RS UVS Kärnten 1994/04/12 KUVS-622-630/3/94

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Veröffentlicht am 12.04.1994
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Rechtssatz

Für kosmetische Mittel besteht im Gegensatz zu Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen kein absolutes, vom Wahrheitsgehalt der Aussage unabhängiges Verbot gesundheitsbezogener Angaben im Sinne des § 9 Abs 1, sondern nur ein dem Grundtatbestand des § 8 lit f LMG 1975 entsprechendes Verbot zur Irreführung geeigneter Angaben. Irreführungseignung ist die objektivierte, als jederzeit gleichartig reproduzierbarer Sachverhalt feststellbare Eignung einer Aussage, im geschäftlichen Verkehr ein sachlich unrichtiges Urteil über (hier) die Beschaffenheit des kosmetischen Mittels oder behaupteter Wirkungen hervorzurufen. Es handelt sich um das Ergebnis eines kommunikativen Vorganges, bei dem weder die Aussage, noch die Verkehrsauffassung (Verbrauchererwartung) je für sich isoliert betrachtet werden dürfen, sondern nur in ihrer Interaktion und zusammen mit dem daraus entstehenden Ergebnis: Der als Sachverhalt feststellbaren Auffassung der Verbraucher von Inhalt und Wahrheitsgehalt der wahrgenommenen Aussage - und ihrem Einfluß auf die Kauf- und Anwendungsentscheidung. Ist die Unrichtigkeit einer Aussage erkennbar oder bedeutungslos, ist sie nicht zur Irreführung im Rechtssinn geeignet, weil sie bei den Verbrauchern keinen (mit-)entscheidenden falschen Eindruck über ihren Inhalt bewirkt. Aussagen über die Wirkungen von kosmetischen Mitteln sind daher selbst dann nicht unzulässig, wenn sie objektiv falsch sind, diese Unrichtigkeit aber intuitiv oder kognitiv erkannt und entsprechend gewertet wird. Nur wenn, und soweit in einer erkennbar marktschreierischen Ankündigung auch ein "Tatsachenkern" enthalten ist, welcher ernst genommen wird, kann Irreführungseignung gegeben sein, wenn das darauf beruhende und handlungsmitentscheidende Sachurteil der angesprochenen Verbraucher falsch ist. Der als Sachaussage verstandene (Empfängerhorizont) "Tatsachenkern" verdrängt im Bewußtsein der angesprochenen Interessenten die übertreibenden, marktschreierischen Elemente und wird zu einem handlungsbestimmenden Entscheidungsfaktor. In bezug auf die Eignung einer Angabe zur Irreführung lassen sich daher unterscheiden:

1. Die Angabe ist inhaltlich objektiv falsch, wird aber vom Empfänger nicht so verstanden, sodaß er sich über die wahre Beschaffenheit des Gegenstandes, auf den sich die Angabe bezieht, ein typischerweise durch die Angabe verursachtes falsches Bild macht; dann ist sie zur Irreführung geeignet.

2. Die Angabe ist inhaltlich zwar objektiv falsch, wird aber vom Empfänger als unwahr verstanden, sodaß er sich über die tatsächliche Beschaffenheit des Gegenstandes, auf den sich die Aussage bezieht, kein durch die Aussage verursachtes falsches Bild macht; dann ist sie nicht zur Irreführung geeignet. In diese Kategorie fallen auch objektiv falsche Angaben, die nach der Verkehrsauffassung bedeutungslos sind und deshalb kein handlungsmitentscheidendes Element bilden; selbst wenn sie wahrgenommen werden, spielen sie bei der Bildung der Verbrauchervorstellung keine Rolle, weil es auf den Gesamteindruck ankommt. Aus der bloßen Wortfolge "Club Panta Rhei - Der Club, der Gesundheit fließen läßt" ist ein direkter Zusammenhang mit einer allfälligen Wirkungsweise der in Verkehr gebrachten kosmetischen Mitteln nicht herzustellen und ist bei Angaben für kosmetische Mittel ein rechtserheblicher, relativierender Erfahrungshorizont anzunehmen. Kein vernünftiger Mensch - und nur solche Verbraucher dürfen als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden - nimmt tatsächlich an, daß ein "Club" in der Lage wäre, die Gesundheit fließen zu lassen. Es ist daher bei der Prüfung von Hinweisen auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen bei Verwendung von kosmetischen Mitteln regelmäßig davon auszugehen, daß diese Angaben in der Verbrauchervorstellung ohne weitere Überlegung auf ihren umrissenen Tatsachenkern reduziert werden, der selbst aber nicht unrichtig und auch nicht zur Irreführung geeignet ist. Damit entfällt zugleich die objektive Eignung solcher Aussagen, irrige Überzeugungen der angesprochenen Verbraucher zu bewirken, somit auch die Irreführungseignung im Rechtssinn (Einstellung des Verfahrens).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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