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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §18 Abs2 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde der G K in B, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig, Rechtsanwalt in 9300 St. Veit/Glan, Unterer Platz 11, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 14. Februar 2000, Zl. LGS/Abt. 4/1218/2000, betreffend Bemessung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Arbeitsmarktservice St. Veit/Glan vom 13. Jänner 2000 (in der Fassung des Bescheides vom 20. Jänner 2000) wurde der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld ab 1. Jänner 2000 zuerkannt. Begründend sprach die Behörde aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass durch die Bezahlung der Sicherungsbeiträge eine Rahmenfristerstreckung erworben worden sei und der "Restbezug aus dem Jahr 1988 mit der damals festgestellten Bemessungsgrundlage bezogen werden" könne.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr mit dem oben genannten Bescheid ein Arbeitslosengeld in der Höhe von S 99,50 pro Tag (monatlich S 2.985,--) zuerkannt worden sei; da ihre "Lebenserhaltungskosten" diesen Betrag bei weitem überschritten, stelle sie den Antrag auf nochmalige Überprüfung.
Die belangte Behörde gab mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom 14. Februar 2000 der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und sprach aus, dass der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld ab dem 1. Jänner 2000 in der Höhe von S 99,50 täglich zustehe.
Der Beschwerdeführerin sei ab 1. Mai 1988 Arbeitslosengeld für 210 Tage (Bezugsdauer) zuerkannt worden. Der für die Bestimmung der Lohnklasse maßgebliche Betrag (Entgelt) sei S 6.173,-- gewesen. Die Beschwerdeführerin habe das Arbeitslosengeld vom 1. Mai 1988 bis 15. August 1988 (107 Tage), sohin nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch genommen; es bestehe noch ein Restanspruch von 103 Tagen. Am 28. Dezember 1999 habe die Beschwerdeführerin beim Arbeitsmarktservice St. Veit/Glan die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt. Sie sei bis 31. Dezember 1999 selbstständig erwerbstätig gewesen und habe Versicherungsbeiträge an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geleistet; diesbezüglich habe sie Nachweise vorgelegt. Die Gewerbeberechtigung sei durch Zurücklegung mit Wirkung vom 31. Dezember 1999 erloschen.
Rechtlich ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 2000 als Fortbezug das Arbeitslosengeld für die restliche zulässige Bezugsdauer zuzuerkennen gewesen sei. In den Fällen eines derartigen Fortbezuges habe eine Valorisierung des seinerzeit für die Festsetzung der Lohnklasse ermittelten Entgeltes nicht zu erfolgen gehabt. Da die Voraussetzungen für einen Neuanspruch nicht vorlägen, bedeute dies, dass die Beschwerdeführerin nunmehr den Restanspruch (103 Tage) erhalte, wobei das damalige für die Bemessung der Lohnklasse ermittelte Entgelt heranzuziehen sei; es sei demnach von einem täglichen Arbeitslosengeldanspruch von S 99,50 auszugehen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Strittig ist vor dem Verwaltungsgerichtshof nur die Frage der "Valorisierung" des Arbeitslosengeldes.
Nach § 19 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1997, BGBl. Nr. 609/1997, idF BGBl. I Nr. 148/1998 (in der Folge: AlVG), ist Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch nehmen, der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige Bezugsdauer zu gewähren, wenn die Geltendmachung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren, gerechnet vom Tag des letzten Bezuges des Arbeitslosengeldes, erfolgt (lit. a) und wenn, abgesehen von der Anwartschaft, die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind (lit. b). Die Frist nach lit. a verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 bis 5. Liegt der für die Bemessung der Höhe des Fortbezuges maßgebliche Verdienst weiter als drei Jahre vor dem Tag der Geltendmachung des Fortbezuges zurück, so findet § 21 Abs. 2 (Vervielfachung des seinerzeitigen Entgeltes) sinngemäß Anwendung, ausgenommen es ist § 21 Abs. 9 (Vervielfachung des Arbeitslosengeldes) anzuwenden.
Gemäß § 15 Abs. 5 AlVG verlängert sich die Rahmenfrist um Zeiträume, für die der Arbeitslose einen Sicherungsbeitrag gemäß § 5d Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) entrichtet hat. Dies ist unstrittig bei der Beschwerdeführerin der Fall.
§ 21 Abs. 9 AlVG lautet:
"(9) Wurde ein Bezug des Arbeitslosengeldes gemäß § 18 Abs. 2 lit. c oder Abs. 5 vor mehr als zwei Jahren zuerkannt, so ist der Grundbetrag dieses Arbeitslosengeldes mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden darauffolgenden Jahres mit dem Anpassungsfaktor des betreffenden Kalenderjahres (§ 108 ASVG) zu vervielfachen."
Diese Bestimmung sieht somit eine "Valorisierung" des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes für den Fall der Zuerkennung gemäß § 18 Abs. 2 lit. c oder Abs. 5 vor. Ein Fall des § 18 Abs. 2 lit. c dürfte - Feststellungen hiezu fehlen - bei der am 22. April 1958 geborenen Beschwerdeführerin nicht vorliegen, da diese Bestimmung eine Erhöhung der Bezugsdauer auf 78 Wochen vorsieht, wenn in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 780 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose im Jahr 2000 dem Jahrgang 1940 ... angehört. Auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 (Teilnahme an einer Maßnahme im Sinne des Abs. 6) dürfte nicht vorliegen.
Zu prüfen ist daher - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift insofern zutreffend ausführt - ob gemäß dem Verweis auf "§ 21 Abs. 2 AlVG" in § 19 Abs. 1 leg.cit. eine Vervielfachung des seinerzeitigen Entgeltes Anwendung zu finden hat.
§ 21 Abs. 2 leg. cit. lautet wie folgt:
"(2) Liegen noch keine Jahresbeitragsgrundlagen vor, so ist für die Festsetzung der Lohnklasse das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen. Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen. Abs. 1 fünfter und sechster Satz ist anzuwenden."
Diese Fassung erhielt § 21 Abs. 2 AlVG im Wesentlichen durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201. Vorher lautete diese Bestimmung wie folgt:
"(2) Werden bei der Ermittlung des maßgeblichen Entgeltes im Sinne des Abs. 1 bzw. 8 Verdienste herangezogen, die weiter als drei Jahre vor dem Tag der Geltendmachung zurückliegen, so ist das Entgelt mit dem seiner zeitlichen Lagerung entsprechenden, am Tag der Geltendmachung in Geltung stehenden Aufwertungsfaktor gemäß § 108c ASVG zu vervielfachen."
Die bereits zu diesem Zeitpunkt in § 19 Abs. 1 AlVG enthaltene Verweisung auf § 21 Abs. 2 leg. cit. verbunden mit der Wortfolge "(Vervielfachung des seinerzeitigen Entgeltes)" verwies demnach (sinnvoll) auf die eben wiedergegebene Vervielfachungsregel.
Durch Art. 23 Z. 13 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 wurde § 19 AlVG nur insoweit verändert, als Abs. 1 zweiter Satz die Fassung erhielt: "Die Frist nach lit. a verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 2." Eine weitergehende Änderung erfolgte nicht, obwohl § 21 Abs. 1 und Abs. 2 durch die Z. 16 und 17 leg. cit. geändert wurden; nach der Neuregelung wurde für die Festsetzung der Lohnklasse das Entgelt anhand der beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen herangezogen. § 21 Abs. 1 letzter (siebenter) Satz erhielt nunmehr die auch für den im Beschwerdefall fraglichen Zeitraum maßgebende Fassung: "Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes älter als ein Jahr, so sind diese mit dem/den Aufwertungsfaktor/en gemäß § 108 Abs. 4 ASVG des betreffenden Jahres/der betreffenden Jahre aufzuwerten." § 21 Abs. 2 AlVG erhielt durch Art. 23 Strukturanpassungsgesetz 1996 im Wesentlichen den heutigen Inhalt.
Aus dem soeben Gesagten folgt, dass - offenbar aus einem Redaktionsversehen - die Verweisung im § 19 Abs. 1 AlVG auf § 21 Abs. 2 leg. cit. nicht der durch Art. 23 Strukturanpassungsgesetz 1996 gegebenen Rechtslage angepasst wurde. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber (bewusst) in den Fällen eines Fortbezuges eine "Valorisierung" des seinerzeit für die Festsetzung der Lohnklasse ermittelten Entgelts nicht vornehmen wollte. Auch aus den Materialien (RV 72 Blg. NR 20. GP 235 f) ergibt sich dies nicht. Überdies wäre kein sachlicher Grund erkennbar, warum im Falle des Fortbezuges nach § 19 AlVG eine Vervielfachung des seinerzeitigen Entgeltes nicht, eine Vervielfachung des Arbeitslosengeldes im Falle der Anwendung des § 21 Abs. 9 AlVG jedoch schon vorzunehmen wäre.
Die Verweisung im § 19 Abs. 1 AlVG auf § 21 Abs. 2 leg. cit. ist daher unter Berücksichtigung des offenkundigen Redaktionsversehens so zu verstehen, dass sinngemäß seit der Fassung des § 21 Abs. 1 und 2 AlVG durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 § 21 Abs. 1 letzter (siebenter) Satz anzuwenden ist; nur dadurch wird sachgerecht dem Willen des Gesetzgebers (arg.: "Vervielfachung des seinerzeitigen Entgeltes" in § 19 Abs. 1 AlVG) entsprochen.
Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da diese bereits im zuerkannten Pauschalbetrag enthalten ist. Das weitere, Barauslagen im Umfang von S 2.500,-- betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da die Beschwerdeführerin Verfahrenshilfe genießt und ein Grund, aus dem allenfalls zu ersetzende Barauslagen entstanden wären, nicht ersichtlich ist.
Wien, am 18. Mai 2001
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000020152.X00Im RIS seit
18.10.2001