Index
L37129 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Wien;Norm
BStG 1948 §28 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden der HUMANA Verein zur Förderung notleidender Menschen in der Dritten Welt in Wien XXIII, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl Rechtsanwälte OEG, in Wien I, Bauernmarkt 2, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien je vom 10. März 1999, Zlen. UVS-02/A/11/00026/98, (hg. Zl. 99/05/0102), und UVS-02/A/11/00032/98, (hg. Zl. 99/05/0103), betreffend Zurückweisung von Beschwerden in einer Angelegenheit behaupteter rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz, zu Recht erkannt.
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 30.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der beschwerdeführende Verein - eine karitative Organisation - betreibt zur Finanzierung seiner Vereinsziele u. a. das Sammeln von Alttextilien. Mit Duldung der Stadt Wien stellte er dazu seit ca. zehn Jahren innerhalb des Gebietes der Gemeinde Wien über 140 Alttextil-Sammelbehälter mehrheitlich auf öffentlichem Gut auf. Einige Sammelbehälter befanden sich auf nicht dem dem Gemeingebrauch gewidmeten Gemeindegrund, ein weiterer Sammelbehälter war auf einer im Eigentum der Post und Telekom Austria AG stehenden Grundfläche aufgestellt. Für die auf öffentlichem Gut aufgestellten Sammelbehälter existiert für die Benutzung von Straßengrund keine schriftliche Vereinbarung zwischen der beschwerdeführenden Partei und der Stadt Wien. Bewilligungen in Bescheidform gemäß den §§ 1 und 2 des Wiener Landesgesetzes über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür (Gebrauchsabgabegesetz 1966; im Folgenden: GAG) liegen offenbar nicht vor.
Der Magistrat der Stadt Wien (MA 48) ließ am 31. Jänner 1998 und am 1. Februar 1998 138 im Gemeindegebiet der Stadt Wien aufgestellte Alttextil-Sammelbehälter entfernen. Die Behälter befanden sich mehrheitlich auf öffentlichem Gut. Es wurden aber auch Sammelbehälter entfernt, die sich auf nicht im Gemeingebrauch stehenden Gemeindegrund befanden, und es wurde auch ein Sammelbehälter entfernt, der auf dem Grundstück der Post und Telekom Austria AG aufgestellt war. Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei u. a. auch Beschwerde beim UVS Wien wegen rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Mit Bescheid des UVS Wien vom 15. Jänner 1999, GZ. UVS-02/A/11/00007/98, wurde diese Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde zu hg. Zl. 99/05/0052 protokolliert. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 3. März 2001, K I-2/99 u. a., den vorzitierten Bescheid des UVS Wien aufgehoben. Auf dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom heutigen Tag das zur hg. Zl. 99/05/0052 anhängig gemachte Beschwerdeverfahren nunmehr eingestellt, weil die beschwerdeführende Partei klaglos gestellt worden ist.
Bedienstete des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 48, entfernten am 4. und 5. August 1998 44 Sammelcontainer (hg. Zl. 99/05/0102) und am 1. und 2. Oktober 1998 12 Sammelcontainer (hg. Zl. 99/05/0103) der beschwerdeführenden Partei, welche von dieser auf in den Beschwerden näher bezeichneten Standorten (neuerlich) aufgestellt worden waren.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde wegen (behaupteter) rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Beschwerden gemäß § 67c Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Unbestritten sei, dass die Entfernung der Sammelcontainer ohne vorangegangenes Verfahren erfolgt sei. Das Wiener Gebrausabgabegesetz sei von der Magistratsabteilung 48 der belangten Behörde grundsätzlich nicht anzuwenden. Aus dem Gesamtbild der zu beurteilenden "Maßnahmen" könne nicht zwingend auf hoheitliches Handeln geschlossen werden. Die angefochtenen Akte seien dem Bereich des Privatrechtes zuzuordnen. Aus den angefochtenen Handlungen der belangten Behörde (Magistratsabteilung 48) bzw. deren Bediensteten (Organe) könne vernünftigerweise kein behördliches Handeln gefolgert werden, zumal aus dem bekämpften Handeln der Bediensteten (Organe) nicht erkennbar gewesen sei, dass diese in Vollzug der angedrohten bürgerlich-rechtlichen Selbsthilfe nunmehr einen Behördenakt hätten setzen wollen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch die angefochtenen Bescheide in dem Recht auf Sachentscheidung verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamten Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:
Die belangte Behörde hat die an sie gerichteten, auf § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Beschwerden mit den angefochtenen Bescheiden deshalb im Grunde des § 67c Abs. 4 leg. cit. zurückgewiesen, weil die in Beschwerde gezogenen Handlungen (Entfernung der Sammelbehälter der beschwerdeführenden Partei) der Bediensteten der Magistratsabteilung 48 der Stadt Wien nicht in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorgenommen worden seien, diese vielmehr als Akte der Privatwirtschaftsverwaltung anzusehen seien.
Diesem Rechtsstandpunkt ist das bereits oben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2001 entgegen zu halten:
Hoheitliche Verwaltung liegt vor, wenn die Verwaltungsorgane mit "imperium", also unter Einsatz spezifischer staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt auftreten. Sie handeln dabei in jenen Rechtssatzformen, die das öffentliche Recht für die Ausübung von behördlichen Befugnissen zur Verfügung stellt. Auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit kommt es nicht an, entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt. Hat der Gesetzgeber den Verwaltungsträger mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet, so liegt keine Hoheitsverwaltung, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor.
Bestimmungen, die öffentlich-rechtliche Berechtigungen oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen schaffen und die Festsetzung und Feststellung des Inhaltes und des Umfanges bzw. die Sicherung des Gemeingebrauches an den Straßen sowie die Regelung über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung von Straßen zum Gegenstand haben, gehören zu den "Straßenangelegenheiten (ohne Straßenpolizei)". Diese fallen, soweit es sich nicht um Bundesstraßen handelt (Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG), gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG in die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit der Länder.
Eine - für den Beschwerdefall maßgebliche - landesgesetzliche Norm, die die über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung von Straßengrund regelt, findet sich im GAG. Demnach bedarf nach § 1 Abs. 1 leg. cit. der über die "widmungsgemäßen Zwecke" hinausgehende Gebrauch (Sondernutzung) von öffentlichem, als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dienenden Gemeindegrund einer Gebrauchserlaubnis. Über einen Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist diesfalls mit Bescheid abzusprechen. Die Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist somit ein Akt der Hoheitsverwaltung. Die Aufstellung der Alttextil-Sammelbehälter auf öffentlichem, als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dienenden Gemeindegrund im Sinne des § 1 Abs. 1 GAG stellt eine über den Gemeingebrauch in qualitativer Hinsicht hinausgehende Sondernutzung am öffentlichen Gut dar und es liegt sohin ein Rechtsverhältnis vor, das durch das GAG in das öffentliche Recht übertragen und durch Akte der Hoheitsverwaltung (etwa gemäß der §§ 5 und 6 GAG) gestaltet wird. Für die Beurteilung der Ansprüche betreffend die Entfernung dieser Sammelbehälter durch die Gemeinde Wien ist daher der UVS Wien zuständig. (Aus dem dem GAG angeschlossenen Tarif lassen sich Rückschlüsse auf den Inhalt des Gemeingebrauchs ableiten.)
Im Gegensatz zum GAG ist die Einräumung einer Sondernutzungsbewilligung nach § 28 Bundesstraßengesetz (BStG) 1971 kein Akt der Hoheitsverwaltung. Das Aufstellen von Alttextil-Sammelbehältern auf Bundesstraßengrund stellt eine gemäß § 28 Abs. 1 BStG 1971 "zustimmungspflichtige" Sondernutzung dar; diese "Zustimmung" erfolgt im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.
Bei der durch Bescheid zu erteilenden straßenpolizeilichen Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 StVO 1960 wird ein - von den dem Gebrauch zugrundeliegenden Rechtsverhältnissen - verschiedenes Rechtsverhältnis geschaffen.
Die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern, die sich auf Grundflächen der Gemeinde Wien befanden, die nicht dem Gemeingebrauch dienen, sowie im Zusammenhang mit der Entfernung von Sammelbehältern, die auf einer - ebenfalls nicht im Gemeingebrauch stehenden - Grundfläche Dritter aufgestellt waren, unterliegen nicht dem Regime des GAG, wonach für den Widerruf der Gebrauchserlaubnis bzw. die Entfernung dieser Sammelbehälter ein hoheitlicher Akt erforderlich wäre.
Wie in dem zur hg. Zl. 99/05/0052 angefochtenen Bescheid des UVS Wien vom 15. Jänner 1999 hat die belangte Behörde auch in den hier zu beurteilenden Beschwerdefällen den den Maßnahmenbeschwerden zugrundeliegenden Anspruch - wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist - zu Unrecht als eine Einheit betrachtet. Die angefochtenen Bescheide sind daher auch aus den Gründen, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. März 1999, K I-2/99 u. a., unter Punkt III. 1. 1. genannt hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. Ausgehend von ihrer als nicht zutreffend erkannten Rechtsansicht hat die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen, welche der von der beschwerdeführenden Partei aufgestellten, in den angefochtenen Bescheiden genannten Sammelcontainer auf Bundesstraßengrund bzw. welche auf dem dem GAG unterliegenden Straßengrund aufgestellt waren. Für diejenigen Sammelcontainer, die auf öffentlichem Gemeindegrund im Sinne des § 1 Abs. 1 GAG aufgestellt waren, wird daher die belangte Behörde davon auszugehen haben, dass die Bediensteten der MA 48 in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gehandelt haben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994
Wien, am 22. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999050102.X00Im RIS seit
13.08.2001