FrG der Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom 25. August 1998 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt werde.
Unter Wiedergabe bisheriger Verfahrensergebnisse sowie der Bestimmungen der §§ 75 und 57 FrG begründete die belangte Behörde ihren Bescheid damit, dass die Erstbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst habe. Die belangte Behörde schließe sich den Ausführungen der Erstbehörde vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt des eigenen Bescheides. Im Übrigen schließe sich die belangte Behörde der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach auch eine Ausweisung nach § 5 Asylgesetz 1997 von § 75 Abs. 2 FrG umfasst sei, nicht an. Selbst im Fall einer materiellen Entscheidung wäre -
was Italien betreffe - der Antrag gemäß § 75 FrG abzuweisen gewesen, weil nur jene Staaten das "Dublinabkommen" unterzeichnet hätten bzw. hätten unterzeichnen dürfen, die auch ein dem österreichischen Fremden- bzw. Asylrecht vergleichbares Rechtssystem hätten, und infolgedessen auch ausreichend Schutz im Licht des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gewährleistet sei. Demnach sei der Bescheid der Erstbehörde zu bestätigen gewesen.
4. Gegen diesen Bescheid vom 22. September 1998 richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "aus einem der Gründe des § 42 Abs. 2 VwGG" aufzuheben.
5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist auf den normativen Inhalt des angefochtenen
Bescheides im Hinblick auf dessen Einleitung einzugehen:
1.1. Während die Erstbehörde in ihrem Bescheid vom 25. August 1998 aussprach, dass der Antrag auf Feststellung (der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Italien) als unzulässig zurückgewiesen werde, gab die belangte Behörde in der Einleitung ihres Bescheides - unrichtig - wieder, dass die Erstbehörde in ihrem Bescheid festgestellt habe, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Italien gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; die Abschiebung nach Italien sei somit zulässig. Im Spruch des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde - unter Zitierung des § 66 Abs. 4 AVG iVm § 75 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 und 2 FrG - aus, dass der Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom 25. August 1998 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt werde.
1.2. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Bescheides - ob materieller oder formeller Natur - ist in erster Linie sein normativ wirkender Spruch, dessen Deutung mit Hilfe von Gründen und Präambel erst dann in Frage käme, wenn der Spruch als solcher einer Deutung bedürfte (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 32 zu § 59 AVG mwN.). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall, hat doch die belangte Behörde spruchgemäß in keine Zweifel offen lassender Form der "Berufung .... keine Folge gegeben" und den "angefochtene(n) Bescheid bestätigt", somit den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 25. August 1998 wiederholt. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die belangte Behörde die Berufung als gegen den "Feststellungsbescheid" gerichtet bezeichnet hat. Denn diese unrichtige Bezeichnung vermag an der rechtlichen Qualität des besagten erstinstanzlichen Bescheides als eines Zurückweisungs-Bescheides ebenso wenig etwas zu ändern wie die nämliche Fehlbezeichnung in der Präambel des angefochtenen Bescheides. Nur noch am Rand sei dazu festgehalten, dass der dargelegte, sich aus dem Spruch des bekämpften Bescheides selbst ergebende Gehalt durch die Bescheidbegründung (s. oben I.3.) untermauert wird.
2. Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist nach dem Vorgesagten allein die Zurückweisung des auf § 75 Abs. 1 FrG gestützten Feststellungsantrages des Beschwerdeführers vom 8. Juni 1998 (soweit er Italien zum Gegenstand hat) als unzulässig.
2.1. § 75 Abs. 1 FrG sieht vor, dass auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen hat, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht.
§ 75 Abs. 2 FrG normiert, dass der Antrag nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden kann.
Nach § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I 76, ist ein nicht gemäß § 4 leg. cit. erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.
§ 5 Abs. 2 leg. cit. normiert, dass gemäß Abs. 1 auch vorzugehen ist, wenn ein anderer Staat vertraglich dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist.
2.2. Zur Frage, ob eine Ausweisung im Sinn des § 75 Abs. 2 FrG auch eine solche nach § 5 AsylG umfasst, ist Folgendes auszuführen: Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 8. März 2001, G 117/00 ua, betreffend Anträge des unabhängigen Bundesasylsenates, in § 5 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76 idF BGBl. I 4/1999, den letzten Satz des Abs. 1 und den gesamten Abs. 3 als verfassungswidrig aufzuheben - im Hinblick auf eine allenfalls Art. 83 Abs. 2 B-VG widersprechende Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Asylbehörden und Fremdenbehörden - die Auffassung vertreten, dass es sich bei der in § 5 leg. cit. vorgesehenen Ausweisung durch das Bundesasylamt um ein "eigenes Rechtsinstitut" handle, das zu den in §§ 33 f FrG normierten Ausweisungen "hinzutritt" (vgl. dazu bereits das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0424).
Daraus folgt, dass die mit der Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 5 Abs. 1 letzter Satz AsylG zu verbindende Ausweisung von § 75 Abs. 2 FrG nicht umfasst ist und daher ein Antrag nach § 75 Abs. 1 leg. cit. während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens nicht in Betracht kommt.
Die belangte Behörde hat daher mangels eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach §§ 33 f FrG (oder eines Aufenthaltsverbotes) zu Recht den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Italien zurückgewiesen.
2.3. Was die in der vorliegenden Beschwerde geäußerten Bedenken in Ansehung des Art. 3 EMRK betrifft, so ist der Verfassungsgerichtshof in dem vorzitierten Erkenntnis zum Ergebnis gelangt, dass sich aus Art. 3 Abs. 4 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrages (Dubliner Übereinkommen), BGBl. III 165/1997, eine - durchsetzbare - Verpflichtung Österreichs ergibt, von dem dort vorgesehenen Eintrittsrecht hinsichtlich der Prüfung eines Asylantrages Gebrauch zu machen, falls stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylwerber in dem nach dem Dubliner Übereinkommen zuständigen Vertragsstaat Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
3. Da nach dem Gesagten die (auf Italien bezogene) Zurückweisung des Feststellungsantrages der Rechtslage entspricht, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Kostenersatz gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2, § 48 Abs. 2 Z. 1, § 49 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Mai 2001
Schlagworte
Spruch und Begründung Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998180306.X00Im RIS seit
13.12.2001Zuletzt aktualisiert am
17.11.2008