TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/22 2000/01/0459

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2001
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des M P in B, geboren am 10. Mai 1974, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. September 2000, Zl. 217.142/0-V/13/00, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste seinen Angaben zufolge am 6. November 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt begründete er diesen Asylantrag wie folgt:

"Ich bin Mitglied der UDPS. Ich bin nicht Mitglied einer bewaffneten Gruppierung. Ich bin weder vorbestraft, noch habe ich strafbare Handlungen begangen.

F: Können Sie konkrete, gegen Ihre Person gerichtete Verfolgungshandlungen aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen angeben?

A: Ich bin aus politischen Gründen verfolgt worden. Ich war am Anfang Untersekretär der Sektion Matete. Ich war zuständig für die Mobilisierung und für die Sensibilisierung. Ich bin 1992 der UDPS beigetreten.

Die erste Demonstration, bei der ich teilgenommen habe, war die vom 16. Februar 1992.

Das Ziel dieser Demonstration war die Wiedereröffnung der CNS. Dies ist die Conference Nationale Souveraine, sie war von Mobutu geschlossen worden und die Demonstration sollte die Neueröffnung erwirken.

Wir waren am Versammlungsort am Zentralbahnhof im Stadtviertel Gombe. Kurz nach Beginn der Demonstration, als wir gerade am Friedhof von Gombe vorbeikamen, kamen Soldaten der DSP.

Sie haben Tränengas versprüht und herumgeschossen. Es gab viele tote Mitglieder. Mehrere Mitglieder wurden verhaftet. Ich war auch bei denen, die verhaftet worden sind.

Wir wurden in ein Geheimdienstgefangenenhaus gebracht und es hieß Circo.

Als wir dort angekommen waren, wurden alle Festgenommene registriert. Es wurden alle verurteilt und ich wurde wegen meines jugendlichen Alters zu ein paar Tagen Gefangenenhausaufenthalt im selben Geheimdienstgebäude verurteilt.

Am 16.02.1998 fand wieder eine Demonstration zum Gedenken an die Demonstration von 1992 statt.

Als wir im Stadtviertel Mongo angekommen waren, kam wieder die Polizei und hat damit begonnen Leute festzunehmen.

Wir wurden zur Gendarmerie Matete gebracht.

Wir wurden wieder registriert und direkt ins Gefängnis gebracht. Ich wurde in eine sehr kleine Zelle gebracht, die ca. 0,75 m/2 groß war. Es war sehr unbequem.

In dieser Zelle blieb ich 15 Tage. Ich musste meine Notdurft dort drinnen verrichten. Es gab keine Lüftung und kein Licht. Am 03.03.1998 wurden wir verurteilt. Es war verboten sich politisch zu betätigen und jeder der dies macht wurde in seine Herkunftsprovinz zurückgeschickt.

Man hat mich dann nach Bandundu eskortiert nach Kenge. Dies liegt 600 km von Kinshasa entfernt.

Dort war ich insgesamt drei Monate. Ein Monat davon war ich nur im Gefängnis und die anderen beiden Monate habe ich Zwangsarbeit verrichten müssen.

Am 03. Juni 1998 wurde ich freigelassen und ich konnte wieder nach Kinshasa zurückkehren.

Ich bin dann zu meiner Zelle in der Partei in Mutete wieder zurückgekehrt und habe dann meinen alten Posten in der Partei wieder ausgeübt.

Am 14. Juli 1998 ist der Abgeordnete Lutunbulu Apala an seinem Arbeitsplatz verhaftet worden.

Wir mussten gegen diese Festnahme protestieren und wir haben uns an unserem Versammlungsort, gegenüber des Hotels Memlinge, dies liegt im Stadtviertel von Gombe, getroffen.

Wir haben uns dort versammelt und mit dem Marsch beginnen wollen und ungefähr 30 Minuten nach unserer Ankunft kamen Leute der ANR. Diese Leute haben einige von uns verhaftet, andere konnten fliehen. Wir wurden verhaftet und wurden in ein Zentrum gebracht, welches neben dem Parlament von Kinshasa liegt.

Je nachdem wie alt man war, wurde man gefoltert und geschlagen. Ich blieb zwei Tage dort und bekam jeden Tag 24 Schläge mit dem Knüppel in die Magengegend.

Nach 48 Stunden wurde ich freigelassen und bin dann wieder nach Hause gegangen.

Im Juli 1999 wurde das Abkommen von Lusaka unterzeichnet, dies ist ein Dialog innerhalb des Kongo.

Diese Gespräche, die gemäß diesem Abkommen stattfinden hätten sollen, haben nicht stattgefunden.

Wir waren überrascht, aus dem Fernsehen zu erfahren, dass es am 13. Oktober so einen innerkongolesischen Dialog geben soll. Die Regierung hat verkündet, dass es nationale Debatten geben sollte.

Diese nationale Debatte entsprach nicht dem innerkongolesischen Dialog, nämlich, dass politische Tätigkeiten durch die Parteien wieder aufgenommen werden konnten. Der Außenminister sollte der Vorsitzende dieser Debatte sein, aber die Debatte war nicht dies, was man von dieser Debatte erwartet hatte.

In unserer politischen Partei haben wir deshalb beschlossen, eine außerordentliche Versammlung abzuhalten. Diese Versammlung sollte am 15.10.1999 stattfinden.

Beim Beginn der Versammlung kamen Leute in Uniform. Die Versammlungsteilnehmer wurden umzingelt und festgenommen. Wir wurden dann ins Gefängnis der 50 Brigarde gebracht. Dieses Gefängnis befindet sich in Kankukolo. Als wir ankamen, wurden wir registriert und wir kamen dann ins Gefängnis. Am 25.10.1999 wurde ich abgeholt und mit einem Auto zum Geheimdienst ANR nach Gombe gebracht.

Dort wurde ich von Militärs verurteilt. Es wurde mir gesagt, dass ich ein Rückfalltäter bin, weil ich schon zum dritten Mal festgenommen worden bin und dass ich umgebracht gehöre. Ich bin dann in ein anderes Gefängnis gekommen mit einer unbequemen Zelle. Diese Zelle hatte vielleicht die Größe von einem Quadratmeter. Ich kann nichts Genaueres sagen, weil es kein Licht gab.

Am 03.11.1999, gegen 01:00 Uhr in der Früh, kam eine Person, die die Zellentür geöffnet hat. Diese Person hat gesagt, ich soll ihm folgen und wir gingen dann hinaus. Er sprach mit Leuten. In einiger Entfernung wartete ein Auto auf uns.

Im Wagen saß der Untersekretär von unserem Bezirk. Sein Name ist Kesisua.

Er teilte mir mit, ich müsse fliehen, weil ich umgebracht werden sollte.

Er brachte mich zum Fluß, wo es nur Fischer und keine Kontrollen gibt.

Er gab mir 50 kongol. France. Er gab mir auch eine Adresse, wo ich hingehen sollte.

Die 50 France habe ich dann einem Fischer gegeben, der mich über den Fluß brachte und ich ersuchte den Fischer bei ihm zu nächtigen und er nahm mich mit in das Lager der Fischer."

Mit Bescheid vom 4. Mai 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab; zugleich sprach es aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Das Bundesasylamt begründete diese Entscheidung damit, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund unglaubwürdig seien; unter anderem deshalb, weil ein von ihm vorgelegter Lichtbildausweis und ein von ihm vorgelegtes Zeugnis laut Untersuchungsbericht der kriminaltechnischen Zentralstelle im Bundesministerium für Inneres gefälscht seien.

Auf Grund der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung führte der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) am 19. September 2000 eine mündliche Verhandlung durch. Dabei wurde der Beschwerdeführer im Wesentlichen zu seiner Funktion innerhalb der UDPS, zur Organisationsstruktur dieser Partei, zu Aussehen und Inhalt des Parteiausweises sowie zu einer der UDPS nahe stehenden Zeitung und der allgemeinen Parteienlandschaft in der Demokratischen Republik Kongo befragt.

Mit Bescheid vom 20. September 2000 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG stellte die belangte Behörde weiter fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei (Spruchpunkt II). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer seine Furcht vor politischer Verfolgung zentral mit seiner aktiven Tätigkeit für die UDPS begründet habe, weshalb versucht worden sei, seine diesbezüglichen Spezialkenntnisse zu erforschen. Dabei hätten sich grobe und auffällige Mängel des dem Beschwerdeführer zusinnbaren Wissens ergeben, weshalb ihm grundsätzlich jegliche persönliche Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei; die im Verfahren relevierten, den Beschwerdeführer persönlich betreffenden Umstände bzw. Ereignisse hätten (daher) nicht als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt werden können. Die Berufungsverhandlung habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Tage gefördert, dass der Beschwerdeführer "jedenfalls nicht an namhafter oder auch nur in untergeordneter Stelle innerhalb der UDPS tätig war bzw. er auch nicht glaubhaft darlegen konnte, sich auch nur in irgendeiner Weise für die Partei UDPS oder deren Anliegen interessiert zu haben", weshalb den auf diesen Angaben fußenden Vorbringensteilen zu seinen späteren Erlebnissen kein Glauben habe geschenkt werden können. Da die Glaubhaftmachung einer Verfolgung aus asylrechtlich relevantem Grund im Asylverfahren ein Essentiale darstelle, sei somit die Gewährung von Asyl nicht statthaft gewesen. Mangels persönlicher Glaubwürdigkeit sei es dem Beschwerdeführer darüber hinaus nicht möglich gewesen - so die belangte Behörde weiter im Hinblick auf ihre Entscheidung nach § 8 AsylG -, konkrete bezughabende Indizien nachvollziehbar aufzuzeigen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass er Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat im Fall der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Dass er etwa für den Fall seiner beispielsweisen Einreise über den internationalen Flughafen Kinshasa mit erheblichen Beeinträchtigungen zu rechnen hätte, habe der Beschwerdeführer nicht konkret aufgezeigt. Eine allgemeine außergewöhnliche extreme Gefahrensituation "in Zaire" liege deshalb nicht flächendeckend vor, weil lediglich einzelne Provinzen von den Bürgerkriegsunruhen intensiv betroffen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde schenkte, wie schon das Bundesasylamt, den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen keinen Glauben. Sie erachtete als erwiesen, dass er entgegen seinen Behauptungen nicht Mitglied der UDPS gewesen sei, und folgerte daraus, dass auch seine Angaben betreffend erlittene Verfolgung nicht der Wahrheit entsprächen. Damit unterscheidet sich die Argumentation der belangten Behörde von jener des Bundesasylamtes, welches die behaupteten Verfolgungshandlungen selbst einer Würdigung unterzog. Insbesondere stellte sie anders als die erste Instanz nicht auf den Untersuchungsbericht der kriminaltechnischen Zentralstelle beim Bundesministerium für Inneres betreffend die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden ab, weshalb der diesen Untersuchungsbericht ansprechende Beschwerdehinweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0087, ins Leere geht.

Zu ihrer Ansicht, der Beschwerdeführer sei nicht Mitglied der UDPS gewesen, gelangte die belangte Behörde aus drei Gründen. Einerseits habe sich der Beschwerdeführer in grober Unkenntnis der Organisationsstruktur der UDPS befunden und sei nicht in der Lage gewesen, die einzelnen Parteiebenen richtig darzustellen und seine eigene subjektive Stellung innerhalb der UDPS nachvollziehbar klar zu legen. Weiters habe er - obwohl nach eigenen Angaben für Öffentlichkeitsarbeit zuständig - über die Printmedienlandschaft seines Heimatlandes nicht Bescheid gewusst und insbesondere die Parteizeitung des Mobutu-Regimes sowie die "de-facto-Parteizeitung" der UDPS nicht anzugeben vermocht. Schließlich habe er bezüglich des Parteiausweises nur allgemeine Angaben machen können, nicht gewusst, dass darauf zwei Artikel des Parteistatuts vermerkt seien, und die aufgedruckte Parole "nicht eindeutig bzw. richtig" wieder gegeben.

Bezüglich aller dieser Punkte ist einleitend anzumerken, dass die belangte Behörde zwar jeweils mit - näher dargestelltem - Faktenwissen zu diesen von ihr aufgeworfenen Fragen operierte, im bekämpften Bescheid jedoch nicht offen legte, wie sie zu ihrem Wissensstand gelangte. Es findet sich lediglich der globale Verweis auf "Heranziehung einschlägiger Länderdokumentationsunterlagen, welche in Kopie dem Akt beigeschlossen sind", doch fehlt eine konkrete Zuordnung, welcher Aspekt jeweils auf welcher spezifischen Erkenntnisquelle gründet. Dies stellt einen Begründungsmangel dar, dem jedoch im vorliegenden Fall deshalb keine Relevanz zukommt, weil die Beschwerde die Richtigkeit jener Fakten, die die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgehalten bzw. die sie dessen Darstellung gegenüber gestellt hat, nicht bestreitet.

Dennoch ist die Beschwerde, die primär die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, im Recht.

Zunächst ist schon die Stichhaltigkeit der drei von der belangten Behörde ins Treffen geführten Argumente gegen die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei Mitglied der UDPS gewesen, zu hinterfragen: Was zunächst die Parteistruktur der UDPS anlangt, so stellte die belangte Behörde auf das ihr "vorliegende" Parteistatut ab, ohne Erwägungen darüber anzustellen, ob das daraus ersichtliche Organisationskonzept ungeachtet der herrschenden notorischen Bürgerkriegssituation auch tatsächlich umgesetzt werde; die Kenntnis einer bloß theoretisch vorgesehenen Parteistruktur wäre vom Beschwerdeführer jedenfalls nicht zwingend zu erwarten. Hinsichtlich des Umstandes, dass der Beschwerdeführer über die Printmedienlandschaft seines Heimatlandes in Unkenntnis war, sei zunächst darauf hingewiesen, dass er sich nie - anders als im bekämpften Bescheid behauptet - als für Öffentlichkeitsarbeit zuständig erklärt hat; vor dem Bundesasylamt umschrieb er seine Tätigkeit mit "Mobilisierung" und "Sensibilisierung", in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde gab er an, als "Sekretär für die Bewusstseinsbildung und Bewegung in der Zone Matete" bzw. als "Parteisekretär für Mobilisation" tätig gewesen zu sein und sich täglich um Informationen umgehört zu haben, die er der Partei bringen könnte. Die von der belangten Behörde konstatierte Unkenntnis über die Printmedienlandschaft wäre davon abgesehen nur wenig aussagekräftig, wenn es - wie in dem im Akt erliegenden Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo des Auswärtigen Amtes Berlin vom 23. März 2000 festgehalten - zuträfe, dass die in Kinshasa erscheinenden Zeitungen in der Regel eine Auflage von unter 1000 Exemplaren(!) aufwiesen. Schließlich trifft es nicht zu, dass der Beschwerdeführer bezüglich des Parteiausweises der UDPS bloß allgemeine Angaben machen konnte, hat er doch im Zuge der mündlichen Verhandlung den aufgedruckten Wahlspruch sinngemäß wiederzugeben vermocht ("Halten wir durch" statt - nach den Unterlagen der belangten Behörde - richtig "Haltet durch").

Die eben dargestellten Einwände gewinnen dadurch zusätzlich an Gewicht, dass der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde selbst einräumt, diverse Kenntnisse über die UDPS betreffende Umstände (z.B. Adresse des Hauptsitzes) aufzuweisen vermochte. Jedenfalls angesichts dieser Ausgangslage hätte die belangte Behörde die Darstellung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt über die ihm konkret widerfahrenen Verfolgungsmaßnahmen in ihre Überlegungen miteinbeziehen müssen und seine Glaubwürdigkeit nicht allein auf Basis seiner Kenntnisse über die UDPS beurteilen dürfen. Dies umso mehr, als die - eingangs auszugsweise wiedergegebenen - Angaben vor dem Bundesasylamt, sieht man von der Schilderung des Fluchtweges ab, einen hinreichend substantiierten und im Wesentlichen widerspruchsfreien Ablauf der Verfolgungsgeschichte des Beschwerdeführers enthalten und überdies mit örtlichen Verhältnissen und Geschehnissen, wie sie sich dem von der belangten Behörde beigelegten Dokumentationsmaterial entnehmen lassen, in Übereinstimmung gebracht werden können. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien in diesem Zusammenhang etwa folgende Passagen aus jenen Berichten (Hervorhebungen nicht im Original) erwähnt:

1. "Am 16. Februar 1992 fand in Kinshasa ein Sternmarsch der Christen statt, der blutig unterdrückt wurde und bei dem zahlreiche Personen verhaftet wurden. ... Nach Auskunft einer vertrauenswürdigen zairischen Menschenrechtsorganisation, die über Kontaktleute im militärischen Geheimdienst verfügt, wurde keiner der am 16. Februar 1992 Verhafteten in den Arrestzellen des SARM verwahrt. Vielmehr sind alle Festgenommenen in die Zellen der Circonscription Militaire de Kinshasa (Circo) ... verbracht worden." ("Asylfact" vom 25. Juni 1995).

Dies entspricht der Darstellung des Beschwerdeführers, der angegeben hat, nach Verhaftung aus Anlass der Demonstration vom 16. Februar 1992 in ein Geheimdienstgefangenenhaus namens "Circo" verbracht worden zu sein.

     2. "Zu den derzeit bekanntesten Arrestzellen (Cachot) in

Kinshasa zählt die Hafteinrichtung der Direktion der

Inlandsabteilung des kongolesischen Nachrichten- und

Sicherheitsdienstes ... in der Nähe des ehemaligen Parlaments

(Palais de la Nation). Neben einem mehrstöckigen

Verwaltungsgebäude befinden sich zwei ebenerdig angelegte,

kleinere Gebäude, die als Cachot genutzt werden. Nach Angaben

einer MRO trägt das eine der Gebäude ... den Namen

'Intercontinental', das andere wird gemeinhin als 'Memling' ...

bezeichnet." (Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo vom 23. März 2000).

Diese Beschreibung korreliert betreffend die Örtlichkeiten mit der Schilderung des Beschwerdeführers über die der Verhaftung eines Abgeordneten am 14. Juli 1998 nachfolgenden Ereignisse.

3. "Eine unabhängige, funktionierende Justiz existiert unter Kabila bislang ebenso wenig wie unter dem Vorgängerregime. Besorgniserregend ist die Struktur und Rechtsprechung des ... eingerichteten Militärgerichtshofs ..., der bereits zahlreiche Todesurteile erlassen hat, die zum Teil auch vollstreckt wurden. Dieser bisher einzige Militärgerichtshof in der Demokratischen Republik Kongo ist der 50. Brigarde der Streitkräfte ... zugeteilt." (Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin, aaO.)

Auch insoweit finden sich die Darstellung des Beschwerdeführers betreffend seine Verhaftung am 15. Oktober 1999 und die darin anschließende Verurteilung durch die Militärs bestätigende Bezugspunkte.

4. "Das ehemalige Zentralgefängnis von Makala war bei Ankunft der AFDL-Truppen vom 17. Mai 1997 in Kinshasa durch die aus diesem Anlass frei gelassenen Häftlinge und durch Anwohner aus der Nachbarschaft vollständig geplündert worden. Nach Abschluss der

ersten Bauphase ... übergab der damalige Justizminister ... diese Hafteinrichtung ... wieder seiner Bestimmung. ... Anders als im Pavillon 8 ... erfolgt ... die Unterbringung der übrigen Häftlinge in drangvoller Enge unter bedenklichen Bedingungen. Nach Mitteilung einer KMRO seien beispielsweise die 22 Zellen des Pavillon 2, bei einer durchschnittlichen Zellengröße von 6 m2, regelmäßig mit bis zu 25 Gefangenen völlig überbelegt. Ebenso seien bei einer Zellengröße von 12 m2 des Pavillon 10 derzeit 480 Häftlinge auf nur 6 Hafträume verteilt untergebracht."

(Bericht des Auswärtigen Amtes Bonn über die asyl- und abschiebungsrelevant Lage in der Demokratischen Republik Kongo vom 7. Mai 1999).

Die in der eben angeschnittenen Passage erwähnte Unterbringung "in drangvoller Enge" lässt - gegebenenfalls - Rückschlüsse auf Haftverhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo zu und steht von daher in Einklang mit den Behauptungen des Beschwerdeführers, er sei jeweils über mehrere Tage hinweg in einer Zelle im Ausmaß von 0,75 m2 bzw. in einem Ausmaß von 1 m2 inhaftiert gewesen.

Die belangte Behörde ist eine Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der vom Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt angegebenen vier Festnahmen bzw. Verurteilungen schuldig geblieben und hat sich ausschließlich auf die Frage einer (führenden) Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der UDPS beschränkt. Im Hinblick auf die dargestellten Erwägungen konnte im vorliegenden Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden, zumal die Frage einer Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der genannten Partei nicht zwingend dergestalt mit seiner Verfolgungsgeschichte in Zusammenhang steht, dass letztere ohne jene Mitgliedschaft nicht stattgefunden haben könnte; der Darstellung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt ist nämlich zu entnehmen, dass seine Inhaftierungen nicht wegen der Parteimitgliedschaft an sich, sondern wegen der Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen erfolgt seien.

Nach dem Gesagten ist der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Im Hinblick darauf konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG die Durchführung der beantragten Verhandlung unterbleiben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Mai 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000010459.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten