Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 18. November 1971 geborenen T in Bangkok, vertreten durch Dr. Alois Federsel, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1998, Zl. 732.863/15-III/16/98, betreffend Versagung eines Reisevisums (Visum C), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Devolutionswege ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1998 wurde der am 4. April 1997 bei der Österreichischen Botschaft Bangkok gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines thailändischen Staatsbürgers, auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 73 Abs. 2 AVG i.V.m.
§ 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 als Antrag auf Erteilung eines Reisevisums (Visum C) abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 4. April 1997 einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes bei der Österreichischen Botschaft Bangkok gestellt habe, welchem nicht stattgegeben worden sei. Der Beschwerdeführer habe am 13. Mai 1997 die schriftliche Ausfertigung der Sichtvermerksentscheidung "gemäß § 93 Abs. 2 FrG" beantragt. Dem sei von Seiten der Botschaft nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nachgekommen worden. Der Beschwerdeführer habe am 11. Mai 1998 einen auf § 93 Abs. 4 FrG gegründeten Devolutionsantrag gestellt.
Gemäß § 112 FrG seien Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes, die bei Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 anhängig seien, nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Da aus dem Antrag des Beschwerdeführers klar hervorgehe, dass seine Einreise in das Bundesgebiet zu touristischen Zwecken erfolgen solle, sei sein Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes als Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels (Reisevisums) gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 FrG zu behandeln.
Der Beschwerdeführer habe bereits am 27. März 1997 die Ausstellung eines achtmonatigen Sichtvermerkes für die Einreise und den Aufenthalt in Österreich beantragt, wobei dieser Antrag durch ein Schreiben des Präsidialbüros des Bürgermeisters von Wien vom 11. März 1997 unterstützt worden sei. In diesem Schreiben sei die österreichische Botschaft Bangkok ersucht worden, "im Rahmen eines Austauschprojektes und im Auftrag von Bürgermeister H" den beantragten Sichtvermerk auszustellen. Als Einlader scheine der derzeitige bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers, Herr D. S., auf. Eine Rückfrage beim Präsidialbüro des Bürgermeisters habe ergeben, dass es sich bei dem vorgelegten Schreiben offensichtlich um eine Fälschung handle, da ein solches nie ausgestellt worden sei. Aus diesem Grund sei auch der damalige Antrag abgelehnt worden. Weiters hätten Nachforschungen ergeben, dass sich der Beschwerdeführer bereits in den Jahren 1994, 1995 und 1996 mit Touristensichtvermerken im Bundesgebiet aufgehalten habe, wobei diese Sichtvermerke auf Grund ebenfalls gefälschter Einladungsschreiben einer österreichischen Automobilfabrik erteilt worden seien. Auch bei diesen Antragstellungen habe der Beschwerdeführer Herrn D. S. als seine Kontaktperson bzw. als Einlader angegeben. Nach Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes komme die belangte Behörde zu der Ansicht, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, da sein Verhalten klar seine negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung erkennen lasse, indem er sich mehrmals durch Vorlage gefälschter Schriftstücke Sichtvermerke verschafft habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zunächst verkannt, dass der Sichtvermerksantrag des Beschwerdeführers schon im Jahr 1997 durch die Österreichische Botschaft Bangkok abschlägig beschieden worden war, und dass sie auf Grund des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers gemäß § 93 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 nur zur schriftlichen Ausfertigung dieser noch im zeitlichen Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1992 getroffenen Entscheidung zuständig war. Bei dieser schriftlichen Ausfertigung hatte sie daher die materiellen Bestimmungen dieses letzteren Bundesgesetzes anzuwenden. Sie stützte den angefochtenen Bescheid jedoch auf § 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997. Damit belastete die belangte Behörde diesen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Im Übrigen hält der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er selbst mit den von der belangten Behörde angenommenen Fälschungen nichts zu tun habe. Der Verdacht der Urkundenfälschung sei gegen den Vertreter des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, Herrn D. S., erhoben und von der Staatsanwaltschaft geprüft worden. Entsprechende Strafanzeigen seien jedoch von der Staatsanwaltschaft Wien entsprechend bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegter Verständigungen vom 5. Juni 1997 und vom 12. November 1997 zurückgelegt worden. Gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK sei von der Unschuld des D. S. auszugehen. Dies gelte erst recht für den Beschwerdeführer, dem Urkundenfälschung niemals persönlich vorgeworfen worden sei und der damit auch nichts zu tun gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe sich bereits dreimal im Bundesgebiet aufgehalten, er sei unbescholten und sei bei seinen Aufenthalten in Österreich nie polizeilich aufgefallen, weshalb nicht verständlich sei, warum und in welcher Weise sein neuerlicher Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung gefährden könne. Der gegenüber dem Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der Fälschung gehe gänzlich ins Leere und sei durch keine Fakten begründet. Dem Beschwerdeführer sei auch keine Gelegenheit gegeben worden, den Vorwurf der Urkundenfälschung zu entkräften.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) ist für die Beurteilung, ob vom Aufenthalt einer Person eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit ausgeht, grundsätzlich nicht das Vorliegen von Bestrafungen maßgebend. Wesentlich ist vielmehr, ob das Gesamtverhalten des Antragstellers Grund zur Annahme bot, sein Aufenthalt gefährde die (oder zumindest eines der) in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter. Dabei hat die Behörde eine Würdigung des Verhaltens des Antragstellers anhand der Art der gesetzten Tathandlung, der Anzahl und des zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen der Antragsteller strafrechtlich auffällig geworden ist, vorzunehmen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0177, und vom 16. Mai 1997, Zl. 95/19/1148). Bei der von den Verwaltungsbehörden zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist auch auf das Verhalten des Beschwerdeführers seit der zu Grunde gelegten Straftat abzustellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Mai 1997, Zl. 95/19/1148, und vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0212).
Im vorliegenden Fall wurden keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob und inwiefern der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf Grund des von ihm begehrten Reisevisums zu einer konkreten Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 führen würde. Diese Schlussfolgerung durfte allein aus dem Umstand, dass zu seinen Gunsten gefälschte Briefe vorgelegt worden seien, und sogar ohne die Feststellung, dass er davon auch nur gewusst hätte, nicht gezogen werden. Eine zur Verwirklichung des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 ausreichende Gefährdungsprognose setzt nämlich entsprechende Feststellungen über derartige besondere Umstände voraus, aus denen sich das konkrete und aktuelle Gefährdungspotenzial des Fremden ergibt. Diesbezügliche Feststellungen wurden im Fall des Beschwerdeführers jedoch nicht getroffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG entbehrlich.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, dass die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung normierten Pauschbeträgen bereits enthalten ist.
Wien, am 30. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999210226.X00Im RIS seit
05.11.2001