RS UVS Steiermark 1994/11/25 20.3-5/94

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Veröffentlicht am 25.11.1994
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Rechtssatz

Die die Schubhaft verhängende (nicht die Schubhaft vollziehende) Behörde veranlaßte die Übersetzung des an einen Rechtsbeistand gerichteten Briefes des Schubhäftlings, der von der die Schubhaft vollziehenden Behörde an sie übermittelt worden war. Sie hatte Kenntnis davon, daß der Brief an einen Rechtsbeistand adressiert war. In der Entscheidung vom 8.3.1994, G 112/93, hat der Verfassungsgerichtshof eine auf Stichproben reduzierte Überwachung des Briefverkehrs von Schubhäftlingen (ohne Beschlagnahme von Briefen) als zulässig erklärt, da dies eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie für die Verteidigung der Ordnung im Sinne des Artikel 8 Abs 2 EMRK notwendig ist. Diese ausnahmsweise Zulässigkeit - so führt der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter aus - erfährt jedoch eine wesentliche Einschränkung im Interesse der Wahrung des Briefgeheimnisses, bei Briefverkehr mit Behörden, mit Rechtsbeiständen, mit internationalen Organen für den Schutz der Menschenrechte sowie mit diplomatischen und konsularischen Vertretern ihres Heimatstaates.

Im konkreten Fall handelte es sich um einen Briefverkehr des Schubhäftlinges mit einem Rechtsbeistand. Durch die Adressierung des Briefes war dies der belangten Behörde bekannt. Der Umstand, daß keine Vollmachtsbekanntgabe bis zu diesem Zeitpunkt an die belangte Behörde stattgefunden hat, ändert an der Qualifikation und damit an der Zuordnung gemäß § 53 c Abs 5 VStG nichts. Folgt man nämlich dem Wortlaut des Abs 5 leg. cit. ..... und Rechtsbeiständen sowie ....... so ist darunter nicht nur der bereits mit Vollmacht ausgestattete Rechtsbeistand zu subsumieren, sondern sicherlich auch der Rechtsbeistand, der von einem Häftling schriftlich kontaktiert wird, um die Vollmacht in dieser Causa zu übernehmen. In einem derartigen Schreiben können auch vertrauliche Hinweise für den ins Auge gefaßten Rechtsvertreter enthalten sein und ist auch der Rechtsanwalt bei Nichtannahme des Mandates an seine berufliche Verschwiegenheitspflicht gebunden. Das Gesetz belegt im Wortlaut des § 53 c Abs 5 VStG (... und Rechtsbeiständen ...) das Wort Rechtsbeistand auch nicht mit einem Possesivpronomen. Somit ist davon auszugehen, daß der Briefverkehr mit Anwälten gemäß § 53 c Abs 5 VStG generell unter Schutz gestellt wird. Ein Öffnen und Lesen

(auch Übersetzen zum Lesen) solcher Briefe ist daher normalerweise überhaupt ungerechtfertigt, solange nicht begründeter Verdacht besteht, daß der privilegierte Kommunikationskanal zum Anwalt mißbraucht wird. Daß ein derartiger begründeter Verdacht bestehe, wurde während des gesamten Verfahrens von der belangten Behörde nicht vorgebracht.

Schlagworte
Fremdengesetz Maßnahmenbeschwerde Schubhaft Zurückweisung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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