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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des T C, geboren am 1. Februar 1964, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. März 2001, Zl. SD 108/01, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1.Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. März 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei erstmals am 27. September 1989 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Am 18. Dezember 1990 sei er freiwillig in sein Heimatland zurückgekehrt. Nach seiner Wiedereinreise zu einem unbekannten Zeitpunkt habe er sich am 23. Mai 1991 in Wien polizeilich gemeldet. Seit 28. Februar 1996 verfüge er über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung.
Am 31. Oktober 2000 sei der Beschwerdeführer wegen § 28 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3, § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Frühjahr 1999 bis Anfang November 1999 im Zusammenwirken mit anderen Personen eine unbekannte, jedenfalls aber große Menge "Heroin/Kokain/Haschisch/Ecstasy-Tabletten" von Belgien nach Österreich geschmuggelt habe. Weiters habe er 25 Gramm Heroin an eine andere Person verkauft und eine unbekannte, jedoch große Menge Heroin und Kokain an eine unbekannte Person verkauft. Er habe somit als Mitglied einer Bande Suchtgift in einer großen Menge gewerbsmäßig ausgeführt, eingeführt und in Verkehr gesetzt. Von Oktober 1998 bis Anfang 2000 habe er wiederholt Haschisch erworben und besessen.
Dieses Fehlverhalten gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit "in höchstem Maße", sodass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit etwa zehn Jahren in Österreich. Bis zum Antritt seiner Strafhaft habe er mit seiner Gattin und seinen drei Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Von Jänner 1997 bis Jänner 2000 sei er nachweislich einer Beschäftigung nachgegangen. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte Dritter, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Schon vor dem Hintergrund der gewerbsmäßigen Tatbegehung könne eine Prognose nicht günstig ausfallen.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Den solcherart geminderten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.
§ 38 Abs. 2 iVm § 35 Abs. 3 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schon deshalb nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden sei. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei auch nicht gemäß § 38 Abs. 3 (richtig: Abs. 1 Z. 3) FrG unzulässig, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes - beginnend im Oktober 1998 - noch keine zehn Jahre im Bundesgebiet wohnhaft gewesen sei und ihm daher gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft nicht hätte verliehen werden können. Abgesehen davon sei er zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren ist der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität keinen Bedenken, zumal der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum als Mitglied einer Bande Suchtgift in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB), ausgeführt, eingeführt bzw. in Verkehr gesetzt hat. Aus der unstrittigen Verurteilung auch gemäß § 28 Abs. 4 Z. 3 Suchtmittelgesetz ergibt sich überdies, dass der Beschwerdeführer das Suchtgiftdelikt in Bezug auf eine Menge von zumindest dem Fünfundzwanzigfachen der gemäß § 28 Abs. 6 leg. cit. festgesetzten Untergrenze einer großen Suchtgiftmenge begangen hat.
2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes, die Haushaltsgemeinschaft mit Gattin und drei minderjährigen Kindern und die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt. Die in der Beschwerde geltend gemachten Umstände, der Beschwerdeführer sei mit Ausnahme der festgestellten Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz unbescholten und habe "zwischenzeitig" vier Kinder, bewirken keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet. Zu Recht hat die belangte Behörde auf die Minderung der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration in ihrer sozialen Komponente durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers verwiesen.
Den dennoch sehr beachtlichen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Auf Grund der überaus großen Sozialschädlichkeit des vom Beschwerdeführer begangenen Suchtgiftdeliktes begegnet die Ansicht der belangte Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken, zumal bei derartigen Suchtgiftdelikten selbst eine ansonsten volle Integration des Fremden dem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0351).
3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe "als Kurde in der Türkei massive Probleme zu erwarten", ist festzuhalten, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180072.X00Im RIS seit
13.11.2001