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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §6 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der R K in Linz, geboren am 20. Dezember 1958, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. August 2000, Zl. 218.025/0-V/13/00, betreffend §§ 6 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Ghana, betrat am 5. Juni 2000 das Bundesgebiet und stellte am folgenden Tag einen Asylantrag, den sie bei ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt am 27. Juni 2000 wie folgt begründete:
"Ich gehöre dem Volk der Ashanti an. In meinem Haus in Ntonso in einem eigenen Raum steht ein Schrein, der von einer Priesterin betreut und bewacht wird. Diese Frau muss zwischen 37 und 47 Jahre alt sein, wenn sie dieses Amt übernimmt. Die letzte Priesterin, welche meine Tante war, starb am 7.4.2000.
40 Tage nach dem Tod der Priesterin fand eine Zeremonie zur Bestimmung der Nachfolgerin statt. Dies war am 17.05.2000. Alle traditionellen Priester und Priesterinnen sowie das Familienoberhaupt kamen zusammen. Zu meiner großen Überraschung hatte man mich als neue Priesterin erwählt. Ich lehnte dies ab, da ich Christin bin. Sie sagten mir, dass bis jetzt noch niemand abgelehnt hat und dass man mich töten müsste, um die Götter der Vorfahren zu besänftigen.
Am 18.05.2000 begab ich mich zur so genannten "Queen-Mother" unserer kleinen Stadt. Diese ist das traditionelle Oberhaupt, da ihr Bruder, der in der Stadt traditioneller König war, verstorben ist.
Diese bestätigte jedoch, dass bis jetzt noch niemand dieses Amt zurückgewiesen hat und war auch der Meinung, dass man mich töten müsste, um die Götter zu besänftigen, bevor man eine neue Priesterin bestimmen kann.
Außerdem kämen Unruhen, Unglück und Bestrafung durch die Götter über die ganze Stadt, falls man nicht wie bisher vorgehen würde.
Noch am selben Tag ging ich zum Pastor unserer Kirche und erzählte ihm mein Problem. Er ging mit mir zur dortigen Polizeistation. Diese unternahmen jedoch nichts, da es sich dabei um eine stammesinterne traditionelle Angelegenheit handelt. Ich sollte mit dem Pastor und mit meiner Familie selber eine Lösung finden.
Am 20.05.2000 rief ich das Familienoberhaupt, die Queen-Mother, die Priester und Priesterinnen, den Pastor und einige Kirchenälteste zusammen, um die Angelegenheit zu besprechen. Es wurde vereinbart, diese Angelegenheit den Vorfahren zur Entscheidung zu überlassen. Es kam jedoch keine Antwort.
Am 23.05.2000 drangen einige Priester dieses Schreinkultes in mein Haus ein und brachten mich gegen meinen Willen weg in einen geschlossenen Raum, wo ich festgehalten wurde.
In der folgenden Nacht gegen 01.00 Uhr kam einer der Wächter und holte mich aus dem Zimmer. Er brachte mich zum Haus des Pastors. Dort hielt ich mich nur ganz kurz auf. Der Pastor brachte mich in der Folge sofort mit seinem PKW aus der Stadt fort.
Mehr habe ich nicht anzugeben. Andere Gründe habe ich nicht.
F: Wieso begaben sie sich nicht z.B. in die Hauptstadt ACCRA,
um die Angelegenheit dort zur Anzeige zu bringen, bzw. weshalb begaben Sie sich nicht in andere Gebiete Ghanas, wo Sie vor dem Zugriff der sie bedrohenden Privatpersonen geschützt gewesen wären?
A: Dies zog ich nicht in Erwägung, da ich mich zur Gänze auf den Pastor verließ, der mich aus der Stadt brachte. Man kann auch angeblich eine Medizin herstellen, um mich zurückzuholen. Wenn man weggeht, können sie einen nicht mehr erreichen, dies geht nur, wenn man in der Region bleibt. Dies sagte mir zumindest der Wächter.
Was erwarten Sie bei einer Rückkehr nach Ghana, speziell dann, wenn Sie nicht in ihre Heimatregion zurückkehren?
A: Ich glaube, dass ich überall gefunden werden könnte.
Mir wird vom einvernehmenden Beamten mitgeteilt, dass nach dessen Ansicht sehr wohl die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative bestand und auch weiterhin besteht."
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin erschien dem Bundesasylamt insgesamt als glaubwürdig. Es wies jedoch den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ghana gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Bei den von der Beschwerdeführerin befürchteten Übergriffen würde es sich um strafbare Handlungen von Privatpersonen handeln, die durch die zuständigen Behörden Ghanas - einem gefestigten demokratischen Staatswesen - verfolgt würden. Aus dem Umstand, dass die Polizei der Heimatstadt der Beschwerdeführerin eine Verfolgung abgelehnt habe, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Beschwerdeführerin nicht in anderen Teilen Ghanas die Möglichkeit gehabt hätte, die befürchteten Übergriffe hintan zu halten.
Die Beschwerdeführerin habe ferner die Möglichkeit gehabt, sich in Ghana außerhalb ihrer Heimatregion aufzuhalten und eine neue Existenz aufzubauen. Dass die Beschwerdeführerin dies deshalb nicht getan habe, weil sie in einer Art von Aberglauben der Meinung gewesen sei, auf Grund irgendeiner Medizin doch aufgefunden zu werden, entbehre jeder Logik und erscheine nicht relevant.
Da die von der Beschwerdeführerin dargestellte Bedrohung nicht dem Staat zurechenbar sei, beruhe die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat offensichtlich nicht auf den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Ghana aus einem der im § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG genannten Gründe bedroht würde, bestünden nicht.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hob die Beschwerdeführerin hervor, dass sie keine Angst vor direkter staatlicher Verfolgung habe. Die Erstbehörde hätte aber ermitteln müssen, ob Ghana gegen religiös motivierte Verfolgung von Dritten ausreichend Schutz gewähre. "Offensichtlichkeit" im Sinne des § 6 AsylG sei nicht gegeben. Das Argument der innerstaatlichen Fluchtalternative sei ohne entsprechende Ermittlungen zu ihrem Fall auch nicht stichhältig genug, um "eine Abweisung gemäß § 8 AsylG" zu rechtfertigen.
Unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 6 Z 2 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG (neuerlich) aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ghana zulässig sei.
Auch die belangte Behörde sah das Vorbringen der Antragstellerin zu ihren Fluchtgründen als glaubhaft an und verwies hinsichtlich der Allgemeinsituation in Ghana auf die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, für die Auswahl der Antragstellerin als künftige Priesterin durch die Angehörigen des Kultes seien ausschließlich deren Geschlecht und Alter, also nicht asylrelevante Kriterien ausschlaggebend gewesen. Geschlechts- oder altersspezifische Verfolgungen oder Übergriffe könnten nicht unter den Verfolgungsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention subsumiert werden. Mangels jeglichen asylrelevanten Zusammenhanges mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe sei der Asylantrag gemäß § 6 Z 2 AsylG abzuweisen.
Überdies könnte eine von Privatpersonen ausgehende Bedrohung nicht unter die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention subsumiert werden, es sei denn, derartige Übergriffe durch Private, die auf Verfolgungsgründen der Konvention basieren, würden vom Staat "gebilligt". Die ghanesische Regierung und auch diverse mit ihr zusammenarbeitende "NGOs" seien bemüht, derartig kultisch motivierte Auswahlriten bzw. deren Auswirkungen zurückzudrängen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Heimatstaat der Beschwerdeführerin nicht in der Lage wäre, die behaupteten Verfolgungsmaßnahmen zu verhindern, weshalb auch eine Gefährdung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat
1. sich dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht oder
2. die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zurückzuführen ist oder
3. das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht oder
4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts trotz Aufforderung nicht mitwirken oder
5. im Herkunftsstaat auf Grund der allgemeinen politischen Verhältnisse, der Rechtslage und der Rechtsanwendung in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründen besteht.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde zu dieser Bestimmung ausgeführt, ein Asylantrag solle "nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden kann". Die Regelung orientiere sich an der Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften über offensichtlich unbegründete Asylanträge vom 30. November und 1. Dezember 1992, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet gelte, wenn eindeutig keines der wesentlichen Kriterien der FlKonv erfüllt sei; dies sei nach dieser Entschließung der Fall, wenn die Behauptung des Asylwerbers, in seinem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehre oder der Antrag zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung beruhe oder einen Missbrauch des Asylverfahrens darstelle. In diesem Sinne sei auch im Beschluss Nr. 28 (XXXIII) des UNHCR-Exekutivkomitees (1982) ausgeführt worden, es sollten Überlegungen angestellt werden, um zu gewährleisten, dass derartige Entscheidungen nur getroffen würden, wenn der Antrag in betrügerischer Absicht gestellt worden sei oder sich nicht auf die in der FlKonv festgelegten Kriterien für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft beziehe. In Bezug auf § 6 Z 4 AsylG wird in den Erläuterungen noch hervorgehoben, "vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck dieser Bestimmung" sei sie nur dann heranzuziehen, wenn die Verweigerung der Mitwirkung den Schluss zulasse, dass der Asylantrag missbräuchlich gestellt worden sei (686 BlgNR 20. GP 19).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung u.a. betont, die für ein Vorgehen nach § 6 AsylG in Betracht kommenden Fälle seien in Z 1 bis 5 dieser Bestimmung abschließend aufgezählt (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0294). So stehe etwa die Verwirklichung eines Ausschlussgrundes nach Art. 1 Abschnitt F FlKonv einer Asylgewährung nach den §§ 7 und 13 Abs. 1 AsylG zwingend entgegen; für die Abweisung eines Asylantrages gemäß § 6 AsylG könne sie aber auch dann nicht herangezogen werden, wenn sie offensichtlich sei. Die Annahme, letzteres sei der Fall, solle demnach nicht zu einem abgekürzten Berufungsverfahren führen und auch der Zuerkennung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs. 2 AsylG nicht entgegenstehen (Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/20/0196). Es sei aber auch nicht erkennbar, dass etwa die Annahme einer "innerstaatlichen Fluchtalternative" von einem der im Gesetz normierten Tatbestände erfasst sei (Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0273; vgl. in diesem Zusammenhang auch das Positionspapier des UNHCR zu der erwähnten Entschließung vom 30. November und 1. Dezember 1992). Schon zuvor war ausgeführt worden, die Annahme einer inländischen Fluchtalternative oder ausreichenden staatlichen Schutzes vor einer von Privatpersonen ausgehenden Verfolgungsgefahr seien Begründungsteile, die "nur unter dem Gesichtspunkt einer Prüfung gemäß § 7 AsylG Bedeutung" hätten (Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0197; soweit spätere Erkenntnisse, mit denen auf § 6 AsylG gestützte Bescheide bestätigt wurden, sich vereinzelt auch auf solche Begründungselemente beriefen, wurden über deren Tauglichkeit unter dem Gesichtspunkt der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 AsylG keine Aussagen getroffen).
Zu der - allen Fällen des § 6 AsylG gemeinsamen - Voraussetzung des Fehlens eines "sonstigen Hinweises auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat" hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, sie stehe etwa der Heranziehung des § 6 Z 4 AsylG entgegen, wenn das schon erstattete Vorbringen derartige Hinweise enthalte (Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zlen. 98/20/0508, 0509). Bei Vorliegen eines im Sinne des § 6 Z 3 AsylG tatsachenwidrigen Vorbringens könne die genannte Voraussetzung zwar in der Regel nicht auf (andere) Teile des Vorbringens zu beziehen sein, weil das Vorbringen einer Gesamtwürdigung am Maßstab des § 6 Z 3 AsylG zu unterziehen sei (Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0446; vgl. auch das Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 99/20/0310, zum Erfordernis der Einbeziehung behaupteter Nachfluchtgründe). Sie könne bei einem zur Gänze unglaubwürdigen Vorbringen zu einer Bedrohungssituation aber unter dem Gesichtspunkt des Amtswissens um die allgemeine Lage im Heimatland des Asylwerbers einer Abweisung des Antrages als offensichtlich unbegründet entgegenstehen; mit Rücksicht auf den Maßstab einer "mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossenen" Verfolgungsgefahr sei dies auch dann der Fall, wenn der aus einem insgesamt relativ kleinen Gebiet stammende Asylwerber nicht aus dem Teilgebiet komme, für das eine Gruppenverfolgung bereits notorisch sei (Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 98/01/0253). Zu § 6 Z 2 AsylG wurde ausgeführt, ein vorrangig auf unmenschliche Haftbedingungen gestütztes Vorbringen könne einen beachtlichen "Hinweis" auf eine nicht unmittelbar vom Staat ausgehende, dem Asylwerber in Freiheit drohende Verfolgungsgefahr enthalten (Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/20/0196). Die Heranziehung der Rechtsfigur der "inländischen Fluchtalternative" im Rahmen einer auf § 6 AsylG gestützten Entscheidung wurde auch unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens eines "sonstigen Hinweises" auf Verfolgungsgefahr als unzulässig erachtet (Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0273; diese Überlegung würde auch auf die Annahme staatlichen Schutzes vor einer von Privatpersonen ausgehenden Verfolgung zutreffen).
Hinsichtlich der im Einleitungssatz des § 6 AsylG geforderten Eindeutigkeit, des in § 6 Z 1 bis 3 AsylG jeweils enthaltenen Tatbestandsmerkmals "offensichtlich" und des in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erwähnten Wahrscheinlichkeitsmaßstabes hat der Verwaltungsgerichtshof - abgesehen von der schon erwähnten Schlussfolgerung auf die Anforderungen an den "sonstigen Hinweis" -
u.a. hervorgehoben, aus dem persönlichen Eindruck allein lasse sich die erforderliche "Offensichtlichkeit" nicht ableiten (Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0392). Auch bei groben Wissenslücken über die behauptete Heimatregion sei darauf zu achten, dass es auf die "offensichtliche" Unwahrheit der Behauptungen ankomme (Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0398). Die "schlichte" Unglaubwürdigkeit sei im Zusammenhang mit § 6 Z 3 AsylG kein entscheidungswesentliches Begründungselement. Im Rahmen des Kalküls des § 6 (Z 2) AsylG könne der Umstand, dass eine Asylwerberin "bloß vermutet" habe, aus einem bestimmten der nach der FlKonv maßgeblichen Gründe vergewaltigt worden zu sein, ohne Bedeutung sein (Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0273; zur "schlichten" Unglaubwürdigkeit im Zusammenhang mit der Würdigung anderer Vorbringensteile gemäß § 6 Z. 2 AsylG vgl. das Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0294).
Allgemein wurde ausgesprochen, ein Fall, dessen Prüfung die Beurteilung komplexer asylrechtlicher Zusammenhänge erfordere, sei nicht unter § 6 AsylG subsumierbar (Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/20/0196, und vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0273; vgl. auch insoweit die Ausführungen zur "inländischen Fluchtalternative" in dem schon erwähnten Positionspapier des UNHCR zur Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften vom 30. November und 1. Dezember 1992).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, sie habe das ihr angetragene Priesteramt eines Schreinskultes - derartige Kulte sind nach den zur Verfügung stehenden Länderberichten die typische Ausdrucksform der traditionellen Religionen, denen etwa 30 Prozent der Bevölkerung Ghanas angehören sollen - abgelehnt, weil sie Christin sei. Sie befürchte Verfolgung durch die Anhänger dieses Kultes, da ihr die Priesterschaft mitgeteilt habe, man müsse sie nach dieser Ablehnung des Priesteramtes töten, um die Götter zu besänftigen. Davor habe ihr die Polizei keinen Schutz gewährt. In der Berufung hat die Beschwerdeführerin u.a. ausgeführt, sie mache keine politische, sondern eine religiös motivierte Verfolgung geltend, und für eine Entscheidung gemäß § 6 AsylG fehle es (jedenfalls) an der "Offensichtlichkeit".
Die belangte Behörde hält dem entgegen, die Beschwerdeführerin sei seitens der Kultangehörigen nicht nach asylrelevanten Kriterien ausgewählt worden. Für die Auswahl seien nach ihrem Vorbringen "ausschließlich ihr Geschlecht und ihr Alter, also nicht asylrelevante Kriterien," maßgeblich gewesen, weshalb ihr Antrag "mangels jeglichen Zusammenhanges" mit einem der in der FlKonv genannten Gründe gemäß § 6 Z 2 AsylG abzuweisen gewesen sei. Mit der Formulierung, es fehle "jeglicher Zusammenhang" (gemeint vor allem: mit dem in der FlKonv genannten Verfolgungsgrund der Religion), will die belangte Behörde wohl auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Eindeutigkeit und der Offensichtlichkeit im Einleitungssatz des § 6 AsylG und in § 6 Z 2 AsylG Bezug nehmen.
Schon der Hinweis auf das Geschlecht des Asylwerbers als "asylrechtlich nicht relevantes Kriterium" ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Allgemeinheit nicht angebracht. Zu dieser - im vorliegenden Fall nicht verfahrensgegenständlichen -
Frage kann etwa auf die bei Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Rz 406, im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten "sozialen Gruppe" zitierten Literaturstellen verwiesen werden. Ein Vorbringen, mit dem geschlechtsspezifische Verfolgungen geltend gemacht würden, wäre keinesfalls unter § 6 Z 2 AsylG subsumierbar (vgl. zu den für das Verständnis des Begriffs der "sozialen Gruppe" in Betracht kommenden Ansätzen auch das Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0197).
Die belangte Behörde lehnt sich mit ihrer Formulierung an fallgruppenspezifische Entscheidungen zu Zwangsrekrutierungen durch Bürgerkriegsparteien an (vgl. etwa das zum AsylG 1991 ergangene Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 95/20/0332: "eine Verfolgung, die ausschließlich aus dem Geschlecht und dem Alter ... resultiert"). Schon im Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0077, hat der Verwaltungsgerichtshof von der Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei aber die Verfolgung unterschieden, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung, auf Grund deren sich der Verfolgte der Zwangsrekrutierung entzogen hat, anknüpft (vgl. in diesem Sinn zum AsylG 1997 etwa das Erkenntnis vom 26. November 1998, Zlen. 98/20/0309, 0310). Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung selbst kommt es in einem solchen Fall nicht mehr an (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 15. Februar 2001, Zl. 99/20/0103).
In diesem Sinn hätte sich die belangte Behörde, wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, nicht mit der Wahl der Beschwerdeführerin zur Priesterin, sondern mit der behaupteten Verfolgung wegen ihrer Weigerung, diese Wahl anzunehmen, auseinander zu setzen gehabt. Dass eine religiösen Zwecken (der Besänftigung der Götter) dienende Verfolgung (Opferung) wegen der Weigerung, die Nachfolge in einem Priesteramt anzutreten, "offensichtlich nicht" auf einen der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zurückzuführen sei, lässt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall nicht behaupten (vgl. in diesem Zusammenhang auch das bereits mehrfach zitierte Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0273, zu einem vom Opfer bloß vermuteten Zusammenhang zwischen seiner Vergewaltigung und seiner Religionszugehörigkeit).
Das Zusatzargument der belangten Behörde, die Verfolgung gehe von Privatpersonen aus, ist nicht geeignet, eine auf § 6 AsylG gestützte Entscheidung zu tragen (vgl. dazu das schon erwähnte Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0197, und die dargestellten Überlegungen im Zusammenhang mit dem "sonstigen Hinweis"). Ergänzend ist aber anzumerken, dass die von der belangten Behörde der asylrechtlichen Beurteilung des Falles unter Hinweis auf ältere Entscheidungen zum FrG - uneingeschränkt - zugrunde gelegte Auffassung, die Verfolgung müsse vom Staat "gebilligt" werden, um asylrelevant zu sein, u.a. mit dem hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zl. 99/20/0208, schon ausdrücklich als rechtswidrig eingestuft wurde.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Mai 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000200496.X00Im RIS seit
02.08.2001