TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/1 2001/19/0032

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Veröffentlicht am 01.06.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
FrG 1997 §10 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des am 21. Dezember 1988 geborenen M B in Wien, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 17/20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 2001, Zl. 308.389/16- III/11/01, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie sich aus dem den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnis vom 24. November 2000, Zl. 99/19/0212, ergibt, beantragte dieser am 21. August 1998 bei der Österreichischen Botschaft in Zagreb die erstmalige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Nachdem dieser Antrag mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Mai 1999 gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen worden war, weil sich der Beschwerdeführer nach sichtsvermerksfreier Einreise in Österreich aufhalte, wurde die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. September 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres im Wesentlichen aus, der Familiennachzug sei im Falle des Beschwerdeführers ausgeschlossen, weil eine "Zweckverfehlung" vorliege, da aus § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 eindeutig hervorgehe, dass der Familiennachzug ausschließlich auf Ehegatten und deren minderjährige Kinder beschränkt sei und der Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit der Großmutter bzw. mit dem Vormund" nicht vorgesehen sei.

Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem oben erwähnten Erkenntnis vom 24. November 2000 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof zunächst aus, dass zu Recht weder der Umstand, dass der Beschwerdeführer Enkel einer nach dem Akteninhalt bereits vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassenen Fremden sei, noch eine allfällige Vormundschaft seiner Großmutter für ihn zu einer Anwendung des § 21 Abs. 3 FrG 1997 geführt habe, weil der Beschwerdeführer jedenfalls nicht als "Kind" eines auf Dauer niedergelassenen Fremden im Verständnis des § 21 Abs. 3 FrG 1997 angesehen werden könne. Dennoch sei der Beschwerde Erfolg beschieden, weil die belangte Behörde nämlich - "das Fehlen eines Versagungsgrundes vorausgesetzt -" verpflichtet gewesen wäre, im Wege einer Ermessensentscheidung die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag ins Treffen geführten Gründe (Anwesenheit seiner Großmutter im Bundesgebiet) einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen Aufenthaltszweck (hier: des privaten Aufenthalts) zu subsumieren und in Anwendung der §§ 8 und 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer im Rahmen der Quote für Private eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen wäre.

Mit Bescheid vom 23. April 2001 wies der Bundesminister für Inneres die nach Aufhebung seiner früheren Entscheidung wieder offene Berufung des Beschwerdeführers neuerlich, und zwar diesmal gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997, ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte der Bundesminister für Inneres begründend aus, der Beschwerdeführer sei am 21. Dezember 1988 im ehemaligen Jugoslawien geboren, im Jahr 1996 als Achtjähriger sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und lebe seit seiner erfolgten Einreise im gemeinsamen Haushalt mit seiner Großmutter, der er nach einer Entscheidung des Zentrums für Sozialfürsorge der Republik Kroatien vom 17. August 1998 zur Obhut und Erziehung anvertraut worden sei. Seine Mutter sei "derzeit" auf Grund einer Saisonarbeitsbewilligung im Besitz einer bis zum 26. Mai 2001 gültigen Aufenthaltserlaubnis mit dem Aufenthaltszweck "Saisonarbeitskraft" und folglicherweise nicht niedergelassen im Sinne des FrG 1997. Es handle sich dabei nur um ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht und könne seine Mutter kein Recht einer Inlandsantragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ableiten. Der Vater des Beschwerdeführers sei nur in einem Zeitraum von Juni 1992 bis zum Mai 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. § 28 Abs. 2 FrG 1997 sei auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden, weil einerseits seine Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt und auch während seiner ersten sechs Lebensmonate im österreichischen Bundesgebiet über keinen Aufenthaltstitel verfügt habe. Darüber hinaus könne er andererseits auch keinen Rechtsanspruch im Sinne des § 28 Abs. 2 FrG 1997 über seinen Vormund, seine Großmutter, ableiten, zumal der Übertrag der Obhut und Erziehung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sei. Sein gegenständlicher Antrag sei als Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu werten und unterliege der Quotenpflicht im Sinne des § 18 FrG 1997. Seit 4. November 1999 sei der Beschwerdeführer an einer Adresse im 7. Wiener Gemeindebezirk aufrecht gemeldet. Er habe im

15. Wiener Gemeindebezirk die Volksschule besucht und besuche "derzeit" die öffentliche Hauptschule. Auch sein Vater habe in einer Stellungnahme auf den Schulbesuch des Beschwerdeführers in Wien verwiesen. Damit liege ein Versagungsgrund vor, weshalb dem Beschwerdeführer keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden könne. Gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK sei die Verweigerung des Aufenthaltstitels, sofern damit das Privat- und Familienleben des Antragstellers "angegriffen" würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele notwendig sei. Im Sinne der "damit geforderten Notwendigkeit" dürfe ein Aufenthaltstitel nicht verweigert werden, wenn die Auswirkung einer solchen Entscheidung auf die Lebenssituation des Fremden oder seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Nichterteilung des Aufenthaltstitels. Bei dieser Abwägung sei auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Antragstellers und seiner Familienangehörigen sowie die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen. Zwar bestünden durch den Aufenthalt des Vormundes des Beschwerdeführers in Österreich unabsprechbare familiäre Bindungen zum Bundesgebiet, wie sich das auch durch den vorübergehenden Aufenthalt seiner Mutter als Saisonarbeitskraft ergebe, doch könne diese kein Recht einer Inlandsantragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ableiten. Im Falle des Beschwerdeführers seien die öffentlichen Interessen zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele höher zu werten als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf seine Lebenssituation, zumal das Interesse an einem geordneten Fremdenwesen es erfordere, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollten, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhielten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/2000 lauten (auszugsweise):

"§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ... .

...

§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn

...

3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) oder Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtsvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;

...

§ 23.

...

(6) Eine weitere Niederlassungsbewilligung ist schließlich Fremden auf Antrag zu erteilen, die auf Dauer niedergelassen bleiben, aber bisher ... als Kind aus dem Grund des § 28 Abs. 2 keinen Aufenthaltstitel benötigten; ... .

...

§ 28. (1) Sofern die Bundesregierung zum Abschluss von Regierungsübereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt ist, kann sie zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, dass Gegenseitigkeit gewährt wird, vereinbaren, dass Fremde berechtigt sind, ohne Visum in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufhalten. ... .

(2) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten sechs Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege oder Erziehung des Kindes allein zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt jedoch nur solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem aus anderem Grund als wegen Verzichts der Mutter allein das Recht zur Pflege und Erziehung zukommt. ... .

...

(4) In Übereinkommen gemäß Abs. 1 ... kann unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vorgesehen werden, dass Fremden ein Aufenthaltstitel auch nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden kann."

Art. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, lautet:

"Artikel 1

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerke des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten."

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem oben erwähnten Erkenntnis vom 24. November 2000 ausgeführt hat, wertete die belangte Behörde schon bei ihrer mit dem erwähnten Erkenntnis aufgehobenen Entscheidung den Antrag des Beschwerdeführers zutreffend als solchen auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels, näherhin einer Erstniederlassungsbewilligung. Vor dem Hintergrund der Feststellungen des nunmehr angefochtenen Bescheides und des Beschwerdevorbringens gibt es keine Gründe, von dieser rechtlichen Beurteilung abzugehen, zumal auf den Beschwerdeführer, der nicht schon während seiner ersten sechs Lebensmonate nach Österreich gelangt ist, keinesfalls § 23 Abs. 6 iVm. § 28 Abs. 2 FrG 1997 anzuwenden sind.

Der Beschwerdeführer, nach seinem eigenen Vorbringen ein kroatischer Staatsangehöriger, bestreitet nicht die maßgebliche Feststellung der belangten Behörde, er halte sich im Anschluss an eine im Jahr 1996 erfolgte sichtvermerksfreie Einreise - eine solche war nach dem oben wiedergegebenen Abkommen BGBl. Nr. 487/1995 zulässig - weiterhin im Bundesgebiet auf.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Jänner 1999, Zl. 98/19/0229, mit näherer Begründung ausgeführt hat, ist für die Frage, ob der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 vorliegt, maßgebend, dass sich der Antragsteller im Anschluss an eine sichtvermerksfreie Einreise im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufhält, ohne dass er zwischenzeitig eine Berechtigung zum Aufenthalt auf Grund eines gewöhnlichen Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung oder aber eines Aufenthaltstitels oder eines Aufenthaltsvisums (Visum D) nach dem FrG 1997 erlangt hätte. Ob die sichtvermerksfreie Einreise bereits vor dem Inkrafttreten des FrG 1997 (am 1. Jänner 1998) erfolgt ist, ist für das Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 unerheblich.

Da der Beschwerdeführer nicht bestreitet, sich im Anschluss an eine sichtvermerksfreie Einreise im Bundesgebiet aufzuhalten - der Aufenthalt im Bundesgebiet wird vom Beschwerdeführer vielmehr ausdrücklich eingeräumt - und für die Ausstellung von Berechtigungen zum Aufenthalt an ihn vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens keine Anhaltspunkte bestehen, ist der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 wirksam geworden. Ist wie im vorliegenden Fall ein Versagungsgrund wirksam geworden, so ist die Erteilung einer Bewilligung nach § 8 Abs. 1 FrG 1997 ausgeschlossen.

Bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 gestützten Entscheidung hat eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen nicht zu erfolgen (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999). Es erübrigt sich deshalb, auf die diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde einzugehen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen steht der angefochtene Bescheid zum Vorerkenntnis vom 24. November 2000, Zl. 99/19/0212, nicht in Widerspruch, weil der Verwaltungsgerichtshof in der oben wiedergegebenen Begründung die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer im Rahmen einer Ermessensentscheidung in Anwendung der §§ 8 und 19 FrG 1997 ausdrücklich vom Fehlen eines Versagungsgrundes abhängig gemacht hatte.

Soweit der Beschwerdeführer weiters - sprachlich kaum verständlich - andeutet, die Versagung der Erstniederlassungsbewilligung stehe im Widerspruch zu "EU-Normen" bzw. "EU-Vorschriften für Ausländer", ist ihm zu entgegnen, dass Vorschriften der Europäischen Union, die die Anwendung des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 auf den Beschwerdeführer verbieten, nicht ersichtlich sind.

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen schließlich darlegen möchte, dass in seinem Fall besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG 1997 vorlägen, ist er darauf hinzuweisen, dass der Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung die im § 10 Abs. 4 FrG 1997 geschaffene Möglichkeit, unter näher umschriebenen Voraussetzungen trotz Vorliegens des in Rede stehenden Versagungsgrundes von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, nicht entgegen steht. Ein subjektives Recht auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs. 4 FrG 1997 besteht allerdings nicht. Eine Anwendung dieser Gesetzesbestimmung setzte nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Übrigen das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes voraus (vgl. auch hiezu das bereits mehrfach erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Wien, am 1. Juni 2001

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001190032.X00

Im RIS seit

25.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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