TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/18 98/18/0391

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde des M L, (geb. 29.5.1962), in Steyr, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. Juni 1998, Zl. St 81/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit August 1990 in Steyr auf. Derzeit besitze er eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung des Magistrates Steyr. Er sei vom Landesgericht Steyr am 6. November 1996 zu fünfzehn Monaten, davon zehn Monate bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach den §§ 146 und 147 Abs. 2 bzw. wegen des Verbrechens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB verurteilt worden.

In der niederschriftlichen Einvernahme vom 20. März 1998 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er sich seit Mai 1990 im Bundesgebiet aufhielte. Seit diesem Zeitpunkt würde er auch durchgehend bei einem näher genannten Unternehmen arbeiten. Außer der genannten gerichtlichen Verurteilung hätte er sich nichts zu Schulden kommen lassen und würde sich auch zu Unrecht verurteilt fühlen. In Steyr würden sich seine Eltern, sein Bruder sowie seine Ehefrau, die auch immer einer Beschäftigung nachgegangen sei, aufhalten. Es wäre ihm bereits eine Magistratswohnung zugewiesen worden. In Jugoslawien hätte er als Serbe größte Probleme, wieder Fuß zu fassen. Er wäre der deutschen Sprache mächtig. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer darüber hinaus ausgeführt, dass ihm eine Rückkehr nach Jugoslawien vor immense Probleme stellen würde, da er dort über keinerlei Wohnmöglichkeiten verfügen würde. Auch hätte er keinerlei Bindungen mehr zu Jugoslawien. Der Verurteilung durch das Landesgericht Steyr würden strafbare Handlungen aus den Jahren 1992 und 1995 zu Grunde liegen. Die Erstbehörde hätte jedoch keinerlei Ausführungen dahingehend gemacht, inwieweit sein weiterer Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Seit 1995 hätte er sich keinerlei strafbare Handlungen zu Schulden kommen lassen. Das gegen ihn durchgeführte Strafverfahren hätte auch die Überzeugung in ihm gefestigt, sich an die Gesetze zu halten und keinen Verstoß mehr zu begehen. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 14. Mai 1998 sei dem Beschwerdeführer "der Inhalt der oben angeführten Verurteilung" mitgeteilt bzw. ausgeführt worden, dass aus dem besagten Urteil ersichtlich sei, dass er sehr wohl noch über Bindungen (zumindest zum Zeitpunkt seiner strafbaren Handlungen) zu seinem Heimatland verfüge, zumal er doch die gestohlenen (offensichtlich gemeint: als gestohlen gemeldeten) Personenkraftwagen dorthin zu seinen Verwandten verschoben habe. In seiner am 3. Juni 1998 eingetroffenen Stellungnahme habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass es zwar stimmen möge, dass er im Jahr 1992 noch über verwandtschaftliche Bindungen in seiner Heimat verfügt hätte, dies träfe aber gegenwärtig keinesfalls mehr zu. Er wäre in Visegrad geboren und dort vor den Kriegswirren aufhältig gewesen. Visegrad wäre im Zug des Krieges von den serbischen Streitkräften total zerstört und eingenommen worden. Die Einwohner, die der bosnischen Nationalität angehörten, wären von dort geflüchtet und hätten ihr ganzes Hab und Gut zurücklassen müssen. Für "Angehörige der Nationalität" wäre es bislang unmöglich, dorthin zurückzukehren. Der im Urteil als sein Verwandter genannte M.L. würde sich seit längerer Zeit nicht mehr im Gebiet der ehemaligen Republik Jugoslawien, sondern nach dem Wissensstand des Beschwerdeführers in den Niederlanden aufhalten. Seine restlichen Verwandten würden sich alle in Österreich befinden. Seit dem im Urteil angelasteten Tatzeitpunkt hätte er keinerlei Kontakte mehr zu irgendwelchen Personen in seiner Heimat.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei in Anbetracht der genannten gerichtlichen Verurteilung durch das Landesgericht Steyr als erfüllt zu betrachten. Gegenteiliges werde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Der Beschwerdeführer halte sich seit August 1990 in Steyr legal auf und lebe hier, wie bereits ausgeführt, mit einem Großteil seiner Verwandten bzw. seiner Ehefrau. Der Beschwerdeführer bzw. auch seine Ehefrau gingen einer legalen Beschäftigung nach. In Anbetracht dieser Tatsache werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sicherlich in nicht unbeachtlicher Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Dem Beschwerdeführer werde auch eine der Dauer des Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen sein, dies umsomehr, als er doch einer legalen Beschäftigung nachgehe. Dem stehe gegenüber, dass er sich schwerwiegende Verstöße gegen das Strafrecht zu Schulden habe kommen lassen. So sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 14. Mai 1998 mitgeteilt worden, dass er in wechselnder Tätereigenschaft mit anderen Personenkraftwagen in Täuschungs- und Bereichungsabsicht als gestohlen gemeldet und diese zu seinen Verwandten in sein Heimatland gebracht habe. Der Schaden, der den Versicherungen hiedurch entstanden sei, belaufe sich auf ca. S 350.000,--. Bereits in diesem Schreiben sei darauf hingewiesen worden, dass auch das Gericht den Unwert seiner Vergehen als sehr hoch eingestuft habe, zumal er doch mit einer - nicht mehr als geringfügig zu betrachtenden - teilweise unbedingten Freiheitsstrafe belegt worden sei. Aus den oben angeführten Tatsachen sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer zu wiegen schienen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Daran vermöge sein Hinweis darauf, dass er in seinem Heimatland über keinerlei Wohnmöglichkeiten bzw. Arbeitsmöglichkeiten verfügen würde, nichts zu ändern, zumal im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe bzw. allenfalls abgeschoben werden könnte. Dessen ungeachtet habe der Beschwerdeführer durch die Verschiebung der als gestohlen gemeldeten Personenkraftwagen in sein Heimatland dokumentiert, dass er dort sehr wohl noch über "gute Kontakte" verfüge. Derartige jetzt nicht mehr zu besitzen, habe der Beschwerdeführer in keiner Weise glaubhaft machen können, dies schon deshalb nicht, weil er durch seine strafbaren Handlungen gezeigt habe, "es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen". Zu beachten sei sicherlich, dass er die letzte strafbare Handlung im Jahr 1995 (also vor ca. drei Jahren) begangen habe. Dies sei jedoch insofern "zu relativieren", als er die erste derartige strafbare Handlung "wiederum vor drei Jahren" begangen habe. Es sei nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass er sich neuerlich eine derartige strafbare Handlung zu Schulden kommen lasse.

2. Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese - nach Ablehnung ihrer Behandlung - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 14. Oktober 1998, B 1400/98). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die in Bezug auf § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG maßgebliche Sachverhaltsfeststellung (die unter Punkt I.1. angeführte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung) unbestritten. Der von der belangten Behörde aus dieser gerichtlichen Verurteilung gezogene Schluss auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG wird in der Beschwerde nicht bekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung keinen Einwand. In Anbetracht des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der Eigentumskriminalität, dem sowohl unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) als auch auf dem Boden von anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (§ 36 Abs. 1 Z. 2 leg. cit., hier: an der Verhinderung strafbarer Handlungen, am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) großes Gewicht zukommt, erweist sich - entgegen der Beschwerde - auch die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, als unbedenklich, zumal sie diese Frage eigenständig nach den Regelungen des FrG - ohne an die die bedingte Strafnachsicht begründenden strafgerichtlichen Erwägungen gebunden gewesen zu sein - zu beurteilen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 2000/18/0236).

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG. Der Beschwerdeführer und seine Familie seien in Österreich vollkommen integriert und hätten ihren Lebensmittelpunkt in Steyr. Da der Beschwerdeführer für den Unterhalt seiner Familie sorge, wäre dieser nach seinem Wegzug aus Österreich nicht mehr gewährleistet. Seine Familie würde in der Folge zwangsläufig vor dem Nichts stehen, auch er würde seine Existenz, die er sich seit 1990 in Österreich aufgebaut habe, verlieren. Der Beschwerdeführer habe nun sämtliche Beziehungen ausschließlich in Österreich, ein Kontakt seinerseits oder von Seiten seiner Familie zu seiner früheren Heimat bestünde nicht.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat - unter der zutreffenden Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG - die Auffassung vertreten, dass diese Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig sei. Diese Beurteilung kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die zweimalige Begehung eines schweren Betruges stellt eine nachhaltige Gefährdung des unter II.1. genannten öffentlichen Interesses dar, die es im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK - unter Hintanstellen der gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers - notwendig macht, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich seit dem mit dem besagten Urteil zur Last gelegten Fehlverhalten nichts zu Schulden kommen lassen und sei ferner vor diesem Fehlverhalten unbescholten gewesen, wird dadurch relativiert, dass er das Delikt des schweren Betruges zweimal, und zwar in den Jahren 1992 und 1995, verwirklicht hat, und von daher nicht gesagt werden kann, dass die letzte Tatbegehung im Jahr 1995 schon solange zurückläge, dass die von ihm ausgehende Gefahr völlig weggefallen oder doch maßgeblich gemindert wäre.

Weiters ist auch das Ergebnis der von der Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung unbedenklich. Die aus dem langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers abzuleitende Integration ist in ihrem Gewicht insofern gemindert, als die dafür essenzielle soziale Komponente durch die Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten in beachtlichem Maß beeinträchtigt wurde, ergibt sich doch aus dem in den Verwaltungsakten einliegenden Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 2. Dezember 1997, dass der Beschwerdeführer "als Initiator der Straftaten" im Bereich der "internationalen Autoschieberei" anzusehen ist. Dem Vorbringen, er sorge für den Unterhalt seiner Familie, ist entgegenzuhalten, dass nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid auch seine Ehefrau einer legalen Beschäftigung nachgeht; im Übrigen kann die Erfüllung einer Unterhaltspflicht in Österreich auch vom Ausland aus erfolgen. Abgesehen davon muss der Beschwerdeführer die mit dem dringend gebotenen Aufenthaltsverbot einhergehenden Beschränkungen seines Privat- und Familienlebens in Kauf nehmen. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, ein Kontakt seinerseits oder von Seiten seiner Familie zu seiner früheren Heimat bestünde nicht, ist ihm schließlich zu entgegnen, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0048, mwH).

3. Da sich die vorliegende Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Mai 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998180391.X00

Im RIS seit

23.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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