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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des G K in Wien, geboren am 10. September 1958, vertreten durch Dr. Otto Tuma, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weißgerber Lände 50/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Dezember 1999, Zl. SD 652/99, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Dezember 1999 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 4 Passgesetz 1992 BGBl. Nr. 839 idF BGBl. Nr. 507/1995 (PassG) der von der Bundespolizeidirektion Wien am 31. Oktober 1986 ausgestellte, bis 31. Oktober 1996 gültige Reisepass Nr. R 0703084 entzogen.
Der Beschwerdeführer sei am 19. Oktober 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens nach § 3a Z. 2 und § 3g des Verfassungsgesetzes vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von elf Jahren rechtskräftig verurteilt worden.
Des Verbrechens nach § 3a Z. 2 Verbotsgesetz mache sich schuldig, wer eine Verbindung gründe, deren Zweck es sei, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben oder die öffentliche Ruhe und den Wiederaufbau Österreichs zu stören, oder wer sich in einer Verbindung dieser Art führend betätige.
Wer sich auf andere als die in §§ 3a bis 3f Verbotsgesetz bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätige, werde, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung strenger strafbar sei, gemäß § 3g Verbotsgesetz mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren bestraft.
Hinsichtlich der dem Urteil zu Grunde liegenden Tathandlungen des Beschwerdeführers werde grundsätzlich auf den erstinstanzlichen Bescheid mit der wörtlichen Wiedergabe des Urteilsspruchs verwiesen und dieser Teil ausdrücklich zum Bestandteil des angefochtenen Bescheides erklärt.
Wie sich aus dem Urteil ergebe, habe der Beschwerdeführer im Jahr 1986 eine Verbindung, nämlich die "Volkstreue Außerparlamentarische Opposition" (VAPO) gegründet, deren Zweck es sei, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich dadurch zu untergraben, dass - zumindest auf längere Sicht - die Beseitigung der auf der Verfassung beruhenden Rechtsordnung der Republik Österreich, deren Ersatz durch eine nationalsozialistische Regierung und die Einbringung Österreichs in ein wieder zu errichtendes großdeutsches Reich angestrebt werde. Im Zuge dieser Gründung sei vom Beschwerdeführer bereits Ende 1986 das so genannte "VAPO-Konzept" entwickelt worden. Innerhalb der VAPO habe sich der Beschwerdeführer in führender Position betätigt, indem er als Bereichsleiter der VAPO zwei fixe "Gau-Beauftragte" eingesetzt, die Aktivitäten der VAPO österreichweit koordiniert, so genannte "Führerthinge" geleitet, monatliche "Gau-Appelle" angeordnet, ideologische Schulungen einzelner Mitglieder organisiert und für die Ausarbeitung und Bereitstellung von Propagandamaterial mit nationalsozialistischem Inhalt gesorgt habe.
Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer auf andere als die in den §§ 3a bis 3f Verbotsgesetz bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er Fernseh- und Hörfunkinterviews gegeben habe, die im Zeitraum von 1990 bis 1992 in Österreich und teilweise in den USA ausgestrahlt worden seien und in welchen er Aussagen wie "Hitler war der größte deutsche Politiker seit Bismarck", "Österreich ist ein Teil Deutschlands" und "Natürlich gab es Auschwitz, aber kein organisiertes Morden ..., keine Gaskammern ..., keine Todeslager ..." gemacht habe.
Der Beschwerdeführer sei rechtskräftig verurteilt worden, weil er sich im Zeitraum von 1986 bis 1991 im nationalsozialistischen Sinn wiederbetätigt und solcherart die innere und äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet habe. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer einen Gesinnungswandel durchgemacht habe, der eine positive Prognose zulasse. Zum einen sei sein seit dem 6. Jänner 1992 gegebenes Wohlverhalten lediglich darauf zurückzuführen, dass er sich seit diesem Zeitpunkt in Untersuchungs- bzw. Strafhaft befunden habe, zum anderen habe ihn auch eine bereits am 2. April 1984 erfolgte Verurteilung (in Rechtskraft erwachsen am 25. Juni 1986) nicht davon abgehalten, unmittelbar danach neuerlich einschlägig straffällig zu werden.
Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen in den Jahren 1990 und 1991 mehrmals Kontakt zu Gruppen mit "neonationalistischem" Gedankengut in Deutschland und Ungarn gehabt.
Vor diesem Hintergrund rechtfertigten das Verhalten des Beschwerdeführers, das zu seiner Verurteilung geführt habe, sowie dessen Kontakte im Ausland die Annahme gemäß § 14 Abs. 1 Z. 4 PassG, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet werde.
Auch die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, wonach sich das "Passamt" der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, das die Enthaftung des Beschwerdeführers nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe verfügt habe, ohne daran Bedingungen - wie etwa dass der Beschwerdeführer das Gebiet der Republik Österreich nicht verlassen dürfe - zu knüpfen, zu fügen hätte, sei verfehlt. Die Passbehörde habe die Erforderlichkeit der Passentziehung aus eigenem zu beurteilen, ohne dabei an Erwägungen gebunden zu sein, die das Gericht veranlasst hätten, mit der vorzeitigen Enthaftung des Beschwerdeführers keine Bedingungen zu verbinden. Unter diesem Blickwinkel sei auch dem Argument des Beschwerdeführers, die Drohung, den Rest seiner Strafe verbüßen zu müssen, wäre bedeutend wirksamer als die Entziehung seines seit Jahren abgelaufenen Reisepasses, der Boden entzogen.
2. Die gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 6. März 2000, B 223/00, unter Ablehnung ihrer Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des PassG haben folgenden Wortlaut:
"§ 14. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn
...
4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
§ 15. (1) Ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, ist zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.
..."
2.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung und das dieser Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten. Der Beschwerdeführer hat eine Verbindung gegründet, die auf die Beseitigung der demokratischen Republik Österreich und die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes gerichtet ist, und sich im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er Aussagen mit eindeutig nationalsozialistischem Inhalt gemacht hat. Unstrittig steht auch fest, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1990 und 1991 mehrmals Kontakte zu Gruppen der Neonazi-Szene und deren Vertretern in Deutschland und Ungarn gehabt hat. Wie aus dem Akteninhalt ersichtlich ist, ist der Beschwerdeführer im Zuge dessen nach Deutschland gereist, wiederholt als Redner bei Versammlungen rechtsextremer Gruppierungen aufgetreten und zum Vorsitzenden der rechtsextremen "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" gewählt worden. Weiters ist es auch in Ungarn zu einem Treffen mit einem führenden Mitglied der dortigen rechtsextremen Szene gekommen.
Es besteht daher der begründete Verdacht, dass der Beschwerdeführer den Reisepass dazu benützen würde, um neuerlich ins Ausland zu reisen, um dort mit Vertretern der rechtsextremen Szene wieder in Kontakt zu treten, sein ideologisches Konzept umzusetzen oder dementsprechende Vorbereitungshandlungen vorzunehmen. Die Ansicht der belangten Behörde, dass vor diesem Hintergrund die Annahme gerechtfertigt sei, durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland würde die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Wenn der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid einwendet, dass die belangte Behörde durch Verweis auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides bei ihrer Beurteilung der Gefährdung der äußeren oder inneren Sicherheit der Republik Österreich unter anderem "Sachverhalte" herangezogen habe, die sich während der Haft des Beschwerdeführers ereignet hätten und an denen er daher nicht habe beteiligt sein können, so ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt wurde, an den nach seiner Verurteilung gesetzten Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen beteiligt gewesen zu sein.
2.2. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, den seine Verurteilung betreffenden Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien beizuschaffen, in dem sich auch der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien über die vorzeitige bedingte Entlassung aus der Strafhaft befinde. Aus der Begründung dieses Beschlusses würde sich ergeben, dass ein neuerliches strafbares Verhalten des Beschwerdeführers für die Zukunft nicht zu erwarten sei. Dies hätte die belangte Behörde festzustellen gehabt und zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die in § 14 Abs. 1 Z. 4 PassG umschriebene Annahme nicht gerechtfertigt sei. Überdies sei die bedingte Nachsicht des Strafrestes auch eine Garantie dafür, dass der Beschwerdeführer in Zukunft straffrei bleiben werde.
Dieses Vorbringen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Passbehörde die Frage des Vorliegens eines Grundes für die Entziehung eines Reisepasses nach den hiefür vom Gesetz vorgegebenen Kriterien eigenständig zu beurteilen hat, ohne an die Erwägungen des Gerichts bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung gebunden zu sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 98/18/0354). Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor. Dass die bedingte Entlassung und die damit gemäß § 46 StGB verbundene bedingte Nachsicht des Strafrestes keine Garantie für ein zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers bietet, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass der Beschwerdeführer kurz nach seiner Verurteilung im Jahr 1984 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr erneut einschlägig straffällig geworden ist.
2.3. Weiters führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass das für die Beurteilung als maßgeblich herangezogene strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bereits acht bis 13 Jahre zurückliege und nach Verstreichen eines derart langen Zeitraumes eine negative Prognose nicht mehr zulässig sei.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer seit Begehung der letzten strafbaren Handlung siebeneinhalb Jahre, nämlich vom 6. Jänner 1992 bis 13. Juli 1999, in Haft befunden hat und der seit seiner bedingten Entlassung verstrichene Zeitraum von fünf Monaten angesichts der beim Beschwerdeführer bestehenden Wiederholungsgefahr viel zu kurz ist, um einen Wegfall der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können.
2.4. Schließlich wendet der Beschwerdeführer ein, dass für ihn mit dem Entzug des Reisepasses insofern ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, als er ohne Reisepass daran gehindert sei, wieder eine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf als Spediteur, welche bekanntlich mit einer besonders umfangreichen Reisetätigkeit - auch ins Ausland - verbunden sei, aufnehmen zu können.
Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend, weil bei der Entziehung eines Reisepasses nach den einschlägigen Bestimmungen des PassG auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen nicht Rücksicht zu nehmen ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 98/18/0354).
3. Auf Grund des nach Ausstellung des Reisepasses eingetretenen Versagungsgrundes gemäß § 14 Abs. 1 Z. 4 PassG hat die belangte Behörde den gegenständlichen Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer noch nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, in rechtlich unbedenklicher Weise gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. entzogen. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Mai 2001
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000180086.X00Im RIS seit
13.11.2001