TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/30 2000/13/0195

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.2001
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §311 Abs2;
BAO §50 Abs1;
BAO §71 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dipl. Kom. KG in B, vertreten durch Dr. Peter Zauner, Rechtsanwalt in Wien XIII, Am Platz 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Mai 2000, Zl. AO 670/2-06/06/2000, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit des Abgabenrechtes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie den vorgelegten Verwaltungsakten entnommen werden kann, meldete sich der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger mit dem Wohnsitz in Berlin, am 14. Oktober 1993 an einer Anschrift in Wien XIX. polizeilich an, wobei als Unterkunftgeber Livius P. genannt wurde. Mit einem Schreiben vom 20. Jänner 1999 teilte der Beschwerdeführer der Meldebehörde mit, sich von seinem "zweiten Wohnsitz" an der betroffenen Adresse in Wien XIX abzumelden; sein ausschließlicher Wohnsitz bleibe Berlin. Eine Ablichtung dieses Abmeldungsschreibens an die Meldebehörde langte beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk am 27. Jänner 1999 mit einem Begleitschreiben des Beschwerdeführers ein, in welchem er darauf hinwies, seinen Wohnsitz in Wien XIX zum 20. Jänner 1999 aufgegeben zu haben, weshalb er um Übersendung von Schriftstücken an seine Berliner Adresse ersuche.

Am 24. September 1999 langte beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk eine Umsatzsteuervoranmeldung des Beschwerdeführers für den Kalendermonat September 1999 mit einem geltend gemachten Vorsteuerguthaben von S 61.000,-- ein.

Nach Aufforderung durch das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk zur Vorlage der Originalrechnungen übermittelte der Beschwerdeführer diesem Finanzamt eine von Livius P. für den E. Verlag ausgestellte Rechnung vom 13. September 1999 über den Verkauf der Werknutzungsrechte bezüglich eines näher genannten Werkes zum Preis von S 305.000,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer in Höhe von S 61.000,--.

Das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk, welches der belangten Behörde schon aus Anlass eines anderen Verfahrens im Jahre 1998 berichtet hatte, dass der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Versuche des Erhebungsdienstes an der Adresse in Wien XIX. nicht habe angetroffen werden können und dort auch den Mietern und Nachbarn unbekannt sei, trat am 10. April 2000 die Angelegenheit dem Finanzamt Graz-Stadt ab.

Mit einem bei der belangten Behörde am 20. April 2000 persönlich überreichten, mit dem 10. April 2000 datierten Schreiben begehrte der Beschwerdeführer von der belangten Behörde den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über seine Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat September 1999 auf die belangte Behörde.

Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid mit der Begründung als unzulässig zurück, das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk sei für eine Erledigung der bei ihm eingebrachten Umsatzsteuervoranmeldung sachlich nicht zuständig gewesen, weil die Erhebung der Umsatzsteuer von Unternehmen, die ihr Unternehmen vom Ausland aus betreiben und im Inland keine Betriebsstätte haben, gemäß § 12 AVOG dem Finanzamt Graz-Stadt obliege. Das Bestehen einer Betriebsstätte im Inland sei vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet worden; Nachschauversuche an der "in der Umsatzsteuervoranmeldung angegebenen Adresse" in Wien XIX. seien erfolglos geblieben, wie auch nicht habe festgestellt werden können, dass im Bereich des betroffenen Finanzamtes unternehmerische Aktivitäten vorgenommen würden. Damit liege kein Anbringen vor, für welches Entscheidungspflicht des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk bestehe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die in § 21 Abs. 1 UStG 1994 geregelte Umsatzsteuervoranmeldung ist nach dem ersten Satz dieser Vorschrift bei dem Finanzamt einzureichen, das für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständig ist.

Nach § 12 AVOG obliegt dem Finanzamt Graz-Stadt unbeschadet des - hier nicht in Betracht kommenden § 13 - für den Bereich des gesamten Bundesgebietes die Erhebung der Umsatzsteuer von Unternehmern, die ihr Unternehmen vom Ausland aus betreiben und im Inland weder eine Betriebsstätte haben noch Umsätze aus der Nutzung eines im Inland gelegenen Grundbesitzes erzielen.

Der Fall der Nutzung eines im Inland gelegenen Grundbesitzes liegt unstrittig von vornherein nicht vor. Aber auch das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Bestehen einer inländischen Betriebsstätte in Form einer Wohnung, in welcher laut Beschwerde "geistige Leistungen" erbracht werden, wurde von der belangten Behörde mit Recht verneint. Mit seinem Hinweis auf die aufrechte polizeiliche Meldung an der Wohnadresse in Wien XIX. setzt sich der Beschwerdeführer nämlich im Widerspruch zur Aktenlage, welche seine Abmeldung von der genannten Wohnadresse geraume Zeit vor der Rechnungslegung durch Livius P. an ihn ausweist. Auch diese Rechnungslegung erfolgte an den Beschwerdeführer an seiner Berliner Adresse. Entgegen der diesbezüglichen Ausführungen des angefochtenen Bescheides scheint die seinerzeitige Wohnadresse des Beschwerdeführers in Wien XIX. auch in der Umsatzsteuervoranmeldung für September 1999 nicht auf. Für das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte ergab sich demnach kein Anhaltspunkt; die Abgabenbehörden mussten somit zutreffend davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer, wenn er ein Unternehmen überhaupt betreibt, dieses vom Ausland aus betreibt, woraus angesichts der durch § 12 AVOG bewirkten Zuständigkeitskonzentration für die Erhebung der Umsatzsteuer solcher Unternehmer das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk, bei welchem der Beschwerdeführer seine Umsatzsteuervoranmeldung für den September 1999 eingereicht hatte, im Grunde des § 21 Abs. 1 Satz 1 UStG 1994 zur Erledigung dieser Abgabenerklärung nicht zuständig war.

Nach § 50 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, so haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

In Konsequenz der Einsicht seiner aus § 12 AVOG resultierenden Unzuständigkeit hatte das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk die Bestimmung des § 50 Abs. 1 BAO durch Weiterleitung der Umsatzsteuervoranmeldung des Beschwerdeführers für den September 1999 an das Finanzamt Graz-Stadt anzuwenden. Der vom Beschwerdeführer gesehene Fall einer Anwendbarkeit der Bestimmung des § 71 BAO liegt nicht vor. Die nach § 71 Abs. 2 BAO der gemeinsamen Oberbehörde zustehende Verfügung der Bestimmung eines anderen anstelle des örtlich zuständigen Finanzamtes aus Gründen der Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens hätte eine Zuständigkeit des vom Beschwerdeführer angerufenen Finanzamtes vorausgesetzt, welche aber nicht gegeben war.

Dass das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk dem Beschwerdeführer von der Weiterleitung seines Anbringens an das Finanzamt Graz-Stadt keine Mitteilung gemacht hat, wie der Beschwerdeführer vorträgt, hat einen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel schon deswegen nicht begründet, weil der Beschwerdeführer nicht vorträgt, welches Vorbringen zur Zuständigkeitsfrage er erstattet hätte, wäre ihm hiezu das Parteiengehör eingeräumt worden. Einem gegebenenfalls vorliegenden Verfahrensmangel durch Unterlassen des Parteiengehörs auch vor Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde fehlte es an der Relevanz.

Auch aus der Bestimmung des § 73 BAO ist für den Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang nichts zu gewinnen, weil die dort vorgesehene Verständigung des Abgabepflichtigen einen Zuständigkeitsübergang nach dieser Gesetzesstelle voraussetzt, der aber im Beschwerdefall nicht vorliegt. Die Zuständigkeit zur Erledigung der Umsatzsteuervoranmeldung des Beschwerdeführers für September 1999 ist nicht nach § 73 BAO an das Finanzamt Graz-Stadt übergegangen, dieses war vielmehr von Anfang an zur Erledigung der betroffenen Umsatzsteuervoranmeldung zuständig, was das unzuständigerweise angerufene Finanzamt in Anwendung der Vorschrift des § 50 Abs. 1 BAO erst im Zuge des darüber in Gang gesetzten Verfahrens wahrgenommen hat.

Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen bekannt gegeben (§ 97), so geht nach § 311 Abs. 2 BAO auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz über.

Ein Devolutionsantrag hinsichtlich eines Anbringens, über welches Entscheidungspflicht der angerufenen Behörde nicht oder nicht mehr besteht, ist als unzulässig zurückzuweisen (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar2 Tz 27 und 33 zu § 311 BAO). Die Pflicht zur Entscheidung über das Anbringen einer Partei trifft nur die Behörde, die zum Abspruch über dieses Anbringen zuständig ist; die Weiterleitung eines Anbringens hat jedenfalls das Erlöschen selbst einer bestandenen Entscheidungspflicht (siehe im Übrigen § 311 Abs. 2 BAO) zur Folge (siehe die zur vergleichbar gestalteten Bestimmung des § 73 AVG ergangene, bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 61 ff zu § 73 AVG wiedergegebene hg. Judikatur sowie auch die bei Ritz, a.a.O. Tz 4 zu § 50 BAO angeführten Nachweise).

Der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers wurde zu einem Zeitpunkt bei der belangten Behörde überreicht, zu welchem das als säumig benannte Finanzamt die betroffene Angelegenheit in Anwendung der Bestimmung des § 50 Abs. 1 BAO schon an das Finanzamt Graz-Stadt weitergeleitet hatte. Die Zurückweisung des Devolutionsantrages durch die belangte Behörde entsprach deshalb der Rechtslage.

Die Beschwerde war damit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Mai 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000130195.X00

Im RIS seit

23.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten