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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des R M in B, vertreten durch Dr. C R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. September 2000, Zl. 03-20.30 179-00/31, betreffend Straßenbaubewilligung und Enteignung nach dem Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 (mitbeteiligte Partei: Land Steiermark, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Infolge eines Antrages der mitbeteiligten Partei, zwecks Ausbau der Landesstraße Nr. 114 im Baulos "W..." die straßenrechtliche Bewilligung zu erteilen und die erforderlichen Grundeinlösungen durchzuführen, wurde mit Kundmachung der belangten Behörde vom 20. März 2000 eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle für den 10., 11. und 17. April 2000 mit einem näher bezeichneten Treffpunkt anberaumt. Diese Kundmachung enthält den Hinweis, es werde darauf aufmerksam gemacht, dass gemäß § 42 AVG eine Person ihre Stellung als Partei verliere, soweit sie nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebe. Die Parteien und sonstigen Beteiligten würden eingeladen, sofern sie etwas vorzubringen beabsichtigten, bei der Verhandlung zu erscheinen.
Diese Kundmachung wurde dem Beschwerdeführer gemäß dem im Akt befindlichen Rückschein am 28. März 2000 zugestellt (Übernahme durch einen "Mitbewohner der Abgabestelle").
In der Verhandlungsschrift über diese Amtshandlung sind, soweit vorliegendenfalls erheblich, als "Verhandlungsteilnehmer" zunächst eine Reihe von Amtspersonen aufgezählt, weiters 32 "Liegenschaftseigentümer", darunter auch der Beschwerdeführer, wobei den Namen dieser Liegenschaftseigentümer mit Bleistift teils Kreise, teils "Hakerl" beigesetzt sind, deren Bedeutung den Akten nicht zu entnehmen ist. Diese Niederschrift enthält verschiedene Gutachten sowie auch eine Reihe von (der Niederschrift einverleibten) Blättern, die personenbezogen betroffene Grundstücke mit Bewertungen und vorgesehenen Entschädigungen ausweisen. Ein solches Blatt (Blatt 71 der Verwaltungsakten) betreffend den Beschwerdeführer ist durchgestrichen, darauf findet sich der handschriftliche Vermerk "wird nochmals geladen!" und das Datum "19.5.00" sowie eine Paraphe. Am Schluss dieser (maschin- bzw. computerschriftlichen) Niederschrift heißt es u.a. "Schluss der Verhandlung"; sodann finden sich (maschin- bzw. computerschriftlich) eine Reihe von Namen von Amtspersonen, die auf dem ersten Blatt der Niederschrift als Verhandlungsteilnehmer aufscheinen (aber nicht von allen), über einem dieser Namen eine entsprechende Unterschrift (offensichtlich nicht jene des Verhandlungsleiters). Unterschriften von Liegenschaftseigentümern finden sich dort nicht (mit anderen Worten, den Erwägungen vorgreifend: geht man davon aus, dass der Beschwerdeführer an jener Verhandlung teilgenommen hatte, ist daraus insbesondere nicht ersichtlich, an welchen Tagen er wie lange an der Verhandlung teilgenommen hatte; andererseits ist auch kein Grund angegeben, weshalb er nicht unterschrieben habe). Ein Vorbringen des Beschwerdeführers ist dieser Niederschrift nicht zu entnehmen. Im Anschluss an diese Niederschrift finden sich in den Akten eine Reihe von Übereinkommen mit verschiedenen Liegenschaftseigentümern betreffend Einlösung von Grundstücksflächen, nicht aber eines mit dem Beschwerdeführer. Ein solches wurde zwar offensichtlich vorbereitet (Blätter 159 ff der Akten), ist aber von keinem Teil unterschrieben worden; darauf findet sich vielmehr der handschriftliche Vermerk "wird neu verhandelt!".
Unter dem Datum 17. Mai 2000 erging in dieser Sache ein (Teil-)Bescheid, der aber nicht an den Beschwerdeführer gerichtet war.
In einer mit "Verständigung" überschriebenen Erledigung der belangten Behörde vom 18. Mai 2000 heißt es, dass die am Montag, den 17. April 2000 vertagte örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung betreffend den verfahrensgegenständlichen Antrag am Mittwoch, den 31. Mai 2000 um 10.00 Uhr an einem näher bezeichneten Ort fortgesetzt werde; diese "Verständigung" erging unter anderem auch an den Beschwerdeführer (Zustellung am 22. Mai 2000 - laut Rückschein von seiner Ehefrau übernommen). In einem Aktenvermerk vom 29. Mai 2000 (anscheinend des Sachbearbeiters bei der belangten Behörde) ist festgehalten, der Beschwerdeführer habe telefonisch mitgeteilt, mit der angebotenen Entschädigung nicht einverstanden zu sein und zur Verhandlung nicht zu erscheinen.
Den Verwaltungsakten ist nicht zu entnehmen, dass diese Verhandlung stattgefunden hätte.
Mit Kundmachung vom 23. August 2000 wurde in dieser Straßensache neuerlich eine Verhandlung (für den 14. September 2000) anberaumt, zu welcher aber der Beschwerdeführer nicht geladen wurde; geladen wurden nämlich nur zwei andere Personen. Diesbezüglich (hinsichtlich dieser beiden Personen) erging ein weiterer Bescheid vom 2. Oktober 2000 (mit Bescheid vom 27. September 2000 wurde der Bescheid vom 17. Mai 2000 berichtigt).
Mit dem angefochtenen Bescheid (ebenfalls vom 27. September 2000) der, was die am Gesamtvorhaben beteiligten Liegenschaftseigentümer anlangt, nur an den Beschwerdeführer gerichtet ist, hat die belangte Behörde unter Spruchpunkt I. gemäß § 47 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154, ausgesprochen, dass die Ausführung des gegenständlichen Straßenbauvorhabens vom Standpunkte des öffentlichen Interesses und "der mit diesem nicht in Widerspruch stehenden Interessen der Beteiligten" bei plan- und beschreibungsgemäßer Ausführung, "unter Berücksichtigung der im Befund beschriebenen Abweichungen bzw. Ergänzungen und Feststellungen", für zulässig erklärt werde; mit Spruchpunkt II. wurden gemäß den §§ 48 bis 50 leg. cit. unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, für den Ausbau dieser Landesstraße im Baulos "W..." "die nachstehenden im Übersichtsplan, Detailprojekt 1999, von km 30,800 bis km 32,558, PZ.:-114-99" näher gekennzeichneten Teilflächen und sonstigen Anlagen dauernd und lastenfrei zu Gunsten des Landes Steiermark, Landesstraßenverwaltung, enteignet und die Höhe der Entschädigung "für den nachfolgend angeführten Liegenschaftseigentümer wie folgt bestimmt:" (es folgt eine tabellarische Aufstellung betreffend den Beschwerdeführer; daraus ergibt sich eine Entschädigung von S 35.700,-- für enteignete Grundflächen und von S 17.400,-- für zwei Birnenbäume und 12 Apfelbäume, somit eine Gesamtentschädigung von S 53.100,--).
Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält im Wesentlichen die Wiedergabe von Befund und Gutachten von beigezogenen Sachverständigen. Im wiedergegebenen Befund und Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen heißt es unter anderem (hier: Seite 3 unten des angefochtenen Bescheides), da die bestehende Landesstraße in diesem Bereich (gemeint ist wohl der Bereich des gesamten Bauvorhabens) nur 5 m aufweise und zu schmal sei, werde wie in den übrigen bereits ausgebauten Bereichen eine Fahrbahnbreite von 6 m mit jeweils einer Bankettbreite von 1 m geplant. Im Rahmen der von diesem Sachverständigen vorgeschlagenen "Auflagen" heißt es weiters (hier: Seite 4 unten des angefochtenen Bescheides), das Bankett an der rechten Straßenseite sei von "Prof. 6 (Einbindung der E...-Straße) bis Prof. 29 (Sportplatz) in einer Breite von 1,50 m auszubilden" (festzuhalten ist, dass eine nähere Begründung dazu fehlt).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 28. November 2000, B 2098/00-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren allenfalls eine Parteistellung im Sinne des § 42 AVG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) verloren hat. Dies ist (schon) deshalb zu verneinen, weil den Verwaltungsakten zufolge davon ausgegangen werden muss, dass die mit der Kundmachung vom 20. März 2000 anberaumte Verhandlung vertagt, aber, was den Beschwerdeführer anlangt, niemals fortgesetzt und daher auch nicht - im rechtlichen Sinn - abgeschlossen wurde. Der Verlust der Parteistellung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG tritt nämlich (bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen) erst ein, wenn bis zum Ende der Verhandlung Einwendungen nicht erhoben werden; ein solches Ende der Verhandlung gab es, was den Beschwerdeführer anlangt, vorliegendenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides aber nicht. Es kann ihm daher entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass er bei der stattgefundenen Verhandlung (gemeint ist wohl jene auf Grund der Kundmachung vom 20. März 2000) "hinsichtlich des Gegenstandes und Umfanges der Grundinanspruchnahme keinerlei Einwand erhoben" hätte bzw. er (dahin geht das Vorbringen der mitbeteiligten Partei) mit seinen Einwendungen präkludiert wäre (wobei im Übrigen zu bemerken ist, dass diese Verhandlungsniederschrift durch Unklarheiten gekennzeichnet ist).
Die mitbeteiligte Partei bringt in ihrer Gegenschrift vor, das gegenständliche Detailprojekt sei von der Baubezirksleitung H. erstellt worden. In einem Aktenvermerk vom 18. Juni 1999 sei das Ergebnis der Vorstellung des Projektes gegenüber der Gemeinde W. und allen Anrainern festgehalten worden. Gemäß einer Rücksprache mit dem Verfasser dieses Aktenvermerkes (dieser wird namentlich genannt) habe auch der Beschwerdeführer an der damaligen örtlichen Begehung teilgenommen und die über Antrag des damaligen Bürgermeisters von der Gemeinde W. auszuführende Bankettverbreiterung von 1,0 m auf 1,5 m, die für den Fußgängerverkehr von einer Siedlung bzw. Gemeindestraßeneinmündung (E-Straße) bis zum Sportplatz hergestellt werden sollte, zustimmend zur Kenntnis genommen.
Aus diesem Vorbringen ist aber nichts zu gewinnen: Abgesehen davon, dass dieser Aktenvermerk nicht erkennen lässt, welche Grundeigentümer konkret an dieser Vorstellung teilgenommen haben, und er auch insbesondere vom Beschwerdeführer nicht unterfertigt ist, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren als dem Projekt zustimmend anzusehen wäre, worauf es vor dem Hintergrund dieses Vorbringen hier ankäme.
Davon (Beibehalt der Parteistellung, keine Präklusion von Einwendungen) ausgehend ist daher der Beschwerdeführer nicht gehindert, in der gegenständlichen Beschwerde geltend zu machen, dass eine Bankettbreite von 1,5 m im Bereich seiner Grundstücke keineswegs erforderlich und die ansonsten übliche Bankettbreite von 0,5 m (wie er vorbringt) als ausreichend anzusehen sei, wobei bei einem Bankett in einer Breite von 1,0 m weniger von seinem Grund in Anspruch genommen worden, bei einem Bankett in der Breite von lediglich 0,5 m eine Inanspruchnahme seines Grundes überhaupt entbehrlich wäre.
Dem angefochtenen Bescheid ist eine nachvollziehbare Begründung für die in diesem Bereich als erforderlich erachtete Bankettbreite von 1,5 m nicht zu entnehmen. Dieser Begründungsmangel (Verstoß gegen § 60 AVG) ist wesentlich, weil dadurch der Verwaltungsgerichtshof daran gehindert ist, den angefochtenen Bescheid auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zu prüfen. Auf die umfänglichen Ausführungen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei kann diesbezüglich nicht Bedacht genommen werden, weil Ausführungen in einer Gegenschrift solche Begründungsmängel nicht zu sanieren vermögen (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seiten 600f, angeführte hg. Judikatur).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen einzugehen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Mai 2001
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Verfahrensrecht AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000060206.X00Im RIS seit
02.08.2001