TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/31 2001/20/0054

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Veröffentlicht am 31.05.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des A N in Reutte, geboren am 21. September 1975, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. November 2000, Zl. 216.445/4-VIII/22/00, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 6 Z 1 und 3 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, kam am 27. Februar 2000 nach Österreich und stellte am 31. März 2000 einen Asylantrag. Er begründete diesen bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 10. April 2000 damit, nach Teilnahme an einem Religionsunterricht im Iran vom moslemischen zum christlichen Glauben übergetreten zu sein.

Mit Bescheid vom 10. April 2000 wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 6 Z 1 und 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einem (beabsichtigten) Glaubenswechsel geschilderten Umstände entsprächen offensichtlich nicht den Tatsachen. Ein bloß inneres Vorhaben, seinen Glauben zu wechseln, werde "gewisslich auch im Iran" nicht bestraft.

In der dagegen erhobenen Berufung schilderte der Beschwerdeführer die näheren Umstände seiner Konversion im Iran und gab an, die Namen der Teilnehmer an dem Religionsunterricht seien in Listen eingetragen worden. Der Beschwerdeführer habe sich unter falschem Namen eintragen lassen. In der Folge sei jedoch ein Teilnehmer an dem Religionsunterricht, der die wahre Identität des Beschwerdeführers gekannt habe, von der Polizei verhaftet worden. Deshalb müsse der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass sein Name der Polizei bekannt sei und dass nach ihm gesucht werde.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am 12. Mai 2000 schilderte der Beschwerdeführer Details der christlichen Glaubenslehre, die näheren Umstände des behaupteten Religionsunterrichts sowie jene Zusammenhänge, die befürchten ließen, dass er von den iranischen Behörden wegen der Teilnahme an dem Religionsunterricht und der (bevorstehenden) Konversion zum Christentum gesucht werde.

In ihrem - den erstinstanzlichen Bescheid aufhebenden - Bescheid vom 12. Mai 2000 erachtete die belangte Behörde die Aussagen des Beschwerdeführers als von offensichtlichen Widersprüchen frei und brachte zum Ausdruck, dass sie von dem Beschwerdeführer "keinen eindeutigen Eindruck gewinnen" habe können. Wenn auch ein gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprechendes "gesteigertes Vorbringen" vorliege und auch sonst gewisse Anhaltspunkte sowohl für als auch gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprächen, so könne doch davon ausgegangen werden, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht offensichtlich unglaubwürdig sei. Dass im Iran Missionierungen von Moslems und auch Missionierungsversuche sowie auch die Teilnahme von Moslems an einem christlichen Religionsunterricht eine nicht unerhebliche Verfolgungsgefahr mit sich brächten, werde als amtsbekannte Tatsache angesehen. Der Asylantrag entbehre daher nicht eindeutig jeder Grundlage, weshalb der angefochtene erstinstanzliche Bescheid aufgehoben werde und die erstinstanzliche Behörde gemäß § 7 AsylG zu prüfen habe, ob dem Asylantrag ein glaubwürdiges Vorbringen zu Grunde liege bzw. ob er "tatsächlich begründet oder im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes 'schlicht' unbegründet" sei.

Bei seiner ergänzenden Einvernahme im fortgesetzten erstinstanzlichen Verfahren am 28. Juni 2000 gab der Beschwerdeführer, der sich bei seinen Aussagen in gravierende Widersprüche verstrickt hatte, Folgendes an:

"Ich habe bei meiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt in Innsbruck und bei meiner Einvernahme vor dem unabhängigen Bundesasylsenat in Wien nicht die volle Wahrheit gesagt. Ich habe zum Teil falsche Angaben gemacht, weil ich nicht zurück in meine Heimat will.

Ich möchte jetzt angeben, dass ich nie bei einem christlichen Religionslehrer Religionsunterricht erhalten habe. Es hat nie eine Gruppe von Moslems und Christen gegeben die unterrichtet wurden. Ich wurde in meiner Heimat nie in irgendeiner Weise von staatlicher Seite verfolgt. Ich bin in meiner Heimat nicht vorbestraft, wurde nie festgenommen und hatte auch sonst nie Probleme mit Behörden in meiner Heimat."

Richtig sei einzig, dass er über einen Freund Gefallen am christlichen Glauben gefunden und den Entschluss gefasst habe, im Ausland zu konvertieren, weil dies in seiner Heimat nicht erlaubt sei. Der zweite Grund, seine Heimat verlassen zu haben, sei sein Wunsch, im Ausland zu studieren. Außer seinem Freund wisse in seiner Heimat niemand etwas von seinem Interesse für das Christentum. Müsse der Beschwerdeführer in seine Heimat zurückkehren, hätte er von staatlicher Seite nichts zu befürchten, weil er nie etwas angestellt habe und sein Interesse für den christlichen Glauben eine reine Privatsache sei, von der - wie erwähnt - niemand etwas wisse.

Mit Bescheid vom 1. August 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 1 und 3 AsylG wiederum als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Es stehe fest, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht der Wahrheit entsprächen. Seine "Geschichte" sei frei erfunden. Sein Asylantrag beruhe auf einer vorsätzlichen Täuschung.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe sein bisheriges Vorbringen zur Gänze als unrichtig bezeichnet; dies entspräche aber nicht den Tatsachen. Sein Interesse für die christliche Religion sei im Iran seiner Familie und seinem näheren Freundeskreis bekannt gewesen. Er habe zum Christentum konvertieren wollen. Da dies im Iran nicht möglich bzw. mit größten Gefahren für das Leben und die Sicherheit verbunden sei, habe er sich entschlossen, den Iran zu verlassen. Er habe im Ausland studieren und insgesamt ein freies Leben führen wollen. Seine Mutter habe ihm zwischenzeitig aus dem Iran telefonisch mitgeteilt, dass die iranischen Behörden von seinem geplanten Religionswechsel informiert worden seien und nach ihm gesucht hätten.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am 7. November 2000 gab der Beschwerdeführer an, er würde nach seiner Rückkehr in den Iran sofort festgenommen und wegen seines im Begriffe befindlichen Glaubenswechsels bestraft werden. Die gegenteiligen Angaben in der amtsinternen Dokumentation "Zur Verfolgung vom Islam Abgefallener", verfasst von einem Mitglied der belangten Behörde, entsprächen nicht den Tatsachen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß §§ 6 und 8 AsylG ab.

Ihren Feststellungen über die Verfolgung von Konvertiten im Iran legte die belangte Behörde die erwähnte Dokumentation zu Grunde, die folgenden Wortlaut hat:

"Im Iran leben ungefähr 200.000 Christen unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Die meisten der 10.000 bis 15.000 protestantischen Christen im Iran bedienen sich auch in ihrer Kirche der offiziellen Landessprache Farsi und bemühen sich, die Bibel und andere christliche Texte in Farsi zu verbreiten. Zu Tradition und Selbstverständnis dieser Kirche gehört die Missionstätigkeit und damit auch die Missionierung des Islam (amnesty international, asyl-info 5/99, Seite 45).

In den Monaten nach der Revolution erfolgte eine extensive Verfolgung der protestantischen Geistlichkeit, welche sich in den 90er Jahren intensivierte. Es gibt aus dem Zeitraum 1990 - 1996 Berichte über lange Inhaftierungen, Verschwinden und Tötungen protestantischer Pastoren (Human Rights Watch Country Reports, Iran, Religious and Ethnic Minorities - Discrimination in Law and Practice, Sept. 1997).

Im Länderbericht 1988 des U.S. State Department wird berichtet, dass die zugelassenen religiösen Minderheiten (Juden, Christen und Zoroastrier) ihre Religion ausüben dürfen, dass aber in verschiedenen öffentlichen Bereichen wie zB der Beschäftigung und der öffentlichen Unterkünfte eine staatliche Diskriminierung gegenüber Moslems, die zum Christentum konvertierten, stattfindet (UNHCR REFWORLD, Country Information, Auskunft Nr. 1989/12/00 und 1990/02/00 des Immigration and Refugee Board Documentation Centre Ottawa). Die Tätigkeit christlicher Gruppen und Gemeinden ist zwar verfassungsmäßig erlaubt, wird jedoch in der Praxis streng überwacht. Insbesondere Konvertiten und missionarisch tätige Christen sind gefährdet, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. Eine Missionstätigkeit führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen. Insbesondere wenn die Konversion öffentlich wird, d.h. die Konvertiten missionarisch tätig sind, kann dies die härteste Sanktion bis hin zu Todesstrafe nach sich ziehen. Hingegen wird die private Konversion, die keine Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet, von den iranischen Behörden mitunter stillschweigend geduldet (ai Bonn, 15.08.1996).

Konvertiten zum Christentum haben besonders mit Schikanen und/oder Exekution zu rechnen. Es gibt zahlreiche Berichte über Bedrohungen und Folter bekannter Konvertiten und über die Exekution mehrerer Pastoren wegen Apostasie (UNHCR, Background Paper on Refugees and Asylum Seekers from Iran, Mai 1997).

AI sind in den vergangenen zwei bis drei Jahren keine neuen Fälle von Verfolgungsmaßnahmen der iranischen Behörden gegen Personen, die im Iran vom islamischen zum christlichen Glauben konvertiert sind, bekannt geworden. Die Sanktionen für Apostasie reichen von beruflichen Behinderungen, Mordanschlägen bis hin zur Gefahr einer Verurteilung zu langer Freiheitsstrafe oder gar zur Todesstrafe. Missionarisch tätige Konvertiten sind in besonderem Maße gefährdet, wegen Apostasie zu einer hohen Freiheitsstrafe oder sogar zum Tode verurteilt zu werden. Es erscheint AI möglich, dass bereits durch die Teilnahme an einem Gottesdienst in persischer Sprache ein erhöhtes Risiko besteht, Opfer staatlicher Zwangsmaßnahmen zu werden. Der Ort des Glaubensübertrittes spielt keine Rolle. Einige der Geistlichen, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert (ai Bonn vom 2.2.1999).

Den von der Akteneinsicht ausgenommenen Berichten des dt. auswärtigen Amtes ist zu entnehmen, dass Mitglieder der religiösen Minderheiten, denen zum Christentum konvertierte Moslems angehören und die selbst Missionierungsarbeit betreiben, der Gefahr staatlicher Verfolgung ausgesetzt sind. Die Maßnahmen richten sich bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive, nicht aber gegen einfache Gemeindemitglieder. Es finden im Iran zur Zeit sogar offizielle Gottesdienste von christlichen Gemeinden in persischer Sprache statt. Repressalien wären in diesen Fällen dann denkbar, wenn in den Predigten zum Abfall vom Islam aufgerufen würde und zunehmend Moslems zum christlichen Glauben übertreten. Voraussetzung für eine Gefährdung eines Konvertiten ist, dass die Konvertierung zum Christentum iranischen Stellen bekannt ist und diese auch ein Interesse an dem Betreffenden haben. Es sind Fälle bekannt, bei denen konvertierte Moslems problemlos im Iran leben konnten, wogegen in anderen Fällen wiederum Konvertiten hart bestraft wurden. Es spielt jedenfalls keine Rolle, ob der Betreffende erst im Ausland Mitglied einer christlichen Gemeinde geworden ist (Deutsches Auswärtiges Amt vom 25.01. und 20.04.1999).

Keines der derzeit gültigen Gesetze enthält eine Strafbarkeit für Apostasie. Die Strafbarkeit der Apostasie ist jedoch übereinstimmende islamische Meinung. Der Abfall vom Glauben hat nämlich neben der rein religiösen eine vorrangige politische Dimension, die ihm erst die Todeswürdigkeit verleiht. Es findet sich in den Artikeln 198 ff. unter dem Oberbegriff des 'Verderbens auf Erden' eine Strafdrohung gegen diejenigen, die den Sturz der islamischen Regierung betreiben und deren Sympathisanten, wobei der Tatbestand sehr weit gefasst ist. (ai Bonn, 15.08.1996; Deutsches Orient-Institut vom 2.8.1992 und 11.9.1994). Da die Strafdrohung für den Abfall vom Islam mit einer persönlichen Gewissensentscheidung nichts zu tun hat, wird allein die Tatsache der Konversion nach Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts keine behördlichen Maßnahmen nach sich ziehen. Erst wenn sich die politischen Machthaber etwa durch eine nicht gänzlich unbeträchtliche Missionsarbeit in ihrer Vorrangstellung bedroht fühlen könnten, wäre möglicherweise die Grenze zur politischen Strafbarkeit überschritten. Die Tatsache, dass die Konversion im Ausland erfolgte, kann allenfalls eine Vermutung dafür begründen, dass mit ihr an der politischen Vorherrschaft der Muslime im Iran wirklich nicht im Geringsten gerüttelt werden soll. Der eigenständigen religiösen Überzeugung einer Frau wird im gegenwärtigen Iran im Allgemeinen keinerlei Bedeutung zugemessen, da sie auch in geistig-seelischer Hinsicht nur als 'Annex' des Mannes gilt. Dass vom Abfall vom Islam erst und nur dann gesprochen werden kann, wenn dieser sich als Hoch- oder Landesverrat oder sonst als Infragestellung des politischen Machtanspruches der Muslime darstellt, verdeutlicht beispielhaft die staatliche Polemik gegen die Bahais, die seitens der iranischen Staatsorgane immer als politische Verschwörer bezichtigt werden. Sofern ein Konvertit nicht missioniert oder sonst Aktivitäten entfaltet, die auf eine Verbreitung der christlichen Religion zielen, dürfte er allein wegen der Ausübung der christlichen Religion seitens des Staates nichts zu befürchten haben (Deutsches Orient Institut vom 2.8.1992 und 11.9.1994).

Eine von Schweden entsandte Untersuchungskommission hat sich 1996 mit Vertretern der iranischen Regierung, verschiedener christlicher Kirchen, Journalisten, Vertretern des UNHCR, Anwälten sowie mit Angehörigen der schwedischen und anderer Botschaften in Teheran getroffen und die Lage der Christen im Iran, und zwar sowohl originärer als auch Konvertiten, untersucht. Nach den übereinstimmenden Informationen christlicher Gemeinden im Iran sind Personen, die sich zur Begründung ihres Asylantrages auf ihre Konversion berufen haben und danach in den Iran zurückgeführt werden, nicht wirklich verfolgungsgefährdet. Man findet im Iran Personen, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind und an religiösen Aktivitäten teilnehmen, ohne dass die iranischen Behörden einschreiten. Ein im Ausland vollzogener Glaubensübertritt wird als 'technische', auf die Asylanerkennung ausgerichtete Handlung angesehen, sodass der Betreffende, wenn er in sein Heimatland zurückgeschickt wird, nicht Gefahr läuft, ernsthaft beeinträchtigt zu werden. Die im Iran weit verbreitete Praxis der 'Taqieh', nach der die Täuschung zur Erreichung eines Zwecks erlaubt ist, zeigt sich sehr großzügig gegenüber einer Täuschung, die bestimmte Verhaltensweisen bedingen, um z.B. in einem westlichen Land Asyl zu bekommen (Mitteilung der Schwedischen Delegation an die CIREA-Gruppe 1997).

Es gibt im Ministerium für Islamische Führung eine für Konvertiten zuständige Stelle, doch gehen die iranischen Behörden in aller Regel gegen Konvertiten, die einer in der Verfassung aufgezählten Minderheitenkirche beitreten, nicht direkt vor. Diskriminierungen finden allerdings statt. Sowohl auf den Abfall vom Islam als auch auf die Anstiftung hiezu steht grundsätzlich die Todesstrafe, die allerdings in lebenslange Haft umgewandelt werden kann. Gegen Täufer wird im Allgemeinen strenger vorgegangen als gegen Täuflinge. Es gibt bei solchen Fällen eine Verhandlung, bei der die üblichen Beweismittel gelten und insbesondere das Geständnis eine zentrale Rolle spielt. Der Angeklagte kommt in aller Regel ohne Bestrafung davon, wenn er sich im Zuge der Voruntersungen in der Verhandlung reuig zeigt und sich wieder zum Islam bekennt. Insbesondere wird es akzeptiert, wenn er vorbringt, als Folge eines Irrtums oder einer Täuschung vom Islam abgefallen zu sein (Auskunft der Österreichischen Botschaft Teheran vom 21.04.1999, Zahl T6.71/45/99)."

In ihrer Beweiswürdigung hiezu ging die belangte Behörde davon aus, dass die in dieser Dokumentation genannten Quellen "bei oberflächlicher Betrachtung hinsichtlich der bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigenden Kriterien voneinander nicht unerheblich abweichen." Die genannten Quellen ließen sich gleich wohl in Einklang bringen, wenn man diese "Kriterien als Erscheinungsform eines übergeordneten Musters" verstehe, nach dem es - wie es das Deutsche Orient-Institut klar zum Ausdruck bringe -

maßgeblich darauf ankomme, ob die Konversion nach Ansicht der iranischen Behörden einen politischen Charakter aufweise. Die belangte Behörde stellte in diesem Zusammenhang Folgendes fest:

"Ein im Stillen vollzogener Glaubenswechsel stört die iranischen Machthaber nicht; anderes gilt hingegen, wenn sie darin einen Angriff auf das (politische) Prinzip, dass der Islam Grundlage des iranischen Staates ist, erblicken. Daher ist eine Gefährdung umso eher anzunehmen, je mehr davon auszugehen ist, dass der neue Glaube in der nicht christlichen iranischen Öffentlichkeit (d.h. etwa außerhalb der - vom Regime grundsätzlich geduldeten - christlichen Gottesdienste) präsentiert wird, was die in mehreren dargestellten Berichten erwähnte Gefährdung von missionarisch tätigen Personen ebenso erklärt wie die sich aus den Papieren des Deutschen Auswärtigen Amtes bzw. UNHCR ergebenden Übergriffe gegen Kirchenführer und andere in der Öffentlichkeit besonders aktive Kirchenmitglieder. Aus diesem Konzept erklärt sich auch die in der Mitteilung der Schwedischen Delegation an CIREA getroffene Aussage, die iranischen Behörden betrachteten im Ausland vollzogene Glaubensübertritte grundsätzlich bloß als auf die Anerkennung als Flüchtling gerichtete und somit 'technische' Handlungen: einen zum Zwecke der Asylerlangung vollzogenen Glaubenswechsel - die Asylantragstellung wird von den iranischen Behörden nicht als ein politischer Akt angesehen - ... fehlt die politische Dimension."

Zur Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass dieser sich bei seinen insgesamt vier Vernehmungen in - näher dargestellte - auffallende Widersprüche verwickelt und auch selbst angegeben habe, die Unwahrheit gesagt zu haben. Die belangte Behörde habe vom Beschwerdeführer angesichts seines häufigen Auswechselns des Vorbringens, dem mehrmaligen Zugeben, die Unwahrheit gesagt zu haben, seiner zögerlichen Antworten und der oft ausweichenden Darstellungen "keinen glaubwürdigen Eindruck" gewinnen können.

Die belangte Behörde gelangte sodann zu folgender Beurteilung:

"Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Berufungsbehörde das Vorbringen des Berufungswerbers, dass ihm im Iran wegen seines Interesses am Christentum bzw. beabsichtigten Glaubenswechsels Verfolgung drohe, keinerlei Glaubwürdigkeit beimisst.

Dazu kommt noch - wie schon die Behörde erster Instanz zutreffend festgestellt hat - dass bloß innere Vorhaben, die nicht nach außen getreten sind bzw. ein Willen oder eine Absicht, die nicht zu entsprechenden Handlungen in der Außenwelt geführt hat, auch im Iran keine Sanktionen nach sich ziehen kann (was sinngemäß vom Berufungswerber auch bestätigt wurde). Die innere Abneigung eines Asylwerbers gegen ein herrschendes System oder die allgemein herrschenden politischen Verhältnisse ist jedoch nicht geeignet, Furcht vor Verfolgung objektiv zu begründen ...".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Behörde erster Instanz trotz des erwähnten aufhebenden Berufungsbescheides vom 16. Mai 2000 berechtigt war, eine weitere Entscheidung gemäß § 6 AsylG zu treffen,

"weil sich durch die Zurücknahme der wesentlichen Aussagen des Berufungswerbers in der Einvernahme vom 28.06.2000 der Sachverhalt wesentlich geändert hat.

Die Regelung des § 6 AsylG orientiert sich im Wesentlichen an der Entschließung der für die Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften über offensichtlich unbegründete Asylanträge vom 30.11. und 1.12.1992, wonach ein Asylantrag nur dann als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Behauptung des Asylwerbers, in seinem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehrt, der Asylantrag zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung beruht oder einen Missbrauch des Asylverfahrens darstellt. Wenn auch die Berufungsbehörde dem Berufungswerber keine vorsätzliche Täuschung der Behörde unterstellt, so fehlt dem Asylvorbringen doch offenbar jegliches glaubwürdiges Substrat.

(...)

Wie oben ausgeführt, ist das Vorbringen des Berufungswerbers über eine Verfolgungsgefahr von der Berufungsbehörde insgesamt als nicht glaubwürdig beurteilt worden (das gilt insbesondere auch für das zuletzt erstattete Vorbringen betreffend Nachforschungen der Pasderan nach dem Berufungswerber).

Aus dem bloßen inneren Willen, die Religion zu wechseln, lässt sich - wie bereits begründet - jedenfalls keine Verfolgungsgefahr ableiten.

Aus den Aussagen des Berufungswerbers in der Berufungsverhandlung des UBAS vom 07.11.2000 kann entnommen werden, dass der Berufungswerber nicht getauft wurde und auch noch gar keinen Taufunterricht durch die katholische Kirche erhalten hat, wobei die Berufungsbehörde an diesen Aussagen deswegen keine Zweifel hegt, weil es keinen Grund gibt, dass der Berufungswerber hinsichtlich dieser - für ihn nachteiligen Fakten - nicht die Wahrheit gesagt hat. Was die zweimalige Teilnahme an religiösen Vorträgen "amerikanischer Missionare" betrifft, so ist diesbezüglich nicht anzunehmen, dass dieser den iranischen Behörden bekannt wurde, weil diese Vorträge im Kreise anderer Taufwilliger bzw. der erwähnten Missionare erfolgte (...).

Selbst wenn der Berufungswerber getauft worden wäre, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass gerade im Fall des Berufungswerbers der erfolgte Glaubenswechsel von den iranischen Behörden nicht bloß als eine auf Asylanerkennung ausgerichtete Handlung betrachtete würde (...). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Taufe - aus welchem Grund auch immer - bekannt wird, begründet dies für sich allein kein maßgebliches Verfolgungsrisiko, weil die Tatsache der Konversion alleine - ohne Hinzutreten weiterer Momente (-) von den iranischen Behörden in der Regel nicht verfolgt wird (...)."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde bringt u.a. vor, die belangte Behörde habe aus den vorliegenden Berichten über die Behandlung von Konvertiten im Iran die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Sie hätte die Berufung nicht gemäß § 6 AsylG abweisen dürfen, weil ein Asylantrag eines iranischen Staatsbürgers aus den Gründen der Apostasie niemals offensichtlich unbegründet sein könne.

In ihrem Bescheid vom 16. Mai 2000 hat die belangte Behörde den bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. April 2000 zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides behoben. In der Begründung verwies sie darauf, dass der Asylantrag nach den Ergebnissen des Berufungsverfahrens nicht eindeutig jeder Grundlage entbehre und nicht offensichtlich unbegründet sei. Im fortgesetzten Verfahren werde die Behörde erster Instanz gemäß § 7 AsylG zu prüfen haben, "ob dem Asylantrag ein glaubwürdiges Vorbringen zu Grunde liegt bzw. ob er tatsächlich begründet oder ... ‚schlicht' unbegründet ist." Mit Bescheid vom 1. August 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers jedoch gemäß § 6 Z 1 und 3 AsylG wiederum als offensichtlich unbegründet ab.

Es kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, ob die Ansicht der belangten Behörde zutrifft, die Behörde erster Instanz sei - trotz des aufhebenden Berufungsbescheides vom 16. Mai 2000 - berechtigt gewesen, wiederum eine Entscheidung gemäß § 6 AsylG zu treffen, weil - worauf die Beschwerde im Ergebnis zutreffend hinweist - nach den Verfahrensergebnissen selbst dann, wenn eine solche Berechtigung gegeben wäre, die Voraussetzungen für eine offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags nicht vorliegen.

Nach § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat

1. sich dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht oder

2. die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist oder

3. das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht oder

4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts trotz Aufforderung nicht mitwirken oder

5. im Herkunftsstaat aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse, der Rechtslage und der Rechtsanwendung in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen besteht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, orientiert sich diese Bestimmung an der Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften vom 30. November und 1. Dezember 1992. Ein Asylantrag soll demnach "nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden kann". Die Aufzählung der für ein Vorgehen nach § 6 AsylG in Betracht kommenden Fälle in den Z 1 bis 5 dieser Bestimmung ist abschließend (vgl. das Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0273, mwN). In Bezug auf Entscheidungen nach § 6 AsylG ist nur die offensichtliche Unbegründetheit der Gegenstand des abgekürzten Berufungsverfahrens nach § 32 AsylG. Eine Berufung kann nicht mit der Begründung abgewiesen werden, dass der Asylantrag zwar nicht "offensichtlich", aber doch "unbegründet" sei (vgl. das Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175).

Die belangte Behörde hat dem - jedenfalls nicht unter die Z 1 des § 6 AsylG subsumierbaren - Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm drohe im Iran wegen seines Interesses am Christentum bzw. wegen seines Glaubenswechsels Verfolgung, "keinerlei Glaubwürdigkeit" beigemessen. Dabei ist sie jedoch nicht etwa von der Feststellung ausgegangen, schon die Absicht des Beschwerdeführers, vom Islam abzufallen, sei offensichtlich unwahr, sondern sie gelangte unter Zugrundelegung einer solchen Absicht anhand der erwähnten Dokumentation mit der Behörde erster Instanz zur Auffassung, eine solche Absicht könne als bloß inneres Vorhaben "auch im Iran keine Sanktionen nach sich ziehen".

Maßgeblich für die Beurteilung des gegenständlichen Asylansuchens ist aber nicht die Frage, ob ein solches inneres Vorhaben im Iran strafbar ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Strafe belegt zu werden, sodass für ihn die Verwirklichung dieses Glaubensübertritts nur bei Verlassen seines Heimatstaates ohne Furcht vor Verfolgung möglich war. Dass die Gefahr einer derartigen Bestrafung im Iran von vornherein auszuschließen wäre, kann den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten, einander teilweise widersprechenden Materialien aber keineswegs entnommen werden. Bei diesem Verständnis kann aber davon, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Sinne des § 6 AsylG eindeutig jeder Grundlage entbehre, weil es hinsichtlich der darin ins Treffen geführten Bedrohungssituation gemäß Z 3 dieses Paragrafen offensichtlich den Tatsachen nicht widerspreche, keine Rede sein.

Da sohin die belangte Behörde ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsauffassung den Asylantrag des Beschwerdeführers zu Unrecht im Instanzenweg gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen hat, musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001200054.X00

Im RIS seit

08.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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