TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/23 99/06/0078

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Veröffentlicht am 23.05.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

BStG 1971 §27;
BStG 1971 §3;
BStG 1971 §4 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch sowie die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der L W in R, vertreten durch Dr. C S und Dr. T Z, Rechtsanwälte in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 11. März 1999, Zl. UVS-5/10.381/2-1999, betreffend eine Übertretung gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 (weitere Partei des Verfahrens: Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 12. Januar 1999 wurde die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des § 1 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. mit einer Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- bestraft, weil sie am 12. April 1998, gegen 11.44 Uhr auf der Westautobahn A 1 im Gemeindegebiet von Wals bei km 301 in Fahrtrichtung Deutschland als Lenkerin des PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen DA-... (D) eine mautpflichtige Bundesstraße benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde (offenbar auf Grund des § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung) einer von der Beschwerdeführerin gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG keine Folge, bestätigte das bekämpfte Straferkenntnis und verfällte die Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 VStG in den Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens. Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei unbestritten, dass sich die Beschwerdeführerin mit ihrem PKW zu dem im Straferkenntnis genannten Zeitpunkt auf dem Tankstellengelände der Shell-Tankstelle Walserberg in Fahrtrichtung Ausreise auf der A 1 (Westautobahn) befunden habe, als sie von den meldungslegenden Gendarmeriebeamten einer Routinekontrolle unterzogen worden sei. Dabei hätten die Beamten festgestellt, dass am Fahrzeug der Beschwerdeführerin keine Mautvignette angebracht gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe bereits in ihrem Einspruch gegen die Strafverfügung bestritten, die Westautobahn A 1 benützt zu haben, sie habe lediglich infolge einer Notsituation die Tankstelle aufgesucht. Sie habe auch nicht in Abrede gestellt, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle am Fahrzeug keine entsprechende Mautvignette angebracht gewesen sei. Anlässlich ihrer Einvernahme im Rechtshilfeweg habe sie des Weiteren angegeben, von einer (gemeint: nicht mautpflichtigen) Landstraße auf das Tankstellengelände gekommen zu sein.

Nach Darstellung der Rechtslage erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie sich (im Bereich der Tankstelle) nicht auf einer mautpflichtigen Bundesstraße A befunden habe, als nicht stichhältig, weil nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Bundesstraßengesetz 1971 auch der Bereich einer Autobahntankstelle Bestandteil der Bundesstraße A sei, zumal eine Autobahntankstelle jedenfalls als unmittelbar dem Verkehr dienende Fläche anzusehen sei. Dabei sei es unbeachtlich, auf welchem Weg die Beschwerdeführerin mit ihrem Fahrzeug diese Autobahntankstelle erreicht habe. Es sei nicht bestritten worden, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle am Fahrzeug der Beschwerdeführerin keine Mautvignette angebracht gewesen sei. Dass ihr angeblich keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich eine Vignette zu besorgen, entspreche offenkundig nicht den Tatsachen, zeige doch ihre Stellungnahme anlässlich der Kontrolle deutlich, dass sie keine Absicht gehabt habe, sich eine Vignette zu kaufen, weil sie laut ADAC keine brauche. Im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung in § 7 Abs 1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz, wonach die Maut vor der mautpflichtigen Straßenbenützung durch Anbringung einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei, sei die vorgeworfene Übertretung als erwiesen anzunehmen gewesen.

Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe dar.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 (BStFG 1996), BGBl. Nr. 201/1996, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 113/1997, anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 1 BStFG hat der Benützer von Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), sowie von mehrspurigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B, die ähnliche Merkmale wie Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) aufweisen, dem Bund als Entgelt eine fahrleistungsabhängige Maut zu leisten. Darüber hinaus können Brücken, Tunnel und Gebirgspässe auf sonstigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B ebenfalls fahrleistungsabhängig bemautet werden.

Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit diesen mautpflichtige Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) oder Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) benützen, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, begehen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 BStFG eine Verwaltungsübertretung und sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 3.000 S bis zu 60.000 S zu bestrafen.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle wird die Tat straflos, wenn der Täter bei Betretung, wenngleich auf Aufforderung, den Preis einer entsprechenden Wochenvignette, einer Tageszusatzvignette für Fahrzeugkombinationen gemäß § 7 Abs. 6, für einspurige Kraftfahrzeuge einer Zweimonatsvignette sowie einen in der Mautordnung festzusetzenden Zuschlag zahlt, der das Fünffache des Preises einer Wochenvignette gemäß § 7 Abs. 4 Z 4 nicht übersteigen darf.

Von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt wird, dass an ihrem Fahrzeug keine Mautplakette befestigt war und dass sie die Rechtswohltat des § 12 Abs. 3 leg. cit. nicht in Anspruch nehmen wollte, weil sie die Ansicht vertrat, keine mautpflichtige Bundesstraße befahren zu haben. Dieses Vorbringen wird auch in der Beschwerde wiederholt und im Übrigen geltend gemacht, ihr Beweisantrag auf Einvernahme der von ihr beantragten Zeugin sei zu Unrecht abgewiesen worden. Damit hätte sie unter Beweis stellen können, dass sie nicht auf der Autobahn gefahren, sondern lediglich infolge eines plötzlichen Unwohlseins ihrer Beifahrerin auf anderem Wege zu der Tankstelle gelangt sei, auf deren Gelände sie betreten worden sei.

Nicht zu teilen ist die in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, eine Autobahntankstelle sei in jedem Falle Teil der (mautpflichtigen) Bundesstraße.

Die belangte Behörde hat bereits auf die Bestimmung des § 3 Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286/1971, in der Fassung BGBl. Nr. 33/1994, verwiesen, wonach als Bestandteile der Bundesstraße neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Rad- und Gehwege, Parkflächen, Haltestellenbuchten, der Grenzabfertigung dienende Verkehrsflächen, auch bauliche Anlagen im Zuge einer Bundesstraße, wie Tunnels, Brücken, Durchlässe, Stütz- und Futtermauern, Straßenböschungen, Straßengräben, ferner im Zuge einer Bundesstraße gelegene Anlagen zum Schutz vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf der Bundesstraße, insbesondere gegen Lärmeinwirkung, gelten, weiters im Zuge einer Bundesstraße gelegene, der Erhaltung und der Beaufsichtigung der Bundesstraßen dienende bebaute und unbebaute Grundstücke sowie der Grenzabfertigung und der Bemautung dienende Grundflächen. Tankstellen sind in dieser Bestimmung jedoch nicht genannt und es ist auch kein Grund ersichtlich, diese Bestimmung extensiv zu interpretieren. Die darin (nicht im Einzelnen) genannten anderen baulichen Anlagen dienen nämlich im Wesentlichen Schutzzwecken (zugunsten der Benützer, der Anrainer, der Betreiber), nicht aber Zwecken der Kraftstoffversorgung oder der Rekreation (vgl. ähnlich in anderem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1993, Zl. 91/06/0007). Dass die Tankstelle die Treibstoffversorgung der die Straße befahrenden Fahrzeuge sicherstellt, ändert nichts an der Tatsache, dass die Straße selbst auch ohne eine Tankstelle erhalten und betrieben werden kann. Die Tankstelle ist somit keine dazugehörige bauliche Anlage (vgl. das zu § 13 Abs 1 Slbg ROG ergangene hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1992, Zl. 92/06/0107).

Anderes ergibt sich auch aus § 27 BStG nicht. § 27 BStG 1971 in der Fassung BGBl. I Nr. 31/1997, sieht vor, dass Betriebe an mautpflichtigen Bundesautobahnen (Bundesschnellstraßen, Bundesstraßen B), die den Belangen der Verkehrsteilnehmer auf diesen dienen und einen unmittelbaren Zugang zu diesen Straßen haben (wie Tankstellen, Raststätten, Motels, Werkstätten und dergleichen), nur mit Zustimmung des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) errichtet werden dürfen. Jede bauliche Änderung eines solchen Betriebes bedarf der Zustimmung des Bundes (Bundesstraßenverwaltung). Die gewerberechtlichen Vorschriften werden hierdurch nicht berührt. Fahrverbindungen von der Bundesautobahn oder Bundesschnellstraße sowie von einer Bundesstraße B, die gemäß § 1 Abs. 2 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 - BStFG 1996, BGBl. Nr. 201, als Mautstrecke festgelegt wurde, zum übrigen Straßennetz im Bereich dieser Betriebe bedürfen einer Verordnung nach § 4 Abs. 1 leg. cit.("Trassenverordnung").

Das gesetzlich verankerte Mitspracherecht der Bundesstraßenverwaltung bedeutet aber nicht, dass es sich bei den Flächen einer Autobahntankstelle um einen Teil der Straße im Sinne des BStG 1971 handeln muss. Auch erscheint nicht ausgeschlossen, dass ein - wenn auch im Sinne des § 4 Abs. 1 BStG widerrechtlicher - Anschluss in facto besteht und im konkreten Fall benützt wurde.

Dass es sich beim Bereich einer Tankstelle um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs 1 StVO (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. März 1977, Zl. 227/76, und vom 15.Februar 1991, Zl. 90/18/0182) handelt, ist im Rahmen der im Beschwerdefall anzustellenden Überlegungen nicht relevant.

Da die belangte Behörde die Auffassung vertrat, das Tankstellengelände, auf dem die Beschwerdeführerin betreten worden war, gehöre ipso iure zur (mautpflichtigen) Bundesstraße, unterließ sie konkrete Feststellungen über die örtlichen Verhältnisse. Da diese Rechtsansicht aus den vorstehenden Gründen vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird, wäre dies aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob es sich bei der gegenständlichen Tankstelle um eine solche handelt, die ausschließlich über die (mautpflichtige) Bundesstraße zu erreichen ist, oder um eine solche, zu der auch andere Zufahrtsmöglichkeiten, etwa über Landesstraßen, Ackerwege o. ä. bestehen. Sollte letzteres zutreffen, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu beurteilen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Umsatzsteuer in dem für Schriftsatzaufwand zuerkannten Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 23. Mai 2001

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999060078.X00

Im RIS seit

21.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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