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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1976 §3 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde
1) des Ing. Peter Gartlgruber, 2) der Patrizia Gartlgruber, beide in Wien, vertreten durch Rechtsanwälte Biel & Partner KEG, in Wien I., Rauhensteingasse 1, gegen den Gemeinderat der Gemeinde Zwölfaxing, vertreten durch Dr. Rolf und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in 2320 Schwechat, Bruck-Hainburger Straße 7, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 letzter Satz VwGG iVm § 73 Abs. 2 AVG wird der Antrag der Beschwerdeführer vom 6. März 1996 auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einfriedung und Sat-Anlage auf dem Grundstück Nr. 632 der Liegenschaft EZ. 521, KG Zwölfaxing, gemäß § 98 Abs. 2 Niederösterreichische Bauordnung 1976 abgewiesen.
Die Gemeinde Zwölfaxing hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 6. März 1996 beantragten die Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Vorlage der Einreichpläne und eines Grundbuchsauszuges die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einfriedung und Sat-Anlage auf dem im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Grundstück.
Das zur Bebauung vorgesehene Grundstück lag nach dem bestehenden örtlichen Raumordnungsprogramm (Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan) der Gemeinde Zwölfaxing im Bauland-Wohngebiet
(BW).
Mit Schreiben vom 11. Juni 1996 teilte der Bürgermeister der Gemeinde Zwölfaxing den Beschwerdeführern mit, dass auf dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück "derzeit eine Bausperre besteht und die Bauverhandlung erst nach deren Aufhebung durchgeführt werden kann".
Dem unstrittigen Vorbringen in der Beschwerde zufolge (§ 38 Abs. 2 VwGG) hat der Bürgermeister über das Bauansuchen nicht entschieden. Die Beschwerdeführer stellten daher am 27. April 1999 einen Devolutionsantrag, über welchen die belangte Behörde nicht entschieden hat.
Die Verletzung der Entscheidungspflicht über den gestellten Devolutionsantrag machen die Beschwerdeführer mit der vorliegenden, am 10. November 1999 zur Post gegebenen und am 11. November 1999 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde geltend.
Nachdem die belangte Behörde mit Berichterverfügung vom 2. Dezember 1999 gemäß § 36 Abs. 2 VwGG unter Zustellung der Beschwerdeschrift aufgefordert worden war, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen, legte die belangte Behörde mit ihrem Schriftsatz vom 13. Jänner 2000 Aktenteile des Verwaltungsverfahrens mit der Erklärung vor, dass und weshalb eine fristgerechte Bescheiderlassung nicht möglich gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:
Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann gemäß § 27 Abs. 1 VwGG in seiner zum Zeitpunkt des Einlangens der vorliegenden Säumnisbeschwerde geltenden Fassung erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Gegenstand der behördlichen Entscheidungspflicht war im Beschwerdefall der Devolutionsantrag der Beschwerdeführer an die belangte Behörde vom 27. April 1999. Da die belangte Behörde hierüber innerhalb der im § 27 VwGG normierten Frist keine Erledigung getroffen hat, war die Säumnisbeschwerden als zulässig anzusehen.
In der dem Verwaltungsgerichtshof nach § 42 Abs. 4 Satz 2 VwGG obliegenden Entscheidung in der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof, weil die von ihm zu entscheidende Sache in der Erledigung des von der belangten Behörde unerledigten Devolutionsantrages besteht, in eine Prüfung dieses Devolutionsantrages nach der zum Zeitpunkt seiner Einbringung bei der belangten Behörde maßgebenden Sach- und Rechtslage (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1997, 97/05/0196, vom 19. Dezember 1996, 95/19/1837, und vom 26. März 1996, 95/19/1047, je mit weiteren Nachweisen) einzutreten und deshalb die Bestimmung des § 73 AVG in der Fassung der AVG-Novelle, BGBl. I Nr. 158/1998, anzuwenden.
Nach § 73 Abs. 1 AVG in der genannten Fassung sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht nach dem zweiten Absatz des genannten Paragraphen auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über. Ein solcher Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Der Devolutionsantrag der Beschwerdeführer war nach Ablauf der Frist des § 73 Abs. 1 AVG gestellt worden. Ein Grund zur Abweisung des Devolutionsantrages nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG kann der Aktenlage nicht entnommen werden, vielmehr lässt das Verhalten der belangten Behörde erkennen, dass sie eine Entscheidung über diesen Antrag bzw. über das diesem zugrunde liegende Baugesuch nicht erlassen wollte.
Damit hat der Verwaltungsgerichtshof über das Baugesuch der Beschwerdeführerin in der Sache zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in folgende Urkunden:
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Zwölfaxing, Tagesordnungspunkt 3 vom 11. Jänner 1999, beschlossen am 22. Dezember 1998, GZ. 031-2-14/98;
Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. November 1999, RU1-R-746/018;
Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Zwölfaxing vom 22. Jänner 2001, GZ. 031-2-84/01, mit folgenden in Kopie angeschlossenen Beilagen:
a)
Flächenwidmungsplan vor Bausperre
b)
Flächenwidmungsplan nach Bausperre
c)
Flächenwidmungsplan über Bausperre samt Verordnung und Motivenbericht;
Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Zwölfaxing vom 29. März 2001, GZ. 031-2-334/01, mit folgenden in Kopie angeschlossenen Beilagen:
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Zwölfaxing, beschlossen in der Sitzung des Gemeinderates vom 24. Jänner 1996, G. Z. 031-2-92/96;
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Zwölfaxing, beschlossen in der Sitzung vom 16. Dezember 1997, GZ. 031-2-1.315/97;
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Zwölfaxing, beschlossen in der Sitzung vom 22. Dezember 1999, vom 23. Dezember 1999, GZ. 031-2-1998.
Den Beschwerdeführern wurde mit hg. Aufforderungsschreiben vom 6. April 2001 die Möglichkeit zur Akteneinsicht und zur Stellungnahme eingeräumt.
In ihrem Schriftsatz vom 24. April 2001 äußerten sich die Beschwerdeführer dahingehend, dass sich der auf Grund der vorgelegten Urkunden mitgeteilte Sachverhalt mit den den Beschwerdeführern zur Kenntnis gelangten Informationen decke und daher die Schaffung der Aufschließungszone ein Jahr nach Ablauf der dreijährigen Bausperre erfolgt sei. Während dieses gesamten Jahres hätte daher dem Ansuchen der Beschwerdeführer um Baugenehmigung stattgegeben werden müssen.
Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen:
In seiner Sitzung vom 24. Jänner 1996 hat der belangte Gemeinderat zu GZ. 031-2-92/96 unter Tagesordnungspunkt 15 nachstehende Verordnung beschlossen:
"§ 1 Auf Grund des § 23, NÖ Raumordnungsgesetz, LGBl. 8000- 10, wird eine Bausperre laut beiliegender Plandarstellung (durch rote Signatur dargestellt) erlassen.
§ 2 Die Plandarstellung, welche mit einem Hinweis auf diese Verordnung versehen ist, liegt im Gemeindeamt während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht auf.
§ 3 Diese Verordnung tritt am 25. Jänner 1996 in Kraft."
Diesem Gemeinderatsbeschluss lag eine fachkundige Stellungnahme des Architekten Dipl. -Ing. Josef H. vom 24. Jänner 1996 zu Grunde, in welcher folgende "Grundlagen" festgehalten sind:
"Laut Schreiben des Amtes der NÖ Landesregierung R/1-R- 746/013 vom 31. Mai 1995 wurde bekanntgegeben, dass laut Bodenluftuntersuchungen aus der ehemaligen Deponie Gase entweichen. Weiters wird nicht ausgeschlossen, dass diese Deponiegase auf Grund von horizontalen Schichtungen auch in jene westlich angrenzenden Bereiche einsickern können, welche im Flächenwidmungsplan bereits als Bauland Wohngebiet rechtswirksam gewidmet sind.
Demnach wäre nach dem Gutachten des befassten Sachverständigen für Deponietechnik dieser Bereich als Wohngebiet nicht geeignet und sollte eine Bebauung von der Baubehörde verhindert werden.
Die Gemeindevertretung beabsichtigt, Ausmaß und Einflussbereich der Deponiegase festzustellen. Damit soll gleichzeitig festgestellt werden, welche Tatsachen die Grundlage für die Flächenwidmung in diesem Bereich ganz wesentlich ändern."
Das vom gegenständlichen Antrag der Beschwerdeführer betroffene Grundstück war von dieser Bausperre erfasst.
In seiner Sitzung vom 16. Dezember 1997 verordnete der belangte Gemeinderat unter Tagesordnungspunkt 2 zu GZ. 031-2- 1.315/97 gemäß § 23 Abs. 2 NÖ Raumordnungsgesetz, LGBl. 8000-11, die Verlängerung dieser Bausperre für ein Jahr. Gemäß § 3 trat diese Verordnung am 25. Jänner 1998 in Kraft.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Zwölfaxing vom 31. November 1998 erging folgende, am 4. November 1998 abgefertigte, Mitteilung an die betroffene Bevölkerung:
"Es wird beabsichtigt, das örtliche Raumordnungsprogramm (den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan) der Gemeinde Zwölfaxing zu ändern.
In diesbezügliche Planunterlagen kann bis einschließlich 15. Dezember 1998 während der Amtsstunden im Gemeindeamt Einsicht genommen werden.
Folgende Änderungen des Flächenwidmungsplanes sind vorgesehen :
a) Feldstraße O. Nr. 35 bis 83: Festlegung einer Aufschließungszone zwischen Feldstraße und geplanter Verlängerung der Anton Jäger-Straße sowie ca. 55 m in westlicher Richtung.
(...)
Bei den Änderungen des Bebauungsplanes handelt es sich im Wesentlichen um Anpassungen an den Flächenwidmungsplan."
In seiner Sitzung vom 22. Dezember 1999 hat der belangte Gemeinderat zu GZ. 031-2-1998 unter Tagesordnungspunkt 3. a) folgende Verordnung beschlossen:
"§ 1 Auf Grund des § 22, Abs. (1) des NÖ Raumodnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-11 wird das örtliche Raumordnungsprogramm dahingehend geändert, dass für die auf der hiezu gehörigen Plandarstellung rot umrandeten Grundflächen in der Katastralgemeinde Zwölfaxing die auf der Plandarstellung durch rote Signatur dargestellte Widmungs- bzw. Nutzungsart festgelegt wird.
§ 2 Die Plandarstellung, welche mit einem Hinweis auf diese Verordnung versehen ist, liegt im Gemeindeamt Zwölfaxing während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht auf.
§ 3 Als Voraussetzung für die Freigabe der Aufschließungszone wurden folgende Bedingungen festgelegt:
Die Aufschließungszone BW-A1 wird ganz oder für Teilbereiche freigegeben, wenn sichergestellt ist, dass für die betreffenden Bereiche keine Gefährdung durch Deponiegase besteht. Diese Sicherstellung kann entweder durch Abschluss der laufenden Untersuchungen für den gesamten Bereich geliefert werden, oder aber auch im Einzelfall für Teilbereiche durch Privatinitiativen beigebracht werden (Gutachten eines befugten Ziviltechnikers oder eines autorisierten Institutes).
Die NÖ Landesregierung hat diese Verordnung gemäß § 21, Abs. 6 und 9 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1, mit Bescheid vom 26. November 1999, Zl. RU1-R-746/018, genehmigt.
Diese Verordnung tritt gemäß § 59, Abs. 1 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-10, am 7. Jänner 2000 in Kraft."
Diese Verordnung wurde am 23. Dezember 1999 an der Amtstafel der Gemeinde angeschlagen, und der Anschlag am 11. Jänner 2000 abgenommen.
Dieser Sachverhalt beruht auf den vorliegenden - unbestritten gebliebenen - Urkunden, deren Richtigkeit anzuzweifeln kein Anhaltspunkt besteht.
In rechtlicher Hinsicht folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:
Auszugehen ist davon, dass das im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist, sofern in den Übergangsbestimmungen der anzuwendenden Normen nichts anderes bestimmt ist oder der Regelungstatbestand der Norm, um deren Anwendung es geht, auf einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum abstellt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 412 referierte hg. Rechtsprechung).
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung 1996 sind die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes (d. i. gemäß § 78 Abs. 1 leg. cit. der 1. Jänner 1997) anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.
Ein Verfahren ist als anhängig zu beurteilen, wenn - wie im Beschwerdefall - über einen gestellten Antrag noch nicht entschieden worden ist. Da der hier in der Sache zu beurteilende Baubewilligungsantrag der Beschwerdeführer vor dem 1. Jänner 1997 bei der Baubehörde erster Instanz eingebracht worden ist, hat der Verwaltungsgerichtshof die Verwaltungsrechtssache nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (BO) in der Fassung vor deren außer Kraft treten (§ 78 Abs. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996) zu beurteilen.
Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 BO bedürfen Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden einer Bewilligung der Baubehörde.
Bei Anträgen gemäß § 92 BO hat gemäß § 98 Abs. 1 lit. a bis c leg. cit. die Baubehörde zu prüfen, ob dem Vorhaben der Flächenwidmungsplan oder der Bebauungsplan oder eine Bausperre entgegensteht.
Ein Baubewilligungsantrag ist ohne Bauverhandlung abzuweisen, wenn er der Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart im Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht (§ 98 Abs. 2 BO).
Gemäß § 16 Abs. 4 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG 1976), LGBl 8000-0 in der Fassung der Novelle LGBl 8000-13, kann zur Sicherung einer geordneten Siedlungsentwicklung sowie zur Sanierung und/oder Sicherung von Altlasten bzw. Verdachtsflächen das Bauland in verschiedene Aufschließungszonen unterteilt werden, wenn zugleich im örtlichen Raumordnungsprogramm sachgerechte Voraussetzungen für deren Freigabe festgelegt werden. Als derartige Voraussetzungen kommen die Bebauung von Baulandflächen mit gleicher Widmungsart zu einem bestimmten Prozentsatz, die Fertigstellung oder Sicherstellung der Ausführung infrastruktureller Einrichtungen sowie von Lärmschutzbauten und dergleichen in Betracht. Eine fehlende Standorteignung gemäß § 15 Abs. 3 kann - ausgenommen Altlasten und Verdachtsflächen - durch Freigabevoraussetzungen nicht ersetzt werden.
Die Freigabe erfolgt gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen durch Verordnung des Gemeinderates nach Maßgabe der Bestimmungen der NÖ Bauordnung, LGBl 8200.
Gemäß § 3 Abs. 3 BO wird der Zeitpunkt des Beginnes der Abteilung und Bebauung von Grundstücken in allfälligen Aufschließungszonen nach Eintritt der im örtlichen Raumordnungsprogramm festgelegten Voraussetzungen vom Gemeinderat durch Verordnung bestimmt.
Bis zur Freigabe einer Bauland-Aufschließungszone mit einer Verordnung nach § 3 Abs. 3 BO steht ein Bauvorhaben auf einem darin gelegenen Grundstück in Widerspruch zu dieser Gesetzesbestimmung. Einem Bauvorhaben in einer noch nicht freigegebenen Bauland-Aufschließungszone ist demnach die Baubewilligung zu versagen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0221, Bau Slg Nr. 271, sowie vom 19. Mai 1998, Zl. 98/05/0029).
Das von den Beschwerdeführern beantragte Bauvorhaben soll auf einem Grundstück errichtet werden, das (nunmehr) in einer noch nicht freigegebenen Aufschließungszone im Sinne der oben dargestellten Rechtslage liegt. Der Antrag der Beschwerdeführer war daher gemäß § 98 Abs. 2 BO abzuweisen.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführer, es sei im Beschwerdefall jenes Raumordnungskonzept der Entscheidung zugrunde zu legen, das im Zeitpunkt der Antragstellung (März 1996) gültig war, kommt keine Berechtigung zu. Die Beschwerdeführer begründen ihre Rechtsansicht damit, dass die Aufschließungszone ein Jahr nach Ablauf der dreijährigen Bausperre geschaffen worden sei. Die vor der Kundmachung der Änderung des Raumordnungskonzeptes bereits anhängigen Bewilligungsansuchen würden durch diese Änderung nicht berührt.
Die von den Beschwerdeführern erwähnte Bausperre, welche sich auch auf das vom Baubewilligungsantrag betroffene Grundstück bezogen hat, stützte der belangte Gemeinderat in seiner Verordnung vom 24. Jänner 1996 auf § 23 NÖ ROG 1976, LGBl 8000-10, die Verlängerung dieser Bausperre auf Grund der Verordnung vom 16. Dezember 1997 auf § 23 Abs. 2 NÖ ROG 1976, LGBl 8000-11.
Gemäß § 23 Abs. 1 1. Satz NÖ ROG 1976 in der vorzitierten Fassung kann der Gemeinderat, sofern die Aufstellung oder Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes beabsichtigt ist, unter Darstellung der anzustrebenden Ziele, durch Verordnung eine Bausperre erlassen.
Die Bausperre tritt gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, wenn sie nicht früher aufgehoben wird, zwei Jahre nach ihrer Kundmachung außer Kraft. Sie kann vor Ablauf dieser Frist einmal für ein Jahr verlängert werden.
Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen leiden Bescheide, welche dem Zweck einer Bausperre zuwiderlaufen, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.
Verfahren, die im Zeitpunkt der Kundmachung der Bausperre bereits anhängig waren, werden gemäß Abs. 4 dieser Gesetzesstelle nicht berührt.
Die mit Verordnung des belangten Gemeinderates vom 24. Jänner 1996 erlassene Bausperre trat am 25. Jänner 1996 in Kraft und wäre gemäß § 23 Abs. 2 1. Satz NÖ ROG 1976 spätestens am 24. Jänner 1998 außer Kraft getreten. Auf Grund der Verordnung des vorgenannten Gemeinderates vom 16. Dezember 1997 verlängerte sich jedoch die Bausperre gemäß § 23 Abs. 2 2. Satz NÖ ROG 1976 mangels früherer Aufhebung bis 24. Jänner 1999. Der vorliegende Baubewilligungsantrag der Beschwerdeführer vom 6. März 1996 wurde demnach im zeitlichen und örtlichen Geltungsbereich dieser Bausperre bei der Baubehörde eingereicht. § 23 Abs. 4 NÖ ROG 1976 war von den Baubehörden nicht anzuwenden, vielmehr stand dem Bauvorhaben der Beschwerdeführer die Bausperre entgegen und es hätten die Baubehörden - bei fristgerechter Erledigung (siehe § 118 Abs. 2 BO) - im Hinblick auf die Anordnung des § 8 Abs. 1 lit. c BO die Bausperre im Sinne des § 23 Abs. 3 NÖ ROG 1976 bei ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen.
Während aufrechter Bausperre wurde der Entwurf der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes kundgemacht.
Gemäß § 22 NÖ ROG 1976 darf unter den im Abs. 1 dieses Paragraphen genannten Tatbestandsvoraussetzungen das örtliche Raumordnungsprogramm abgeändert werden.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle werden Verfahren, die vor der Kundmachung des Entwurfes der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (§ 21 Abs. 1) bereits anhängig waren, durch die Änderung nicht berührt.
Für das Verfahren gelten gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle die Bestimmungen des § 21 sinngemäß.
Gemäß § 21 Abs. 1 NÖ ROG 1976 ist der Entwurf des örtlichen Raumordnungsprogrammes vor Erlassung der Verordnung durch sechs Wochen im Gemeindeamt (Magistrat) zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflegung ist öffentlich kundzumachen.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die in den Gemeinden vorhandenen Haushalte über die Auflage durch eine ortsübliche Aussendung zu informieren. Die davon betroffenen Grundeigentümer sind zusätzlich zu verständigen.
Wie der vorgelegten Mitteilung des Bürgermeisters der Gemeinde Zwölfaxing vom 3. November 1998 zu entnehmen ist, wurden die Haushalte und die betroffenen Grundeigentümer im Sinne des § 21 Abs. 2 NÖ ROG 1976 informiert bzw. verständigt, und der Entwurf der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes noch vor Ablauf der verlängerten Bausperre zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Dass bei Durchführung des Verfahrens nach § 22 NÖ ROG 1976 die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten worden wären, ist im Beweisverfahren nicht hervorgekommen. Auch die Beschwerdeführer haben solches nicht aufgezeigt, vielmehr gehen sie in ihrer Stellungnahme vom 24. April 2001 selbst vom nunmehrigen Bestehen einer Aufschließungszone und damit von einem mit Verordnung des belangten Gemeinderates vom 22. Dezember 1999 beschlossenen geänderten örtlichen Raumordnungsprogramm aus. Dieses ist der vorliegenden Entscheidung zu Grunde zu legen, weil § 22 Abs. 2 NÖ ROG 1976 nicht die Anwendbarkeit des nach Einleitung eines Baubewilligungsverfahrens geänderten Raumordnungsprogrammes verhindert, vielmehr die Änderung eines geänderten Raumordnungsprogrammes anhängige Verfahren nur dann nicht berührt, wenn diese Verfahren "vor der Kundmachung des Entwurfes der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (§ 21 Abs. 1 NÖ ROG 1976)" bereits anhängig waren.
Dies trifft im Beschwerdefall zwar ebenfalls zu, doch war der Entwurf der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (hier:
betreffend die Flächenwidmung des maßgeblichen Gebietes von Bauland in Bauland-Aufschließungszone) schon während aufrechter Bausperre im Sinne des § 23 NÖ ROG 1976 kundgemacht. Für das hier zu beurteilende Bauvorhaben der Beschwerdeführer stand daher der Erteilung der beantragten Baubewilligung zunächst die Bausperre entgegen; nach in Kraft treten des geänderten Raumordnungsprogrammes, deren angestrebten Ziele mit der Bausperre gesichert werden sollten, hindert aber die fehlende Freigabe der Aufschließungszone im Sinne des § 3 Abs. 3 BO eine Bebauung des betreffenden Grundstückes. Beachtet man den Zweck der Bestimmung des § 22 Abs. 2 NÖ ROG 1976, der in der Stärkung des Vertrauens in die Rechtswirksamkeit der einzelnen Festlegungen im Flächenwidmungsplan liegt (siehe hiezu auch Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 5. Auflage, Seite 694, Anm. 7 zu § 22 NÖ ROG 1976), somit einerseits den Bauwerber davor schützen soll, dass ein schon zur baubehördlichen Bewilligung eingereichtes Bauvorhaben durch eine Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes vor der Entscheidung über seinen Antrag vereitelt wird, andererseits aber auch die Gemeinde davor geschützt werden soll, dass die beabsichtigte Änderung durch die Einreichung eines Bauvorhabens, das der beabsichtigten Festlegung nicht entspricht, bei der Baubehörde vor ihrem Inkrafttreten unterlaufen wird (siehe hiezu die bei Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Auflage, auf Seite 104 zur vergleichbaren Regelung des § 8 Abs. 3 BO wiedergegebenen Erläuterungen zum Gesetzestext), so hat es im Beschwerdefall bei der grundsätzlichen Regelung zu bleiben, wonach das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist. Denn schon mit der Bausperre wurden eben diese Ziele angestrebt, die in der Folge durch die beschlossene Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes verwirklicht worden sind. Da die Bausperre aber vor Einleitung des gegenständlichen Baubewilligungsverfahrens anhängig war, mussten die Beschwerdeführer diese gegen sich gelten lassen. Mit der Änderung des hier maßgeblichen örtlichen Raumordnungsprogrammes wurde das Vertrauen der Beschwerdeführer, das mit der Regelung des § 22 NÖ ROG 1976 geschützt werden soll, nicht verletzt, weil sie schon durch die im Zeitpunkt der Einleitung des Baubewilligungsverfahrens geltende Bausperre nicht mehr davon ausgehen konnten, dass die Flächenwidmung Bauland-Wohngebiet für das zu bebauende Grundstück (jedenfalls) gilt, und durch die Kundmachung des Entwurfes der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes während aufrechter Bausperre die dadurch bewirkte Rechtsstellung der Beschwerdeführer keine Änderung erfahren hat. Diese Rechtsauffassung wird durch folgende weitere Überlegung erhärtet: Hätten die Beschwerdeführer ihr Bauansuchen erst nach außer Kraft treten der Bausperre eingebracht, wäre dieses ebenfalls gemäß § 98 Abs. 2 BO abzuweisen gewesen, weil diesfalls der Entwurf der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bereits vor Einleitung des Baubewilligungsverfahrens bereits kundgemacht gewesen wäre und daher die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 2 NÖ ROG 1976 betreffend die maßgebliche Rechtslage nicht zur Anwendung käme. Dass die Behörden keine Entscheidung zwischen außer Kraft treten der Bausperre und in Kraft treten des geänderten örtlichen Raumordnungsprogrammes erlassen haben, ändert an diesem Ergebnis nichts. Gegen Verfahrensverzögerungen stehen zwar die Rechtsbehelfe der Devolution (§ 73 Abs. 2 AVG) bzw. der Säumnisbeschwerde (Art. 132 B-VG) zur Verfügung, in der Sache selbst ist jedoch nach der jeweils maßgeblichen Rechtslage zu entscheiden.
Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf die Bestimmung des § 55 Abs. 1 Satz 1 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; der Anwendung des § 55 Abs. 1 VwGG entgegenstehende Umstände im Sinne des zweiten und dritten Absatzes dieses Paragraphen liegen nicht vor.
Wien, am 22. Mai 2001
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3Baubewilligung BauRallg6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999050244.X00Im RIS seit
17.07.2001Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009