Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des BM in W, geboren am 6. Juli 1961, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Oktober 2000, Zl. 200.871/0-V/13/98, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste seinen Angaben zufolge am 25. September 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte in der Folge die Gewährung von Asyl.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 3. Oktober 2000 wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) diesen Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab. Dies begründete die belangte Behörde wie folgt:
Im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 25. Mai 2000 sei versucht worden, die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers näher zu beleuchten. Vorerst sei er zu seiner familiären Situation befragt worden, wobei das "Frage-Antwort-Schema" ergeben habe, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, eindeutige bzw. unzweifelhafte Angaben zu seiner Familie zu machen. "Im weiteren" sei ihm Gelegenheit geboten worden, seinen Ausbildungsstand "inkl. Universitätsstudium sowie seinen beruflichen Werdegang" zu schildern. "Im weiteren" habe der Beschwerdeführer zu seiner politischen Aktivität Stellung genommen und bekräftigt, Mitglied der Oppositionspartei UDPS - in Entsprechung seines erstinstanzlichen Vorbringens als Vorsitzender einer so genannten "Sektion" - gewesen zu sein. Sodann sei versucht worden, das diesbezügliche Sonderwissen des Beschwerdeführers zu erfragen. Letztlich habe er Angaben zu den weiteren ihn betreffenden Ereignissen und insbesondere seiner Haft im so genannten Makala-Gefängnis gemacht.
Die vom Beschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Verfahrens relevierten Umstände bzw. Ereignisse könnten nicht als Sachverhalt festgestellt werden, weil ihm grundsätzlich die persönliche Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei.
Beweis sei erhoben worden durch Einsichtnahme in das erstinstanzliche Aktenkonvolut unter besonderer Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, durch seine niederschriftliche Einvernahme vor der Berufungsbehörde sowie durch Berücksichtigung der von ihm vorgelegten weiteren Unterlagen und durch Heranziehung einschlägiger Länderdokumentationsunterlagen.
Da die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstelle, müssten seine Angaben bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden.
Eine Aussage sei grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren, wenn das Vorbringen des Asylwerbers hinreichend substantiiert sei; er sohin in der Lage sei, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters müsse das Vorbringen plausibel sein, dh. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Diese Voraussetzung sei u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Ausführungen des Asylwerbers zu den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland bzw. zu als notorisch zu qualifizierenden Umständen in Widerspruch stünden. Eine grobe Unkenntnis über notorische Tatsachen oder über Umstände, welche dem Antragsteller - gemäß seinem Alter, seinem Bildungsgrad und seiner sozialen und kulturellen Herkunft - bekannt sein müssten, indiziere grundsätzlich die Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens. Weiters schienen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildere oder sich auf Gemeinplätze beschränke. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage sei, dass die Angaben in sich schlüssig seien; der Asylwerber dürfe sich nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen. Letztlich müsse er bei einer Gesamtbetrachtung aller für die Entscheidung heranzuziehenden Beweismittel persönlich glaubwürdig sein. Wesentliche Indizien dafür, dass die Angaben des Asylwerbers nicht der Wirklichkeit entsprächen, seien die Vorlage gefälschter oder verfälschter Beweismittel, aber auch die Tatsache, dass er wichtige Tatsachen im Zuge seiner Aussage verheimlicht oder bewusst falsch dargestellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen ausgewechselt oder unbegründet und verspätet Argumente "nachgeschoben" oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf gezeigt bzw. die nötige Mitwirkung verweigert habe.
Dem Beschwerdeführer sei es im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht möglich gewesen, glaubhaft den Eindruck zu erwecken, dass seine Angaben den Tatsachen bzw. der Wirklichkeit entsprächen. Umstände bzw. Argumente, welche die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bzw. die seiner gemachten Angaben indizieren könnten, seien auch im Rahmen der Berufung nicht ins Treffen geführt worden. Das "Gesamtbild" der Antworten bzw. Ausführungen des Beschwerdeführers sowohl zu seiner familiären Situation als auch zu seinen angeblichen politischen Aktivitäten hätten die belangte Behörde zu dem Schluss kommen lassen, dass ihm jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzuerkennen sei. Hiezu sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer weder die Anzahl seiner Geschwister noch auch deren Namen überzeugend darzulegen im Stande gewesen sei. Die hiefür gebotenen Rechtfertigungsversuche hätten nicht von der grundsätzlichen Richtigkeit seiner Darstellung zu überzeugen vermocht. Auch die Angaben zu seiner höheren Schulbildung und im Hinblick auf seine Kinder hätten nicht vom Wahrheitsgehalt seiner grundsätzlichen Angaben überzeugen können. Da der Beschwerdeführer sein Asylvorbringen und seine Furcht vor Verfolgung zentral auf seine vormalige politische Tätigkeit für die größte Oppositionspartei der Demokratischen Republik Kongo gestützt habe, sei weiters versucht worden, Licht in seine politischen Aktivitäten zu bringen. Die diesbezügliche Befragung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bzw. jedenfalls nicht in dem von ihm angegebenen Rang bzw. der von ihm zitierten Funktion (an wichtiger Stelle) tätig gewesen sei. Auf Grund seines als hoch zu bezeichnenden Bildungsstandes wäre vom Beschwerdeführer zu erwarten gewesen, dass er detaillierte Angaben zu seiner politischen Tätigkeit bzw. über die Struktur der UDPS machen könne. Er habe vor der Berufungsbehörde zentral zu Protokoll gegeben, Vorsitzender oder Präsident einer "Sektion" der UDPS in Kinshasa gewesen zu sein, weshalb davon auszugehen gewesen sei, dass er Grundsätzliches über die Parteigliederung bzw. die verschiedenen Funktionsebenen wisse. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass der Beschwerdeführer "gänzlich nichts über die Parteigliederung der UDPS wusste. So wäre dem Antragsteller jedenfalls das diesbezügliche Sonderwissen zusinnbar gewesen, dass die Parteiebenen unterhalb der Sektion als 'Subsektion', 'Zelle' und 'Subzelle' eingerichtet sind". Da das Vorbringen des Beschwerdeführers zentral auf seiner politischen Tätigkeit und daraus abgeleitet seinen Problemen mit staatlichen Behörden fuße, seinem Vorbringen zu seiner politischen Tätigkeit jedoch gänzlich kein Glauben habe geschenkt werden können, sei schlüssig davon auszugehen gewesen, dass auch "das sich daraus aufbauende Vorbringen" nicht den Tatsachen entspreche und der Beschwerdeführer sich tatsächlich niemals im Gefängnis befunden habe bzw. er auch pro futuro nicht wegen seiner angeblichen politischen Aktivitäten mit massiven Verfolgungshandlungen zu rechnen habe. Selbst eine allfällig sich bei weiterer behördlicher Ermittlungstätigkeit herausstellende Kenntnis der wahren Gegebenheiten bzw. örtlichen Umstände im Makala-Gefängnis hätte kein taugliches Indiz dafür liefern können, dass der Beschwerdeführer tatsächlich pro futuro mit Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung bzw. wegen seiner politischen Tätigkeit rechnen müsste.
Da die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ein Essentiale darstelle, er den allgemeinen Glaubwürdigkeitskriterien jedoch bei weitem nicht zu entsprechen im Stande gewesen sei, habe seine Flüchtlingseigenschaft nicht festgestellt werden können und sei die Gewährung von Asyl zu versagen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:
Nach den §§ 58 Abs. 2 und 60 iVm § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E 8. zu § 67 AVG und E 1. bis 9. zu § 60 AVG nachgewiesene hg. Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0179).
Im vorliegenden Fall ist klar, dass die belangte Behörde den Ausführungen des Beschwerdeführers zu seiner Fluchtgeschichte keinen Glauben schenkte und eine entsprechende "Negativ-Feststellung" traf. Welche Erwägungen sie zu diesem Ergebnis führten, ist für den Verwaltungsgerichtshof indes nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hat ein umfangreiches detailliertes Vorbringen über eine auf politischen Gründen fußende Verfolgung erstattet, dabei insbesondere auf drei datumsmäßig und örtlich präzisierte Festnahmen verwiesen, und zum Beweis seines Vorbringens seiner Mitgliedschaft bei der UDPS zwei diese Mitgliedschaft bestätigende Schreiben sowie eine Mitgliedskarte vorgelegt. Im bekämpften Bescheid wird zwar ausgeführt, es sei (ua.) "unter besonderer Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Antragstellers ... sowie durch Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgelegten weiteren Unterlagen" Beweis erhoben worden, die darauf gegründeten beweiswürdigenden Erwägungen werden jedoch in keiner Weise offen gelegt. Argumentiert wird nur damit, dass sich der Beschwerdeführer nicht in der Lage gezeigt habe, eindeutige bzw. unzweifelhafte Angaben zu seiner Familie zu machen, dass auf Grund des "Gesamtbildes" der gegebenen Antworten sowohl zur familiären Situation als auch zu angeblichen politischen Aktivitäten jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzuerkennen gewesen sei, dass der Beschwerdeführer weder die Anzahl seiner Geschwister noch deren Namen überzeugend habe darlegen können und dass die Ausführungen zu einer höheren Schulbildung sowie im Hinblick auf die Kinder nicht vom Wahrheitsgehalt der grundsätzlichen Angaben des Beschwerdeführers hätten überzeugen können. Was damit jeweils im Einzelnen gemeint ist, legt der bekämpfte Bescheid nicht dar. Allenfalls lassen sich auf Grund der Niederschrift über die vor der belangten Behörde abgeführte Verhandlung vom 25. Mai 2000 Mutmaßungen darüber anstellen, doch vermögen solcherart ableitbare Schlussfolgerungen eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung nicht zu substituieren.
Einzig näher begründet ist der Hinweis, dass der Beschwerdeführer nichts über die Parteigliederung der UDPS gewusst habe, was jedoch - so die belangte Behörde - einerseits angesichts seines "als hoch zu bezeichnenden Bildungsstandes" und andererseits auf Grund der behaupteten Funktion in der UDPS (Vorsitzender oder Präsident einer "Sektion") zu erwarten gewesen wäre; es wäre ihm jedenfalls "zusinnbar gewesen" (d.h. er hätte wissen müssen, habe es jedoch nicht gewusst), dass die Parteiebenen unterhalb der Sektion als "Subsektion", "Zelle" und "Subzelle" eingerichtet seien. Ohne auf diese Erwägung näher einzugehen, sei nur darauf hingewiesen, dass sie insoweit widersprüchlich ist, als sie auch mit den Angaben des Beschwerdeführers über seinen Bildungsstand operiert, obwohl dazu an anderer Stelle ausgesprochen worden ist, dass die diesbezüglichen Angaben zu einer höheren Schulbildung nicht den Tatsachen entsprechen. Es trifft auch nicht zu, dass sich der Beschwerdeführer schon in erster Instanz als Vorsitzender einer "Sektion" der UDPS bezeichnet habe, vielmehr ist in der Niederschrift über seine Einvernahme vom 28. September 1995 festgehalten, dass er "Präsident der UDPS für die Zelle PINZI in der Zone KALAMU II" sei.
Jedenfalls blendet die belangte Behörde das konkrete Vorbringen zur Fluchtgeschichte und die zum Beweis der Mitgliedschaft bei der UDPS vorgelegten Urkunden in ihrer Begründung zur Gänze aus, sie lässt auch nicht näher erkennen, inwieweit die von ihr allgemein dargestellten Überlegungen zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens im konkreten Fall dafür Anlass geboten haben, die Angaben des Beschwerdeführers für wahrheitswidrig zu erachten. Zusammenfassend ist dem bekämpften Bescheid damit anzulasten, dass er keine substanzielle Beweiswürdigung enthält, die auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft werden könnte. Er leidet daher an einem Begründungsmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Mai 2001
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000010475.X00Im RIS seit
17.07.2001