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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1 impl;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/20/0353Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, 1. über den Antrag des KS in Wien, geboren am 6. Mai 1968, vertreten durch Mag. Francisco J. Rumpf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Judenplatz 10, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Jänner 2001, Zl. 217.669/0-XIV/16/00, betreffend § 5 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), und 2. in dieser Beschwerdesache den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. Juni 2000 wurde der am 21. Oktober 1999 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Griechenland gemäß Art. 5 Abs. 4 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages (Dubliner Übereinkommen), BGBl. III Nr. 165/1997, für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei. Gleichzeitig wurde - nach der Darstellung im angefochtenen Bescheid - die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet "nach Griechenland" verfügt. Dagegen hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben. Mit Bescheid vom 10. Jänner 2001 hat die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG abgewiesen.
Zur Erhebung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 2001 die Verfahrenshilfe insbesondere durch Beigebung eines Rechtsanwaltes bewilligt. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers als Verfahrenshelfer am 16. Februar 2001 zugestellt.
Am 13. April 2001 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in der vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde. Diesen Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass eine gewissenhafte und bisher fehlerfrei arbeitende Kanzleiangestellte seines Verfahrenshelfers den Ablauf der Beschwerdefrist unrichtig in den Fristkalender mit 13. April 2001 als letzten Tag der Frist (sohin 8 und nicht 6 Wochen nach der Zustellung an den Verfahrenshelfer) eingetragen habe. Hiedurch sei die zeitgerechte Postaufgabe der Beschwerde versäumt worden. In der Kanzlei des Verfahrenshelfers sei ein
"an sich effizientes System der Posteingangskontrolle eingerichtet, bei dem von (der Kanzleiangestellten) alle Schriftstücke lückenlos erfasst, nach Fristen untersucht ... und unverzüglich vorgemerkt werden. Als Kontrollsystem ist in der Kanzlei des Verfahrenshelfers vorgesehen, dass (die Kanzleiangestellte) zunächst die Fristen selber ein zweites Mal und dann diese von einer zweiten Kanzleimitarbeiterin Frau B.B.-G. kontrolliert werden. Sämtliche eingetragenen Fristen werden dann dem Verfahrenshelfer bekannt gegeben und in der Folge die Akten vor eingetragenem Fristablauf vorgelegt. (...) Die Fristvormerkung wird vom Verfahrenshelfer auch in seinem Kalender eingetragen. (...) Grund für das erstmalige Versagen des Kontrollsystems war die außergewöhnliche Arbeitsüberlastung sämtlicher Kanzleimitarbeiter auf Grund der Implementierung einer neuen Kanzleisoftware und das Fehlen der an sich vorgesehenen Kontrolle durch Frau B.B.-G., da diese an diesem Tag auswärtige Verrichtungen durchzuführen hatte."
Wegen des ansonsten einwandfreien und effizienten Systems der Posteingangskontrolle treffe den Verfahrenshelfer des Beschwerdeführers kein grobes Verschulden am Versäumen der Frist.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
"Unabwendbar" ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann; "unvorhergesehen" ist es hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A), wobei ein der Partei hiebei unterlaufenes Versehen minderen Grades nicht schadet. Ein minderer Grad des Versehens liegt dann vor, wenn der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter nicht auffallend sorglos gehandelt hat (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0235, uva).
Den Wiedereinsetzungswerber trifft die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache des Verwaltungsgerichtshofes, von sich aus Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnten. Der Wiedereinsetzungsantrag ist insbesondere in Hinsicht auf die Erfüllung der nach der Sachlage gebotenen Sorgfalts- und Überwachungspflicht des den Beschwerdeführer vertretenden Rechtsanwaltes zu substantiieren, widrigenfalls eine Beurteilung der Sachlage dahin, dass dem Rechtsanwalt bloß ein Versehen minderen Grades zur Last liegt, nicht möglich ist (vgl. die hg. Beschlüsse vom 19. September 1997, Zl. 96/19/0679, und vom 5. November 1997, Zl. 97/21/0673).
Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag besteht das "effiziente System der Posteingangskontrolle" in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers lediglich darin, dass die eine Frist vormerkende Kanzleimitarbeiterin die eingetragenen Fristen selber ein zweites Mal kontrolliere und schließlich eine weitere Kontrolle durch eine zweite Kanzleimitarbeiterin erfolge. Der Vertreter des Beschwerdeführers trage die vorgemerkten Fristen auch in seinen eigenen Kalender ein. Dass der Vertreter des Beschwerdeführers die Vormerkung der Fristen durch seine Kanzleiangestellte selbst kontrollieren würde, ist dem Wiedereinsetzungsvorbringen nicht zu entnehmen.
Im Beschluss eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A, hat der Verwaltungsgerichtshof zur damaligen Rechtslage ausgesprochen, dass das Versehen einer Kanzleibediensteten für den Rechtsanwalt (und damit für die von ihm vertretene Partei) nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellt, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seiner Angestellten hinreichend nachgekommen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner bereits mehrfach ausgesprochen, dass für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich ist. Er selbst habe die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen, und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Der Rechtsanwalt hat daher die richtige Eintragung im Kalender zu überwachen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 190 ff zu § 71 AVG zitierten hg. Erkenntnisse).
Der Beschwerdeführer hat eine derartige Kontrolle der Fristeneintragungen nicht einmal angedeutet, geschweige denn nähere Umstände vorgebracht, in welcher Art und Weise und in welcher Intensität die vorgenommenen Eintragungen von seinem Vertreter kontrolliert worden wären (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 196 zu § 71 AVG).
Bereits nach den Behauptungen des Beschwerdeführers ist daher davon auszugehen, dass den Vertreter des Beschwerdeführers ein diesem zuzurechnendes Verschulden trifft, das den minderen Grad des Versehens übersteigt.
Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass nicht einmal die behauptete Kontrollmaßnahme durch die zweite Kanzleimitarbeiterin tatsächlich stattfand. Auch diesbezüglich wurde kein Vorbringen etwa dahin gehend erstattet, welche organisatorischen Maßnahmen in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers getroffen worden wären, um für den Fall der Abwesenheit der zweiten Kanzleimitarbeiterin für die Vornahme einer effizienten Kontrolle Sorge zu tragen.
Es ist daher im Zusammenhang mit der für die Versäumung der Beschwerdefrist kausalen unrichtigen Eintragung des Fristvormerks von einem der Annahme eines Verschuldens minderen Grades entgegenstehenden Organisations- und Überwachungsverschulden des Beschwerdevertreters auszugehen, welches der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegensteht.
Bei diesem Ergebnis war auch die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 31. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001200227.X00Im RIS seit
02.08.2001