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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
FSG 1997 §7 Abs3 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. Peter Fürnschuß, Rechtsanwalt in 8510 Stainz, Hauptplatz 7/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 22. April 1999, Zl. 11-39-625/99-3, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach einer Anzeige des Gendarmeriepostens St. Stefan/Stainz vom 18. Juli 1998 erging gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 26. August 1998. Als erwiesen wurde angenommen, der Beschwerdeführer habe am 15. Juli 1998 in S., auf der L. Straße, auf Höhe Stkm. 1050, aus Richtung M. kommend, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw einen Traktor mit Anhänger überholt, obwohl die Straße an dieser Stelle äußerst unübersichtlich sei und Gegenverkehr geherrscht habe. Im Zuge dieses Überholmanövers hätten die entgegenkommenden Pkw-Lenker eine Vollbremsung einleiten müssen, um einen Zusammenstoß zu verhindern bzw. seien die entgegenkommenden Pkw-Lenker "dadurch" gefährdet worden. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen. Er wurde gemäß § 99 "Abs. 3a" (gemeint offenkundig: Abs. 3 lit. a) StVO 1960 bestraft.
Nach einer Einvernahme des Beschwerdeführers sowie eines der beiden Meldungsleger (des Lenkers des Gendarmeriefahrzeuges, K.) sowie einer gutachtlichen Stellungnahme eines technischen Amtssachverständigen entzog die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit Bescheid vom 9. Februar 1999 dem Beschwerdeführer gemäß §§ 24 Abs. 1 Z. 1 und 25 Abs. 1 und Abs. 3 sowie 7 Abs. 3 Z. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) die Lenkberechtigung für einen Zeitraum von drei Monaten. Gestützt wurde die Entziehung der Lenkberechtigung im Wesentlichen auf die Aussage des Lenkers des Gendarmeriefahrzeuges sowie auf die gutachtliche Stellungnahme des technischen Amtssachverständigen, aus der sich ergebe, dass bei einer Fahrgeschwindigkeit des überholten Traktors von 25 km/h der Beschwerdeführer einen Überholweg von 92 m (Dauer des Überholvorgangs 9,77 Sekunden), bei einer Fahrgeschwindigkeit von nur 15 km/h einen Überholweg von 54 m (Dauer 8,56 Sekunden) benötigen würde. Die Durchführung eines Überholmanövers an der gegenständlichen Stelle müsse als unter besonders gefährlichen Umständen begangen gewertet werden.
In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer, es hätten besonders gefährliche Verhältnisse geherrscht.
Nach einer Einvernahme auch des Beifahrers des Gendarmeriefahrzeugs (S.) durch die ersuchte Erstbehörde und einer dazu erstatteten Stellungnahme des Beschwerdeführers wies der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 22. April 1999 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Steiermark aus, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein Überholdelikt gesetzt habe. Aus dem Akteninhalt gehe hervor, dass er mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 26. August 1998 rechtskräftig bestraft worden sei. Das Straferkenntnis spreche zwar von einer Übertretung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960, doch stehe es der Behörde im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung frei, den Sachverhalt hinsichtlich des Vorliegens von besonderer Rücksichtslosigkeit oder besonders gefährlichen Verhältnissen einer eigenen Wertung zu unterziehen. Im Gegensatz zur Erstbehörde komme die Berufungsbehörde aber zur Ansicht, dass nicht besonders gefährliche Verhältnisse, sondern dass besondere Rücksichtslosigkeit vorliege, welche gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG eine bestimmte Tatsache darstelle. Aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des technischen Amtssachverständigen gehe eindeutig hervor, dass die verfahrensgegenständliche Überholstelle als unübersichtlich zu werten sei. Dies sei eine Tatsachenfeststellung im Rahmen des Aufgabenbereichs des technischen Amtssachverständigen. Die Ausführungen, dass es sich um besonders gefährliche Verhältnisse gehandelt habe, wären zwar nicht notwendig gewesen, doch ändere dies nichts an der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens, zumal nicht übersehen werden dürfe, dass diese Äußerungen lediglich aus technischer Sicht abgegeben worden seien. Der Berufungsbehörde stehe es frei, aus rechtlicher Sicht eine entsprechende Bewertung "hinsichtlich dieser unübersichtlichen Überholstelle darzulegen". Ebenso stehe es auf Grund der glaubwürdigen Aussagen der beiden im Gendarmeriekraftfahrzeug befindlichen Beamten fest, dass das Dienstfahrzeug stark herabzubremsen gewesen sei, damit ein frontaler Zusammenstoß vermieden werde. Die Behörde könne nicht dem Argument des Beschwerdeführers folgen, dass auf Grund der Aussage des beifahrenden Gendarmeriebeamten, wegen der Sichtverhältnisse wäre ein Überholen zweifelsfrei unzulässig gewesen, davon auszugehen sei, dass es sich nicht um eine unübersichtliche Straßenstelle gehandelt habe. Dazu sei anzuführen, dass sich ein Überholmanöver nicht nur auf seinen Beginn "reduziert", sondern es sich dabei um einen Vorgang bis zum Wiedereinordnen in den Verkehr handle, sodass sehr wohl Unübersichtlichkeit "im Rahmen eines solchen Vorganges" vorliegen könne. Besondere Rücksichtslosigkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG müsse gegenüber anderen Straßenbenützern an den Tag gelegt werden, wobei das Vorhandensein eines anderen Straßenbenützers genüge. Es komme nach dem Gesetz nicht darauf an, um welche Art von Straßenbenützern es sich handle. Zusätzlich zur abstrakten Möglichkeit einer Gefährdung im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 sei im vorliegenden Fall sogar eine konkrete Gefährdung vorgelegen, weil der Lenker des entgegenkommenden Gendarmeriefahrzeugs genötigt gewesen sei, sein Fahrzeug derart abzubremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Dass ein solches Verhalten den Unrechtsgehalt der Tat erhöhe, ergebe sich damit "logischerweise und ist dieses Verhalten des Herrn W. sicherlich als besondere Unvorsichtigkeit zu werten". Im Beschwerdefall habe es sich um eine unübersichtliche Kurve gehandelt. Auch hier sei von einer besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern auszugehen. Auch unter Beachtung des § 16 Abs. 2 lit. b StVO 1960 sei von einem zusätzlichen Sachverhaltselement mit Erhöhung des Unrechtsgehalts auszugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des FSG lauten (auszugsweise):
"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
§ 25.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ... ."
§ 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 lautet:
"§ 16. Überholverbote
(1) Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen:
a) Wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist,
..."
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg rechtskräftig wegen einer Übertretung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 bestraft wurde. Mit dieser Bestrafung stand für die belangte Behörde die Übertretung des Überholverbots gemäß § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bindend fest. Dieser Tatbestand besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin, dass der Lenker eines Kraftfahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, d.h. mit dem Überholen beginnt oder dieses nicht abbricht, solange dies noch möglich ist. Der Inhalt der Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bezieht sich tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende eines Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, sondern auf ein dem Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden- oder Behindernkönnen bzw. einen Platzmangel (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. März 1990, Zl. 89/11/0183). Der Beschwerdeführer wurde allerdings nicht nach § 99 Abs. 2 lit. c (Verstoß beim Überholen "unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern" gegen Bestimmungen der StVO 1960), sondern nur nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 bestraft. Dies schließt es zwar, wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, für die Kraftfahrbehörde nicht aus, außerhalb der Bindungswirkung des Straferkenntnisses selbst zu beurteilen, ob der Bestrafte durch Übertreten von Verkehrsvorschriften ein Verhalten im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG gesetzt hat, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; eine derartige rechtliche Beurteilung setzt aber mängelfreie und begründete Feststellungen über das Verhalten des Betreffenden, auf die herrschenden Sichtverhältnisse und sonstige verkehrsrelevante Umstände voraus, die einen Rückschluss auf die Eignung zur Herbeiführung besonders gefährlicher Verhältnisse bzw. auf die Rücksichtslosigkeit des Verstoßes erlauben. Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid aus folgenden Gründen nicht gerecht:
Die belangte Behörde vertritt in der Bescheidbegründung zunächst die Auffassung, im Beschwerdefall käme nicht, wie noch die Behörde erster Instanz meinte, der erste Tatbestand (besonders gefährliche Verhältnisse) des § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG zum Tragen, sondern vielmehr der zweite Tatbestand (besondere Rücksichtslosigkeit). Gleichwohl begründet sie die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte besondere Rücksichtslosigkeit im Wesentlichen damit, dass dieser an einer unübersichtlichen Straßenstelle überholt hätte. Es kann im Folgenden aber dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde tatsächlich von besonderer Rücksichtslosigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen ist oder - entgegen ihrer einleitenden Abkehr von der Begründung der Erstbehörde - doch im Ergebnis das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse bejaht hat, weil der angefochtene Bescheid jedenfalls mit einem gravierenden Feststellungs- und Begründungsmangel behaftet ist.
Als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gilt nach der demonstrativen Aufzählung des letzten Halbsatzes des § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG ua. das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen. Es besteht im Hinblick auf den demonstrativen Charakter der erwähnten Aufzählung kein Zweifel daran, dass auch bestimmte Überholmanöver in unübersichtlichen Kurven an sich geeignet sein können, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/11/0035, wo das Vorliegen solcher Verhältnisse - noch auf der Grundlage des mit § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG fast wörtlich übereinstimmenden § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der Fassung der 17. KFG-Novelle - bejaht wurde). Vor diesem Hintergrund wäre es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das auf Grund der rechtskräftigen Bestrafung feststehende Überholmanöver des Beschwerdeführers die Eignung zur Herbeiführung besonders gefährlicher Verhältnisse aufwies.
Wie aber bereits die erwähnte demonstrative Aufzählung im § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG erkennen lässt, setzt die Einschätzung von Straßenverläufen oder Kurven als unübersichtlich Feststellungen ua. zu den Sichtverhältnissen voraus. Eine bloß stereotyp wiederholte Bezeichnung eines Straßenstücks oder einer Kurve als unübersichtlich kann solche Feststellungen nicht ersetzen.
Die belangte Behörde hat eigene Sachverhaltsfeststellungen über den Straßenverlauf im Bereich des vom Beschwerdeführer unternommenen Überholmanövers, über Steigungen, Kurvenradien sowie gefahrene Geschwindigkeiten (des überholten sowie des überholenden Fahrzeuges, aber auch des entgegenkommenden Gendarmeriefahrzeuges) und die Länge des Überholweges unterlassen. Sie hat sich allerdings auf die Aussagen der von ihr als schlüssig und nachvollziehbar bezeichneten gutachtlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen berufen und erkennbar diese Aussagen - wenngleich offen bleibt, in welchem Umfang - ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.
Diese gutachtliche Stellungnahme enthält ihrerseits keine Entfernungsangaben und nur eine verbale Beschreibung des betreffenden Straßenverlaufes in Fahrtrichtung des Beschwerdeführers. Die Rede ist eingangs von einer 7 %igen Steigung der Straße, welche "zunächst in einer leichten Rechtskurve" verlaufe, welche "in weiterer Folge nach einer deutlich vorhandenen Fahrbahnkuppe in eine Linkskurve" übergehe. Der (im Straferkenntnis erwähnte) Streckenkilometer 1,050 befinde sich "ausgangs der beschriebenen Rechtskurve vor der Fahrbahnkuppe", welche einen derartigen Niveauunterschied aufweise, "dass an jener Stelle, wo W. zum Überholen angesetzt haben muss, zumindest PKW hinter der Kuppe nicht mehr wahrgenommen werden können". Anschließend wird die "verfahrensgegenständliche Überholstelle" als in einem zweifelsfrei nach den Bestimmungen der StVO 1960 "als unübersichtlich zu wertenden Bereich" befindlich bezeichnet. Wo genau der Beschwerdeführer das Überholmanöver begonnen hat und wo er es beendet hatte bzw. wo es zum Abbremsen des Gendarmeriefahrzeuges gekommen ist, ist der gutachtlichen Stellungnahme (wie auch der Bescheidbegründung) nicht zu entnehmen.
Diese wiedergegebenen Angaben in der gutachtlichen Stellungnahme sind so vage, dass sie nicht geeignet sind, als Feststellungen über die räumlichen und zeitlichen Umstände des Überholmanövers übernommen zu werden. Gerade weil der Ort, an dem das Überholmanöver begonnen wurde, nicht angegeben wird, lässt sich die für die Frage der Unübersichtlichkeit maßgebliche Äußerung, dass hinter der Kuppe (jedenfalls) Pkws nicht mehr wahrnehmbar gewesen wären, nicht nachvollziehen. Aus diesem Grund kann auch nicht beurteilt werden, ob in rechtlicher Sicht das Überholen ein Verhalten darstellte, welches infolge "bei weitem nicht ausreichender Sichtverhältnisse" an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG herbeizuführen.
Im Übrigen besteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Angaben des Lenkers des Gendarmeriefahrzeuges (K.) und der gutachtlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen. Jener hatte anlässlich seiner Einvernahme angegeben, er habe, als er "ausgangs der Rechtskurve" (entspricht der Linkskurve in der gutachtlichen Stellungnahme) wahrgenommen habe, "dass der entgegenkommende Kastenwagenlenker zum Überholen ansetzte", zunächst erwartet, "dass er den Überholvorgang sofort wieder abbrechen würde". Diese Schilderung schließt einen Sichtkontakt zwischen dem Gendarmeriefahrzeug und dem Fahrzeug des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des Beginns des Überholmanövers zumindest nicht aus, wie es nach der gutachtlichen Stellungnahme (wenngleich aus der Perspektive des Überholenden) der Fall gewesen sein müsste. Die belangte Behörde hätte schon diese Ungereimtheit aufklären müssen. Der Bescheid leidet insofern auch an einem wesentlichen Begründungsmangel.
Diese Erwägungen sind der belangten Behörde weitgehend auch hinsichtlich ihrer Annahme, der Beschwerdeführer habe bei seinem Überholmanöver mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen, entgegenzuhalten. Zwar schließt der Umstand eines fahrlässigen Verstoßes gegen ein Überholverbot die Annahme, dass dies mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern geschehen wäre, keineswegs aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1991, Zl. 91/11/0037). Allerdings muss zu dem vorliegenden Tatbestand, der - im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer, als er mit dem Überholen begonnen hat, die hiebei notwendige Vorsicht außer Acht gelassen hat, obwohl ihm hätte bewusst sein müssen, dass durch sein Verhalten andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten - eine mangelnde Rücksichtnahme gegenüber anderen Straßenbenützern beinhaltet, ein besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme hinzutreten. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat es die belangte Behörde unterlassen, ein vollständiges Ermittlungsverfahren im Sinn des § 37 AVG durchzuführen und gestützt auf mängelfreie Feststellungen eine schlüssige Begründung dafür zu geben, weshalb das Verhalten des Beschwerdeführers ein solches Übermaß mangelnder Rücksichtnahme im oben beschriebenen Sinne erkennen lässt.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren ist die belangte Behörde schließlich darauf aufmerksam zu machen, dass nach dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides die Lenkberechtigung ab Rechtskraft des Entziehungsbescheides entzogen wurde. Im Hinblick darauf, dass die strafbare Handlung im vorliegenden Fall bereits am 15. Juli 1998, somit vor bald drei Jahren begangen worden ist, wird die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über die wieder offene Berufung auch zu prüfen haben, ob überhaupt noch von einer Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers, der nach dem Akteninhalt anscheinend noch nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist, gesprochen werden kann.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999110221.X00Im RIS seit
09.08.2001Zuletzt aktualisiert am
17.06.2009