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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AlVG 1977 §7 Abs3 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sin W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 28. September 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-3450, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, hielt sich seit 1990 im Bundesgebiet auf. Ihr Aufenthalt war zunächst durch Sichtvermerke, später durch Aufenthaltsbewilligungen, zuletzt mit einer Aufenthaltsdauer bis 12. April 1994 zum Zwecke unselbstständiger Erwerbstätigkeit geregelt. Sie lebte in Österreich mit ihrem Ehemann. Auf Grund einer bis 8. September 1997 gültigen Arbeitserlaubnis war sie bei einer Reinigungsfirma beschäftigt.
Am 4. Mai 1994 stellte sie einen Antrag auf Verlängerung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen. Ebenso wurde ein neuerlicher Antrag auf Verlängerung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom 24. Februar 1995 rechtskräftig abgewiesen. Schließlich stellte die Beschwerdeführerin am 1. August 1995 neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Auch dieser Antrag wurde im Instanzenzug abgewiesen. Gegen den hierüber letztinstanzlich ergangenen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Das Verfahren zur Zl. 96/19/0819 endete mit Beschluss vom 21. August 1998. Damit wurde die Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt. In der Begründung hiezu heißt es, die Beschwerde sei am 1. Jänner 1998 anhängig gewesen; gemäß § 113 Abs. 6 und 7 FrG sei der angefochtene Bescheid am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten.
Die Beschwerdeführerin wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Februar 1996 ausgewiesen und musste am 24. Mai 1996 das Bundesgebiet verlassen.
Im November 1999 konnte die Beschwerdeführerin mit einem Reisevisum (§ 6 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997) wiederum in das Bundesgebiet einreisen. Danach wurde ihr zunächst eine Niederlassungsbewilligung vom 20. Dezember 1999 bis 20. Juni 2000 und im Anschluss daran eine solche für jeglichen Aufenthaltszweck für die Dauer vom 26. Juli 2000 bis 26. Juli 2001 erteilt.
Die Beschwerdeführerin stellte am 28. Februar 2000 den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Auf dem Antrag wurde offensichtlich vom Prüfer (Rotstift) der Vermerk angebracht:
"Lt. MZ vom 17.11.1999".
Mit Bescheid vom 7. März 2000 gab die angerufene - zuständige - regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dem Antrag vom 28. Februar 2000 auf Gewährung von Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, die Beschwerdeführerin stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung.
Die Beschwerdeführerin erhob die mit 21. März 2000 datierte Berufung. Darin führte sie nach Darstellung des eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhaltes aus, auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. August 1998, 96/19/0819, sei das Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in die erste Instanz "zurückgefallen". Der seinerzeit gestellte Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei damit gemäß § 31 Abs. 4 FrG 1997 als solcher auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels zu beurteilen. Durch die in der Folge erteilte Niederlassungsbewilligung werde die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes auch für jene Zeiten, während derer sie auf Grund der rechtswidrigen Ausweisung sich nicht in Österreich habe aufhalten können, bestätigt. Dass sie vorübergehend dem Arbeitsmarkt nicht angehört habe, sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass ihr von den Aufenthaltsbehörden die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtswidrigerweise versagt worden sei. Diese Umstände seien jedoch vom Arbeitsmarktservice nicht zu berücksichtigen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juli 1999, B 1045/98).
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung zitierte die belangte Behörde zunächst die ihrer Meinung nach in Betracht kommenden Gesetzesstellen und stellte das Verwaltungsgeschehen dar. Anschließend stellte sie ergänzend zum eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt fest, dass die Beschwerdeführerin bis 12. April 1994 mit einem gültigen Aufenthaltstitel in Österreich gelebt habe. Ihre abgewiesenen Anträge vom 4. Mai 1994 und 24. Februar 1995 auf neuerliche Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stellten keine Verlängerungsanträge im Sinne des § 31 Abs. 4 FrG 1997 dar, weil sie nicht vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des der Beschwerdeführerin bis 12. April 1994 erteilten Aufenthaltstitels eingebracht worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit seinem Beschluss vom 21. August 1998, 96/19/0819, nicht über die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin seit 12. April 1994 abgesprochen, sondern darüber, dass die auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom 1. August 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres als gegenstandslos erklärt werde. Dies bedeute nicht, dass die Beschwerdeführerin nach dem 12. April 1994 einen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich innegehabt habe. Erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung am 20. Dezember 1999 könnte sie diesen wieder vorweisen. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes am 28. Februar 2000 sei die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarkt gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 AlVG i.V.m. § 34 Abs. 3 Z. 2 FrG 1997 nicht zur Verfügung gestanden, weil sie sich seit Erteilung der Niederlassungsbewilligung am 12. Dezember 1999 noch nicht ein Jahr im Bundesgebiet aufgehalten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld verletzt. Der angefochtene Bescheid ist zwar nicht aus den in der Beschwerde vorgetragenen, aber aus vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Gründen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1966 wurde der Aspekt der Verfügbarkeit der Arbeitslosen zur Arbeitsvermittlung in das Gesetz aufgenommen. Der diesbezügliche § 7 AlVG in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201 lautete auszugsweise wie folgt:
"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer
1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
...
(1) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und ...
(2) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf, wer
1. sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält und
2. sich zur Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufhalten darf (Abs. 4).
(4) Im Sinne des Abs. 3 Z. 2 dürfen sich zur Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit aufhalten:
1. Ausländer, die eine Aufenthaltsbewilligung für eine unselbstständige Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 1 Z. 1 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995) besitzen,
2. Ausländer, die nach § 12 des Aufenthaltsgesetzes (AufG), BGBl. Nr. 466/1992, aufenthaltsberechtigt sind,
3. Ausländer, die nach § 13 Abs. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllen,
4. Ausländer, die nach dem Abkommen mit dem Schweizerischen Bundesrat betreffend zusätzliche Vereinbarungen über die Niederlassungsverhältnisse der beiderseitigen Staatsbürger, BGBl. Nr. 204/1951, aufenthaltsberechtigt sind,
5. Ausländer, die vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, ausgenommen sind,
6. Ausländer, die eine Arbeitserlaubnis bzw. einen Befreiungsschein (§ 14a bzw. § 15 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) besitze,
nicht jedoch Grenzgänger im Sinne des § 13 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992.
..."
Diese Bestimmung wurde mit der am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes durch das Bundesgesetz I BGBl. Nr. 78/1997 dahingehend geändert, dass im § 7 der Abs. 4 entfällt (der bisherige Abs. 5 erhielt die Absatzbezeichnung (4)) und im Abs. 3 die Z. 2 den folgenden Wortlaut erhielt:
"§ 7. ...
(3) ...
2. wem die Ausübung einer unselbstständigen Beschäftigung auf Grund der gesetzlichen Vorschriften nicht verwehrt ist."
Mit dem Bundesgesetz I BGBl. Nr. 179/1999, wurde der Abs. 3 des § 7 insofern geändert, als im ersten Halbsatz an Stelle des Wortes "wer" das Wort "eine Person" trat und eine Z. 3 angefügt wurde, die wie folgt lautet:
"3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt."
Die Materialien zu den Änderungen durch die Bundesgesetze I Nr. 78/1997 bzw. I Nr. 179/1999 geben keine Auskunft über die Gründe für die Änderung, der mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 eingefügten Bestimmung.
Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Z. 1 und 2 AlVG im Beschwerdefall unstrittigerweise vorliegen. Sie stützt sich lediglich darauf, dass die Beschwerdeführerin den in § 7 Abs. 3 Z. 3 AlVG genannten Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z. 2 FrG erfüllt. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. § 34 FrG 1997 regelt die Ausweisung Fremder mit Aufenthaltstitel. Die hier in Rede stehende Bestimmung des § 34 Abs. 3 Z. 2 und Abs. 4 FrG lautet wie folgt:
"§ 34. ...
(3) Schließlich können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn ihnen
1.
...
2.
eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, sie länger als ein Jahr aber kürzer als acht Jahre im Bundesgebiet niedergelassen sind und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sind.
(4) Den Zeiten der erlaubten unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des Abs. 2 und Abs. 3 Z. 2 sind Zeiten
1. des Bezuges von Wochengeld oder Karenzgeld, auch wenn das Arbeitsverhältnis nicht mehr aufrecht ist, und
2. der Krankheit, des Arbeitsunfalles oder des Unglücksfalles, solange noch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber oder ein Anspruch auf Krankengeld gegenüber einem Sozialversicherungsträger besteht,
gleichzuhalten."
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die Beschwerdeführerin erfülle den Tatbestand der Ausweisung Fremder mit Aufenthaltstitel im Sinne des § 34 Abs. 3 Z. 2 FrG 1997, weil sie sich seit Erteilung der Niederlassungsbewilligung am 20. Dezember 1999 noch nicht ein Jahr im Bundesgebiet aufhalte. Damit übersieht die belangte Behörde aber, dass diese Bestimmung den Fall normiert, dass Fremden eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde und sie länger als ein Jahr, aber kürzer als acht Jahre im Bundesgebiet niedergelassen sind. Solche Fremde können dann ausgewiesen werden, wenn sie während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Von der Ausweisung bedroht sind demnach Fremde, denen es nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens einem Jahr nicht gelungen ist, auf dem Arbeitsmarkt entsprechend Fuß zu fassen. Bei einem kürzeren Aufenthalt als einem Jahr ist diese Bestimmung nicht anwendbar. Ausgehend von der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 20. Dezember 1999, aber selbst ausgehend vom Einreisevisum vom November 1999 war die Beschwerdeführerin bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides mit 2. Oktober 2000 noch nicht ein Jahr erlaubterweise in Österreich aufhältig. Den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z. 3 AlVG erfüllt nur, wer gemäß § 34 Abs. 3 Z. 2 i.V.m. Abs. 4 FrG 1997 mit Bescheid ausgewiesen worden ist. Die Bestimmung ist daher auf die Beschwerdeführerin nicht anzuwenden. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001080029.X00Im RIS seit
15.11.2001