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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §41 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in D, vertreten durch Dr. Martin Lichtenegger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Andreas-Hofer-Platz 9/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. Dezember 1999, Zl. 11- 39 - 685/99 -3, betreffend Befristung der Lenkberechtigung und Beibringung eines Gutachtens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. Februar 1999 befristete die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg "gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 und Abs. 3 des FSG, BGBl. Nr. 120/1997 idF der 2. FSG- Novelle, BGBl. Nr. 94/1998 vom 21. Juli 1998, sowie in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und Abs. 3 der FSG-GV, BGBl. Nr. 322 in der geltenden Fassung" die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die "Klassen A und B" bis zum 2. Juni 1999. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, vor Ablauf der Befristung einen Nervenfacharztbefund vorzulegen. Weiters wurde ihm die quartalsmäßige Vorlage von Leberfunktionsparametern aufgetragen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde diese Berufung abgewiesen.
Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung, in der sie außer § 66 Abs. 4 AVG keine Rechtsnormen nennt und damit offensichtlich die von der Erstbehörde angewendeten Bestimmungen des FSG billigte, auf das von ihr eingeholte amtsärztliche Sachverständigengutachten vom 6. Mai 1999, in dem unter anderem Folgendes ausgeführt wird:
"Bei Herrn R. besteht ein Zustand nach Alkoholkrankheit mit körperlicher und psychischer Entwöhnungskur 1995 sowie einem Rückfall 1997 bei familiärer und finanzieller Belastungssituation mit vorübergehend paranoidem Zustandsbild und fehlender Krankheitseinsicht.
Die bestehende Alkoholkarenz wird nicht bestritten und ist auch glaubhaft durch normale Leberfunktionsparameter belegt.
Die Vorlage von Leberfunktionsparametern zur Dokumentation der absoluten Alkoholkarenz ist deshalb notwendig, da auch gering genossene Alkoholmengen einen Rückfall bedeuten und die neuerliche Nichteignung bedingen würden.
Die Vorlage eines nervenfachärztlichen Gutachtens ist erforderlich, da bei Zustand nach Alkoholabusus und Zustand nach paranoidem Zustandsbild im Rahmen einer persönlichen Belastungssituation eine Verlaufsbeobachtung zur Kontrolle der Persönlichkeitsstabilisierung notwendig ist, da nur dadurch die Verhinderung eines Rückfalles mit kompensatorischem Alkoholmissbrauch gewährleistet ist."
Die belangte Behörde führte weiters aus, dieses Gutachten sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden, er habe hiezu keine Stellungnahme abgegeben, es sei daher "wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden".
In der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, dass die angefochtene Entscheidung zu Unrecht auf die Bestimmungen des Führerscheingesetzes gestützt worden sei. Das gegenständliche Verfahren sei aufgrund der Anzeige des Gendarmeriepostens Deutschlandsberg vom 28. Juli 1997 seit Juli 1997 anhängig.
Das Führerscheingesetz ist mit 1. November 1997 in Kraft getreten. Nach seinem § 41 Abs. 1 waren die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängigen Verfahren aufgrund der §§ 64 bis 77 KFG 1967 nach der bisher geltenden Rechtslage zu führen.
Ein Verfahren mit dem die Befristung der Lenkerberechtigung ausgesprochen wird, wird nicht schon anhängig, wenn ein Tatbestand verwirklicht wird, auf den eine Befristung gestützt werden kann oder wenn Anzeige erstattet wird, sondern erst mit dem ersten Verfahrensschritt, den die Kraftfahrbehörde setzt, um die Voraussetzungen für eine Befristung zu prüfen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. August 1999, Zl. 98/11/0192).
Nach der Aktenlage hat die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg bereits vor dem Inkrafttreten des Führerscheingesetzes Verfahrensschritte gesetzt. Dies ergibt sich aus ihrem Ersuchen an den ärztlichen Sachverständigen vom 1. September 1997, ein Gutachten zu erstellen, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B beim Beschwerdeführer weiterhin gegeben seien.
Der Beschwerdeführer ist somit im Recht, wenn er vorbringt, die belangte Behörde hätte ihren Bescheid auf die Bestimmungen des KFG 1967 stützen müssen. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Dies führt jedoch noch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil die hier maßgeblichen Bestimmungen des KFG 1967 inhaltlich im Wesentlichen jenem des FSG entsprechen und der Beschwerdeführer durch die aufgezeigte Rechtswidrigkeit somit nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde.
Aber auch im Übrigen erweist sich die Entscheidung der belangten Behörde -wegen eines ihr unterlaufenen Begründungsmangels - als fehlerhaft:
Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 ist Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig, nicht mehr geistig oder körperlich geeignet oder nicht mehr fachlich befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristung, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken; dies gilt auch sinngemäß, wenn die geistige und körperliche Eignung nicht mehr in vollem Umfang gegeben ist oder nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind.
Das ärztliche Gutachten über die geistige und körperliche Eignung hat zufolge § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit. unter anderem für solche Personen "bedingt geeignet" zu lauten, deren Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Gruppen nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind.
Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen im Sinne des zuletzt Gesagten annehmen zu können, bedarf es konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die geistige und körperliche Eignung zwar noch im ausreichenden Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber zumindest hinsichtlich einer der Komponenten der geistigen und körperlichen Eignung (siehe dazu die §§ 30 ff KDV 1967) eine Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer Verschlechterung gerechnet werden muss. Nur dann kann von einer "Krankheit" gesprochen werden, bei der unter Hinweis auf ihre Natur die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung begründet werden kann. Ist jedoch ein solcher Zustand ("Krankheit") nicht objektivierbar, kann auch nicht von der Gefahr einer relevanten Verschlechterung die Rede sein. Die Befristung der Lenkerberechtigung mit der Begründung, es seien Nachuntersuchungen erforderlich, ist in einem solchen Fall rechtswidrig (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/11/0237). Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Slg.Nr. 13.204/A, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass dann, wenn bei jemandem ein auf Alkoholmissbrauch zurückzuführender Zustand festgestellt wird, der zwar noch nicht bzw. nicht mehr eine Nichteignung wegen Alkoholabhängigkeit oder chronischem Alkoholismus bewirkt, bei dem aber in Verbindung mit der Neigung der betreffenden Person zum Alkoholmissbrauch die Möglichkeit der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes mit der (möglichen) Folge des Wegfalles der körperlichen oder geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht ausgeschlossen werden kann, sehr wohl wegen erforderlicher Nachuntersuchungen die Voraussetzungen für eine Befristung der Lenkerberechtigung gegeben sind (siehe dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0147, und vom 28. November 1996, Zl. 96/11/0202).
Anlass für die Einleitung des gegenständlichen Verfahrens war, dass der Beschwerdeführer am 27. Juli 1997 (nach vorangegangenen Streitigkeiten mit seiner Ehefrau, über deren Anzeige) in seinem Haus alkoholisiert angetroffen wurde und von seinem Arzt in das LNKH Graz eingewiesen wurde. Außer diesen Vorfall hat die belangte Behörde zum verkehrsrelevanten Verhalten und zum gesundheitlichen Zustandsbild des Beschwerdeführers keine konkreten Feststellungen getroffen und es wurde auch kein weiterer Alkoholkonsum durch den Beschwerdeführer festgestellt, sondern es ist die belangte Behörde - entsprechend dem von ihr zitierten Sachverständigengutachten - von einer Alkoholkarenz des Beschwerdeführers und von im Normbereich liegenden Leberfunktionsparametern (Laborbefund vom 4. September 1998 und vom 21. Mai 1999) ausgegangen. In dem von der belangten Behörde allein herangezogenen Gutachten wird nur ganz allgemein ein "Zustand nach Alkoholkrankheit" genannt, dieser jedoch nicht näher erläutert, und es werden auch die weiteren in den Verwaltungsakten befindlichen Gutachten bzw. ärztlichen Befundberichte, in denen zum Gesundheitsbild des Beschwerdeführers auch in der Vergangenheit Stellung genommen wurde, nicht erwähnt. Auf Grund dieses unzureichenden Gutachtens, das die belangte Behörde ohne Ergänzung ihrer Entscheidung nicht hätte zu Grunde legen dürfen, fehlen im angefochtenen Bescheid die erforderlichen konkreten Feststellungen, welche die Schlussfolgerung zuließen, dass trotz der angenommenen Alkoholkarenz und "normalen" Leberfunktionsparameter beim Beschwerdeführer - im Sinne der zuvor dargestellten Rechtslage - ein gesundheitlicher Zustand bestehe, der es erforderlich machte, die Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur für eine bestimmte Zeit zu bejahen, weil mit einer Verschlechterung gerechnet werden müsse, sodass in kurzen Abständen, wie von der Behörde festgelegt, Untersuchungsergebnisse vorzulegen seien.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, im Rahmen des gestellten Begehrens.
Wien, am 30. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000110018.X00Im RIS seit
07.08.2001